COTTBUS/POTSDAM. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) unterstützt die Forderung von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) nach einer zentralen Erfassung aller Straftäter in einer Gen-Datei beim Bundeskriminalamt. Die Entnahme einer Speichelprobe bei Beschuldigten und die Speicherung in der “Gendatei” müsse endlich Standard bei erkennungsdienstlichen Behandlungen werden, erklärte der Brandenburger BDK-Landesvorsitzende Wolfgang Bauch am Sonntag in Cottbus. Zudem müsse der Richtervorbehalt abgeschafft werden.
Schönbohm hatte seine Forderung damit begründet, dass sich so erheblich mehr Verbrechen aufklären ließen als bisher. Die Resozialisierung von Straftätern dürfe außerdem nicht dazu führen, dass das Strafrecht ad absurdum geführt werde, schreibt der CDU-Landeschef in einem Gastbeitrag für die “Bild am Sonntag”. Dies träfe zu, “wenn zweifelhafte Gutachter-Prognosen menschlichen Bestien den Weg in die Freiheit eröffnen”.
Der BDK erklärte, DNA-Analysen hätten nichts Geheimnisvolles mehr. Sie seien zum Standardmittel kriminalpolizeilicher Arbeit geworden. Dem muss der Gesetzgeber endlich Rechnung tragen.
Für die Speichelprobe müsse man lediglich ein Wattestäbchen in den Mund nehmen. Das Ergebnis sei eine anonymisierte, per Computer recherchierbare Formel und sonst nichts. Die Speichelprobe werde nach der Untersuchung vernichtet.
CDU-Landeschef Schönbohm sprach sich in dem Zeitungsbeitrag ferner für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung aus. Damit hätte sich in den letzten Monaten viel schreckliches Leid verhindern lassen. Radikal umdenken müsste die Politik auch bei der Strafmündigkeit, meinte der CDU-Politiker. “Wer volljährig ist, darf keinen Anspruch auf Anwendung des milden Jugendstrafrechts mehr haben.”
Jahr: 2002
Morgen beginnt vor dem Berliner Landgericht der Prozess gegen den Informanten des brandenburgischen Verfassungsschutzes Toni S.. Noch immer sorgt die Verhaftung des V‑Mannes und Rechtsextremisten durch Berliner Polizeibeamte bei einem von Rechten besuchten Konzert für Verstimmungen zwischen Brandenburger und Berliner Sicherheitsbehörden.
Toni S. muss sich wegen Volksverhetzung, des Verwendens und der Verbreitung verfassungswidriger Propaganda sowie Gewaltdarstellung verantworten. Die Anklage wirft ihm vor, als “Hauptinitiator” für den Vertrieb und die Produktion der Neonazi-CD “Noten des Hasses” der rechtsextremen Gruppierung “White Aryan Rebels” verantwortlich gewesen zu sein. Auf der vor zwei Jahren in einer Auflage von dreitausend Stück verbreiteten CD wird zum Mord an Juden, Ausländern und Politikern aufgerufen. Im September war der gemeinsam mit Toni S. verhaftete Berliner Neonazikader Lars Burmeister wegen Herstellung und Verbreitung der CDs zu einer Haftstrafe von 22 Monaten auf Bewährung verurteilt worden.
Toni S. hofft nun auf eine Bewährungsstrafe. Sein Verteidiger, der Cottbuser Rechtsanwalt Klaus Linten, betont, S. sei geständig. Im Verfahren müsse zudem geklärt werden, wie viel Verantwortung der Verfassungsschutz für die Aktivitäten seines Mandanten trage. Damit aber könnten morgen vor dem Berliner Landgericht eine Reihe Fragen behandelt werden, die für die brandenburgischen Sicherheitsbehörden unangenehm sind. Beispielsweise die Behauptung von Toni S., sein Vorgesetzter habe ihm im Falle einer Strafverfolgung Rückendeckung durch Brandenburgs Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin zugesichert. Auch die Frage, ob dieser V‑Mann-Führer mit dem Decknamen Dirk Bartok seinen Schützling vor einer Wohnungsdurchsuchung gewarnt hat, ist bislang ungeklärt. Gegen Bartok ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Cottbus. Die Berliner Sicherheitsbehörden vermuten, dass er bestens über die strafrelevanten Aktivitäten seines Schützlings informiert war und diese gedeckt hat. Toni S. gilt über die rechte Szene Gubens hinaus seit Jahren als Lieferant indizierter Neonazimusik mit besten Verbindungen. Als langjähriger Vorsitzender der Reservistenkameradschaft der Bundeswehr in Guben und als Kontaktperson für die rechtsextreme “Wanderjugend Gibor” sorgte Toni S. für Freizeitangebote aller Art.
Sollte Toni S. morgen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und aus der Haft entlassen werden, können sich die Berliner und Brandenburger Sicherheitsbehörden munter weiter streiten: darüber, ob Toni S. fortan in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird und, wenn ja, darüber, wer die Kosten dafür übernimmt.
WITTSTOCK Die Resonanz war anfangs verhalten. Beim “Rock gegen Rechts” am Sonnabend in der Wittstocker Waldringhalle kamen aber dann die mehr als hundert jungen Besucher dennoch auf ihre Kosten. Die Veranstaltung — im Prinzip eine Wiederholung des gleichnamigen Konzertes im April auf dem Wittstocker Marktplatz — sollte ein Zeichen gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit setzen.
Das “Aktionsbündnis Tolerantes Wittstock — Couragiert gegen Rechts” hatte die Veranstaltung organisiert. Und die Besucher konnten sich zum Nulltarif die Musik von “Fresh in Attac”, “Sour Coincidence”, den DJs Sven, Dave und SB 42 anhören sowie eine Rapper- und Breake Dance Show miterleben.
Dürfen Nazis am Volkstrauertag in Halbe marschieren? Die Entscheidung über den beantragten “Heldenaufmarsch” fällt voraussichtlich heute im Polizeipräsidium Frankfurt (Oder). Sicher scheint, dass es sich dabei nicht um ein Verbot, sondern um eine Genehmigung mit Auflagen handelt.
Das käme einem handfesten Skandal gleich, weil viele Bürger ein Verbot erwarten. Wird es nicht ausgesprochen, muss sich die Frankfurter Polizei-Spitze wohl oder übel den Vorwurf gefallen lassen, auf dem rechten Auge blind zu sein. Beispielsweise von jenen Menschen, die am 17. November friedlich und ungestört der rund 22 000 Toten auf dem Halber Waldfriedhof gedenken wollen. Davon könnte im Falle einer braunen Demo keine Rede sein.
Bleibt abzuwarten, ob die Frankfurter Polizei-Führung vielleicht doch genügend Rückgrat besitzt und den rechten Antragstellern eine klare Absage erteilt. Warum sollte auf einmal nicht mehr möglich sein, was seit den beiden Nazi-Aufmärschen 1990/91 normal war? Bis zur Polizei-Reform wurden rechte Demos regelmäßig verboten. Allerdings fielen die Entscheidungen damals nicht in Frankfurt (Oder), sondern im Potsdamer Polizeipräsidium…
RANGSDORF Jugendliche in und um Rangsdorf haben ein neues Domizil. Am Sonnabend wurden die neuen Räume des Jugendklubs “Joker” im ehemaligen Amtsgebäude am Pramsdorfer Weg feierlich eröffnet. Bürgermeister Peter Gleich, Amtsdirektor Bernd Hohlstein und Gemeindevertreterin Heide Wolffgramm überreichten Geschenke. Und sie versprachen, die Jugendlichen auch in Zukunft nicht im Stich zu lassen.
“Joker”-Leiter Walter Staab erhofft sich von der zentralen Lage der neuen Räume eine bessere Kommunikation zwischen Jung und Alt. Da es nun drei Räume gibt statt des bisher einen sind neben täglicher offener Jugendarbeit auch Gruppenarbeit und Workshops möglich. Dafür konnte die Blankenfelder Kunst- und Musikschule Regenbogen gewonnen werden. Außerdem stellte sich die neu gegründete Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule Brandenburg e.V. (RAA Trebbin) vor.
Noch sehen die Jugendklub-Wände etwas kahl aus, findet Sylvia Muschinsky, aber die jungen Leute sollten sie sich selbst gestalten. Die Vorsitzende des Sozialausschusses des Gemeinderates ist froh, dass die Räume zwei Jahre nach Auszug des Amtes neue Nutzer haben. “Schon damals kam mir die Idee, hier den Jugendklub unterzubringen”, sagt Sylvia Muschinsky. “Zunächst mussten allerdings Fragen zu den Eigentumsverhältnissen geklärt werden”. Danach habe man Fördermittel beantragt. Ende 2001 wurde der neue “Joker” Thema im Gemeinderat. “In Rangsdorf haben wir leider immer noch das Problem KMS. Darum freut es mich, dass wir für den Jugendklub Geld aufbringen konnten”, so die Ausschussvorsitzende. Das Dach wurde neu gedeckt, Wände wurden versetzt, neue Toiletten gebaut. Hinter dem Haus kann man jetzt Fußball, Basketball oder Volleyball spielen. Allerdings müssen sich die Jugendlichen das Haus mit der Feuerwehr und der Schiedsstelle teilen.
An der offenen Jugendarbeit will Walter Staab festhalten. “Bei uns gibt es keine Gruppen- oder Konsumzwänge”, sagt der studierte Sozialpädagoge, “jeder kann kommen und gehen wann er will”. Seit fünf Jahren leitet er den “Joker” und setzt bei Problemen vor allem auf Kommunikation. “Ich sage nur den Rahmen. Den Rest machen die Jugendlichen”. Trotzdem gibt es feste Regeln: Nazis haben keinen Zutritt, Alkohol und Drogen sind verboten.
Das Konzept scheint anzukommen. “Ich finde klare Regeln gut”, meint der 16-jährige Marian Slodszyk. Er kommt, um die Langeweile zu vertreiben. “Was soll man hier auch anderes machen?”, fragt er. Auch Marco Matschewski ist regelmäßig hier, “zum Abhängen und Freunde treffen”. Dass der neue “Joker” partytauglich ist, erlebten Gäste abends beim Konzert der Rangsdorfer Band “Bauschaum”.
BELZIG — Die Antifa-Jugend Belzig will nach eigenen Angaben einen Gedenkstein für den heute vor zwei Jahren verstorbenen Asylbewerber Belaid Bayal errichten lassen. Ein entsprechender Antrag sei bereits im April dieses Jahres in der Stadtverwaltung gestellt worden, allerdings offenbar noch nicht endgültig bearbeitet worden, so Marc Fürstenau.
“Obwohl wir die Initiative der Stadt zu schätzen wissen, sind wir enttäuscht, dass es nicht geschafft wurde, den Gedenkstein bis zum 4. November fertig zu bekommen”, so Vertreter der Antifa-Jugend. Nach ihren Angaben war der Marokkaner Bayal an diesem Tag im Krankenhaus an den Spätfolgen eines rassistischen Angriffs gestorben. “Er wurde am 8. Mai 1993 in einer Belziger Gaststätte von zwei aus Belzig stammenden Rechtsradikalen zuerst mit rassistischen Bemerkungen belegt und später von ihnen zusammengeschlagen worden”, beschreibt Fürstenau den Tathergang. Die Unterleibsverletzungen des 42-jährigen Asylbewerbers seien so schwerwiegend gewesen, dass die Ärzte ihm schon damals gesundheitliche Probleme prognostiziert haben sollen. “So kam es auch. Belaid hatte des Öfteren Darmverschlüsse, die schließlich so schwerwiegend waren, dass ihm nicht mehr geholfen werden konnte”, so der Jugendliche.
Er und seine Mitstreiter sind der Meinung, dass der Fall in Belzig “fast verschwiegen wurde”. “Es war ja schließlich nur ein Fall unter vielen geworden. Rassismus gehörte zum Alltag und tut dies immer noch”, behauptet die Jugend Antifa Belzig, wie sie sich selbst nennt. Ihrer Ansicht nach “kommt wieder etwas mehr Bewegung” in die Belziger Neonazi-Szene. Marc Fürstenau fordert nun, dass sich Belzig und seine Einwohner “endlich richtig mit dem Tod Belaids und dem Kontext, in dem dieser steht”, auseinandersetzen.
BERLIN
Mehr als 1.000 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet wollen am 17. November zum Volkstrauertag auf dem Soldatenfriedhof im brandenburgischen Halbe aufmarschieren. Dort sind rund 22.000 Soldaten begraben, darunter Angehörige des 11. SS-Panzerkorps und des 5. SS-Gebirgskorps, die an der Kesselschlacht vor Berlin im April 1945 beteiligt und wegen ihrer Brutalität gegen Deserteure und Kriegsmüde in der Bevölkerung gefürchtet waren.
Ein Verbot des rechten Aufmarsches ist unwahrscheinlich. Am Montag hatte das Verwaltungsgericht Cottbus ein Versammlungsverbot auf dem Friedhof aufgehoben, da das zuständige Amt Schenkenländchen das Verbot “unzureichend begründete”. Der Neonazi Christian Worch feiert den Beschluss derweil schon als “Sieg”.
Anfang November entscheidet das Polizeipräsidium Frankfurt/Oder, wie mit dem rechten Gedenken und antifaschistischen Protesten verfahren wird. Unabhängige Antifagruppen wollen am selben Tag in Halbe nicht nur den Neonaziaufmarsch verhindern, sondern explizit der ebenfalls auf dem Friedhof bestatteten 57 Wehrmachtsdeserteure und sowjetischen Zwangsarbeiter gedenken. “Es wird sich zeigen, ob eine Gedenkkundgebung für die Opfer des Nationalsozialismus zu Gunsten der Glorifizierung von NS-Verbrechern verboten oder verlegt wird,” meint Silvio Kurz vom Antifa-Bündnis.
Die militanten Freien Kameradschaften um Worch knüpfen mit dem vermutlich größten Neonaziaufmarsch den letzten fünf Jahre in Brandenburg an die erfolgreichen rechten Demos in Halbe 1990 und 1991 an. Damals war das gesamte rechte Spektrum über den größten Soldatenfriedhof Deutschlands gezogen. Viele der Exteilnehmer werden sich am 17. November erneut in Halbe einfinden.
In der vorigen Woche urteilte das Landgericht in Cottbus im Revisionsverfahren, dass ein Neonazi den Tod eines Punks in Eberswalde vor zwei Jahren nicht mit Vorsatz herbeigeführt habe.
Punks sind Freiwild. Mit diesen drei Worten lässt sich das Urteil des Landgerichts Cottbus im Revisionsverfahren gegen den stadtbekannten Eberswalder Neonazi Mike Bäther zusammenfassen. Das Landgericht entschied in der vorigen Woche, dass Bäther im Mai des Jahres 2000 den Tod des damals 22jährigen Punks Falko Lüdtke ohne jeglichen Vorsatz herbeigeführt habe. Es handele sich bei der Tat lediglich um fahrlässige Tötung.
Entsprechend niedrig fällt auch das Strafmaß für den heute 30jährigen Rechtsextremisten aus: ein Jahr und acht Monate Haft ohne Bewährung. Direkt nach der Urteilsverkündung teilte ein Sprecher des Landgerichts mit, dass nun geprüft werde, ob man Bäther, der bereits 14 Monate lang in Untersuchungshaft saß, ehe der Haftbefehl mit dem Revisionsverfahren außer Kraft gesetzt wurde, die verbliebene Haftzeit von vier Monaten erlassen und zur Bewährung aussetzen werde.
Im Dezember des Jahres 2000 hatte das Landgericht Frankfurt/Oder die Umstände, die in der Nacht zum 1. Juni desselben Jahres zum Tod von Lüdtke geführt hatten, noch ganz anders bewertet. Der junge Punk hatte Bäther, der auf seinem kurz geschorenen Hinterkopf ein gut sichtbares Hakenkreuz-Tattoo trug, an einer Bushaltestelle getroffen und wegen des Nazisymbols zur Rede gestellt. Beide stiegen in den gleichen Bus ein, wo Lüdtke die Diskussion um die rechtsextreme Haltung von Bäther weiterführen wollte. Auch als die beiden an derselben Bushaltestelle ausgestiegen waren, setzte sich die Auseinandersetzung fort.
Was dann geschah, schildern die Frankfurter Richter so: »Nunmehr begab sich der Angeklagte zu Falko Lüdtke, um tätlich gegen diesen vorzugehen. Er begann ihn zu schubsen und mit der Faust zu schlagen. (…) Als der Angeklagte und Falko Lüdtke (…) am Rand der Fahrbahn standen, versetzte der Angeklagte, in Richtung Straße blickend, dem mit dem Rücken zur Fahrbahn stehenden Falko Lüdtke einen Schlag auf den Brustkorb. Falko Lüdtke verlor dadurch das Gleichgewicht und stolperte auf die Straße.« Dort wurde er von einem Taxi erfasst. Er starb noch in der gleichen Nacht an seinen Verletzungen.
Die Polizei und die Sicherheitsbehörden gaben sich in den Tagen nach Lüdtkes Tod alle Mühe, das Geschehen als einen bloßen »Streit zwischen verfeindeten Jugendkulturen« darzustellen, wie er in Eberswalde leider immer wieder an der Tagesordnung sei. Erst nachdem linke und antifaschistische Jugendgruppen die Vergangenheit Bäthers öffentlich machten und sich Zeugen meldeten, die den Streit um Bäthers rechtsextreme Gesinnung gehört hatten, gelang es, den politischen Hintergrund von Lüdtkes Tod ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu bringen. Selbst das Frankfurter Landgericht wertete das Verhalten des jungen Punks als Zivilcourage: »Nach Auffassung der Kammer stellen das Ansprechen des Angeklagten durch Falko Lüdtke im Hinblick auf die Hakenkreuz-Tätowierung und seine diesbezüglich erfolgte “Agitierung” keine Provokation, sondern Zivilcourage dar.«
Trotzdem konnte der erste Prozess gegen Bäther einige für die Urteilsfindung entscheidenden Beweise nicht liefern. »Erinnerungslücken« von Zeugen, die aus der Umgebung Bäthers stammen, und die Tatsache, dass er zu seiner Motivation schwieg, führten dazu, dass das Gericht den Neonazi wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge zu viereinhalb Jahren Haft verurteilte. Das Gericht bewertete sein Verhalten als spontane Tat.
Gegen das Urteil legten der Neonazi und seine Verteidiger beim Bundesgerichtshof erfolgreich Revision ein. Der BGH entschied im Sommer des vergangenen Jahres, dass Bäther wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen sei. Gleichzeitig machte der BGH dem nunmehr zuständigen Landgericht Cottbus weitreichende Vorgaben darüber, wie das Geschehen zu bewerten und zu bestrafen sei.
Daran hat sich das Landgericht Cottbus strikt gehalten. Lediglich in einem Punkt rückten die Cottbusser Richter nicht von dem ab, was auch schon in Frankfurt/Oder festgestellt worden war. Dass Bäthers rechte Gesinnung die Ursache der Tat gewesen sei. Strafverschärfend solle das aber nicht gewertet werden, so die Richter. Der einschlägig vorbestrafte Täter, gegen den derzeit auch noch ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Brandstiftung anhängig ist, hatte in der mündlichen Verhandlung angeführt, dass er nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft bei seinem Bruder lebe, seinen Unterhalt aus Sozialhilfe beziehe und kaum noch Alkohol trinke.
Für die Autoren des im Sommer 2001 veröffentlichten Sicherheitsberichts der rot-grünen Bundesregierung war der Tod Lüdtkes ein explizites Beispiel für eine politisch motivierte, rechtsextreme Straftat. Auch das Landgericht in Frankfurt hob diesen Aspekt hevor: »Letztendlich hat ein der rechten Szene Zugehöriger gegen einen Andersdenkenden Gewalt ausgeübt«, so die Richter.
Der brandenburgische Verfassungsschutz hingegen schaffte es mal wieder, ein Opfer zum Täter zu machen. Unter der Rubrik »Linksextremismus« findet sich im Verfassungsschutzbericht folgendes: »Am 3. Juni fand in Eberswalde eine Gedenkdemonstration unter dem Motto »Kein Vergeben, kein Vergessen!« statt, an der ca. 500 Personen teilnahmen. Anlass war ein folgenschwerer Vorfall, bei dem ein 23jähriger Punker tödlich verletzt wurde — von Linksextremisten wird unterstellt, dass es sich um einen “faschistischen Mord” gehandelt habe.« Dass die Statistik des Brandenburger Innenministeriums den Tod von Falko Lüdtke noch immer nicht unter rechts motivierten Tötungsdelikten erwähnt, ist da kaum verwunderlich.
LUDWIGSFELDE Was während der zurück liegenden Tage in Ludwigsfelde auf Sportplätzen und auf der Straße, am Rande von Versammlungen, in Schulen und Kitas die Runde machte, stimmt: In der Stadtverwaltung sind Mitarbeiter entlassen worden. Das bestätigte gestern auf Nachfrage der MAZ der stellvertretende Bürgermeister Frank Gerhard.
Betroffen seien vier Angestellte mehrerer Bereiche, sagte er. Das seien “rein disziplinarische Personalentscheidungen”, keine betriebsbedingten Kündigungen, betonte Gerhard. Und er wollte auf jeden Fall erklärt haben, “dass diese Kündigungen nichts mit der gegenwärtigen Haushaltslage zu tun haben”. Aus Gründen des Personaldatenschutzes könne er öffentlich nicht mehr zu dieser Angelegenheit sagen, so der zweite Mann im Rathaus.
Nach MAZ-Informationen sollen rechtsextreme beziehungsweise sexistische E‑Mails zu den Kündigungen geführt haben. Offen ist, wer von den Betroffenen beim Arbeitsgericht gegen seine Kündigung klagt.
Wegen des zu erwartenden Defizits 2003 will die Stadt tatsächlich Personal sparen. Das wird ab der Hauptausschusssitzung am Montag Thema. Dann diskutieren die Stadtverordneten auch darüber, den Geschäftsverteilungsplan zu ändern. Dieser Plan legt die Struktur der Stadtverwaltung fest. Die wurde seit der Wende mehrfach geändert: die früheren Dezernate wurden in Fachbereiche umbenannt, es wechselten ihre Zahl und die Zuordnung von Sachgebieten. Jetzt sind statt dreier Fach- zwei Geschäftsbereiche vorgesehen mit Bürgermeister und Erstem Beigeordneten als Chefs. Das Baubetriebsamt will man unter die Lupe nehmen mit dem Ziel, eine Sport und Bäder GmbH beziehungsweise einen Eigenbetrieb zu gründen.
HALBE
Verschoben wurde die Entscheidung über den für den Volkstrauertag in Halbe beantragten “Heldenaufmarsch”. Das teilte Matthias Kühnel, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder), gestern mit. Ursprünglich sollte der mit Auflagen versehene Bescheid Freitag dem Anmelder Lars J. (ein Strohmann des Hamburger Rechtsextremisten Christian Worch) zugestellt werden. Das wird nun voraussichtlich erst kommenden Montag geschehen.
Letztmals durften ewig Gestrige 1990/91 in Halbe aufmarschieren. Alle in den folgenden Jahren gestellten Anträge lehnten das damals zuständige Polizeipräsidium Potsdam und angerufene Gerichte ab.
Sicher scheint, dass rund tausend Alt- und Neonazis dieses Jahr wieder den Soldatenfriedhof betreten können: in Zweierreihen, ohne Uniformen, Fahnen, Trommeln und Lautsprecherwagen. Auch eine Feldküche vor dem Friedhof dürfte untersagt werden. Zugleich muss die Polizei dafür sorgen, dass die Teilnehmer einer Veranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge und private Besucher ungestört der Toten gedenken können. “Wir wollen nicht, dass sich zeitgleich Hunderte Neonazis auf dem Friedhof befinden”, so Kühnel.
Kühnel zufolge müsse man die rechte Demo wegen der rechtlichen Lage voraussichtlich genehmigen. Um den mit Auflagen gespickten Genehmigungsbescheid wasserdicht zu bekommen, habe sich die Polizei einen zusätzlichen Tag der Prüfung auferlegt. Abzuwarten bleibe, ob der Anmelder die Auflagen hinnehme. Bei Verstößen wehre man sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Kühnel: “Wir lassen an diesem Tag keine rechtsfreien Räume zu.”
Auch Entscheidungen über linke Gegendemonstrationen behält sich das Frankfurter Polizeipräsidium vor. Deren Anmelder müssen gleichfalls mit Auflagen rechnen. Am 7. November laden Vertreter des linken Aktionsbündnisses ab 19 Uhr in den Königs-Wusterhausener Stadtjugendring ein. Hier wollen sie darüber informieren, ob und wie sie demonstrieren dürfen.