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Mit ganzer Härte

Staat­san­walt fordert langjährige Haft­strafen für drei Skin­heads, die
einen Mann fast zu Tode gefoltert haben

Frank­furt (Oder) — Der Staat­san­walt sprach mit mech­a­nis­ch­er Stimme und
so eilig, als wollte er das Grauen möglichst schnell hin­ter sich
brin­gen. Die von den Angeklagten gezeigte Bru­tal­ität und
Men­schen­ver­ach­tung werde ihm und den Zuhör­ern dieses Ver­fahrens noch
lange in Erin­nerung bleiben, sagte Jörg Tegge gestern in seinem Plädoyer
im Prozess am Landgericht Frank­furt (Oder). Nach­dem er noch ein­mal die
sex­uelle Mis­shand­lung und die vie­len weit­eren Qualen geschildert hatte,
die der arbeit­slose Gun­nar S. vor einem Jahr erdulden musste, forderte
der Staat­san­walt für drei Skin­heads und zwei Frauen teil­weise harte
Strafen — wegen gemein­schaftlich­er Verge­wal­ti­gung, gefährlicher
Kör­per­ver­let­zung, Frei­heits­ber­aubung, Nöti­gung, Haus­friedens­bruchs und
Sachbeschädigung. 

Gun­nar S. war, wie berichtet, am 5. Juni 2004 in Frank­furt (Oder) von
der Clique gezwun­gen wor­den, in eine Woh­nung mitzukom­men und sich
auszuziehen. Ron­ny B., dessen Vorstrafen kaum zu zählen sind,
verge­waltigte Gun­nar S. mit mehreren Gegen­stän­den. Das Opfer erlitt
lebens­drohliche innere Blu­tun­gen. Die anderen Skin­heads schlu­gen und
trat­en auf Gun­nar S. ein. Ihm wur­den außer­dem zahlre­iche Brandwunden
zuge­fügt. Und er musste Rasier­schaum, Weich­spüler, ver­dor­be­nen Saft
sowie andere Dinge schluck­en. Ron­ny B. stach auch mit einem Mess­er und
ein­er Gabel auf ihn ein. Das Leben des Opfers kon­nten die Ärzte im
Klinikum Frank­furt nur mit ein­er Not­op­er­a­tion ret­ten. Gun­nar S. ist für
unab­se­hbare Zeit hochgr­a­dig traumatisiert. 

Ron­ny B., 29, mut­maßlich­er Anführer der Clique, soll 14 Jahre und sechs
Monate für die grausige Tat büßen. Außer­dem sei B. wegen seines Alkohol-
und Dro­genkon­sums in ein­er Entziehungsanstalt unterzubrin­gen. Der
glatzköp­fige David K., 23, müsse zehnein­halb Jahre in Haft und ebenfalls
in eine Entziehungsanstalt eingewiesen wer­den. Daniel K., 21, soll für
den Gewal­texzess neunein­halb Jahre büßen. Für die zwei weiblichen
Angeklagten, Ramona P., 25, und Stephanie L., 20, forderte der
Staat­san­walt jew­eils zwei Jahre Haft — die zur Bewährung ausgesetzt
wer­den sollten. 

Das kam etwas über­raschend. Tegge hat­te zuvor geschildert, wie die
bei­den Frauen die Skin­heads ange­feuert und unter­stützt haben sollen. Der
Staat­san­walt ging dann sog­ar über die Anklage hin­aus, in der den Frauen
“nur” Bei­hil­fe vorge­wor­fen wird. Nach Ansicht des Staat­san­walts sind
Ramona P. und Stephanie L. aber Mit­täter. Sie haben allerd­ings keine
Vorstrafen und waren geständig. 

Der Anwalt des Opfers, Mar­tin Rub­bert, betonte den rechtsextremen
Hin­ter­grund der Tat. Der Angeklagte Daniel K. hat­te Gun­nar S. mit den
Worten erniedrigt, “du bist weniger arisch als mein Hund”. Die drei
Män­ner und zwei Frauen fol­gten den Plä­doy­ers ohne erkennbare Regung — in
ihren Schluss­worten beteuerten sie, das Geschehene tue ihnen Leid. 

Die Vertei­di­ger forderten deut­lich gerin­gere Strafen: für Ron­ny B., den
mut­maßlichen Anführer, der im Voll­rausch gehan­delt habe, vier Jahre, für
Daniel K. fünf und für David K. sechs Jahre: Ihre schwere Kind­heit und
der Alko­holkon­sum müssten berück­sichtigt wer­den; zudem sprächen für die
Angeklagten ihre Geständ­nisse. Eine Mit­täter­schaft der bei­den Frauen
vernein­ten ihre Anwälte und forderten milde Strafen. 

Das Urteil will die Strafkam­mer am Fre­itag verkünden. 

Der Exzess

Er traut sich nicht mehr auf die Straße, und er träumt immer noch davon: Wie ihn
Neon­azis quäl­ten und folterten. Ein Opfer erzählt

(Tagesspiegel, 13.6.) Am lieb­sten wäre er unsicht­bar. Er kön­nte dann auf die Straße gehen. Ohne fürchten
zu müssen, dass jemand Fra­gen stellt. „Ich hab Angst, dass ich darauf angesprochen
werde: Warum haste denn so was?“ Gun­nar S. redet hastig, „ich geh nich raus, auch
wenn es jet­zt warm is, ich kann nich baden gehen, mit freiem Oberkör­p­er, mit den
ver­bran­nten Brust­warzen, mit dem ganzen ver­bran­nten Rück­en“. Er sackt in den Sessel
zurück, sein Blick wartet auf eine Reak­tion. Aber was soll man einem Mann sagen,
dessen Geschichte so grausig ist, dass die ver­bran­nten Brust­warzen fast schon wie
ein min­der­schw­eres Detail erscheinen? 

Vielle­icht erwartet Gun­nar S. gar keine Antwort. Er will reden, trotz sein­er Scheu
vor der Öffentlichkeit. „Son­st ste­ht in den Zeitun­gen nur, wat mit den Tätern is.
Ich will, dass drinne ste­ht, was mit mir is.“ Ein Jahr nach der Tat. Erst jet­zt hat
Gun­nar S. die Kraft, mit einem Jour­nal­is­ten zu reden. Aber er bit­tet, auf keinen
Fall seinen vollen Namen zu schreiben. Und nicht, wo er lebt. 

Am 5. Juni 2004 geri­et Gun­nar S. in die Fänge ein­er Clique von drei rechtsextremen
Skin­heads und zwei jun­gen Frauen. Es war nicht die szene­typ­is­che Tatzeit, keine
tiefe Nacht, son­dern ein Vor­mit­tag. Gun­nar S. traf in Frank­furt (Oder) vor einem
Plat­ten­bau auf die Gruppe. Zwei Skin­heads kan­nten ihn. Und zumin­d­est ein­er der
Kahlköpfe wusste, dass Gun­nar S. ein Punk gewe­sen war. Offen­bar ein harm­los­er, aber
Punks zählen zu den Feind­bildern der recht­en Szene. Jeden­falls behaupteten die
Skin­heads, Gun­nar S. habe eine 15-Jährige verge­walti­gen wollen. Die drei Männer
nötigten ihn, in eine Woh­nung mitzukom­men. Dort lebte ein Bekan­nter der Skins, der
auch ein paar Schläge abbekam. Dann war Gun­nar S. an der Rei­he. Zweiein­halb Stunden
lang. 

Was der 34-jährige arbeit­slose Bau­mas­chin­ist über sich erge­hen lassen musste,
beschreiben Strafver­fol­ger als ein Ver­brechen, das selb­st in Bran­den­burg, bundesweit
Num­mer-eins-Land bei rechter Gewalt, die Maßstäbe sprengt. Nur sel­ten hat eine
märkische Staat­san­waltschaft in der Anklageschrift so heftig Entset­zen über
Szeneschläger for­muliert. „Aus ange­maßter Rächer­rolle, aus auf tief­ster Stufe
ste­hen­der men­schen­ver­ach­t­en­der dumpfer recht­sex­trem­istis­ch­er Ein­stel­lung und purer
Lust“ hät­ten Ron­ny B., David K. und Daniel K. ihr Opfer mis­shan­delt, gequält und
sex­uell miss­braucht, schrieb der lang gedi­ente Ober­staat­san­walt Hart­mut Oeser.
Über­trieben hat er nicht. 

Seit Feb­ru­ar müssen sich die drei Recht­sex­trem­is­ten sowie Ramona P. und Stephanie L.
vor dem Frank­furter Landgericht ver­ant­worten. Der 29 Jahre alte Ron­ny B. ist
kräftig, sein Blick wirkt allerd­ings selt­sam müde, abwe­send. David K., 23 Jahre alt,
ist auch ein wuchtiger Glatzkopf. Die bei­den Angeklagten sind das, was Kriminalisten
als typ­is­che Inten­sivtäter beze­ich­nen. Die Zahl der Delik­te, von „Sieg Heil“-Gebrüll
über Raub bis zu x‑facher Kör­per­ver­let­zung, ist kaum noch zu überblick­en. Daniel K.,
21 Jahre alt, erscheint im Gericht mit gegel­tem Haar. Sein Vorstrafen­reg­is­ter ist
dünn. Die 25 Jahre alte Ramona P. und Stephanie L., 20 Jahre, haben keins. Die zwei
Blondi­nen kom­men modisch gek­lei­det, als gin­ge es um das Cast­ing ein­er Model-Agentur.
Doch spätestens am heuti­gen Mon­tag wer­den die Frauen und ihre drei Kumpel eine
Ahnung von der Strafe bekom­men, die sie erwartet. Der Staat­san­walt, der Anwalt von
Gun­nar S. und die Vertei­di­ger sollen jet­zt ihre Plä­doy­ers vor­tra­gen. Aber kann ein
Gericht über­haupt angemessen ahn­den, was Gun­nar S. erdulden musste? 

„Ich musste mich nackt ausziehen und auf dem Boden kriechen, wie ein Tier“, sagt er.
„Du Scheiß-Alt-Punk ham sie mir beschimpft, und dass ich unar­isch bin.“ Was Gunnar
S. dann in sein­er ein­fachen, manch­mal der­ben Sprache an Details erzählt, ist von
Erin­nerungslück­en getrübt – und doch so furcht­bar, dass man es kaum noch
auf­schreiben kann. Zunächst schlug
en und trat­en die Skin­heads auf ihr Opfer ein.
Ron­ny B. reichte das nicht. Die Hil­flosigkeit von Gun­nar S. reizte ihn, jegliche
Hem­mung abzus­treifen. Und homo­sex­uell aufge­ladene Macht­fan­tasien auszuleben. Als
sollte Pier Pao­lo Pasoli­n­is Film „Die 120 Tage von Sodom“, in dem er eine fiktive
sadis­tis­che Orgie ital­ienis­ch­er Faschis­ten auf­führt, in Bran­den­burg als
neon­azis­tis­ch­er Gewal­texzess umge­set­zt werden. 

Ron­ny B. nahm Gegen­stände aus der Küche und führte sie Gun­nar S. in den After ein.
Der Gequälte erlitt lebens­ge­fährliche innere Blu­tun­gen, wurde ohn­mächtig, wachte
wieder auf. David K. und Daniel K. benutzten ein heißes Bügeleisen, um den Rücken
des Opfers und weit­ere Kör­perteile zu ver­bren­nen. Ron­ny B. urinierte Gun­nar S. in
den Mund. Der Skin­head stach ihm mit einem Mess­er und ein­er Gabel in den linken
Ober­schenkel. Gun­nar S. musste Weich­spüler, Rasier­schaum, ver­dor­be­nen Saft, eine
pul­ver­ar­tige Droge, Taubenkot und Zigaret­tenkip­pen schluck­en. Die bei­den Frauen
sollen mit Gelächter und Rufen die Recht­sex­trem­is­ten ange­feuert haben. Ramona P. und
Stephanie L. stre­it­en es ab. Geholfen haben sie dem Opfer jeden­falls nicht. 

Als die drei Skin­heads genug hat­ten, erpressten sie mit Todes­dro­hun­gen von Gun­nar S.
das Ver­sprechen, nie­man­dem von der Folter zu erzählen. Der benommene Mann taumelte
in seine Woh­nung in einem benach­barten Plat­ten­bau und ließ Wass­er in die Wanne ein.
Kurz darauf klin­gelte es. Da habe „ein Faschokumpel“ der Täter an der Tür gestanden,
sagt Gun­nar S. „Der hat dann Trophäen­fo­tos von mir gemacht.“ Die Bilder habe der
Mann an eine Boule­vardzeitung verkauft. Gun­nar S. ste­ht auf und holt einen
Zeitungsauss­chnitt. Auf dem Foto ste­ht er da mit ver­bran­ntem Oberkörper. 

Es war dann aber offenkundig die Fre­undin des Fotovoyeurs, die einen Notarzt rief.
Ger­ade noch rechtzeit­ig wurde Gun­nar S. im Frank­furter Klinikum operiert. Bei seiner
ersten Befra­gung durch die Polizei war die Panik so groß, dass er eine Geschichte
erfand, um die Täter nicht zu nen­nen. Erst später sagte er, wie es gewe­sen war. 

Als die physis­chen Schä­den halb­wegs geheilt waren, kam Gun­nar S. in eine sächsische
Fachk­linik für psy­cho­so­ma­tis­che Medi­zin. Fünf Wochen blieb er dort, jet­zt betreut
ihn eine Traumapsy­cholo­gin. Dreimal täglich muss er Anti­de­pres­si­va ein­nehmen. Sein
Zus­tand bleibt prekär. 

Im ver­gan­genen Jahr, sagt Gun­nar S., habe er einen Selb­st­mord­ver­such unternommen.
„Manch­mal wär mir lieber, der hätte mich abgestochen“, damit ist Ron­ny B. gemeint.
Dann wird die Stimme noch hastiger, „ich kann nur zwei Stun­den schlafen, dann träum
ich wat, dann wach ich auf. Die Täter ham mich schon n paar Mal im Traum
erwis­cht.“ Gun­nar S. beugt sich vor, „ich kann mich nich mehr mit Rasierschaum
rasieren, weil ich den schluck­en musste. Ich kann keinen Saft trinken, weil ich so
wat Ver­schim­meltes trinken musste. Und wenn ich was trinke, habe ich immer den
Weich­spüler im Mund, den ich schluck­en musste.“ 

Im Prozess ist Gun­nar S. ein­mal kurz als Zeuge aufge­treten. Die Strafkam­mer unter
Vor­sitz des sen­si­blen Richters Andreas Dielitz kam dem trau­ma­tisierten Mann
ent­ge­gen. Er musste sich nicht in den Saal set­zen und die Blicke der Angeklagten
ertra­gen. In einem Neben­raum sprach Gun­nar S. Anfang März in eine Videokam­era, seine
Aus­sage wurde über­tra­gen. Neben Gun­nar S. saß ein Mit­glied des Vereins
Opfer­per­spek­tive, der sich seit Jahren um Men­schen küm­mert, die in Bran­den­burg von
recht­en Gewalt­tätern mal­trätiert wur­den. Der Richter hat­te auch die Öffentlichkeit
aus­geschlossen. „Einige Angeklagte woll­ten sich entschuldigen“, sagt Gun­nar S.,
„aber das geht nicht. Warum haben die mich denn über­haupt zerlegt?“ 

Warum. Die Frage zieht sich nicht nur durch die Geschichte von Gun­nar S., ohne dass
es eine Antwort gäbe. Was Gun­nar S. erlebt hat, ist Teil ein­er Serie rechtsextremer
Angriffe in Bran­den­burg, bei denen die Täter die übliche Faust-und-Stiefel-Gewalt
noch sadis­tisch zus­pitzten. In der Regel mit tödlichem Ende. Am bekan­ntesten ist der
Mord­fall Pot­zlow. In dem uck­er­märkischen Dorf quäl­ten im Juli 2002 drei Skinheads
den Schüler Mar­i­nus Schöberl, ein Täter sprang ihm zulet­zt ins Genick. Im Monat
zuvor hat­ten vier Recht­sex­trem­is­ten den Dachdeck­er Ronald Masch ent­führt und auf
einem Feld nahe der Ortschaft Neu Mahlisch zusam­mengeschla­gen. Ein­er der Täter stach
etwa 40 Mal auf Masch ein – und schwärmte nach dem Mord vom „Blu­trausch“. Im August
2001 quäl­ten fünf junge Män­ner in Dahlwitz den Obdachlosen Dieter Manzke zu Tode. Im
März 2003 prügel­ten drei Recht­sex­trem­is­ten in ein­er Woh­nung in Frank­furt (Oder) den
früheren Punk Enri­co Schreiber. Ein Skin­head sprang auf ihm herum und stach mit
einem Mess­er mehrmals zu. Das Opfer ist verblutet. Gun­nar S. beina­he auch. 

Die Lust an Gewalt bis zur Folter kann nie­mand erk­lären. Selb­st Brandenburgs
Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm, son­st immer für kernige Sprüche gut, sagt inzwischen,
die Polizei stoße an ihre Gren­zen. Es man­gele der Gesellschaft an nachhaltigem
Engage­ment gegen den Recht­sex­trem­is­mus und die von ihm aus­ge­hende Gewalt. Ideen, wie
der Schreck­en wirk­sam zu bekämpfen wäre, haben wed­er der Min­is­ter noch andere
Experten. 

Gun­nar S. kämpft mit sich selb­st. Auch ein Jahr nach dem Exzess fällt es ihm schwer,
eine Per­spek­tive zu find­en. Er kann nicht arbeit­en, lebt von mager­er Rente und sitzt
die meiste Zeit vor dem Fernse­her. Und ringt darum, die Angst vor „draußen“ zu
über­winden. Seine Mut­ter hil­ft ihm, auch der jün­gere Brud­er, aber es reicht nicht.
In dem Gespräch deutet Gun­nar S. an, welchen Zeitraum er im Kopf hat, bis zu einem
halb­wegs nor­malen Leben. Bis er sich traut, endlich wieder zu seinem Sohn zu fahren,
den er mit ein­er Ex-Fre­undin hat. „Das ist mein größter Wun­sch“, sagt Gun­nar S.,
„ich möchte ihn sehen, bevor er erwach­sen wird.“ Der Sohn ist erst drei Jahre alt.

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Aggressionen mit Anzug und Krawatte

Rechts­gerichte Jugendliche aus­gren­zen oder zur Umkehr bewe­gen? Experten disku­tierten in Falkensee

(MAZ) FALKENSEE Seit Ende der neun­ziger Jahre ist die pädagogische
Auseinan­der­set­zung mit recht­sori­en­tierten Jugendlichen rapi­de gewach­sen. In
der The­o­rie klin­gen viele Konzepte toll. Doch wie sieht der Umgang mit
diesen Her­anwach­senden in Schulen, in Jugend- und Sportk­lubs oder auf der
Straße in der Prax­is aus? Diese Fra­gen wur­den im kreativ­en Zen­trum Falkensee
leb­haft disku­tiert. Die 26-jährige Falkenseerin Susann Reißig vom örtlichen
Bünd­nis gegen Rechts trug Auszüge aus ihrer Mag­is­ter­ar­beit vor. Ihr Thema:
Kri­tik an der “akzep­tieren­den Jugen­dar­beit” mit recht­en Jugendlichen. Die
Podi­ums­diskus­sion wurde vom Falkenseer Sozialpäd­a­gogen Wolf­gang Eichstätter
mod­eriert. Teil­nehmer waren Jugen­damt­sleit­er Rein­hard Glatzel, Guido
Pack­häuser als Vertreter der mobilen Ein­satzein­heit der Polizei Brandenburg
(Mega) gegen Gewalt und Aus­län­der­feindlichkeit und Thomas Wei­dlich vom
mobilen Beratung­steam tol­er­antes Bran­den­burg (MBT). Etwa 40 Gäste waren
gekommen. 

Susann Reißig stellte dar, dass viele neuere Unter­suchun­gen die bisherige
Prax­is nicht recht­fer­ti­gen, rechter Gesin­nung durch Bere­it­stel­lung von
Jugend­klubs und unpoli­tis­chen Betreu­ungsange­boten ent­ge­gen­zuwirken. Die
weitläu­fige Mei­n­ung, dass rechte Gesin­nung direk­ter Aus­druck emotionaler
Ver­wahrlosung von Jugendlichen sei, lasse sich wis­senschaftlich nicht
hal­ten. Der Ansatz, rechter Gesin­nung nicht offen­siv entgegenzutreten,
son­dern rechte Jugendliche so, wie sie sind, zu akzep­tieren und sie sozial
sta­bil­isieren zu wollen, sei deshalb im Ergeb­nis falsch. 

Thomas Wei­dlich vom mobilen Beratung­steam sagte, es seien Gelder des
bun­desweit mit 20 Mil­lio­nen Euro jährlich unter­stützen Aktionsprogramms
gegen Aggres­sion und Gewalt (AgAG) nicht erfol­gre­ich einge­set­zt worden.
“Teil­weise wur­den szene­na­he Per­so­n­en, recht­slastige Sozialarbeiter,
bezuschusst.” In Hin­ter­räu­men von Jugend­klubs wür­den ver­botene Sym­bole an
der Wand geduldet, um den ange­blich heimat­losen Jugendlichen das Gefühl zu
geben, ein Zuhause zu haben. “Ich stimme zu, dass dieser Ansatz gescheitert
ist”, sagt Thomas Wei­dlich. Unter der Reich­skriegs­flagge zusam­men zu
spie­len, zu basteln oder Bier zu trinken, dies sei falsch. 

Ins­ge­samt habe sich die recht­sori­en­tierte Szene gewan­delt, sagte Susann
Reißig. “Es sind nicht mehr nur dumpfe Glatzköpfe mit Bomber­jacke, deren
aggres­sives Auftreten Päd­a­gogen oft­mals als verzweifel­ten Schrei nach Liebe
verk­lären. Der mod­erne Nazi trägt inzwis­chen auch Anzug und Krawat­te und ist
sehr gut organ­isiert”, so Reißig. “Wir müssen darauf acht­en, dass wir die
Wirk­lichkeit nicht ver­drehen und die Recht­en als arme Opfer hin­stellen, die
nicht ver­schreckt wer­den dürften.” 

“Es gibt rechte Gewalt auch im Havel­land”, sagt Gui­do Pack­häuser, der bei
der Mega auch als verdeck­ter Ermit­tler arbeit­et. Er beze­ich­net seinen
Arbeit­stag als erfol­gre­ich, wenn er Ver­anstal­tun­gen mit menschenverachtenden
Inhal­ten stop­pen und rechte Gewalt­täter schnap­pen kann. Er weiß, wie schwer
die Arbeit von Päd­a­gogen mit Recht­en ist. Pack­häuser warnt aber auch davor,
diese Jugendlichen aus beste­hen­den Ein­rich­tun­gen auszuschließen. “Rechte
Jugendliche, die nicht mehr in die Klubs dür­fen, sind viel schwieriger zu
kon­trol­lieren.” Jugen­damt­sleit­er Rein­hard Glatzel sieht jedoch teils keinen
anderen Ausweg, als die Polizei einzuschal­ten. “Wenn wir von überzeugten
Recht­en reden, so rate ich, diese nicht in die Klubs zu lassen. Extreme
Rechte sind ein Fall für die Polizei und den Ver­fas­sungss­chutz.” Erfahrungen
hät­ten gezeigt, dass extreme Rechte nicht in beste­hende Einrichtungen
inte­gri­ert wer­den kön­nten. Sie hät­ten linke Grup­pierun­gen teils vertrieben
und ver­sucht­en “nor­male Jugendliche” für ihre Kam­er­ad­schaften zu
rekru­tieren. Wenn rechte Jugendliche noch nicht organ­isiert seien, müsse
hinge­gen ver­sucht wer­den, einen Zugang zu ihnen zu bekom­men. Man dürfe
recht­en Parolen nicht länger stumm begeg­nen. “In Bran­den­burg beträgt der
Anteil von Bürg­ern aus anderen Län­dern 2,8 Prozent. Aber 25 Prozent der
Bevölkerung sind der Mei­n­ung, Aus­län­der nehmen ihnen den Arbeit­splatz weg”,
so Glatzel. Er zeigte eine kür­zlich von Recht­en im Havel­land verteilte
Wurf­sendung: “Mama, warum hat Papa keine Arbeit?” Auf solche Parolen müsse
man drin­gend mit Argu­menten reagieren. Päd­a­gogen aus dem Publikum
berichteten von pos­i­tiv­en Erfahrun­gen, rechter Gesin­nung mit Strenge zu
begeg­nen. “Wir müssen die Jün­geren vor Nazi­parolen schützen”, meint Frank
Pack­häuser, Leit­er des Jugend­klubs “Die Brücke” in Falkensee. Deshalb habe
er schon mehrfach Nazis des Klubs ver­wiesen. Sein­er Mei­n­ung nach muss man da
ein­greifen, wo man noch etwas erre­ichen kann. Andere Stim­men im Publikum
merk­ten kri­tisch an, dass man mit der Ausweisung Rechter jedes Gespräch und
jede Hand­lungsmöglichkeit aufgebe. 

Ingo Well­mann, Leit­er des Crea-Zen­trums Falkensee glaubt, viel über Bildung
in der Unter­stufe erre­ichen zu kön­nen. Päd­a­gogen müssten sen­si­bil­isiert und
extra für dieses The­ma aus­ge­bildet wer­den, so seine Erfahrung. Denn häufig
schnappten Kinder Zuhause aus­län­der­feindliche Äußerun­gen auf, denen man
qual­i­fiziert begeg­nen müsse. “Wir kön­nen Jugen­dar­beit leis­ten, bis wir
schwindelig wer­den, wenn wir nicht auch die Erwach­se­nen erre­ichen”, so
Glatzel. Er nan­nte neueste Zahlen, wonach rechte Jugendliche mehrheitlich
die poli­tis­che Ein­stel­lung ihrer Eltern übernehmen. “Wir alle müssen dem
Paroli bieten. Jed­er sollte mitwirken und täglich etwas gegen rechtes
Gedankengut tun.” Susann Reißig sprach eine konkrete Forderung aus. Gruppen,
die sich derzeit schon gegen Rechte stark machen, müssten Anerken­nung und
finanzielle Mit­tel erhal­ten. “Dies ist in Falkensee lei­der kaum der Fall.”

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Hakenkreuze auf Auto geschmiert

(MAZ, 13.6.) Am Son­ntag in den frühen Mor­gen­stun­den wur­den zwei im Schöp­furter Ring in
Finow­furt abgestellte Autos mit einem gold­far­be­nen Stift beschmiert. Bei
einem der Autos wur­den zwei Hak­enkreuze, eines in der Größe 3 Zen­time­ter mal
4 Zen­time­ter auf der Fahrertür und eines in der Größe von 3 Zen­time­ter mal 3
Zen­time­ter auf dem vorderen recht­en Kot­flügel aufge­bracht. Zur Höhe des
Gesamtschadens liegen noch keine Angaben vor.

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Platzeck und Thierse sprechen in Halbe

Platzeck spricht in Halbe

(Tagesspiegel) Halbe — Bran­den­burgs Min­is­ter­präsi­dent und SPD-Lan­desvor­sitzen­der Matthias Platzeck will am Sonnabend bei der Gegenkundge­bung zum geplanten Neon­azi- Auf­marsch in Halbe sprechen. Dies kündigte SPD-Lan­des­geschäfts­führer Klaus Ness an. Die Gegenkundge­bung werde von einem bre­it­en lokalen Bünd­nis organ­isiert und von der SPD unter­stützt. Die SPD rufe alle Bran­den­burg­er Demokrat­en auf, sich der Protestkundge­bung anzuschließen. ddp 

Thierse will in Halbe sprechen

SPD ruft zum Protest gegen Neon­azis auf

(dpa/MAZ) POTSDAM Bran­den­burgs SPD und das Aktions­bünd­nis gegen Gewalt, Recht­sex­trem­is­mus und Frem­den­feindlichkeit haben zum Protest gegen den Neon­azi-Auf­marsch am Sam­stag in Halbe (Dahme-Spree­wald) aufgerufen. Für den 18. Juni hat der Neon­azi Chris­t­ian Worch eine Demon­stra­tion in der Nähe des Sol­daten­fried­hofes mit 200 bis 300 Teil­nehmern angemeldet. Die CDU erneuerte ihre Absage und will weit­er­hin nicht zum Protest aufrufen. Die Gegen­ver­anstal­tung sei für 1000 bis 3000 Teil­nehmer genehmigt, so die Organisatoren. 

Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) werde zu den Teil­nehmern der Gegenkundge­bung sprechen, teilte SPD-Lan­des­geschäfts­führer Klaus Ness gestern mit. Auch Bun­destagspräsi­dent Wolf­gang Thierse, der am Sam­stag eben­falls in Halbe sprechen will, hat die Bürg­er und beson­ders die CDU aufge­fordert, sich am Protest zu beteiligen. 

Die CDU argu­men­tiert, eine solche Demon­stra­tion ver­schaffe den Recht­sex­trem­is­ten ein unangemessenes Medi­ene­cho. Zudem zählten anti­demokratis­che Kräfte wie die DKP zu den Organ­isatoren. Innen­min­is­ter und CDU-Lan­deschef Jörg Schön­bohm will in Halbe bei den Polizis­ten sein, aber nicht an der Gegen­ver­anstal­tung teil­nehmen, sagte die Sprecherin des Min­is­teri­ums, Dorothée Stacke. Seit Jahren ver­sam­meln sich Neon­azis zum Volk­strauertag im Novem­ber zu einem “Heldenge­denken” in Halbe. Dort liegt der bun­desweit größte Sol­daten­fried­hof, auf dem rund 23 000 Tote der let­zten Kesselschlacht des Zweit­en Weltkrieges begraben sind. Zur Gegenkundge­bung hat das regionale “Aktions­bünd­nis gegen Heldenge­denken und Nazi­aufmärsche in Halbe” aufgerufen, darunter auch SPD, PDS, Grüne und Gewerkschaftsjugend. 

“Nazis dür­fen wed­er in Halbe noch ander­swo in Bran­den­burg das Image unseres Lan­des bes­tim­men”, heißt es in dem Aufruf der SPD. “Der Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus ist für die Zukun­ft Bran­den­burgs von solch exis­ten­zieller Bedeu­tung, das jeglich­es parteipoli­tis­che Wahlkampf-Hick-Hack zu diesem The­ma nur noch pein­lich wirkt.” Im Novem­ber 2004 habe Schön­bohm noch eine zu geringe Beteili­gung an der Demon­stra­tion gegen den Neon­azi-Auf­marsch beklagt, rügte das Aktions­bünd­nis gegen Gewalt.

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Kein Verfahren gegen Journalistin

(KLAUS D. GROTE, MAZ) POTSDAM Die Staat­san­waltschaft Pots­dam hat ein Ver­fahren wegen Urkun­den­fälschung gegen die RBB-Fernse­hjour­nal­istin Gabi Prob­st wegen Ger­ingfügigkeit eingestellt. Prob­st hat­te auf dem Brief an einen Häftling der Jus­tizvol­lzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel als Absender ihr Pseu­do­nym G. Rost und die ehe­ma­lige Pots­damer Adresse des RBB-Mag­a­zins “Klar­text” ver­wen­det. Das Schreiben wurde geöffnet. Begrün­dung: Die Brief­marke war nicht abgestem­pelt. JVA-Leit­er Her­mann Wachter erstat­tete Strafanzeige wegen Urkundenfälschung. 

Prob­st hat­te ver­gan­genen Monat über den Vor­gang berichtet — bei der Ver­lei­hung des Pressepreis­es des Deutschen Anwalt­stages in Dres­den. “Ich wäre damit gar nicht an die Öffentlichkeit gegan­gen, aber ich musste eine Rede hal­ten und habe gesagt, dass jede Medaille zwei Seit­en hat”, sagt Prob­st. Den Preis erhielt sie für ihre Reporta­gen über Missstände in der JVA. Sie berichtete über prügel­nde Beamte, über unter­lassene Hil­feleis­tung und über Wächter, die Häftlinge in der JVA-Werk­statt für sich arbeit­en ließen. 

Vor diesem Hin­ter­grund erschien Prob­st die Anzeige des Anstalt­sleit­ers als “pri­vate Fehde”. Dass sie von der Staat­san­waltschaft auch noch aufge­fordert wurde, unter Andro­hung eines Bußgeldes in Höhe von 600 Euro bin­nen ein­er Woche ihre sämtlichen bish­eri­gen Adressen, Tele­fon­num­mern und Pseu­do­nyme offen zu leg­en, emp­fand Prob­st als Schikane. Sie sprach von Befan­gen­heit der Staat­san­waltschaft. Staat­san­walt Rolf Grünebaum, Sprech­er von Gen­er­al­staat­san­walt Erar­do Raut­en­berg, suche nach einem wun­den Punkt in ihrer Biografie. 

Der Fall schlug Wellen, brachte Prob­st Unter­stützungszusagen von Kol­le­gen und Poli­tik­ern. Dass Staat­san­walt Grünebaum den Vor­wurf der Urkun­den­fälschung als vertret­bar und “nicht neben der Sache” vertei­digte, machte den Fall nicht weniger skan­dalös. Das Ange­bot, das Ver­fahren gegen ein 300-Euro-Bußgeld einzustellen, wollte Prob­st nicht annehmen. “Das wäre ein Eingeständ­nis gewe­sen”, sagt sie. 

Auch mit der Ein­stel­lung ist die Jour­nal­istin nicht zufrieden, weil der Anfangsver­dacht der Urkun­den­fälschung beste­ht. Zugle­ich hat sie Strafanzeige gegen JVA-Chef Wachter wegen Ver­stoßes gegen das Briefge­heim­nis gestellt. Briefe dürften nur nach richter­lichem Beschluss geöffnet wer­den, sagt sie. Und bis heute sei der Verbleib des Briefes dem Häftling nicht mit­geteilt wor­den. Außer­dem habe er seinen Job bei der Gefan­genen-Zeitung verloren. 

Prob­st ste­ht seit Jahren mit JVA-Insassen in Kon­takt, die sich über die Ver­hält­nisse in den Jus­tizvol­lzugsanstal­ten bekla­gen — oft­mals anonym. Prob­st ist in den Gefäng­nis­sen dur­chaus bekan­nt und auch gefürchtet. Der Job als “JVA-Kum­merkas­ten” brachte Prob­st unter Häftlin­gen bere­its den Beina­men “Heilige Gabi” ein. Ger­ade hat sie wieder einen Besuch­santrag für die JVA Bran­den­burg gestellt. 

Im Fall der prügel­nden Wächter kri­tisierte Prob­st auch die Staat­san­waltschaft als untätig. Zudem berichtete sie über Ver­wick­lun­gen von Staat­san­walt Grünebaum in die Bran­den­burg­er Tren­nungs­geldaf­färe. Die Anklage emp­fand sie deshalb als Retourkutsche. Gen­er­al­staat­san­walt Erar­do Raut­en­berg erkan­nte die Brisanz dieser Entwick­lung, machte den Fall zur Chef­sache und forderte einen Bericht der Staat­san­waltschaft Pots­dam an. Beobachter sind sich sich­er: Die Ein­stel­lung bedeutet für die Staat­san­waltschaft eine klare Niederlage.

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Massengrab mit Kriegsheimkehrern?

(dpa, PNN) Frank­furt (Oder) — Im Umgang mit einem in Frank­furt (Oder) ver­muteten Mas­sen­grab aus dem Zweit­en Weltkrieg sucht die Stadt nach einem Kom­pro­miss. Ober­bürg­er­meis­ter Mar­tin Patzelt (CDU) kündigte gestern Gespräche mit dem Land Bran­den­burg, dem Volks­bund Deutsche Kriegs­gräber­für­sorge und dem pri­vat­en Eigen­tümer des Are­als an. „Wir müssen das Mach­bare aus­loten.“ Auf dem Gelände sollen über Tausend gestor­bene Kriegsheimkehrer liegen. 

„Es sind schwierige Ver­hand­lun­gen“, sagte Patzelt. Das The­ma sollte am Mon­tagabend dem Haup­tauss­chuss behan­delt wer­den. Gle­ich nach der Som­mer­pause hofft der Kom­mu­nalpoli­tik­er klare Vorstel­lun­gen über die weit­ere Vorge­hensweise vor­legen zu können. 

„Frank­furt war der Ent­las­sung­sort für alle deutschen Sol­dat­en, die im Osten waren“, sagte Rolf Hüb­n­er vom Kreisver­band des Volks­bun­des Deutsche Kriegs­gräber­für­sorge. Von 1945 und 1950 passierten etwa 1,2 Mil­lio­nen Men­schen das Lager am Stad­trand. Viele von ihnen star­ben noch auf dem Trans­port oder kurz nach ihrer Ankunft. 

Um 1945/46 war die Sterblichkeit­srate beson­ders hoch, da die Sow­je­tu­nion nur Kranke ent­lassen hatte. 

Die ein­stige Begräb­nis­stätte für Heimkehrer war später zum Teil als Fried­hof erhal­ten geblieben. 1973/74 wur­den 1888 Tote auf den Haupt­fried­hof umge­bet­tet. Nach neuen Namenslis­ten sollen aber rund 3200 Tote dort begraben gewe­sen sein. Deshalb wer­den auf dem jet­zt betonierten Platz die sterblichen Über­reste von rund 1300 Men­schen ver­mutet. Patzelt sagte, unter der inzwis­chen bebaut­en Fläche kön­nten keine Such­grabun­gen ver­an­lasst werden. 

Der His­torische Vere­in zu Frank­furt (Oder) erhielt vor eini­gen Jahren einen anony­men Brief, demzu­folge bei Bauar­beit­en Anfang der 90er Jahre außer­halb des ehe­ma­li­gen Heimkehrerfried­hofs Gebeine ent­deckt wor­den waren. Der Fund wurde damals nicht gemeldet. Die dort ansäs­sige Fir­ma ist zwis­chen in Insol­venz gegangen. 

Der Brief sei ein­er der Anlässe gewe­sen, eine Studie zum Schick­sal der Heimkehrer zu erar­beit­en, sagte Hüb­n­er. Die Unter­suchung wurde vom His­torischen Vere­in, dem Ver­band der Heimkehrer, Kriegs­ge­fan­genen und Ver­mis­s­te­nange­höri­gen sowie dem Volks­bund erar­beit­et und im April 2005 der Stadt und dem bran­den­bur­gis­chen Innen­min­is­teri­um vorgelegt.dpa

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Frauenfestival: Keine Zusatzgelder

(HK, PNN) Das wegen Geld­nöten wack­el­nde 9. Frauen­fes­ti­val kann keine weit­eren Hil­fe von der Stadt erwarten. Gestern sagte die Kul­turbeige­ord­nete Gabriele Fis­ch­er auf Anfrage, dass keine Förderung möglich sei. Grund: Die Ver­anstal­ter vom Autonomen Frauen­zen­trum Pots­dam e.V. bekä­men schon Mit­tel für den Betrieb ihres Haus­es, eine „Dop­pelförderung“ für das Fest sei nicht möglich. Dies wäre schon 2004 so gewe­sen. „Ver­mut­lich sind dem Fest Spon­soren abhan­den gekom­men“, so Fis­ch­er. HK

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Chamäleon“-Überfall: Haft für Neonazi

(Gabriele Hohen­stein und Juliane Wede­mey­er, PNN) Innen­stadt — Zu ein­er Haft­strafe von einem Jahr und zwei Monat­en hat das Jugend­schöf­fen­gericht den Angeklagten Dan­ny L. (26) gestern im Zusam­men­hang mit dem Über­fall Recht­sradikaler auf das alter­na­tive Pots­damer Jugend­pro­jekt „Chamäleon“ in der Neu­jahrsnacht 2003 verurteilt. Nach dre­itägiger Beweisauf­nahme und dem Anhören von über zwei Dutzend Zeu­gen wurde der vielfach vorbe­strafte Dan­ny L. wegen schw­eren Land­friedens­bruchs verurteilt. Der Mitangeklagte Michael G. (21) erhielt eine Jugend­strafe von einem Jahr und fünf Monat­en, aus­ge­set­zt zu zwei­jähriger Bewährung. Er muss eine Geld­buße von 500 Euro an den „Chamäleon“ e. V. zahlen sowie 200 Stun­den unent­geltlich arbeit­en. Damit blieb das Gericht deut­lich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. 

Ein drit­ter ursprünglich mit auf der Anklage­bank Sitzen­der wurde am zweit­en Ver­hand­lungstag freige­sprochen. Er sagte gestern als Zeuge gegen seine Kumpels aus, denen vorge­wor­fen wird, in der Neu­jahrsnacht 2003 aus ein­er Gruppe von etwa 20 Rechts­gerichteten her­aus das Jugend­pro­jekt „Chamäleon“ in der Her­mann-Elflein-Straße mit Hol­zlat­ten und Feuer­w­erk­skör­pern ange­grif­f­en und die Bewohn­er in Angst und Schreck­en ver­set­zt zu haben (PNN berichteten). „Eine Horde wildge­wor­den­er Recht­sradikaler stürmte kurz nach Mit­ter­nacht auf ein Haus zu, in dem sich fünf junge Leute aufhiel­ten, deren linke Gesin­nung ihr ein Dorn im Auge war“, so der Staat­san­walt in seinem Abschlussplä­doy­er. Die Angeklagten bestrit­ten die Vor­würfe. Sie wur­den allerd­ings von mehreren unbeteiligten Zeu­gen in der Men­schen­menge erkan­nt. „Es kommt über­haupt nicht auf ihren konkreten Tat­beitrag an. All das, was aus der Gruppe her­aus geschehen ist, haben sie sich auch anzurech­nen. Das nen­nt man Mit­täter­schaft“, betonte der Vertreter der Anklage. Aus sein­er Sicht sollte das zur Tatzeit bewohnte Jugend­haus aus purem Hass gegen Ander­s­denk­ende abge­fack­elt werden. 

Unter­dessen hat­ten sich gestern Mor­gen 8 Uhr rund 50 Mit­glieder der linken Szene vor dem Amts­gericht ver­sam­melt. Der Protest der über­wiegend jugendlichen Demon­stran­ten richtete sich gegen die ihrer Mei­n­ung nach vom Gericht gedulde­ten Dro­hge­bär­den der recht­sex­tremen Prozesszuschauer: In den Fluren des Gerichts­ge­bäudes hät­ten die Nazis an den vor­ange­gan­genen Prozessta­gen Besuch­er geschub­st, teil­weise geschla­gen, Zeu­gen und Opfer bedro­ht, erk­lärte ein link­er Demon­strant. Die Nazis hät­ten im Gericht gebrüllt: „Wir wis­sen, wer du bist und wo du wohnst!“. Das Gericht sei dage­gen nicht vorge­gan­gen und habe die Recht­en nicht des Saals verwiesen. 

Dass die Dro­hun­gen dur­chaus ernst zunehmen sind, erfuhren die Mit­glieder des Jugend­vere­ins nach eige­nen Angaben zulet­zt in der Nacht vor dem gestri­gen Ver­hand­lungstag. „Die Nacht über sind immer wieder schwarz ver­mummte Gestal­ten um unser Haus geschlichen. Sie hat­ten Steine und Ket­ten in der Hand und haben an unseren Fen­stern und Türen gerüt­telt“, so die Vere­insvor­sitzende Julia Senf. Aus Angst hät­ten sie die Polizei gerufen, die vier der von den Jugendlichen als bekan­nte Neon­azis iden­ti­fizierte Ran­dalier­er aus Berlin „stellte und der Stadt verwies“. 

Um weit­ere Zwis­chen­fälle zu ver­mei­den, waren gestern rund 50 Polizis­ten im und am Gericht im Ein­satz. Ein­sat­zleit­er Andreas Merten bestätigte, dass es während der vorheri­gen Ver­hand­lun­gen „ab und an“ zu Rangeleien und Belei­di­gun­gen „seit­ens der Nazis“ im Gerichts­ge­bäude gekom­men sei. „Am ersten Prozesstag gab es zwei kleine Kör­per­ver­let­zun­gen, am zweit­en eine“, so Merten. Gestern hät­ten zwei Per­so­n­en Anzeige wegen Belei­di­gung erstat­tet. Trotz stark­er Präsenz ver­hin­derte die Polizei nicht, dass in der Ver­hand­lungspause die bei­den Angeklagten mit den Mit­gliedern der recht­en Szene vor dem Gericht­sein­gang posierten, so dass jed­er, der das Gebäude betreten wollte, die Nazis passieren musste. Zum Grüp­pchen vor dem Ein­gang gesellte sich auch Michael G.s Anwalt Wol­fram Narath, ehe­mals Vor­sitzen­der der mit­tler­weile ver­bote­nen recht­sex­tremen Wiking-Jugend. 

Gegenüber des Amts­gerichts, auf dem Prom­e­naden­streifen der Hege­lallee, warteten etwa 20 Neon­azis die Ver­hand­lung ab. Unter ihnen der am 2. Juni in diesem Fall freige­sproch­ene Torsten S. (21). Laut Julia Senf waren auch die vier Recht­sex­trem­is­ten, die in der Nacht zuvor um das Chamäleon-Haus geschlichen sind, anwe­send. Über die Straße riefen sich die Jugendlichen hin und wieder provozierende Sprüche zu, anson­sten lief es ruhig ab. 

Kurz vor 11.30 Uhr gin­gen die Ein­satzkräfte der Polizei in Stel­lung, forderten die Linken zum Ver­lassen des Bürg­er­steigs vor dem Gericht auf, diese fol­gten ohne größeren Wider­spruch. Die Neon­azis wur­den nach dem Prozess von Polizis­ten teil­weise unter Gejohle zum Bahn­hof geleit­et. Während der Ver­hand­lung kam es auch am Platz der Ein­heit zu ver­balen Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen Recht­en und Linken.

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Montagsdemo in Angermünde will der “Hartz-IV-Toten” gedenken

(Jens Blanken­nagel, Berlin­er Zeitung) ANGERMÜNDE. Die 43. Mon­tags­de­mo gestern in Anger­münde (Uck­er­mark) stand unter einem speziellen Mot­to. “Es ist dies­mal eine Gedenkdemon­stra­tion für alle Suizidopfer von Hartz IV”, sagte Organ­isatorin Bir­git Kühr. Alle Teil­nehmer wur­den aufgerufen, Kerzen bei der Demo mitzuführen. “Außer­dem leg­en wir für die Hartz-IV-Toten zwei Grab­sträuße nieder: ein­mal vor dem Rathaus und ein­mal vor dem Grund­sicherungsamt, der hiesi­gen Hartz-IV-Stelle”, sagte sie. Zur ersten Mon­tags­de­mo kamen am 23. August 550 Teil­nehmer. In der Vor­woche waren es ganze 50. 

Anlass für die Gedenkkundge­bung war für die Organ­isatorin, dass sich am 25. Mai ein 54-Jähriger im nor­drhein-west­fälis­chen Höx­ter erhängt hat­te. Ange­blich wegen Hartz IV. Bere­its Ende Jan­u­ar waren in Zer­pen­schleuse (Barn­im) die Leichen eines Berlin­er Ehep­aares gefun­den wor­den, die für ihren Selb­st­mord die “soziale Kälte” nach Hartz IV ver­ant­wortlich macht­en. “Die Dunkelz­if­fer wird hoch sein”, sagt Bir­git Kühr. Auch in Anger­münde soll jemand einen Suizid­ver­such unter­nom­men haben. “Im Inter­net habe ich viele Berichte von Leuten gele­sen, die wegen ihrer Armut über Selb­st­mord nach­denken”, sagt sie. Sie beteiligt sich auch an der Vor­bere­itung der lan­desweit­en Mon­tags­de­mo am 2. Juli in Jüterbog. 

Meist nicht Ursache für Suizid 

Trotz Mil­lio­nen Hartz VI-Betrof­fen­er gebe es nur eine Hand voll Selb­st­morde, sagt Pro­fes­sor Armin Schmidtke, Vor­sitzen­der der Ini­tia­tiv­gruppe Nationales Suizid­präven­tion­spro­gramm. “Die meis­ten kön­nen mit den Verän­derun­gen umge­hen”, sagt er. Wer einen Selb­st­mord ver­sucht, sei oft sozial schwach, arbeit­s­los und lebe allein. “Doch von denen, die sich wirk­lich umbrin­gen, sind 90 Prozent psy­chisch krank, der größte Teil von ihnen depres­siv.” Selb­st­mord ste­he am Ende eines lan­gen Prozess­es, das Abrutschen in die Armut könne ein Aus­lös­er sein, sel­ten aber die Ursache. Ger­ade in Ost­deutsch­land sei die Suizidrate seit der Wende enorm gesunken. “Und das obwohl die Arbeit­slosigkeit von 0 auf etwa 20 Prozent gestiegen ist”, sagt er.

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Schüler streiken, um ihren Lehrer zu behalten

(Tim Karbe, Mar­tin Kles­mann und Pauline Schindler, Berlin­er Zeitung) NEUENHAGEN. Die Schüler des Ein­stein-Gym­na­si­ums in Neuen­hagen haben am Mon­tag­mit­tag ihre Schule bestreikt. Um elf Uhr ver­ließen vor allem die älteren Schüler ihre Klassen­z­im­mer und forderten auf dem Schul­hof laut­stark die Weit­erbeschäf­ti­gung ihres Englisch- und Geografielehrers Sig­urd Eyrich. Dazu hängten sie Plakate aus den Fen­stern: “Pisa — Poli­tik­er im Spa­rauf­trag” war darauf zu lesen. Der offen­bar beliebte Lehrer Eyrich, 36, soll näm­lich nach ein­er Entschei­dung des Schu­lamtes im näch­sten Schul­jahr nicht mehr an dem Gym­na­si­um östlich von Berlin beschäftigt wer­den. Sein Zwei-Jahres-Ver­trag läuft aus. Da das Land Bran­den­burg immer weniger Schüler hat, wer­den auch immer weniger Lehrer gebraucht. Gehen müssen die jun­gen Lehrer, die befris­tet eingestellt sind. Die älteren Lehrer mit unbe­fris­teten Festverträ­gen haben gewis­ser­maßen Bestandss­chutz — im Gegen­satz zu Sig­urd Eyrich, der immer­hin den Geografie­un­ter­richt auf Englisch dar­bi­etet. “Dabei ist Herr Eyrich ein sehr guter Lehrer, er hat eine bilin­guale Zusatzaus­bil­dung und er hat den Schüler­aus­tausch mit den USA ini­ti­iert”, sagt der Schüler Fred­erik Bla­chet­ta, der den wilden Streik organ­isiert hat. 

Die anderen Lehrer, häu­fig ver­beamtet, standen während des Streiks ein wenig abseits, denn offiziell dür­fen sie nicht streiken. Doch viele unter­stützten den Schüler­protest — klammheim­lich. “Es liegt im Ermessen jedes Lehrers, ob die Schüler für ihre Protes­tak­tion eine Fehlstunde erhal­ten”, sagt die Schullei­t­erin Edel­gard Pech­er. Die Mei­n­un­gen gin­gen da inner­halb des Lehrerkol­legiums auseinander. 

Sig­urd Eyrich, der ruhige Mann im blauen Pullover, hält sich während der Protes­tak­tion abseits. Er sagt, dass er sich über die Unter­stützung sehr freue. Doch nun müsse er sich wohl in den alten Bun­deslän­dern um eine Stelle bewerben.

Die Zahl der Schüler in Bran­den­burg ver­ringert sich in den kom­menden fünf Jahren von 360 000 auf 240 000, jede zweite weit­er­führende Schule wird geschlossen. Da fällt es schon schw­er, alle ver­beamteten oder unbe­fris­tet angestell­ten Lehrer zu beschäfti­gen. “Viele dieser Lehrer kön­nen keine Vol­lzeit mehr unter­richt­en, wir gehen bis an die Schmerz­gren­ze”, sagt Thomas Hainz, Sprech­er des Pots­damer Bil­dungsmin­is­teri­ums. Würde man auch Leute wie Sig­urd Eyrich weit­er beschäfti­gen, dann müsste anderen Lehrer betrieb­s­be­d­ingt gekündigt wer­den. “Das aber ist durch unsere Vere­in­barung mit den Gew­erkschaften aus­geschlossen”, sagt der Min­is­teri­umssprech­er. Diese Vere­in­barung sieht indes auch vor, dass alle ver­beamteten Lehrer ab 2008 geset­zlichen Anspruch auf Vollbeschäf­ti­gung haben. “Dann wird es noch enger”, gibt Hainz zu. Einen Teil der Vere­in­barun­gen mit den Gew­erkschaften kann die Pots­damer Lan­desregierung ohne­hin nicht hal­ten: 300 junge Lehrer soll­ten jedes Jahr bis zum Schul­jahr 2010/11 eingestellt wer­den. “Doch zum neuen Schul­jahr wer­den kaum Neue­in­stel­lun­gen erfol­gen”, sagt Min­is­teri­umssprech­er Hainz. Dafür seien die Mit­tel nicht da. Deshalb kön­nten motivierte Jun­glehrer, die ger­ade ihre Aus­bil­dung abgeschlossen haben, lei­der nicht eingestellt wer­den. “Das Land hat mehr Stellen still gelegt als geplant”, sagt Gün­ther Fuchs, der Lan­desvor­sitzende der Gew­erkschaft Erziehung und Wis­senschaften (GEW). “Das geht nicht. Der Druck auf die Poli­tik muss nun stärk­er wer­den.” Fuchs kri­tisierte die Umset­zun­gen von Lehrern aus den Ran­dre­gio­nen des Lan­des in den Speck­gür­tel rund um Berlin. Auch hier wür­den zunächst die motivierten, unver­heirateten Jun­glehrer umge­set­zt. Zurück bleiben etwa in der Lausitz Schulen mit deut­lich älter­er Lehrerschaft. Die Schuldirek­torin des Neuen­hagen­er Gym­na­si­ums kri­tisiert indes, dass die unbe­fris­tet beschäftigten Lehrer über­haupt kein­er Kon­trolle mehr unter­liegen. “Meine per­sön­liche Auf­fas­sung ist, dass eine Beschäf­ti­gungszusage immer an Qual­ität und Qual­i­fizierung gebun­den sein sollte”, sagt Edel­gard Pecher. 

Nach 2010 indes wird sich der Per­son­al­stau auflösen, weil dann viele ältere Lehrer in Rente gehen.

Inforiot