INFORIOT Ein Interview mit Lutz Boede (Potsdamer Kommunalpolitiker) über den Mordversuch an einem Afrodeutschen in Potsdam ist hier abrufbar.
Am Morgen des 16.04.06 wurde in Potsdam ein 37-jähriger Potsdamer äthiopischer Herkunft durch bislang noch unbekannte Tatverdächtige angegriffen und lebensbedrohlich verletzt (wir berichteten).
Im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen der im Polizeipräsidium Potsdam gebildeten Soko „Charlottenhof“ konnte der Mailboxmitschnitt des Handys der Ehefrau des Opfers, der bereits bei der Pressekonferenz am 17.04.06 abgespielt wurde, in Zusammenwirken mit dem Landeskriminalamt des Landes Brandenburg technisch aufbereitet werden.
Der Mitschnitt der Stimmen der vermutlichen Täter kann in der Internetwache der Polizei Brandenburg über Window Media Player, angehört werden (siehe Dateianhang). Die Tonaufnahmen sind wegen der Ausgangsaufnahme nicht in besserer Tonqualität möglich.
Die Polizei verspricht sich gleichwohl einen möglichen Fahndungserfolg, weil vor allem die Stimmlage prägnant erkennbar ist.
Sachdienliche Hinweise zu den Täterstimmen bzw. die zur Aufklärung der Straftat führen, nimmt das Polizeipräsidium Potsdam unter der Telefonnummer 0331 — 283 3115 entgegen!
Wie bekannt, hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungsführung an sich gezogen. Hiermit verbunden ist auch ein Wechsel der Pressehoheit. Die Medien werden deshalb gebeten, sich an die Pressestelle des Generalbundesanwaltes, Telefon 0721 – 8191410, zu wenden.
Die Mailbox-Aufnahme kann hier abgerufen werden.
AStA lädt zu Veranstaltung über Proteste mit Studierendenvertreter aus
Frankreich ein
Zeit: Donnerstag, 20. April 2006, 14:00 Uhr
Veranstaltungsort: Studentisches Kulturzentrum in der
Hermann-Elflein-Str. 10, Theatersaal.
Nach 2 Monaten wachsenden Unmuts unter den Jugendlichen in Frankreich
begann das Jahr 2006 dort mit einem Paukenschlag. Nachdem zunächst der
Kündigungsschutz für Neueingestellte in Betrieben mit weniger als 20
Beschäftigten durch eine Arbeitsrechtsreform (CNE) aufgehoben worden
ist, sollte diese Maßnahme mit dem Ersteinstellungsvertrag (CPE) auf
alle Jugendlichen unter 26 Jahren ausgeweitet werden.
Rasch bildete sich eine gewaltige Studierendenbewegung, die sich mit
gewerkschaftlichen Kräften vereinigte. Die Mobilisierung in Frankreich
gegen die Aufhebung des Kündigungsschutzes für Berufsanfänger/-innen hat
in Deutschland einiges Erstaunen ausgelöst. Zumal es auch hier Gesetze
und Vorhaben gibt und gab, die den Kündigungsschutz abbauen sollen; doch
nicht annähernd so viel Widerstand dagegen. Als dann klar wurde, dass
die Protestierenden in Frankreich erfolgreich sind, war die Sensation in
Europa perfekt.
Welche Situation in Frankreich hat zu so einer Empörung geführt? Wie ist
die breite gemeinsame Protestbewegung der Schüler/-innen, Studierenden
und Gewerkschafter/-innen entstanden? Wie haben sie sich organisiert und
für Zustimmung in der französischen Bevölkerung geworben? Diese und
andere Fragen werden auf der Informationsveranstaltung beantwortet.
Wir haben den Studierendenvertreter Antoine Pelletier, Mitglied der
nationalen Koordination der StudentInnen eingeladen. Herr Pelletier war
drei Wochen lang der Sprecher der Koordination, die an über 50
Universitäten während des Protestes demokratisch gewählt wurde. Antoine
Pelletier ist aufgrund des großen Interesses an Diskussionsrunden zu den
französischen Protesten nur für 24 Stunden in Deutschland.
(Jan Brunzlow) Eine „auffällig gute Zusammenarbeit zwischen Berliner und Brandenburger Neonazis“ sagen Vertreter antifaschistischer Vereinigungen der rechten Szene in Potsdam nach. Vor allem seit dem Jahr 2004 seien wieder vermehrt Bestrebungen zu verzeichnen, „besser organisierte Strukturen aufzubauen“, heißt es im Berliner Magazin der Antifa, „fight.back03“.
Die antifaschistische Szene Potsdams verzeichnete in der Stadt im Gegensatz zum Landestrend im ersten Halbjahr 2005 mehr Übergriffe mit rechtsradikalem Hintergrund als im gesamten Jahr zuvor. Trauriger Höhepunkt war die Aktion einer Gruppe Neonazis, die in der Innenstadt eine Straßenbahn per Notbremse stoppten, um zwei junge Männer anzugreifen. Die beiden Studenten, einer von ihnen ist in einer antifaschistischen Gruppe organisiert, wurden zusammengeschlagen und mit abgebrochenen Bierflaschen im Gesicht verletzt. Die Täter, die auch als Drahtzieher der Neonazi- Szene in Potsdam gelten, erhielten zuletzt mehrjährige Haftstrafen. Die „Gewaltspirale“ zwischen linken und rechten Jugendlichen im Vorjahr in Potsdam wurde von der Polizei anfangs verschwiegen, „aus ermittlungstaktischen Gründen“, hieß es seitens der Polizei.
Potsdamer Antifaschisten bezeichnen vor allem die unorganisierte Szene in der Landeshauptstadt als Problem. Haupttreffpunkt sei der Hauptbahnhof, heißt es im Infoblatt „Naziaktivitäten in Potsdam“. Weiter heißt es darin, dass sich die rechte Szene seit Beginn der 1990er Jahre in Potsdam formiere. Die rechtsextreme Band „Proissenheads“ wurde eigenen Angaben zufolge 1993 in Potsdam gegründet und probte bis 1998 im Klub 18, einem Jugendklub im Plattenbaugebiet Am Stern. Erst nach einer Aufklärungskampagne fünf Jahre später erhielt die Band ein Verbot, dort zu üben. Inzwischen spielen einige der Bandmitglieder in der Combo „Bloodshed“, die ebenfalls der rechtsextremen Szene zugeordnet wird.
Erinnern an Tschernobyl
Für den 26.04.06 rufen mehrere Potsdamer Verbände,
Parteien und Initiativen zu einer Demo unter dem Motto
“Erinnern an Tschernobyl ?
Einstehen gegen Atomkraft ?
Entschieden für Erneuerbare Energien! ”
auf. Die Demo findet anlässlich des 20. Jahrestages der
Katastrophe von Tschernobyl statt. Beginn ist um 18:30 Uhr
am Alten Markt in Potsdam (ca. 300m vom Hauptbahnhof). Ein
Ziel ist es, die Katastrophe von Tschernobyl, die Folgen
von Atomkraft und die Potenziale Erneuerbarer Energien ins
Rampenlicht zu stellen. Die Demo geht durch Trommeln
begleitet durch die Potsdamer Innenstadt zum Luisenplatz
und endet dort gegen 20 Uhr mit einer Kundgebung mit
Erinnerungen an Tschernobyl und Informationen über
Möglichkeiten für jedeN einzelneN, dies nicht mehr zu
unterstützen.
Den Ausklang soll ab ca. 21 Uhr ein atomkritischer Film in
der KUZE (Hermann Elflein Strasse) bilden.
Potsdam setzt Zeichen für eine lebenswerte Zukunft!
Weitere Infos: Anti-Atom-Gruppe Potsdam
INFORIOT Ein 37-jähriger Deutscher ringt derzeit nach einem rassistischen Angriff in der Potsdamer Innenstadt um sein Leben. Durch die Schläge und Tritte, die der aus Äthopien stammende dunkelhäutige Ernyas M. unter anderem gegen den Kopf erlitt, ist er so schwer verletzt, das er in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Der Angriff ereignete sich am frühen Sonntagmorgen gegen 03.55 Uhr an einer sonst menschenleeren Straßenbahnhaltestelle. Dass die Tat einen rassistischen Hintergrund hat, kann als gesichert gelten, weil auf der Handymailbox des Opfers Fragmente des Tatgeschehens dokumentiert sind. Ernyas M. wurde unter anderem als „Scheiß-Nigger“ beschimpft. Dies ist aus ersten Presseberichten zu erfahren (z.B.: hier und hier).
Um sich öffentlich gegen diesen neuerlichen Fall rassistischer Gewalt in Potsdam zu wenden, haben am späten Nachmittag vom Ostermontag zeitweise bis zu 550 Antifas in der Innenstadt demonstriert. Der Protestzug führte vom Platz der Einheit bis in unmittelbare Nähe des Tatortes, wo eine Zwischenkundgebung abgehalten wurde. „Vom dem Widerspruch mit bloßen Worten heute müssen wir weiterkommen: Zum Handeln, um dem rassistischen Terror und den Neonaziangriffen auf Alternative endlich Einhalt zu gebieten“, forderte ein Redner. „Antifaschistischer Selbstschutz ist lebensnotwendig, wie sich jetzt wieder einmal gezeigt hat.“ Anstatt leeren Lippenbekenntnissen gegen Rassismus und dem Herbeireden einer Gewaltspirale zwischen Links und Rechts müsse endlich wahrgenommen werden, dass die Gewalt von Rechts ausgeht und konsequentes antifaschistisches Engagement unterstützt werden, hieß es weiter. In den letzten Monaten hat es über 20 rechte Angriffe in Potsdam gegeben. Dem Opfer des aktuellen Angriffs wurde bei der Demo Solidarität ausgesprochen: „Wir hoffen, dass du durchkommst, wir wünschen dir das Beste.“ Die kurzfristig organisierte Demonstration verlief ohne Zwischenfälle — sie war geprägt vom Entsetzen über das Geschehene. Neben Antifas und Linksradikalen nahmen auch PDS- und Grünen-AnhängerInnen teil.
Die Polizei hat wegen des rassistischen Angriffs mittlerweile eine Sonderkommission mit dem Namen „Charlottenhof“ eingerichtet. Ermittelt wird wegen versuchten Mordes. Eine Belohnung für Hinweise, die zu den Tätern führen, wurde von der Staatsanwaltschaft ausgesetzt. Ein Taxifahrer, der Teile des Tathergangs beobachtete, beschrieb einen der beiden Angreifer gegenüber der Polizei als 1,70 bis 1,80 Meter groß, dunkel gekleidet und mit einer Kurzhaarfrisur, den anderen etwa zehn Zentimeter größer, von kräftiger Statur, mit Glatze und einer schwarzen Bomberjacke mit weißer Aufschrift bekleidet. Es sei möglich, dass es sich bei einer der beiden Personen um eine Frauen handele. Der Zeuge hatte erfolglos versucht, die beiden flüchtenden Täter aufzuhalten. Dem Opfer wurden auch rund 200 Euro Bargeld gestohlen.
Aus der Politik gab es am Montagabend erste Reaktionen: Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bekundete den Angehörigen seine „tiefe Anteilnahme“ und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nannte die Tat “verabscheuenswürdig”.
RASH Berlin-Brandenburg, die Ultras Babelsberg und weitere AktivistInnen organisieren für das Wochenende zwischen dem 5./6./7.5.2006 ein kleines Festival im Archiv in Potsdam. Es werden diverse Bands spielen — u.a. La Feijoa, Smith & Smart und Friendly Fucking Fire am Freitag und Stage Bottles, Veto und Freiboiter am Samstag (Openair) — Djs und Djanes für Partymucke sorgen und es wird eine Partytrambahnfahrt durch Potsdam organisiert. Als zusätzlichen Höhepunkt wird es dann am 7.5. das Oberligaspiel zwischen Union und Babelsberg geben.
Skinheads, Ultras, Punks, Antifas and others come together!
Die beiden Party- und Konzertabende stehen jeweils unter einem Solimotto — Freitag für von Repression betroffene Antifas und Ultras aus Potsdam/Babelsberg und Samstag für ehemalige sowjetische Kriegsgefangene.
Geplanter Ablauf des Wochenendes:
Freitag, 5.5.06: 20.00 Uhr Einlass – Beginn: 21.00 Uhr
— Warm up Konzert im Archiv mit folgenden Bands:
LaFeijoa (Ska aus Potsdam)
Friendly Fucking Fire (Hardcore aus Hannover)
AK47&MC Branson (Antifa-Rap aus Potsdam)
Smith & Smart (HipHop aus Berlin)
Anschließend DJs und Djanes: Cable Street Beat Soundsystem aus Berlin und zwei DJanes Black Blondie und Dizzy Lizzy welche 80er Jahre-Mucke auflegen plus DJ AK Rocker
Samstag, 6.5.06:
— Nachmittags 14.00–17.00 Uhr: Partytrambahn durch Potsdam mit verschiedenen DJs, Preis pro Person: 5 Euro, Start: 14.00 Uhr Potsdam Haubtbahnhof
— Ab ca. 18.00 Openair-Konzert im Archiv mit folgenden Bands:
Veto (Politpunk aus Potsdam)
Freiboiter (Antifascist Streetpunk/Oi aus Stuttgart)
Stage Bottles (Antifascist Streetpunk/Oi aus Frankfurt)
Anschließend Djs und Djanes u.a.:
Jewdriver Security Soundsystem (Jewish Twist´n Swing, Street Rock´n´Roll, 60´s Soul, Surf, Punkrock, 80´s and more) und Dancing Queen (Rock´n´Roll, Ska, 80er)
- Specials: Grillen draussen, Getränke- und Cocktailsolibar, Videovisuals
Sonntag, 7.5.06:
— Ab 12.00 Uhr Bella Vita-Frühstück (und alle bringen was mit…) im Archiv
— 14.00 Uhr gemeinsame Fahrt zur Alten Försterei
— 16.00 Uhr Union vs. Babelsberg und niemals vergessen: 3:2!
— Anschließend evtl. irgendwo in Berlin dezentes Chillout oder wer immer noch nicht genug hat geht noch zu Oi Polloi ins Tommy Haus
Mehr Infos demnächst auch unter: www.filmstadtinferno.de
Unterwanderung der Hardcoreszene?
(Antifaschistische Recherchegruppe auf Indymedia, dort auch Fotos) Schon seit einigen Jahren kann beobachtet werden das sich Nazis neben anderen eher alternativ positionierten Subkulturen auch in der Hardcore — Musikszene breitmachen wollen. Schon recht früh wurde deshalb aus Szenekreisen, die Losung “Good Night — White Pride” ausgegeben um sich den ungewollten Interessenten wieder zu entledigen.
Da eine Initiative aber immer vom Engagement vor Ort abhängt, gibt es so deutliche regionale Unterschiede im Umgang mit Nazis auf Hardcorekonzerten. In einigen Städten herrscht diesbezüglich sogar eine gefährliche Gleichgültigkeit zu dieser Thematik bzw. ein sehr weit gefasster Toleranzbegriff.
Auch in Brandenburg/Havel scheint dies der Fall zu sein.
Am Samstag, dem 25. März 2006, fand im eher als alternativ bekannten Club “HdO” ein gut besuchtes Hardcorekonzert statt, zu dem auch mindestens 6 — 7 Nazis aus Rathenow, Premnitz und Brandenburg/Havel, darunter auch Mitglieder der verbotenen Kameradschaften “Hauptvolk” und “Sturm 27,” fuhren und auch den ganzen Abend über unbehelligt bleiben konnten. Nicht einmal als diese begannen Leute anzugreifen, gab es für das Ordnungspersonal einen Grund die Nazis des Saales zu verweisen.
Der Betreiber des HdO, der Verein “Jugendkulturfabrik”, wollte sich nach einer Anfrage bisher nicht zu dieser Angelegenheit äußern. Laut eines im Internet einsehbaren Konzeptes sieht sich der Verein zwar als Förderer von multikultureller Aktivitäten, positioniert sich jedoch nicht eindeutig zu Rechtsextremismus und Rassismus.
Am 19. April 2006 wollen die Rathenower Kameraden übrigens wieder ein Hardcore Konzert besuchen. Diesmal soll es zu den “Dropkick Murphys” in der Berliner Columbiahalle gehen.
Namen aus der Endlosschleife
Pascal Huyhn promovierte 1990 über die Rezeptionsgeschichte Kurt Weills. Dieser ist mit Hanns Eisler der berühmteste Brecht-Komponist. Beide mußten 1933 ins Exil. Huyhn kuratierte 2004 in Paris die Wander-Ausstellung »Das ´Dritte Reich´ und die Musik«. Sie ist nun im Schloß Neuhardenberg zu sehen. Es ist die einzige deutsche Station, anschließend geht es weiter nach Barcelona.
Die Kollektion ist sehr überschaubar gegliedert. Zentral ist der Raum, der sich in Schrift, Bild und Ton der Musikpraxis derer widmet, die in den KZs ums Überleben kämpften, indem sie musizierten und sangen und dichteten, und die unterm Dröhnen der Beschallungsanlagen den Erschießungen ihrer Kameraden bewohnen mußten. Von dort führt es weiter die Treppe hoch zu einer Empore, auf der man verweilen und sich auf einer Videoleinwand die Namen der Getöteten, Verfolgten, Exilierten anschauen kann: Komponisten, Musiker, Sänger, Musikgelehrte, Musikpublizisten, Musikpädagogen. An die zweihundert Namen, bekannte und unbekannte, rollen auf einer Endlosschleife ab: Arnold Schönberg, Hanns Eisler, Kurt Weill, John Heartfield, Viktor Ullmann, Marlene Dietrich, Karl Amadeus Hartmann, Hermann Scherchen, Otto Klemperer, Georg Knepler, um nur diese zu nennen. Jeder, der nach Neuhardenberg kommt, sollte die unerbittliche Namensfolge und die knappen Informationen dazu geduldig studieren.
Und er sollte sich sodann auch die Ideologeme und Gespenster anschauen, die die Nazi-Herren der Musikkultur eingepflanzt haben. An einer Säule haftet ein besonders infames Plakat, entstanden 1928, braunrotgefärbt. Es führt modellhaft die Wut der austrofaschistischen Barbaren auf Kreneks Oper »Jonny spielt auf!« vor Augen. Belege NS-faschistischer Angriffe aufs Abstrakte, auf alles »Jüdisch-Bolschewistische« birgt jeder Raum. Und zugleich, worauf diese Wut abhebt. Schönberg, besonders gehaßt, ist mit eigenen bildkünstlerischen Arbeiten so vertreten wie das kommunistische Lied, das Hanns Eisler und Ernst Busch vor und nach 1933 adressierten. Beider Initiativen versteckt die Kollektion keineswegs. Raum haben auch Film und Unterhaltungsmusik als Unterdrückungs-und Zerstreuungsmittel der Nazis.
Daß deutsche Musik und Musikkultur im »Dritten Reich« auch in Verbindung mit anderen Künsten depravierte, im Krieg zur Durchhalteparole verkam, kommt unterschiedlich akzentuiert zum Sprechen. »Blut und Boden«-Ölschinken zeigen den musizierenden deutschen Bauern, fatal genauso Brekers unsägliche Wagner-Büste, umgeben von sonstigen NS-Reliquien des Meisters. Die Anton-Bruckner-Abteilung verbildlicht den Höhepunkt des dummen Heroenkults der Nazis. Ausgespart bleiben leider problematische Fällen wie des bedeutenden Anton Weberns Vertrauen in die deutsche Großmachtideologie oder des großen Dirigenten Fritz Buschs Interesse, 1933 mit Hilfe Görings in höchste Ämter aufzusteigen. Gleichwohl: Die französische Präsentation (in Gemeinschaft mit der Stiftung Neuhardenberg) setzt auf Zusammenhang, auf Klarheit und Wahrheit. Das in Inhalt und Ausstattung hervorragende Begleitbuch vertieft das Gezeigte.
Tschüss, Kameraden!
Als am 28. März vor dem Landgericht in Potsdam die Urteile gegen sechs Rechtsextreme wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung verhängt wurden, saßen auf den Zuschauerplätzen rund 20 Neonazis aus Berlin und Potsdam. Zwischen drei Jahren auf Bewährung und fünf Jahren Freiheitsentzug verhängten die Richter, sehr zum Unmut der Rechten.
Immer wieder besuchen seit dem vergangenen Jahr Rechtsextreme in der brandenburgischen Landeshauptstadt solche Verhandlungen gegen ihre Kameraden. Sie begannen damit im April 2005, als vor dem Landgericht Potsdam gegen den 23jährigen Neonazi Sebastian D. und gegen Jeannine P. wegen versuchten Mordes verhandelt wurde. Seit dem zweiten Prozesstag rief vor allem der damalige Szeneaktivist Gabriel Landgraf Angehörige von Berliner und Brandenburger Kameradschaften dazu auf, zum Prozess zu kommen. Im Schnitt besuchten von da an rund 40 Rechte die Verhandlungen und schüchterten linke Zuschauer des Prozesses ein.
Landgraf aber stieg im Sommer 2005 aus der rechten Szene aus. Er hatte zuvor eine bedeutende Stellung in ihr eingenommen. Seit dem Jahr 2000 warb er für Demonstrationen, Veranstaltungen, Partys und Kampagnen. Er baute SMS- und E‑Mail-Verteiler für die so genannten freien Kameradschaften auf und kümmerte sich um die Zusammenarbeit unterschiedlicher Gruppen in Berlin und Brandenburg. Als Betreiber der Website »Berliner Infoportal« schuf er darüber hinaus ein öffentliches Informationsmedium.
Im Jahr 2003 war er Mitbegründer der »Berliner Alternative Süd-Ost« (Baso), einer insbesondere im Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick aktiven Kameradschaft. Bevor sie im März 2005 von Innensenator Erhart Körting (SPD) verboten wurde, war sie vor allem mit Kampagnen, unter anderem für ein »nationales Jugendzentrum«, sowie als Veranstalterin von Demonstrationen in Erscheinung getreten. Im September 2004 gründete Landgraf schließlich die Berliner Abteilung des »Märkischen Heimatschutzes« (MHS), deren Anführer er wurde.
Nach einer längeren Auslandsreise wandte er sich jedoch seinen eigenen Angaben zufolge im August 2005 an Bernd Wagner von »Exit Deutschland«. Die im Sommer 2000 gegründete Organisation will Aussteigern aus der rechtsextremen Szene helfen. Derzeit werden 36 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet von den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut.
Landgrafs Gründe für seinen Ausstieg klingen zunächst vage. Gezweifelt habe er immer wieder einmal, sagt er heute. Die Bedenken seien ihm beim Schreiben von Artikeln, bei Diskussionen und im Umgang mit Jüngeren gekommen, vor allem bei den Themen Geschichtsrevisonismus und Rassismus, erzählt er der Jungle World. Auch die Tatsache, dass die Szene ihren eigenen »Idealen« wenig genügt habe, habe ihn nachdenken lassen. Auf die Frage, welche Konsequenzen seine anfänglichen Zweifel für sein Handeln gehabt hätten, antwortet er, dass es in der Regel immer möglich gewesen sei, mit diesen inneren Konflikten umzugehen oder sie zur Seite zu schieben.
Bernd Wagner betont das Prozesshafte solcher Ausstiege und weist darauf hin, dass viele unterschiedliche Ereignisse den Entschluss, aus der Szene auszusteigen, auslösen können. Für Landgraf waren offenbar Kontakte zu Menschen außerhalb der rechten Szene entscheidend. Gespräche mit ihnen hätten es ihm ermöglicht, Widersprüche zuzulassen, sagt er.
Doch wann ist der Ausstieg vollzogen? Genügt die Abkehr von rechter Gewalt, organisierter politischer Arbeit oder den alten Freunden? Für Wagner ist die Voraussetzung der eigene Entschluss, sich sowohl ideologisch als auch organisatorisch aus der Szene zu lösen. Er weiß auch um die Probleme, die mit einer solchen Entscheidung für den Einzelnen einhergehen: die Trennung von der Gruppe, mit der einen gemeinsame Erfahrungen und Straftaten verbinden; Schwierigkeiten wegen der sozialen Situation; vor allem aber der Verlust des eigenen, bisher funktionierenden Weltbildes und die daraus bei vielen Aussteigern entstehende Leere.
Für Landgraf stellt sein Ausstieg den »Bruch mit der Bewegung« dar. Für die Neonaziszene bedeutet so eine Abkehr in erster Linie einen Verrat, der gerächt werden soll. Als sich Landgraf im Oktober 2005 zunächst von seinen politischen Ämtern zurückzog und schließlich das »Berliner Infoportal« einstellte, seien einzelne Nachfragen seiner früheren Kameraden gekommen. Einige hätten erfahren wollen, ob sein Rückzug auch die gemeinsamen Ansichten in Frage stelle. Andere hätten bemerkt, dass ihnen seine Kompetenz in Fragen der Organisation fehle.
Zunächst brachten sie vor allem ihre Enttäuschung zum Ausdruck. Dann aber habe sich der Ton verschärft. Vor allem auch im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung im Antifaschistischen Infoblatt, als deren Urheber Landgraf angesehen wurde. Die Fragen wurden gereizter und vor allem drohender. Ehemalige Freunde hätten begonnen, ihn zu beobachten. Im Dezember kam es dann zu einer direkten Auseinandersetzung auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin, der er sich nach einigen Beleidigungen und verbalen Drohungen nur durch einen Rückzug und der Fahrt mit einem Taxi habe entziehen können, wie er berichtet.
Sonja Luzar vom Verein »Jugend engagiert in Potsdam«, der Opfer rechter Gewalt unterstützt und die Prozesse gegen Neonazis vor Amts- und Landgerichten beobachtet, ist sich unsicher, welchen Einfluss Landgrafs Ausstieg auf die Beteiligung von Neonazis an laufenden Gerichtsverfahren habe. Sie konnte feststellen, dass ihr Erscheinen weniger organisiert sei und eher in kleineren Gruppen erfolge; insgesamt würden sie sich derzeit ruhiger verhalten. Dies führt sie allerdings auch darauf zurück, dass einige Rechtsextremisten inzwischen auch Anzeigen wegen Beleidigung am Hals haben. Bei der Verkündung des Urteils am 28. März kam es wiederholt zu Pöbeleien gegen linke Zuschauer im Gerichtssaal.