Am Samstag, den 31. März 2012, will die (neo)nazistische NPD wieder einmal in Brandenburg an der Havel aufmarschieren. Dazu sind verschiedene Protestaktionen geplant. Die Zivilgesellschaft plant Gegenaktivitäten im innerstädtischen Bereich, aktionsorientierte Antifaschist_innen sind eingeladen sich direkt dem Aufmarsch entgegenzustellen.
Situation in Brandenburg an der Havel
Das (neo)nazistische Milieu tritt seit Mitte der 2000er Jahre wieder verstärkt in Brandenburg an der Havel in Erscheinung.
Waren in den 1990er Jahren vor allem brutale Gewaltübergriffe und Straßenterror an der Tagesordnung, ist in jüngster Zeit, vermutlich aus Imagegründen, ein Taktikwechsel hin zu hauptsächlich propagandistischen Aktionen zu bemerken. Die NPD hat sich nämlich seit geraumer Zeit in Brandenburg an der Havel eingenistet und versucht durch Aufmärsche, „Stammtische“, „Mahnwachen“ oder sonstige Propagandaaktionen Sympathisant_innen zu agitieren, mit ihnen die bestehende Ortsgruppenstruktur auszubauen und bei den nächsten Wahlen in Stadtparlament und Landtag einzuziehen.
Das besondere Engagement der bundesweit aktiven (Neo)nazipartei in der Stadt ergibt sich dabei aus strategischen Gesichtspunkten. Brandenburg an der Havel ist Namensgeberin ihres Bundeslandes und deren drittgrößte, kreisfreie Stadt.
Günstig für die NPD wirkte sich hier bisher die zu passive Auseinandersetzung in der Bürgerschaft mit den (neo)nazistischen Tendenzen im Stadtkreis aus. Auch Stadt und Polizei sind in der Regel bemüht die Problematik nicht zu thematisieren, obwohl die Organisierung des (neo)nazistischen Milieus zunimmt.
(Neo)nazis stoppen
Am 31. März 2012 werden sich die (neo)nazistische NPD und ihre Sympathisant_innen aus den „Freien Kräften“ ab 12 Uhr an einem Brandenburger Bahnhof sammeln und dann, so ihr Plan, in die Stadt einmarschieren.
Dabei soll vorgeblich, ähnlich wie bei den geplanten Märschen am 24. März in Frankfurt/Oder und am 12. Mai in Cottbus, der Forderung nach der Abschaffung der europäischen Währungseinheit Nachdruck verliehen werden. Tatsächlich geht es hier aber, neben völkisch motivierter Kritik an der EU-Politik, wahlstrategischen Erwägungen und blanken Populismus, um propagandistische Versuche der Aufpolierung des angeschlagenen Parteiimages nach der Aufdeckung der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) sowie um die Etablierung als vermeintlich seriöse Protestpartei.
Dies gelingt der NPD und ihren Sympathisant_innen aber nicht, wenn sich ihnen am 31. März entschlossen in den Weg gestellt wird und zudem endlich damit begonnen wird dauerhafte Konzepte gegen den (Neo)nazismus in Brandenburg an der Havel umzusetzen.
Antifaschistischer Treffpunkt am 31. März
Da der NPD mehrere Bahnhöfe als Aufmarschpunkt und dementsprechend auch unterschiedliche Routen zur Wahl stehen, kann im Moment noch kein verbindlicher Treffpunkt für antifaschistische Gegenaktivitäten genannt werden. Dies ist erst in den nächsten Tagen möglich. In jedem Fall empfiehlt es sich bis spätestens 10:00 Uhr in der Stadt zu sein. Aktuelle Informationen zum Stand der Gegenmobilisierung werden unter
http://afn.blogsport.de
veröffentlicht.
Es wird darum gebeten auf weitere Bekanntmachungen zu achten!
Der momentan beworbene Startpunkt des (Neo)naziaufmarsches ist der Brandenburger Hauptbahnhof. Er dürfte am 31. März zumindest als Schleusungspunkt eine wichtige Funktion erfüllen.
Mobi-Flyer zum Download:
Mobi-Flyer
Protestaktionen gegen kommende (Neo)naziaufmärsche im Überblick:
24. März 2012 – Frankfurt/Oder, Infos: kein-ort-fuer-nazis
31. März 2012 – Brandenburg an der Havel, Infos: afn
01. Mai 2012 – Wittstock/Dosse, Infos: inforiot
12. Mai 2012 – Cottbus, Infos: cottbus-nazifrei
Monat: November 2001
Die PNN fragt uns, ob wir zusätzliche Videoüberwachung wünschen. Sagen wir ihnen doch ruhig mal unsere Meinung.
(nicht von der blöd gestellten Frage abschrecken lassen!)
Sommer 2000:
Nach einer Reihe von rechtsextremen Anschlägen erklärt sich die Bundesregierung und mit ihr die mediale Öffentlichkeit zum „Aufstand der Anständigen? Rechtsextremismus und Rassismus füllen die Titelseiten der Tageszeitungen und werden zum Schwerpunktthema im Sommerloch. Heute — ein Jahr später — sind für MigrantInnen, Obdachlose, Menschen mit Behinderungen, alternative Jugendliche und aktive AntifaschistInnen rassistische Diskriminierungen und rechtsextreme Gewalt weiterhin trauriger Alltag.
Nichts hat sich geändert!?
Während Anfang der neunziger Jahre staatliche Programme vor allem auf Repression gegen rechtsextreme Gewalttäter und deren Eingliederung in „normale Gesellschaft?zielten, verfolgt das CIVITAS-Programm einen Ansatz im Umgang mit Rassismus und Rechtsextremismus, der auf die Stärkung der Zivilgesellschaft zielt. Seit dem Sommer 2001 werden in den neuen Bundesländern und Berlin acht Beratungsprojekte für Betroffene von rechtsextremer Gewalt finanziert. Doch viel mehr ist nötig. Ohne die Zusammenarbeit von Initiativen, Beratungsstellen, Politik und Medien wird auch dieser Ansatz nicht greifen können. Über eine solche Zusammenarbeit möchten wir mit Ihnen nachdenken.
Wo liegen die Handlungsansätze für ein Engagement gegen Rechts? Was können Menschen tun, die Opfern rechter Gewalt helfen wollen? In welcher rechtlichen und psychischen Situation befinden sich die Opfer? Wie können sich Menschen gegen Rassismus und Rechtsextremismus selbst organisieren?
Infos über das Programm, Anmeldung und Organisatorisches sind auf der Homepage der Opferperspektive nachzulesen:
Unsinniger Eingriff in Grundrechte
Die Volksinitiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei kritisiert das von der Polizei ab Dezember in Potsdam geplante Pilotprojekt “Videoüberwachung am Potsdamer Hauptbahnhof”.
Bereits der Ausgangspunkt für die Videoüberwachung der Umfeldbereiche des Potsdamer Hauptbahnhofes ist falsch.
Offensichtlich hat das Potsdamer Polizeipräsidium mit der Benennung des Hauptbahnhofes als Kriminalitätsschwerpunkt nur einer Aufforderung des Innenministeriums Folge geleistet, öffentliche Plätze zu benennen, die für eine Videoüberwachung in Frage kommen. Dabei geht es vorrangig darum, die im Dezember 2000 ins Polizeigesetz aufgenommene polizeiliche Befugnis im Nachhinein zu rechtfertigen. Diese Einschätzung teilen wir mit der GdP.
Obwohl die Polizei eine nach Zeiträumen und Deliktsgruppen getrennte Statistik der im Bahnhofsumfeld begangenen Straftaten aufstellt, erbringt sie nicht den Nachweis, da?der Potsdamer Hauptbahnhof ein Kriminalitätsschwerpunkt ist.
Vom 01.07.99 bis zum 30.06.01 registrierte die Polizei in den nun zur Videoüberwachung vorgesehenen Bereichen 499 Straftaten. Dies entspricht einem Durchschnitt von 0,68 Straftaten pro Tag. Dabei nehmen Straftaten ums KfZ mit 213 und Straftaten ums Fahrrad mit 105 den mit Abstand größten Anteil ein.
Das polizeiliche Konzept enthält flankierende Maßnahmen, wie z.B. Bildung von Sicherheitspartnerschaften mit Geschäftsleuten, bauliche Veränderungen (Beleuchtung der Wege und Parkplätze sowie Schaffung von Anschließmöglichkeiten für Fahhräder) und Codierungen von Fahrrädern. Diese sind durchaus geeignet, um vor allem Diebstähle und Beschädigungen an Rädern und PkW zu verhindern. Allerdings sind diese Begleitmaßnahmen seit langem erlaubt. Da?die Polizei sie erst im Rahmen der Videoüberwachung duchführen will, legt den Verdacht nahe, da?die Erfolge dieser Maßnahmen später statistisch der Videoüberwachung zugerechnet werden sollen.
Die Volksinitiative schlägt daher vor, einen bewachten, gebührenpflichtigen Parkplatz einzurichten und die o.g. Begleitmaßnahmen zügig umzusetzen. Damit könnten die wichtigsten Deliktsgruppen ohne die Videoüberwachung, die eine unzumutbare und überflüssige Grundrechts- und Kostenbelastung für die Bevölkerung darstellt, effektiv bekämpft werden.
Mehr Infos:
http://polizeibrandenburg.pigforce.com/
presse/presse2611.htm
Zwei JD/JL-Seminare im Dezember
Zwei Seminare sind kurzfristig von den JungdemokratInnen/Jungen Linken aus Berlin-Brandenburg und Sachsenanhalt organisert worden. Sie finden beide in einer Jugendherberge in Brandenburg statt.
07.–09.12.2001
“Globalisierung und Gegenbewegungen”
21.–23.12.2001
“Jugendoffizierseminar”
Wer keine Lust auf Weihnachtsterror hat, kann vom 21.–23.12. auf das “Jugendoffizierseminar” der JungdemokratInnen/Jungen Linken kommen. Dabei geht es nicht darum, Jugendoffiziere auszubilden, sondern im Gegenteil, immer wiederkehrende Argumentationsmuster in
Diskussionen mit ihnen zu beleuchten, Antworten zu finden, rhetorische Kniffe ausfindig zu machen etc., damit ihr fit seit, wenn an eurer Schule mal wieder ein Bundeswehrwerber mit “Totschlag”-Argumenten aufkreuzt.
Anmeldung zu beiden Seminaren über die Geschäftsstelle der JD/JL: (030) 24729747
Doku zu Cottbusser Chaostagen
Auf http://www.zelle79.info/ctd ist eine Dokumentation erschienen, die sich mit den Ereignissen um die “Chaostage” im August 2001 in Cottbus befasst.
Gerüchten zufolge sollte Anfang August in Cottbus ein Treffen von Punks stattfinden. Kommunalverwaltung, Polizei und einige Medien entwarfen daraufhin ein Bedrohungsszenario, in dessen Folge eine Verbotsverfügung erlassen und ein massiver Polizeieinsatz gestartet wurde.
Nur kamen gar keine metzelnden Horden von Punks und Autonomen…
Stattdessen waren (meist Cottbuser) Jugendliche von Maßnahmen eines enormen Polizeiaufgebots betroffen.
Es wurden bei dem Einsatz nach Polizeiangaben 133 Aufenthaltsverbote ausgesprochen. Etliche Jugendliche wurden in Gewahrsam genommen. In der Regel erfolgten diese Maßnahmen, weil Jugendliche aufgrund ihres individuelleren Kleidungsstils von Polizeibeamten willkürlich als
“Chaostage”-Teilnehmer klassifiziert wurden. Betroffen waren neben Punks genauso Skater, Hiphoper oder alternative Jugendliche. Trotz durchgehend ruhiger Lage hatte die Polizei eine sehr niedrige Eingreifschwelle — Betroffene hatten den Eindruck, dass Polizisten
Aufenthaltsverbote nach dem “Gießkannenprinzip” verteilten.
Die Dokumentation soll die Sicht der Betroffenen auf diesen
Polizeieinsatz darstellen. Sie soll zu einer kritischen
Auseinandersetzung mit den konkreten Ereignissen und mit dem zunehmenden Abbau von Grund- und Bürgerrechten anregen.
NEURUPPIN Der Flüchtlingsrat Brandenburg übte herbe Kritik am Zustand des Asylbewerberheims in Neuruppin. Dieser sei “katastrophal”, schreibt Dominique John vom Flüchtlingsrat in seinem Bericht. Zweimal hatte in den vergangenen Wochen das Heim besucht. John fasst sein Eindrücke zusammen. “Insgesamt ist das Heim baulich und hygienisch in einem nicht verantwortbarem Zustand.” Karl Wiesemann, Betreiber der Einrichtung, sagte dazu: “Ich weiß gar nicht, wovon Herr John spricht. Der Bericht spottet jeder Beschreibung.” Die Stätte sei ein “vergleichbares gutes Haus” zu anderen Heimen. Auch ein Vertreter der Mobilen Heimberatung in Potsdam, die Gutachten für das Landes-Gesundheitsministerium erstellt, können dies bestätigen. Doch dort war trotz mehrmaliger Versuche gestern niemand zu erreichen.
“Es kann kein Zuhause sein”
Flüchtlingsrat übt scharfe Kritik am baulichen Zustand des Neuruppiner Asylbewerberheims
NEURUPPIN “Es ist in einem katastrophalen Zustand”, schreibt Dominique John vom Flüchtlingsrat Brandenburg übers Asylbewerberheim in Neuruppin. Unter anderem kritisierte er, die Heimbewohner hätten, “hätten ihre Betten rausgeschmissen, weil diese vollkommen unbrauchbar waren”.
Zweimal hatte Dominique John in den vergangenen Wochen die Stätte an der Erich-Dieckhoff-Straße besucht, sich mit den Bewohnern unterhalten. John schreibt in seinem Bericht: “Die Heimbewohner beklagen sich insbesondere über den schmutzigen Zustand und darüber, dass es im Winter sehr kalt sei.” Schmutzig war es gestern im Heim nicht. Bei einem zwei Stunden zuvor angemeldeten Rundgang mit dem Sozialarbeiter des Heimes, Klaus Randahn, waren lediglich Kleidungsstücke zu finden, die die Bewohner im Duschraum zurückgelassen hatten. Auch waren die Zimmer nicht kalt. “Die Stauwerke heizen hier genauso wie im Neubaugebiet”, so Randahn, Von 5 bis 23 Uhr werde voll aufgedreht, in den anderen Stunden die Fernwärme gedrosselt. Dass die Asylbewerber nicht in Betten schlafen, liege auch an der Kultur in der sie aufgewachsen sind. So sei es für den jungen Mann aus dem Tschad normal, auf einer Matratze auf dem Boden zu liegen, erklärt der Sozialarbeiter. Der Mann, seit 5 Monaten in Neuruppin untergebracht, nickt. Wenn er sich damit wohl fühle , können auch fünf Colabüchsen in seinem Zimmer stehen, meinte Randahn, der den Bericht von Dominique John für “unsachlich” hält. Die Bettgestelle sind im Keller gelagert. Denn: “Wenn die Leute sie in den Flur stellen, stehen sie im Weg.”
163 Asylbewerber seien in dem Heim untergebracht. Die oberen drei Stockwerke des fünfstöckigen Hauses werden bewohnt. “Die Zimmer sind äußerst spartanisch eingerichtet”, schreibt John. Tatsächlich gehören “drei Betten, ein Schrank ein Tisch und ein Kühlschrank zur Grundausstattung”, sagt Randahn. Viel ist das nicht, aber “es kann auch kein richtiges Zuhause sein”. Doch in einem anständigen Zustand soll es sein, beklagt der Vertreter des Flüchtlingsrates Brandenburg und kritisiert: “Schon ein kurzer Gang durch einige Zimmer zeigt, dass das Haus feucht ist, etliche Fenster kaputt sind und insgesamt einen äußerst schmutzigen Eindruck macht.” Es habe schon einmal eine Pfütze vor dem Fenster gegeben, berichtet Klaus Randahn. Aber nur deshalb, weil ein Bewohner das Fenster geöffnet hatte, selbst außer Haus war und es geregnet hatte. Dass die Fenster nicht in bestem Zustand sind, weiß auch der Sozialarbeiter. “Es zieht ein wenig durch.” Allerdings werden derzeit im Asylbewerberheim neue Fenster eingebaut, 115 Stück waren es bis gestern, so Randahn. Schmutzig war das Zimmer einer vietnamesischen Familie nicht. “Bei mir ist immer Ordnung”, meint Nguyen Thi Huyen. seit drei Jahren wohnt sie im Heim. Die offenbar verunsicherte kleine Frau ist im achten Monat schwanger. “Es stand in den letzten Monaten zuviel in der Presse”, sagt Klaus Randahn. Die Vietnamesin schaut misstrauisch und zeigt nur widerwillig ihr Zimmer. Denn auch hinter ihr verbirgt sich eine Geschichte, die Dominique John in seinem Bericht festgehalten hat. Sie sei von Frau Dauksch gestoßen worden, “weil sie der Heimleiterin nicht erlauben wollte, an ihrem Zimmer ein neues Schloss anzubringen”. Einen ähnlichen Vorfall habe es schon im Oktober gegeben. Damals musste die Vietnamesin mit Unterleibsschmerzen ins Krankenhaus gebracht werden. Laut John habe sie die Schmerzen auf “situationsbedingten Stress” zurückgeführt. Im Bericht heiß es weiter: Ursprünglich hatte sie Anzeige gegen die Heimleiterin erstatten wollen, nahm davon aber Abstand, “weil sie nicht noch mehr Schwierigkeiten haben möchte”. Frau Dauksch war gestern krankheitsbedingt nicht im Asylbewerberheim anzutreffen. Der Heimleiterin wurde von den Bewohnern vor allem “Rassismus” und “Bösartigkeit” vorgeworfen, schreibt John. Randahn dazu: “Wer hier arbeitet, kann nicht ausländerfeindlich sein.”
“Insgesamt ist das Heim baulich und hygienisch in einem nicht verantwortbaren Zustand”, urteilt Dominique John. “Ich weiß gar nicht, wovon er spricht”, meinte Betreiber Karl Wiesemann dazu. “Der Bericht spottet jeder Beschreibung.” Das Neuruppiner Asylbewerberheim sei ein “vergleichbar gutes Haus” gegenüber anderen Einrichtungen. Auch erklärte er, dass die Mobile Heimberatung in Potsdam, die Gutachten für das Gesundheitsministerium des Landes erstelle, “regelmäßig zu uns kommt” und die Einrichtung lobe. Dort war gestern trotz mehrmaliger Versuche niemand zu erreichen.
Herbe Kritik an Asylbewerberheim
NEURUPPIN Herbe Kritik am Flüchtlingsheim in Treskow formulierte der Flüchtlingsrat des Landes Brandenburg in einem jetzt vorgelegten Bericht. Fazit von zwei Mitarbeitern des Rates: “Das Heim ist in einem katastrophalen Zustand.”
Der Flüchtlingsrat war, wie dem jetzt fertig gestellten Bericht zu entnehmen ist, auf Grund eines Artikels in der MAZ (“Ordnung durchgesetzt”, Seite 16) auf das Flüchtlingsheim in Neuruppin aufmerksam geworden. Daraufhin hatte eine dreiköpfige Besuchergruppe des Rates das Gebäude bei zwei Besuchen unter die Lupe genommen.
In dem MAZ-Beitrag war ein Vorfall geschildert worden, bei dem eine schwangere Heimbewohnerin nach einem Streit mit der Heimleiterin über starke Unterleibsschmerzen geklagt hatte. Die Heimleiterin soll sich trotz mehrfacher Bitten geweigert haben, einen Krankenwagen zu rufen; ein Notarzt ließ die betroffene Vietnamesin dann ins Krankenhaus bringen. Die Heimbewohnerin bestätigte den Mitarbeitern des Flüchtlingsrates dann Ende Oktober den Inhalt des Beitrages.
Die Verfasser des Berichts ziehen daraus den Schluss, dass “eine weitere Eskalation der Auseinandersetzung” zwischen Heimleiterin und Heimbewohnerin “vorprogrammiert” sei. Dies gelte zumindest für den Fall, dass der Betreiber des Heimes weiterhin auf ungehinderten und willkürlichen Zugang zum Zimmer der Bewohnerin bestehe, schließt der Bericht.
Doch auch die Gesamtsituation in der Einrichtung wird vom Flüchtlingsrat nach den jüngsten Besuchen sehr kritisch bewertet. So würde das Heim “äußerst sparsam” betrieben. Das Gebäude sei in einem “baulich und hygienisch” nicht verantwortbaren Zustand. Der Heimbetreiber, Karl Wiesemann, wies die Vorwürfe gegenüber der MAZ bereits zurück.
POTSDAM Der evangelische Generalsuperintendent von Cottbus, Rolf Wischnath, schließt ein Kirchenasyl für weitere von der Abschiebung bedrohte vietnamesische Familien nicht aus. “Wir werden überlegen, ob wir diese Solidarität nicht auch für die Familien Rexhay und Bunjaku ausüben müssen”, sagte Wischnath am Samstag anlässlich des 3. Forums lokaler Initiativen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Lindow (Ostprignitz-Ruppin). Er bezog sich dabei auf die im Spremberger Kirchenasyl befindliche vietnamesische Familie Nguyen.
Wischnath sagte, es sei bedauerlich, dass es bei der Familie Nguyen überhaupt zu einer Abschiebeentscheidung gekommen ist. “Ich wünsche mir für Brandenburg ein menschliches und tolerantes Gesicht mit unbürokratischem Handeln”. Die vier Mitglieder der Familie Nguyen sollen Deutschland nach einem rund achtjährigen Aufenthalt ohne den Vater verlassen, da für ihn bislang keine Rückübernahme-Erklärung aus Vietnam vorliegt. Die Mutter und ihre drei in Deutschland aufgewachsenen Kinder hatten am vergangenen Sonntag bei der Gemeinde im Kreis Spree-Neiße Schutz erhalten.
Wischnath sagte weiter, er verstehe das Verhalten von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) immer weniger. Die märkische Union sei offenbar aus Furcht vor der Schill-Partei unter Druck aus dem “Law and order”-Lager. “Ich habe die CDU in anderen Teilen der Bundesrepublik viel toleranter und wertebewusster erlebt”. Schönbohm solle sich einen Ruck geben und menschlich entscheiden, meinte Wischnath. Der Minister habe aus Sicht der Kirche einen größeren Ermessensspielraum. Entsprechende juristische Wertungen stelle er ihm gerne noch einmal zur Verfügung.
Auch das Verhalten der Brandenburger SPD, das mit dem früheren evangelischen Kirchenjuristen, Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), und Ex-Pfarrer und Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) eine große Nähe zur Kirche habe, sei für ihn “rätselhaft”, sagte Wischnath. Zunächst hätten auch Sozialdemokraten der Kirche in den strittigen Fällen von Kirchenasyl Unterstützung zugesagt, sie dann aber später zurückgezogen. “Wenn die SPD schon den Pazifismus aufgibt, dann kann sie doch wenigstens einen Pazifismus nach innen vertreten, sagte Wischnath. Er hatte vergangene Woche aus Protest gegen Bundeswehreinsätze seinen SPD-Austritt angekündigt.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und Parteivize, Sven Petke, wies die Kritik Wischnaths zurück. “Zu den Abschiebungen liegen Urteile vor, die zu vollstrecken sind”, sagte der CDU-Politiker auf Anfrage. Staat und Politik müssten sich danach richten. Mit Kirchenasyl lasse sich die Union nicht erpressen. “Wischnath will offenbar zum Märtyrer der Gut- Mensch-Fraktion werden. Er läuft vollkommen aus dem Ruder”, sagte Petke weiter. Es gehe dem Generalsuperintendenten nur um seine persönliche Rolle. Mit dieser Haltung schade er der Kirche.
Potsdam im Visier von Schill
POTSDAM Die Parteien in Brandenburg, glaubt Katrin Freund fest, werden sich bald umschauen. “Wir sind neu und es herrscht so viel Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien — auch mit der CDU”, sagt die 34-Jährige.
Die gebürtige Chemnitzerin soll mit Getreuen in Brandenburg die Schill-Partei aufbauen. Jene rechtspopulistische Truppe, die es in Hamburg aus dem Stand auf 19,4 Prozent brachte, gleich in die Regierung einzog und seither wie ein Gespenst umher geht und den Parteien bundesweit das Fürchten lehrt.
Vor allem den Osten will “Richter Gnadenlos” mit seiner Ein-Mann-Partei aufmischen. In Brandenburg habe man es zwar “nicht so eilig”, meint Katrin Freund, schließlich werde erst 2004 der Landtag in Potsdam neu gewählt. Doch die Ex-Lebensgefährtin von Ronald Barnabas Schill ist schon jetzt ständig unterwegs, um geeignete Führungsfiguren für die Ost-Ausdehung zu finden. Namen will sie allerdings noch nicht nennen.
Es gebe großes Interesse, bei der Schill-Partei mitzumachen, gibt sie sich zuversichtlich. Das seien Menschen aus dem Bürgertum, Enttäuschte, die sich neu betätigen wollten und Mitglieder von Parteien. “Hauptsächlich von der CDU, weniger von der PDS.”
Derzeit würden Mitgliedsanträge geprüft. Für Januar, kündigte sie an, sei ein Treffen aller Interessierten geplant. Ziel sei es, im kommenden Jahr in Brandenburg einen eigenen Landesverband zu gründen.
Dafür gibt es laut Satzung aber strenge Formalien zu beachten: Um einen Ortsverband ins Leben zu rufen, sind 30 Mitglieder nötig. Einen Kreisverband können mindestens drei Ortsverbände mit mehr als 100 Mitgliedern gründen. Die Gründung des Landesverbandes ist möglich, wenn es mehr als drei Kreisverbände und 500 Mitglieder gibt.
Oberste Priorität hat aber zunächst Sachsen-Anhalt, wo am 21. April 2002 der Landtag neu gewählt wird. Meinungsforscher trauen der Protest-Partei einen ähnlichen sensationellen Erfolg wie am 23. September in Hamburg zu. Auf 20 Prozent könnte die Partei kommen. Parallel läuft der Parteiaufbau in Mecklenburg-Vorpommern, wo im Herbst 2002 neu gewählt wird. Offen ist, ob die Partei für den Bundestag im Herbst antritt.
Die innere Sicherheit als alleiniges Thema wie in Hamburg reicht der Schill-Partei im Osten aber nicht aus. Deshalb würden Schwerpunkte auch die Arbeitslosigkeit und die Abwanderung vor allem junger Menschen sein, hieß es.
Wie in Sachsen-Anhalt soll in Brandenburg scharf darauf geachtet werden, wer in die Partei aufgenommen wird. Jeder Aspirant muss einen Lebenslauf vorlegen und sein “politisches Vorleben” der letzten zehn Jahre offenlegen. Wer einmal Mitglied in einer rechtsextremen Partei war, soll keine Chance haben. Das soll zwar auch für eine Stasi-Mitarbeit gelten. Doch dafür gebe es bisher keinen Vorstandsbeschluss, sagt Freund.
Das Abwerben von CDU-Leuten hat zumindest in Sachsen-Anhalt schon geklappt. Der 45-jährige Unternehmer Ulrich Marseille ist im Oktober aus der CDU ausgetreten und leitet den Aufbau der Schill-Partei in Magdeburg. Die SPD in Sachsen-Anhalt habe das Land “an den Rand des Ruins” getrieben; die CDU werde von den DDR-Blockpartei-Mitgliedern geprägt, begründet der Mehrheitsaktionär der Marseille-Klinien sein neues Engagement.
Marseille ist auch in der brandenburgischen CDU kein Unbekannter. Der Betreiber von Altenheimen und Reha-Kliniken war Groß-Spender der Union. Er spendierte der Schönbohm-CDU 1999 im Wahlkampf 165 000 Mark. Für Schlagzeilen sorgte er im Februar 2001: Auf Bitten seiner Anwälte sollte sich CDU-Justizminister Kurt Schelter in einen Rechtsstreit zwischen Marseille und dem Sozialministerium einmischen. Daraufhin ließ Schelter zwei Gutachten anfertigen, was ihm von der PDS den Vorwurf einbrachte, sich unzulässig für einen Großspender der CDU eingesetzt zu haben, was er wiederum zurückwies.
Noch reagieren die Parteien in Brandenburg auf die Schill-Partei gelassen. PDS-Landesvize Stefan Ludwig sieht vor allem für die CDU etwas “Bedrohliches” nahen, wenn deren Wähler zu den Rechtspopulisten abwandern. Vize-CDU-Landeschef Sven Petke meint aber, dass das Thema innere Sicherheit durch Schönbohm besetzt sei. “Die sollen ruhig kommen und sich eine blutige Nase holen.”
Schill-Partei-Koordinatorin Katrin Freund kann sich darüber nur amüsieren: “Schönbohm kann sagen, was er will. Am Ende entscheidet der gesunde Menschenverstand der Bürger.”