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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Bericht zur Demonstration vor der Barnimer Ausländerbehörde

Am 8. Juni 2021 demon­stri­erte ‘Barn­im für alle‘ gemein­sam mit Geflüchteten des Land­kreis­es Barn­im und Freund*innen von Geflüchteten vor der Aus­län­der­be­hörde in Eber­swalde. Von 12 bis 16 Uhr waren ins­ge­samt 80 Men­schen vor Ort, um zu protestieren. Die Geflüchteten fühlen sich durch das ihrer Mei­n­ung nach belas­tende Asyl­sys­tem und die schlecht­en Lebens­be­din­gun­gen bedrängt. Die Geflüchteten haben oft Angst, sich gegen das lange, deprim­ierende Asylver­fahren auszus­prechen. Noch frus­tri­eren­der ist das Sys­tem der Dul­dung, das dafür sorgt, dass ein*e Geflüchtete*r nicht arbeit­en oder Deutschkurse besuchen kann und damit die Inte­gra­tion behindert.

 

Die Abschiebung eines Nige­ri­an­ers (Obi) am 26. Mai, der 22 Jahre im Barn­im lebte, schock­ierte die Barn­im-Geflüchteten sehr. Es ist offen­sichtlich, dass das Asyl­sys­tem nicht funk­tion­iert, son­dern das Leben von Geflüchteten zer­stört, die ohne­hin schon ver­let­zlich sind. Zur Kundge­bung reis­ten Men­schen aus ver­schiede­nen Über­gangswohn­heimen an. Sie sehen die Aktiv­itäten der Gruppe ‘Barn­im für alle‘ als Chance, aus der Iso­la­tion in den Wohn­heimen auszubrechen. Ein Geflüchteter aus dem Sudan meldete sich spon­tan zu Wort und sagte, dass sie eine Chance bekom­men wollen, zur Wirtschaft beizu­tra­gen: „Wir sind jung und stark und wir brin­gen eine andere Art von Erfahrung in die Arbeitswelt ein, gebt uns eine Chance“. Ein ander­er beschw­erte sich: „Wie lange wer­den wir in den Lagern schlafen, wir soll­ten die Sprache ler­nen und uns in die Gesellschaft inte­gri­eren können“.

 

Ein Höhep­unkt der Demon­stra­tion war eine Rei­he von weißen T‑Shirts, die auf dem Gelände aufge­hängt waren. Diese T‑Shirts sind uner­wün­schter Abfall aus ein­er Pack­sta­tion in Biesen­thal, die Hil­f­s­güter für Geflüchtete in Griechen­land ver­packt und ver­schickt. Die weiße Klei­dung wird aus­sortiert weil sie in den Lagern zu schnell schmutzig wird und für die Geflüchteten nicht gut genug ist. Es ist offen­sichtlich, dass den Behör­den bewusst ist, dass die Bedin­gun­gen in den Flüchtling­sun­terkün­ften unerträglich sind: „Wenn die Bedin­gun­gen für weiße Klei­dung so schmutzig und unhy­gien­isch sind, wie sieht es dann für die Men­schen aus, die dort leben müssen?“. Im Barn­im ist die Sit­u­a­tion nicht anders. Diese trau­ri­gen Lebens­be­din­gun­gen der Geflüchteten in den oft isolierten Unterkün­ften beklagten die Geflüchteten immer wieder und schlossen sich ein­er Kam­pagne an, die die Schließung der Lagers fordert. Barn­im-Geflüchtete und Die Gruppe ‚Barn­im für Alle‘ erk­lären ihre völ­lige Ablehnung dieser Poli­tik und wollen dafür kämpfen, dass sich die Geset­ze ändern. Sie fordern das Recht auf Aufen­thalt und Bewe­gungs­frei­heit für jeden Menschen.

Report on the demon­stra­tion in front of the Barn­im For­eign­er Author­i­ty on June 8, 2021

On June 8, 2021 ‚Barn­im für alle‘ demon­strat­ed togeth­er with refugees of the Barn­im dis­trict and friends* of refugees in front of the for­eign­ers author­i­ty in Eber­swalde. Between 12 and 16 o‘clock, a total of 80 peo­ple were on site to protest. The refugees feel oppressed by what they see as a bur­den­some asy­lum sys­tem and poor liv­ing con­di­tions. Refugees are often afraid to speak out against the long, depress­ing asy­lum process. Even more frus­trat­ing is the sys­tem of ‚Dul­dung‘ (tol­er­a­tion), which ensures that a refugee can­not work or attend Ger­man cours­es, thus hin­der­ing inte­gra­tion. The depor­ta­tion of a Niger­ian (Obi) on May 26th, who lived in Barn­im for 22 years, ter­ri­bly shocked the Barn­im refugees. It is obvi­ous that the asy­lum sys­tem does not work, but destroys the lives of refugees who are already vul­ner­a­ble. Peo­ple from var­i­ous tran­si­tion­al hous­ing cen­ters trav­eled to the ral­ly. They see the activ­i­ties of the group ‚Barn­im für Alle‘ as a chance to break out of the iso­la­tion in the hos­tels. A refugee from Sudan spon­ta­neous­ly spoke up and said that they want to get a chance to con­tribute to the econ­o­my: „We are young and strong and we bring a dif­fer­ent kind of expe­ri­ence to the world of work, give us a chance.“ Anoth­er com­plained, „How long will we sleep in the camps, we should be able to learn the lan­guage and inte­grate into society.“
A high­light of the demon­stra­tion was a series of white T‑shirts hung on the grounds. These T‑shirts are unwant­ed waste from a pack­ing sta­tion in Biesen­thal that packs and sends aid to refugees in Greece. The white clothes are sort­ed out because they get dirty too quick­ly in the camps and are not good enough for the refugees. It is obvi­ous that the author­i­ties are aware that the con­di­tions in the refugee shel­ters are unbear­able: „If the con­di­tions for white clothes are so dirty and unhy­gien­ic, what does it look like for the peo­ple who have to live there?“. In Barn­im, the sit­u­a­tion is no dif­fer­ent. These sad liv­ing con­di­tions of the refugees in the often iso­lat­ed shel­ters, the refugees com­plained again and again and joined a cam­paign demand­ing the clo­sure of the camps. Barn­im Refugees and The Group ‚Barn­im für Alle declare
their com­plete rejec­tion of this pol­i­cy and want to fight for the laws to change. They demand the right to stay and free­dom of move­ment for everyone.

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Protest gegen Abschiebung nach 22 Jahren in Deutschland

Am 26.5.2021 fand eine Sam­me­lab­schiebung nach Nige­ria vom Flughafen Düs­sel­dorf aus statt. Unter den Men­schen, die an diesem Tag abgeschoben wur­den, befand sich auch Obin­na O. Er hat mehr als die Hälfte seines Lebens in Deutsch­land ver­bracht: über 22 Jahre. Freund*innen und Bekan­nte sind fas­sungs­los. Fiona, aktiv bei Barn­im für Alle, zeigt sich schock­iert über die Vorfälle:
 
„Mein Fre­und Obi lebte seit 22 Jahren in Deutsch­land, plöt­zlich wurde er abge­holt und gegen seinen Willen in ein Flugzeug geset­zt. Ihn plöt­zlich aus seinem Leben zu reißen ist ein­fach nur unmen­schlich. Wir wollen uns von dem Abschiebedruck keine Angst machen lassen, darum demon­stri­eren wir am Dien­stag vor der Aus­län­der­be­hörde in Eberswalde.”
Abschiebun­gen wer­den durch Geset­zge­ber, Behör­den und in der Öffentlichkeit häu­fig ver­harm­lost als Rück­führun­gen, Durch­set­zung der Aus­reisepflicht, als Umgang mit einem ange­blichen Vol­lzugs­de­fiz­it, als Beendi­gung eines Aufen­thaltes. Dahin­ter ste­hen jedoch men­schliche Schick­sale. Dass Mitarbeiter*innen der lokalen Aus­län­der­be­hörde sowie der Zen­tralen Aus­län­der­be­hörde entsch­ieden haben, Her­rn O. nach 22 Jahren in Deutsch­land nach Nige­ria abzuschieben, verken­nt seine Leben­sre­al­ität. Er hat sich in Bran­den­burg nicht „aufge­hal­ten”, er hat hier gelebt.
Die Abschiebung zeigt auch die fatal­en Fol­gen von Ket­ten­dul­dun­gen: Über Jahre – manch­mal Jahrzehnte – hin­weg müssen Geduldete befürcht­en, dass ihr Leben in Deutsch­land jed­erzeit been­det wer­den kann. Von einem Moment auf den anderen, ohne Ankündi­gung und ohne die Möglichkeit, Abschied zu nehmen, wer­den sie von der Polizei abge­holt. Ket­ten­dul­dun­gen ver­hin­dern Teil­habe und Ankommen.
„Warum lebte Obin­na O. nach 22 Jahren zum Zeit­punkt sein­er Abschiebung noch immer in ein­er Gemein­schaft­sun­terkun­ft? Warum haben die Mitar­bei­t­en­den der Ver­wal­tung ihn abgeschoben anstatt ihm Wege in ein Bleiberecht zu ermöglichen? Warum sind hier keine Härte­fall­regelun­gen zum Ein­satz gekom­men?” fragte Lot­ta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Der Flüchtlingsrat unter­stützt den Aufruf der Ini­tia­tive Barn­im für alle, die ein­laden, mit ihnen zusam­men am 8. Juni um 12 Uhr vor der Aus­län­der­be­hörde Eber­swalde zu demonstrieren.
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Flucht & Migration

Demonstration an der Ausländerbehörde Eberswalde

Aufruf von der Gruppe ‚Barn­im für Alle‘

Wir in der Gruppe „Barn­im für alle“ laden ein, am Dien­stag, den 8 Juni ab 12:00 mit uns vor der Aus­län­der­be­hörde in Eber­swalde zu demon­stri­eren. Wir kri­tisieren die Ver­stöße und die Ungerechtigkeit­en, denen Asyl­suchende im Land­kreis Barn­im und in ganz Bran­den­burg sys­tem­a­tisch aus­ge­set­zt sind.
Auf­grund des bewussten Drucks von Aus­län­der­be­hör­den gab es in let­zter Zeit mehrere Selb­st­morde und Abschiebun­gen. Dieser Druck äußert sich unter anderem darin, dass Geflüchtete, teil­weise Jahre lang, keine Lebensper­spek­tiv­en son­dern Abschiebung, keine Beschäf­ti­gungsmöglichkeit­en und keine Aufen­thalts­berech­ti­gung bekommen.

Noch mal haben wir eine Per­son ver­loren, diese mal wegen Abschiebung nach 22 Jahren. Obi war ein Geflüchteter aus Nige­ria, der vor 22 Jahren nach Deutsch­land kam, um Sicher­heit und Schutz zu suchen. Nach 22 Jahren wurde Obi am 25.05.21 nach Nige­ria abgeschoben, ohne Geld, ohne Wohn­sitz, ohne Perspektive.

Wir als Gruppe ‚Barn­im für Alle‘ erk­lären unsere völ­lige Ablehnung dieser Poli­tik und wollen dafür kämpfen, dass sich die Geset­ze verän­dern. Wir fordern das Recht auf Aufen­thalt und Bewe­gung für jeden Men­schen. Deshalb demon­stri­eren wir vor der Ausländerbehörde.
Alle sind ein­ge­laden, daran teilzunehmen!

Wir sind alle Salah!
Wir sind alle Obi!

Kon­takt:
http://refugeeswelcomebarnim.blogsport.de
refugees-welcome@so36.net
http://b‑asyl-barnim.de
buergerinnenasyl-barnim@systemli.org

Kleine, große und Dauer­spenden (z.B. 10 € pro Monat) für die poli­tis­che Arbeit sind sehr willkommen.
Spendenkonto:
Barn­im für alle
IBAN: DE 78 1705 2000 1110 0262 22
Sparkasse Barnim

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Afghanistan Abschiebung verschoben

Afghanistan Abschiebung ver­schoben: Jet­zt poli­tis­che Kon­se­quen­zen ziehen!

Der für heute geplante bun­desweite Sam­me­lab­schiebe-Char­ter nach Afghanistan wurde wegen Sicher­heits­be­denken ver­schoben. Dies bestätigt die Kri­tik von PRO ASYL und den Lan­des­flüchtlingsräten an den Abschiebun­gen nach Afghanistan, das laut Glob­al Peace Index das unsich­er­ste Land der Welt ist. Afghanistan befind­et sich sicher­heit­stech­nisch im freien Fall. Die prekäre Sicher­heit­slage hat sich durch den am 1. Mai begonnenen Abzug der NATO-Trup­pen weit­er ver­schärft. Wie das Macht­vaku­um gefüllt wird, ist ungewiss. Eine Zunahme der Angriffe durch die Tal­iban und Ver­suche zur Machtüber­nahme sind zu erwarten. Darüber hin­aus hat sich die wirtschaftliche Lage in Afghanistan auf Grund der Covid-19-Pan­demie extrem ver­schlechtert, sodass Abgeschobe­nen ohne famil­iäres oder soziales Net­zw­erk die Vere­len­dung dro­ht. Trotz­dem bleibe der Grund­satz des Innen­min­is­teri­ums zu Abschiebun­gen nach Afghanistan weit­er unverän­dert, wie dpa berichtet. Dass der für Dien­stag geplante Abschiebe­flug nicht voll­ständig abge­sagt, son­dern lediglich ver­schoben wurde, ist vol­lkom­men unangemessen.

PRO ASYL und die Lan­des­flüchtlingsräte fordern:

  • Die Bun­desregierung und die Bun­deslän­der müssen einen sofor­ti­gen und aus­nahm­slosen Abschiebestopp nach Afghanistan erlassen. Aus der prekären und völ­lig ungewis­sen Sicher­heit­slage sowie angesichts der desas­trösen wirtschaftlichen Sit­u­a­tion, die sich eben­falls mit dem Trup­pen­abzug weit­er ver­schär­fen wird, muss ein bun­desweites Abschiebe­ver­bot nach Afghanistan fol­gen, welch­es es bei der näch­sten Innen­min­is­terkon­ferenz zu beschließen gilt. Bere­its jet­zt kön­nen und müssen die Bun­deslän­der auch in eigen­er Ver­ant­wor­tung die Abschiebun­gen nach 60 a) Abs. 1 Aufen­thG für sechs Monate aus­nahm­s­los aussetzen.

Geflüchtete sind nach der Abschiebung aus Deutsch­land häu­fig auch in Afghanistan stig­ma­tisiert. Viele Gerichte, darunter auch der Ver­wal­tungs­gericht­shof in Baden-Würt­tem­berg, haben fest­gestellt, dass ihnen eine Rück­kehr ohne ein sta­biles famil­iäres oder soziales Net­zw­erk in Afghanistan nicht zuzu­muten ist.

  • )  Das Auswär­tige Amt muss die Lage und Ver­fol­gungssi­t­u­a­tion umge­hend neu bew­erten, da die Lage­berichte Grund­lage für Asy­lentschei­dun­gen des Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge (BAMF) sind. Bish­er wer­den Asy­lanträge abgelehnt mit der Begrün­dung, es gebe inner­halb des Lan­des sichere Gebi­ete, soge­nan­nte inner­staatliche Fluchtal­ter­na­tiv­en. Doch nach dem Trup­pen­abzug der NATO kön­nen auch Städte wie Kab­ul nicht länger als sich­er gel­ten. Wie aus einem Spiegel-Artikel vom 29.04.2021 her­vorge­ht, schließen Außen- und Vertei­di­gungsmin­is­teri­um selb­st einen „Sturm auf Kab­ul” durch auf­ständis­che Grup­pen nicht mehr aus.

 

  • Mit dem Trup­pen­abzug muss allen afghanis­chen Ort­skräften – Dolmetscher:innen, Fahrer:innen und son­sti­gen Mitar­bei­t­en­den der Bun­deswehr, der Bun­de­spolizei und ander­er Organ­i­sa­tio­nen – mit ihren Fam­i­lien­ange­höri­gen schnell und unbürokratisch die Auf­nahme im Bun­des­ge­bi­et ange­boten wer­den. Sie müssen eine Aufen­thalt­ser­laub­nis in Deutsch­land erhal­ten. Diese Men­schen jet­zt zurück­zu­lassen, wäre für sie und ihre Fam­i­lien lebensgefährlich.

 

  • Die Bun­desregierung muss jet­zt den Fam­i­li­en­nachzug aus Afghanistan zu ihren in Deutsch­land leben­den Ange­höri­gen mit allen Mit­teln beschle­u­ni­gen und unter­stützen. Hierzu muss eben­so wie für Ort­skräfte ein schnelles, unbürokratis­ches Ver­fahren instal­liert wer­den. Für diese ist die Eröff­nung zweier Büros in Kab­ul und Masar‑e Sharif geplant, von wo aus die Auf­nahme organ­isiert wer­den soll. Da die Visaabteilung der Botschaft in Kab­ul infolge eines Anschlags weit­er­hin geschlossen ist, müssen diese Büros auch für den Fam­i­li­en­nachzug genutzt wer­den. Eine kurzfristige Auf­s­tock­ung des Per­son­als an den Botschaften in Islam­abad oder Neu-Del­hi – die derzeit für Visaanträge afghanis­ch­er Staat­sange­höriger zuständig sind – ist notwendig. Angesichts der Zeitk­nap­pheit und der Gefahren, die den Antrag­stel­len­den bei der Reise dor­thin dro­hen, reicht das jedoch nicht aus. Es kann schutz­suchen­den Afgha­nen nicht zuge­mutet wer­den, monate­lang in Neu-Del­hi oder Islam­abad auf Ter­mine zur Visumsver­gabe zu warten.

 

  • Das BAMF muss seine Wider­ruf­sprax­is ändern. In jün­ger­er Zeit wider­ruft das BAMF in zahlre­ichen Fällen, in welchen noch vor weni­gen Jahren jun­gen unbe­gleit­eten Min­der­jähri­gen die Flüchtling­seigen­schaft wegen (dro­hen­der) Zwangsrekru­tierung durch die Tal­iban zuge­sprochen wor­den war, kurz nach Erre­ichen der Volljährigkeit den Flüchtlingssta­tus. Das darf nicht länger gängige Prax­is sein. Auch Abschiebungsver­bote wer­den mit Erre­ichen der Volljährigkeit wider­rufen, da das Bun­de­samt davon aus­ge­ht, dass es jun­gen Män­nern möglich ist, ein Leben am Rande des Exis­tenzmin­i­mums auch ohne famil­iäres oder soziales Net­zw­erk zu führen. Dies ist indessen – wie jüngst im oben genan­nten Urteil des VGH Baden-Würt­tem­berg deut­lich aufgezeigt wurde – nicht der Fall. Wider­rufe des BAMF müssen fol­glich unterbleiben.

 

  • Ein gesichertes Bleiberecht muss es auch für jene Afgha­nen geben, die nur mit ein­er Dul­dung in Deutsch­land leben oder sich seit Jahren im Asylver­fahren befind­en. Kein Afghane, keine Afghanin in Deutsch­land darf in der jet­zi­gen Lage zurück­geschickt wer­den – egal, ob sie erst vor weni­gen Monat­en angekom­men sind oder seit Jahren hier leben. Die Fol­gen ein­er Dul­dung sind nicht nur ein Leben in ständi­ger Angst, Per­spek­tivlosigkeit und Armut, son­dern auch gerin­gere Chan­cen auf dem Arbeits- und Woh­nungs­markt, in der Bil­dung und in der Entwick­lung per­sön­lich­er Poten­ziale. Let­ztlich sind dies auch ver­passte Chan­cen für die Gesellschaft, in der diese Men­schen leben. Mit Blick auf die gemein­same gesellschaftliche Zukun­ft ist es geboten, diesen Men­schen jet­zt eine Lebensper­spek­tive zu eröff­nen und ihnen die in einem solchen Fall anstelle von Ket­ten­dul­dun­gen geset­zlich vorge­se­henen Aufen­thalt­ser­laub­nisse zu erteilen.
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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Memorandum von Geflüchteten an den Brandenburger Landtag

Wir sind schutz­suchende Men­schen, die direkt von Ital­ien nach Deutsch­land über ein Relo­ca­tion­pro­gramm gekom­men sind. Wir ver­bracht­en zwei Tage auf offen­er See, bevor uns das Ret­tungss­chiff Open Arms ret­tete. Da Ital­ien das Ein­fahren des Schiffs block­ierte, ver­bracht­en wir weit­ere 20 Tage zwis­chen dem 1. und 20. August 2019 auf dem Mit­telmeer. Nun leben wir in Pots­dam, in ein­er Stadt, die sich „Sicher­er Hafen“ nen­nt. Aber unser Asylge­such ist abgelehnt worden!

Pots­dam ist kein Sicher­er Hafen für uns. Die deutsche Poli­tik hat uns unser Recht auf eine Aufen­thalt­ser­laub­nis beraubt! Bevor wir in Deutsch­land angekom­men sind, führte das Europäis­che Unter­stützungs­büro für Asyl­fra­gen (EASO) ein­schließlich des deutschen Inlands­ge­heim­di­en­stes in Poz­za­lo in Ital­ien unser Asylver­fahren durch. Unser Asylge­such wurde von der deutschen Bun­desregierung nach eini­gen Monat­en akzep­tiert: Die von dem Seenotret­tungss­chiff Open Arms geretteten Migrant*innen unter­schrieben ein Doku­ment, das die deutsche Regierung zuvor an ital­ienis­che Ein­wan­derungs­beamte schickte.

Eben­falls unter­schrieb die ital­ienis­che Ein­wan­derungs­be­hörde in Cro­tone Ital­ien dieses Doku­ment, aber uns wurde das Recht ver­weigert, die Kopie des Doku­ments zu erhal­ten. In Ital­ien sagten sie, dass die deutsche Regierung mit diesem Doku­ment unser Asyl akzep­tiert. Als wir in Deutsch­land anka­men, ver­langte das Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge (BAMF) erneut einen Asy­lantrag, was aber nahezu für alle der 132 Migrant*innen aus der Relo­ca­tion abgelehnt wurde!

Es scheint uns, dass die deutsche Regierung uns “relo­cat­ed” hat, um uns in eine Falle für eine mögliche Abschiebung zu lock­en, denn einige von uns haben mehrmals Dul­dun­gen und Abschiebebeschei­de erhal­ten, weshalb viele auf­grund der Sit­u­a­tion Deutsch­land ver­lassen haben und in andere Zuflucht­slän­der geflo­hen sind. Wir entwick­eln Trau­ma­ta und andere gesund­heitliche Prob­leme. Das ist kein Leben in einem Sicheren Hafen!

Wir haben vor, eine bessere Zukun­ft aufzubauen! Aber wo ist unser Recht, diese Zukun­ft zu begin­nen? Dies ist ein bar­barisch­er Akt, um unsere Zukun­ft durch die deutsche Regierung zu beenden.

Hört auf, unser Bleiberecht und unser Recht auf Schutz zu verweigern!

Hört auf, ras­sis­tisch zu uns zu sein!

Wir brauchen unser Bleiberecht, wir sind ver­wirrt, wie kann die Regierung uns umsiedeln, während sie uns gle­ichzeit­ig auf­fordert, zu gehen? Wohin? Nach Ital­ien oder ins Mittelmeer?

Die Men­schen in Pots­dam sagen, dass sie ein Sicher­er Hafen sein wollen. Warum sollen wir dann abgeschoben werden?

Das Wichtig­ste, was über allem ste­ht, ist: Wir brauchen eine Per­spek­tive, um in Deutsch­land zu bleiben.
Wie kann sich Deutsch­land offiziell ein sicheres Land nen­nen, wenn wir keine Sicher­heit­en haben?

Wenn wir eine Dul­dung nach der anderen erhal­ten, wenn wir jedes Mal mit einem mul­mi­gen Gefühl zur Aus­län­der­be­hörde gehen, mit der Angst, abgeschoben zu wer­den. Stattdessen erwarten wir jedes Mal einen Auf­schrei aus dem Par­la­ment, wenn Abschiebun­gen stat­tfind­en — neuerd­ings sog­ar mit­tenin der Nacht. Der Zus­tand des prekären Aufen­thalts dauert für viele Schutz­suchende 5 oder 6 Jahre, ver­lorene Jahre im Leben eines Men­schen. Das zähe Ver­fahren zeigt, wie restrik­tiv die Aus­län­der­be­hörde mit Aufen­thalts­genehmi­gun­gen umgeht.

Wir fordern daher, dieses Sys­tem der Ket­ten­dul­dun­gen zu been­den, Abschiebun­gen zu ver­mei­den und stattdessen alle beste­hen­den Bleiberecht­sregelun­gen zu nutzen, um Bleibeper­spek­tiv­en zu schaffen!

Wir fordern vom Bran­den­burg­er Landtag:

• Abschiebun­gen sind Ent­führun­gen! Wir wollen einen Abschiebestopp durch die Lan­desregierung, nicht nur in Corona-Zeiten!

• Weisen Sie Ihre Aus­län­der­be­hör­den an: Wir wollen Empow­er­ment- und Bleiberecht- Vere­in­barun­gen statt Abschiebun­gen! Die Aus­län­der­be­hör­den sollen durch eine Anweisung der Lan­desregierung uns eine mehrjährige Zeit garantieren, in der wir einen Weg zum sicheren Aufen­thalt gezeigt bekom­men und nutzen kön­nen, wie wie z.B. über Deutschkurse und Aus­bil­dungs- und Jobmöglichkeiten.

• Set­zen Sie sich dafür ein, dass die Kom­munen wie Pots­dam selb­st­ständig geflüchtete Men­schen aufnehmen kön­nen! Weg mit dem Veto-Recht der Bun­desregierung gegen eine selb­st­bes­timmte Aufnahme!

Wir fordern von der Pots­damer Stadtregierung:

• Geben Sie nie­man­den zur Abschiebung frei! Pots­dam ist kein Sicher­er Hafen, wenn abgeschoben wird!

• Weisen Sie Ihre Aus­län­der­be­hörde an: Wir wollen Empow­er­ment- und Bleiberecht-Vere­in­barun­gen statt Abschiebun­gen! Die Aus­län­der­be­hörde Pots­dam soll durch eine Anweisung der Stadtregierung uns eine mehrjährige Zeit garantieren, in der wir einen Weg zum sicheren Aufen­thalt gezeigt bekom­men und nutzen kön­nen, wie wie z.B. über Deutschkurse und Aus­bil­dungs- und Jobmöglichkeiten.

Wir danken für Ihr Verständnis!

King­gs­ley Anok­wute, Sylvester Ochuko und Sun­day Endurance
c/o Refugees Eman­ci­pa­tion e.V. Dor­tus­tr. 46, 14467 Potsdam
Email: info@refugeesemancipation.com  Tel: 017636266043

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Protest gegen die Ausländerbehörde am 27.4.2021

Aufruf für den 27. April 2021:
An alle geflüchteten Men­schen, an alle Sup­port­er und an alle, die wirk­lich einen SICHEREN HAFEN FÜR ALLE haben wollen:
Wir, geflüchteten und schutz­suchen­den Men­schen, protestieren! Raus auf die Straße am Dien­stag, den 27. April um 11:30 Uhr vor dem Rathaus Pots­dam, Friedrich- Ebert-Straße 79/81!
Wir, Frauen, sind am 8. März am Frauen­tag auf die Straße gegan­gen und haben laut­stark unser Bleiberecht in Pots­dam einge­fordert. Wir haben gegen den struk­turellen Ras­sis­mus in der Pots­damer Aus­län­der­be­hörde demon­stri­ert! Wir haben ein Gespräch mit dem Ober­bürg­er­meis­ter gefordert – er wollte aber nicht mit uns über unsere Sit­u­a­tion reden und schick­te nur eine Stel­lvertreterin vor!
Wir sind wütend! Seit mehr als 2 Jahren spricht der Ober­bürg­er­meis­ter davon, dass Pots­dam ein „Sicher­er Hafen” für geflüchtete Men­schen sei! Seit 2 Jahren hat sich unsere Sit­u­a­tion nicht verbessert! Seit 2 Jahren block­iert und drangsaliert die Pots­damer Aus­län­der­be­hörde unser Leben. Wir wollen eine Lebens- und Bleibeper­spek­tive haben wie alle anderen Potsdamer*innen auch! Wir sind hier und wir bleiben hier. Unsere Kinder wach­sen hier auf. Viele von uns arbeit­en — alle bezahlen Steuern. Wir sind Teil dieser Gesellschaft!
Wir wer­den nicht mehr still sein, bis wir gle­iche Rechte für alle haben.

Wir wollen Tat­en sehen und keine leeren Worte hören. Es ist genug gere­det wor­den! Wir fordern:
1. Rück­tritt vom Aus­län­der­be­hör­denchef Andy Meier! Wer seit Jahren das Inte­gra­tionskonzept ignori­ert, wer seit Jahren alle Spiel­räume nutzt, um unser Leben schw­er zu machen, darf kein Chef der Aus­län­der­be­hörde in einem „Sicheren Hafen” sein!
2. Willkom­men­skul­tur statt Aus­län­der­be­hörde! Wir wollen einen Par­a­dig­men­wech­sel – wir wollen eine kom­plett andere Behörde, damit sie alle Spiel­räume nutzt, um unsere Bleibeper­spek­tive zu verbessern!
3. Keine weit­ere Block­ade mehr gegen die Erteilung von Aufen­thalt­ser­laub­nis­sen für uns Frauen, deren Kinder deutsche Staat­sange­hörigkeit haben.

4. Stopp das Sys­tem der Ket­ten­dul­dun­gen! Abschiebun­gen stop­pen! Stattdessen: Empow­er­ment-Vere­in­barun­gen für alle abgelehn­ten Schutz­suchen­den, ange­fan­gen mit geflüchteten Per­so­n­en aus der Seenotrettung.
5.Sofortige Erteilung von Arbeitserlaubnissen!
6.Sammellager auflösen! Unter­bringung in zen­tral gele­ge­nen Woh­nun­gen. Wir wollen Auszugser­laub­nisse für alle und wir wollen die Chance haben, einen Wohn­berech­ti­gungss­chein zu bekommen!

ENGLISH
Call for 27 April 2021: To all refugee, to all sup­port­ers and to all who real­ly want to have a SAFE HABOUR FOR ALL:
We, refugees and peo­ple seek­ing pro­tec­tion, are protesting!
Get out on the street on Tues­day, 27 April at 11:30 am in front of Pots­dam City Hall, Friedrich-Ebert-Straße 79/81!
We, women, took to the streets on 8 March on Women’s Day and loud­ly demand­ed our right to stay in Pots­dam. We demon­strat­ed against the struc­tur­al racism in the Aus­län­der­be­hörde! We demand­ed a talk with the may­or — but he did­n’t want to talk to us about our sit­u­a­tion and only sent a deputy!
We are angry! For more than 2 years the May­or has been talk­ing about Pots­dam being a “safe Har­bour” for refugees! For 2 years our sit­u­a­tion has not improved! For 2 years the Aus­län­der­be­hörde has been block­ing and harass­ing our lives. We want to have a per­spec­tive to live and stay like all oth­er peo­ple in Potsdam!
We are here and we will stay here. Our chil­dren are grow­ing up here. Many of us work — all of us pay tax­es. We are part of this society!
We will not be qui­et until we have equal rights for all. We want to see action and not hear emp­ty words. There has been enough talk!

We demand: 1. Res­ig­na­tion of the head of Aus­län­der­be­hörde: Andy Meier! Who has been ignor­ing the Inte­gra­tionskonzept of Pots­dam for years, who has been using all lee­way to make our lives dif­fi­cult for years, should not be the head of Aus­län­der­be­hörde in a “safe Harbour”!
2. Wel­come cul­ture instead of Aus­län­der­be­hörde! We want a par­a­digm shift — we want a com­plete­ly dif­fer­ent Aus­län­der­be­hörde so that it uses all lee­way to improve our prospects of staying!
3. No more block­ing the grant­i­ng of res­i­dence per­mits for us women whose chil­dren have Ger­man nationality.
4. Stop the sys­tem of chain Dul­dun­gen! Stop depor­ta­tions! Instead: Empow­er­ment agree­ments for all reject­ed pro­tec­tion seek­ers, begin­ning with refugees from sea rescue.
5. Grant work per­mits immediately!
6. Close all Camps! We want accom­mo­da­tions in cen­tral­ly locat­ed flats with pri­va­cy. We want move-out per­mits for all and we want to have the chance to get a “Wohn­berech­ti­gungss­chein” as every­body else in a sit­u­a­tion with few money!

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Asylpolitik kostet Leben

Asylpolitik kostet Leben

Drei Suizide von Geflüchteten in Berlin und Brandenburg innerhalb weniger Wochen

Im Feb­ru­ar und März 2021 nah­men sich drei Geflüchtete aus Pots­dam, Eber­swalde und Berlin das Leben. Für Ange­hörige und Berater*innen ste­ht fest: Die drei Män­ner wur­den durch das Asyl­sys­tem mas­siv unter Druck geset­zt. Sie erhiel­ten nicht den Schutz, den sie in Deutsch­land gesucht hatten. 

Pots­dam:
A. H. aus Afghanistan nahm sich am 16. Feb­ru­ar 2021 mit 43 Jahren das Leben.
Er hat­te seit neun Jahren um die Fam­i­lien­zusam­men­führung mit sein­er Frau gekämpft. 
Ohne Erfolg. 

In sein­er Zeit in Deutsch­land war A.H. psy­chisch und kör­per­lich zunehmend erkrankt. Er hat­te eine Niere ver­loren und litt unter starken Schmerzen auf­grund von drei Brüchen an der Wirbel­säule. Nach neun Jahren auf der Flucht hat­te er im Dezem­ber endlich den Flüchtlingssta­tus in Deutsch­land bekom­men. Doch die neun­jährige Tren­nung von sein­er Frau und sein jahre­langer Kampf um Fam­i­li­en­nachzug war verge­blich und trieb ihn in die Verzwei­flung. Er hat­te psy­chother­a­peutis­che Behand­lung, Gesund­heits­ber­atung und eine Selb­sthil­fe­gruppe in Anspruch genom­men. Seit der Pan­demie litt er jedoch unter einem Man­gel an geeigneten Ange­boten Pots­dam und an sozialer Isolation.

Shorreh Bad­dieh, Trau­mather­a­peutin bei XENION:
„Ins­beson­dere in Bran­den­burg ist die Ver­sorgungsstruk­tur für geflüchtete Men­schen mit psy­chis­chen Prob­le­men schlecht. Ich mache mir aktuell um mehrere mein­er Patien­ten große Sor­gen wegen Suizidge­fahr. Sie brauchen drin­gend Hil­fe, tre­f­fen aber vor allem in der Akutver­sorgung immer wieder auf Men­schen mit geringer interkul­tureller Kom­pe­tenz und erhal­ten keine Dol­metschung in ihre Muttersprache.”

Chris­tiane Weber, Psy­chol­o­gis­che Psy­chother­a­peutin bei XENION:
„Wir sehen aktuell, dass der psy­chis­che Druck ger­ade bei den Men­schen, die sich in ein­er unsicheren Aufen­thaltssi­t­u­a­tion befind­en und auf­grund ihrer Geschichte bere­its schw­er belastet sind, enorm steigt. Coro­na wirkt dabei wie ein Bren­n­glas. Das große Prob­lem ist, dass es keine reg­uläre Ver­sorgungsstruk­tur im Sinne von qual­i­fizierten ther­a­peutis­chen Ange­boten für sie gibt, und auch der Zugang zu den Akut­sta­tio­nen der Psy­chi­a­trien oft schwierig ist. Dies ist aber ger­ade jet­zt umso nötiger, um Men­schen in Exis­ten­zkrisen zu stärken und damit Suizid­präven­tion zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass unsere Gutacht­en, in denen wir auf die psy­chis­che Belas­tung und Suizidal­ität hin­weisen, mit­tler­weile immer häu­figer von Behör­den und Gericht­en als Gefäl­ligkeitsgutacht­en diskred­i­tiert werden.”
 
Eber­swalde: 
Salah Tayar aus dem Tschad nahm sich am 11.3.2021 mit 35 Jahren das Leben. 
Er hat­te seit acht Jahren um ein Recht zu bleiben gekämpft. 
Ohne Erfolg. 

Salah Tayar kam als junger Mann im Tschad wegen Unge­hor­sam in ein Mil­itärge­fäng­nis. In den zweiein­halb Jahren dort wur­den er regelmäßig gefoltert. Nach jahre­langer Flucht durch Libyen und übers Mit­telmeer erre­ichte er Deutsch­land. Sein Asy­lantrag wurde abgelehnt, weil der Tschad als sich­er gilt. Im April hätte er einen let­zten Ter­min vor dem Ver­wal­tungs­gericht Frankfurt/Oder im Klagev­er­fahren – mit kaum Aus­sicht auf Erfolg- gehabt. Fre­unde und Ange­hörige beschreiben, dass die unklare Aufen­thaltsper­spek­tive ihn in eine tiefe Depres­sion stürzte.

Sein Cousin Yahia Mohammed:
„Salah hat jahre­lang für ein men­schen­würdi­ges Leben gekämpft, im Tschad und in Deutsch­land. Trotz allem, was er durchgemacht hat, wurde ihm kein Schutz gewährt. Sein Asyl wurde abgelehnt, obwohl er seine ganze Geschichte offen­gelegt hat­te. Das hat ihm jede Per­spek­tive auf ein Leben in Würde ger­aubt. Daran ist Salah zerbrochen.” 
Weit­er führt Yahia Mohammed aus:
„Salah hat 8 Jahre im Heim in Eber­swalde gelebt, er hat­te eine Dul­dung und damit keine umfassende Arbeit­ser­laub­nis. Die Sit­u­a­tion im Heim ist schlimm, es gibt nichts zu tun, das treibt Men­schen in die Hoff­nungslosigkeit. Der Ras­sis­mus im öffentlichen Raum in Eber­swalde kommt hinzu. Es gibt viele Men­schen, den es so geht, die nicht mehr wis­sen, wie sie die Sit­u­a­tion aushal­ten sollen.”
 
Mustafa Hussien von Barn­im für Alle:
“Salah floh vor Folter, vor der Unter­drück­ung und Poli­tik der tschadis­chen Regierung unter der Führung von Dik­ta­tor Idriss Deby. Salah lebte unter uns als ruhiger und guter Men­sch. Es gibt eine Gruppe von Geflüchteten, die noch leben, aber unter den gle­ichen Bedin­gun­gen wie Salah lei­den. Wir als Gruppe ‚Barn­im für Alle’ und als in der Region lebende Geflüchtete erk­lären unsere völ­lige Ablehnung dieser Poli­tik und wollen dafür kämpfen, dass sich die Geset­ze verändern.”

Berlin
Alpha Oumar Bah aus Guinea nahm sich in der Nacht vom 16.3.2021/17.3.2021 mit 27 Jahren das Leben. Er hat­te seit mehr als drei Jahren um eine Bleibeper­spek­tive gekämpft. Ohne Erfolg. Er hat­te sehr große Angst vor ein­er Abschiebung. 

Alpha Oumar Bah lebte in ein­er Unterkun­ft für Geflüchtete in Berlin und ver­di­ente seinen Leben­sun­ter­halt bei ein­er Reini­gungs­fir­ma. Er war im Asylver­fahren und lebte in der Angst vor Abschiebung.
Der Berlin­er Innense­n­a­tor Andreas Geisel hat­te im Feb­ru­ar eine Del­e­ga­tion des Regimes in Guinea ein­ge­laden, um die Iden­tität von Geflüchteten aus Guinea zu klären und damit die nöti­gen Doku­mente für eine Abschiebung ausstellen zu kön­nen. Im Vor­feld wur­den schwarze Men­schen im Gör­l­itzer Park wegen ange­blich­er Deal­erei kon­trol­liert. Nach Aus­sagen der Polizei gegenüber der taz sei die Polizei zu dieser Zeit zudem auf der Suche nach „rel­e­van­ten Per­so­n­en zur Vorstel­lung vor der Guineis­chen Expertenkom­mis­sion”[1]gewe­sen. Bei einem Pres­seter­min in Gör­l­itzer Park unter­stre­icht der Innense­n­a­tor diese ras­sis­tis­che Prax­is. Bish­er wurde in 15 von 22 Men­schen aus Berlin die Guineis­che Staats­bürg­er­schaft fest­gestellt und die Betrof­fe­nen abgeschoben. Als eines von drei Bun­deslän­dern beteiligte sich Berlin unter anderem am 16.3. an den bun­desweit­en Sam­me­lab­schiebun­gen nach Guinea. Die Del­e­ga­tion soll im Herb­st erneut nach Berlin kom­men. Am 15.03.2021 gab es in der Unterkun­ft, in der Alpha Oumar Bah lebte, einen Polizeiein­satz, um die Abschiebung ein­er anderen Per­son zu vol­lziehen. Es ist anzunehmen, dass all dies Alpha Oumar psy­chisch mas­siv unter Druck setzte.
 
Rachid von Ayében Berlin
„Die Del­e­ga­tion aus Guinea hat die Aus­bil­dungs­dul­dung nicht anerkan­nt. Men­schen, die mit­ten in der Aus­bil­dung standen, wur­den nach Guinea abgeschoben. Wir fra­gen den Innense­n­a­tor von Berlin, wie kann das sein? Dieses Vorge­hen hat Panik aus­gelöst. Die Angst vor ein­er Abschiebung ist unsag­bar groß. Dass die Del­e­ga­tion erneut im Herb­st 2021 nach Deutsch­land kom­men soll, erschreckt die Men­schen sehr.”
 
Alpha von Ayében Berlin
„Die Sit­u­a­tion in Guinea ist sehr schwierig, zum einen ist die Bevölkerung schut­z­los der glob­alen Covid-19 Pan­demie aus­ge­set­zt, auf der anderen Seite bre­it­et sich Ebo­la erneut aus. Hinzu kommt, dass viele Oppo­si­tionelle im Gefäng­nis sitzen. Gle­ichzeit­ig gibt es schwere Men­schen­rechtsver­let­zun­gen. Die Lage in Guinea ist desaströs.”
 
Wir fordern von der Berlin­er und Bran­den­burg­er Lan­desregierung poli­tis­che Konsequenzen: 
> Öffentliche voll­ständi­ge Aufk­lärung der Suizide.
> Anerken­nung des Gesuch­es auf Schutz und Asyl.
> Erle­ichterung der Familienzusammenführung.
> Gedol­metschte und kul­tursen­si­ble Akutver­sorgung und Therapieangebote.
> Bleiberecht für psy­chisch belastete und trau­ma­tisierte Menschen.
> Keine Abschiebung in Län­der, die von Men­schen­rechtsver­let­zun­gen gekennze­ich­net sind.
> Keine Zusam­me­nar­beit mit dik­ta­torischen Reg­i­men zur Beschaf­fung von Abschiebepapieren.

Wir laden ein zur Kundgebung: 
13. April, 12–17 Uhr
Eber­walde Ausländerbehörde
Pfeilstr/Schicklerstr. 
 

https://www.berliner-krisendienst.de/ar

https://www.berliner-notruf.de

Si vous êtes en crise ou si le sui­cide est un sujet dif­fi­cile pour vous en ce moment, prenez soin de vous si vous voulez lire ce texte maintenant. 
Con­seil anonyme à :

 

If you are in cri­sis or sui­cide is a dif­fi­cult top­ic for you right now, please take care of your­self if you want to read this text right now. 
Anony­mous coun­selling at: 

Wenn du in ein­er Krise bist oder Suizid ger­ade für dich ein schwieriges The­ma ist, bitte achte auf dich, ob du diesen Text ger­ade lesen möchtest.
Anonyme Beratung unter:

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Flucht & Migration

Stoppt die Abschiebung nach Afghanistan!

Aufruf zur Protestkundge­bung gegen Abschiebun­gen nach Afghanistan

am Dien­stag 06.04.2021 17–18 Uhr am Alter Markt/Landtag in Potsdam. 

Am 7.4. soll die näch­ste Sam­me­lab­schiebung vom BER nach Afghanistan stat­tfind­en! Seit 42 Jahren gibt es einem unbeen­de­ten Krieg in Afghanistan. Laut dem „Glob­al Peace Index 2020“ ist es das gefährlich­ste Land der Welt und hinzu kommt seit dem Jahr 2020 die Coro­n­a­pan­demie. Wegen des Kriegs und der ständi­gen Ter­ro­ran­schläge der Tal­iban ist die Bevölkerung in Afghanistan dauer­haft in Angst und Panik und trau­matir­siert. Laut Robert-Koch Insti­tut ist es seit Jan­u­ar 2021 als Hochinzi­den­zge­bi­et eingestuft wor­den. Eine Pan­demie mit ver­heeren­den Ver­lauf trifft auf eine ungeschützte Bevölkerung und gefährdet deren Leben zusätzlich.

Trotz Krieg und Pan­demie wurde nach einem 9‑monatigen Abschiebestopp nach Afghanistan dieser im Dezem­ber 2020 wieder aufge­hoben. Das ist abso­lut inakzept­abel! Abschiebun­gen bedeuten die Durch­set­zung der Aus­reisepflicht durch unmit­tel­baren Zwang. Sie sind Aus­druck ein­er durch und durch inhu­ma­nen Asylpoli­tik. Die per­ma­nente Bedro­hung, abgeschoben zu wer­den, bedeutet für die Betrof­fe­nen oft­mals einen Zus­tand der ständi­gen Angst. Ger­ade für trau­ma­tisierte Men­schen ist dieser noch eine zusät­zliche Belas­tung. Hinzu kom­men auch dauer­hafte rechtliche Ein­schränkun­gen und die Ver­hin­derung von Teil­habe auf­grund von Ket­ten­dul­dun­gen, also befris­tete Dul­dun­gen, die fortwährend, zum Teil für nur kurze Zeiträume durch die Aus­län­der­be­hörde ver­längert werden.

Die Bran­den­burg­er rot-schwarz-grüne Lan­desregierung hat sich seit Anfang 2020 wieder­holt an den Sam­me­lab­schiebun­gen nach Kab­ul beteiligt. Und im April übern­immt sie das erste Mal die Fed­er­führung bei der Sam­me­lab­schiebung nach Afghanistan. 

Gegen die inhu­mane Entschei­dung über die Abschiebun­gen der rot-schwarz-grü­nen Regierung, kommt bitte am 06.04.2021 um 17Uhr zum Alter Markt/Landtag in Pots­dam und macht unseren Protest gegen Abschiebun­gen nach Afghanistan hör- und sicht­bar mit. Bringt Tran­spis & Plakate. Seid laut & Zeigt eure Solidarität! 

Wir fordern die rot-schwarz-grüne Koali­tion auf: 

Auf­nahme statt Abschot­tung und Abschiebungen!

das Ende der Fes­tung Europa und eine sichere Gesellschaft für alle!

den sofor­ti­gen Stopp der Abschiebun­gen nach Afghanistan und den aller ille­git­i­men und men­schen­rechtswidri­gen Abschiebungen! 

Afghanistan is not Save! 

Kein Men­sch ist illegal! 

Sofor­tiger Stop aller Abschiebungen!

Bitte 2Meter Abstand hal­ten und Masken auf!

Bleibt zuhause, wenn ihr euch krank fühlt!

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Flucht & Migration

Federführung bei Abschiebung nach Afghanistan

Nach aktuellen Infor­ma­tio­nen, die dem Flüchtlingsrat Bran­den­burg vor­liegen, übern­immt das Land Bran­den­burg die Fed­er­führung für die Durch­führung der näch­sten Sam­me­lab­schiebung nach Afghanistan. In der Ver­gan­gen­heit hat Bran­den­burg sich zwar wieder­holt an Abschiebun­gen nach Kab­ul beteiligt, diese aber nicht fed­er­führend organisiert.

Der Flüchtlingsrat verurteilt aufs Schärf­ste, dass die rot-schwarz-grüne Lan­desregierung Men­schen in das Kriegs­ge­bi­et abschiebt und noch dazu eine zen­trale Rolle bei der Organ­i­sa­tion der Sam­me­lab­schiebung einnimmt.

Es ist zu befürcht­en, dass von der kom­menden Afghanistan-Abschiebung mehr Geflüchtete aus Bran­den­burg betrof­fen sein kön­nten. Ein Hin­weis darauf find­et sich in der aktuellen Antwort der Bun­desregierung auf eine Frage der Linken: So sei die Anzahl der aus­reisepflichti­gen Afgha­nen, die in dem jew­eili­gen Bun­des­land leben, ein Kri­teri­um dafür, welch­es Bun­des­land die Fed­er­führung für die Sam­me­lab­schiebung übernehme.1

Der Flieger nach Kab­ul soll laut ver­schiede­nen öffentlich zugänglichen Quellen am 7. April 2021 vom BER starten. Dies geschieht zu einem Zeit­punkt, zu dem sich die glob­ale Gesund­heit­skrise mas­siv zus­pitzt und die Sicher­heit­slage in Afghanistan weit­er­hin katas­trophal bleibt.

Mara Hasen­jür­gen vom Flüchtlingsrat Brandenburg:

„Die Bran­den­burg­er Lan­desregierung muss die Abschiebung nach Kab­ul kurzfristig stop­pen. Jede Abschiebung in Kriegs- und Krisen­ge­bi­ete ver­bi­etet sich. Dass sich mit­ten in der drit­ten Welle ein­er glob­alen Pan­demie Bran­den­burg dafür hergibt, erst­mals die Organ­i­sa­tion dieser umstrit­te­nen Sam­me­lab­schiebung zu übernehmen, lässt jede men­schliche Hal­tung der Lan­desregierung vermissen.“

Bran­den­burg schiebt aus­reisepflichtige Afgha­nen ab, die männlich, alle­in­ste­hend und soge­nan­nte Gefährder, Straf- und Inten­sivtäter, „Mitwirkungsver­weiger­er“ oder „Inte­gra­tionsver­weiger­er“ sind, so das Innen­min­is­teri­um im Innenauss­chuss des Bran­den­burg­er Land­tags am 10. März 2021. Seit 2017 habe Bran­den­burg 10 Per­so­n­en nach Afghanistan abgeschoben, aktuell lebten 604 aus­reisepflichtige Afgha­nen im Land, von denen aber nicht alle alle­in­ste­hende Män­ner seien, so das Innen­min­is­teri­um weit­er. Dass die unscharfe Kat­e­gorie „Inte­gra­tionsver­weiger­er“ weit und willkür­lich aus­gelegt wer­den kann, hat die Abschiebung von Ahmad N. am 9. Feb­ru­ar 2021 gezeigt, der als aus­ge­bilde­ter San­itäter gern in Deutsch­land gear­beit­et hätte.

Am Sam­stag, 3.4.2021, find­et von 13 bis 16 Uhr eine Protestkundge­bung vor dem Roten Rathaus in Berlin für die kurzfristige Stornierung des Abschiebechar­ters nach Kab­ul statt, zu der das Berlin­er Bünd­nis gegen Abschiebun­gen nach Afghanistan aufruft. Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg unter­stützt die Proteste und bit­tet alle Beteiligten, auf die Hygiene- und Abstand­sregeln zu achten.

Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen:

Pressemit­teilung vom 18.2.2021: Bran­den­burg schiebt erneut nach Afghanistan ab
Afghanistan gilt als das gefährlich­ste Land der Welt: Glob­al Peace Index 2020
Über­sicht zu Abschiebun­gen nach Afghanistan aus Brandenburg

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Wir weinen, aber niemand hört uns zu”

Geflüchtete aus Bran­den­burg a.d. Hav­el wollen am 30. März unter dem Mot­to „Leben im Lager? Keinen Tag länger!” gegen ihre Lebens­be­din­gun­gen protestieren.

Mitte März im Indus­triege­bi­et von Bran­den­burg a.d. Hav­el: Es sind Minus­grade – und trotz­dem tre­f­fen sich zum wieder­holten Mal Bewohner_innen der Sam­melun­terkun­ft Upstall­straße und Flämingstraße vor ihren Häusern und pla­nen einen Protest vor der Ausländerbehörde.

Worum geht es ihnen? „Ich habe Frau und Kinder. Trotz­dem darf ich nicht mit ihnen zusam­men wohnen”, klagt Bebe­to. Er ist aus Kamerun und wartet seit fünf Jahren auf eine Auszugser­laub­nis aus dem Lager. Auch Eric ist unzufrieden: „Seit Coro­na haben wir absolutes Besuchsver­bot im Lager. Per­ma­nent und unbe­fris­tet. Das ist unmen­schlich, wir brauchen Coro­na-taugliche Regeln”. Auch aus dem Lager raus dür­fen die Bewohner_innen nicht uneingeschränkt: Auf nicht mehr als neun Tage pro Monate haben sie ein Anrecht. „Ist das ein Gefäng­nis?”, fragt ein Bewohn­er kritisch.

Ein­heit der Fam­i­lie und gute Inte­gra­tions­be­din­gungen — nur zwei von ganzen sechzehn Missstän­den, welche die Bewohner_innen ben­nen. Unter ihnen solche, die eigentlich ein Grun­drecht sind: Fam­i­lien­leben und soziale Teil­habe, Bewe­gungs­frei­heit und Mobil­ität, Pri­vat­sphäre und Gesund­heit, Bil­dung und Arbeit.

Die Bewohner_innen richt­en ihre Forderun­gen an konkrete Entscheidungsträger_innen: Mit Jörg Vogler von den Verkehrs­be­trieben Bran­den­burg an der Hav­el GmbH wollen sie über die Wieder-Inbe­trieb­nahme der Buslin­ie C in der Upstall­straße sprechen. Von Doreen Brandt von der Aus­län­der­be­hörde erwarten sie schnellere Entschei­dun­gen beim The­ma Auszug und eigene Woh­nung. Gegenüber den Betreibern der zwei Bran­den­burg­er Heime, das Deutsche Rote Kreuz und die PulsM GmbH, wollen sie gegen die elek­tro­n­is­che Anwe­sen­heit­skon­trolle und die nächtliche Schließung der Küchen ansprechen.

Doch am Ende sehen die jun­gen Leute in den Lagern selb­st Prob­lem und fordern ihre Auflö­sung: „Sie machen das Gegen­teil von Inte­gra­tion – sie isolieren und nehmen uns die Würde”, so Eric. Mit der Kundge­bung wollen sie erre­ichen, dass man ihnen endlich zuhört.
Unter­stützung erhal­ten sie dabei neben See­brücke Brandenburg/Havel, See­brücke Pots­dam und Weltof­fenes Werder auch von eini­gen anderen poli­tisch aktiv­en Geflüchteten aus Bran­den­burg, die ihre Anreise angekündigt haben.

Am 30. März um 15:00 Uhr wollen sie den Protest vor die Aus­län­der­be­hörde am Neustädter Markt tra­gen und laden alle Brandenburger_innen ein, dazu zu kommen.

Inforiot