Im April jährt sich zum 58. Mal der Tag der Befreiung der
Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen durch die Rote Armee. Wie
in jeden Jahr rufen wir Euch auf, gemeinsam mit uns der Opfer der
nationalsozialistischen Barbarei und den antifaschistischen
WiderstandskämpferInnen zu gedenken
und ihnen unseren Respekt zu zollen.
Gedenkstätte Sachsenhausen, Oranienburg
Straße der Nationen 22
Gedenkveranstaltung: 13. April, 14 Uhr
Treffpunkt: 13.45 Uhr am Turm A
Anreisemöglichkeiten von Berlin aus:
RB ab Friedrichstr. : 12.20 (RE5)
S1 ab Friedrichstr. : 12.29 Uhr
Bus: 12.00 Uhr ab Rosa-Luxemberg Platz
Anmeldung: sachsenhausen2003@gmx.net
Oranienburg, Sachsenhausen — Anmerkungen zu einer Gedenkstätte
Deutsche Realität: Anschläge auf Mahnmale
Im September 2002 wurde ein Brandanschlag auf das Museum für die Opfer des
Todesmarsches von Sachsenhausen im Belower Wald verübt. In dem nahe
Oranienburg gelegenen Ort Leegebruch wurde ein Mahnmal für die Häftlinge des
Außenlagers von Sachsenhausen zerstört. Nach dem Willen des dortigen
Bürgermeisters soll es durch einen Gedenkstein für die “Opfer beider
Weltkriege und des Totalitarismus” ersetzt werden. Dieses Zusammenspiel von
Neonazis und bürgerlicher Politik kennzeichnet den Umgang der Deutschen mit
den Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager, wo sie von internationaler
Kontrolle unbehelligt sind.
Deutscher Trend — Fokussierung auf die “deutschen Opfer”
2001 wurde in der Gedenkstätte Sachsenhausen eine Ausstellung zum
Speziallager Nr.7 eröffnet. In Speziallagern wurden nach 1945 vornehmlich
NS-TäterInnen interniert. Rechtsgrundlage dafür war das Potsdamer Abkommen.
In Lieberose/Jamlitz, einem Außenlager Sachsenhausens, ist sogar eine
gemeinsame Gedenkstätte für die dort ermordeten KZ-Opfer und die
Speziallagerinternierten geplant. Durch die Errichtung von
Speziallagergedenkstätten auf dem Gelände ehemaliger Konzentrationslager
werden die Leiden der Opfer des Nationalsozialismus relativiert, sowie die
Verbrechen ihrer Täter verharmlost.
Deutsche Opfer: “Endlich darf wieder über sie geredet werden.”
Mit Darstellungen, in denen jederman, ohne Ansehen von Person und
historischer Funktion, zum Opfer der Geschichte wird, sorgen Historiker
letztlich dafür, dass die Opfer des Nationalsozialismus und ihre Täter in
einen Sarg gelegt werden. In dieses Schema passt auch die gegenwärtige
öffentliche Beweinung deutscher Opfer des “alliierten Bombenterrors”, die
nicht nur der Historiker Jörg Friedrich, die FAZ und der Spiegel derzeit
betreiben. Dieses gesellschaftliche Klima, in dem das behauptete Tabu, über
deutsche Opfer nicht reden zu können, endlich überwunden scheint, kommt auch
den Interessensvertretungen der Speziallager zugute. Diese stützen sich auf
die in der BRD herrschende antitotalitäre Staatsideologie, welche den
Nationalsozialismus mit dem Kommunismus gleichsetzt. Der bundesdeutsche
Antitotalitarismus dient seit 1945 der Relativierung der deutschen Barbarei,
die in Auschwitz ihren notwendigen Ausdruck fand.
Lieberose/Jamlitz ist dafür ein besonders erschreckendes Beispiel. Hier
waren vornehmlich Juden inhaftiert und wurden durch Arbeit vernichtet. 1945
fanden Massenerschießungen statt, denen Hunderte von Menschen zum Opfer
fielen. Eines der Massengräber erschossener Häftlingen ist bis heute nicht
gefunden und als Friedhof gekennzeichnet, der Friedhof der
Speziallagerinternierten hingegen erfreut sich bester Pflege. Im Ortsteil
Jamlitz soll nun eine gemeinsame Gedenkstätte für die Opfer des
Konzentrationslagers und die Speziallagergefangenen eingerichtet werden. Nur
durch einen Waldweg getrennt, sollen 19 Gedenktafeln für die NS-Opfer und 11
für die Speziallagerinternierte errichtet werden: Eine zum Bild gewordene
Totalitarismustheorie.
Das Anliegen der ehemaligen KZ-Häftlinge — Europäisierung der
Gedenkstättenpolitik
Eine ähnliche Situation findet sich auch an anderen Orten mit “doppelter
Vergangenheit”; Orten, an denen nacheinander sich Konzentrationslager der
Nazis und Internierungslager der Alliierten befanden, wie in Sachsenhausen,
Buchenwald und Esterwegen. Die geplante Gestaltung der
Speziallager-Gedenkstätte in Lieberose/Jamlitz, die die Unterschiede
zwischen dem NS-Massenmord und der Tätigkeit der Besatzungsmächte verwischt,
widerspricht einer Entschließung des Europäischen Parlamentes von 1993.
Diese lehnt jede “willkürliche Verquickung zwischen der Realität der
nationalsozialistischen Lager und ihrer etwaigen Nutzung nach dem Krieg” ab.
Wir schließen uns deshalb der Forderung der ehemaligen Häftlinge nach einer
Europäisierung der Gedenkstätten an.
Nach Beginn des 2. Weltkrieges kam die überwiegende Anzahl der Häftlinge -
auch in Sachsenhausen — aus den von Deutschland überfallenen und besetzten
Ländern. Dieser Tatsache wird die von der deutschen Politik bestimmte
Gedenkstättengestaltung nicht gerecht. Eine Europäisierung könnte den
deutschen Einfluß auf die Gedenkstättengestaltung zurückdrängen. Angesichts
des schwindenden Einflusses der Häftlingsverbände auf die Gestaltung der
Gedenkstätten in Deutschland würde eine Europäisierung die Möglichkeit
eröffnen, deren antifaschistischen Charakter zu erhalten bzw. wieder
herzustellen.
Das muss insbesondere in Zukunft gegenüber dem deutschen Staat verteidigt
werden, wenn keiner der ehemaligen Häftlinge mehr am Leben sein wird. Nach
Vorstellungen der Häftlingsvertretungen könnte dies durch eine €päische
Kontrolle der Gedenkstätten erreicht werden. Dieses Anliegen der Häftlinge
braucht Öffentlichkeit und Solidarität.
Unterstützt den Kampf der Verfolgten der nationalsozialistischen Barbarei!
Fahrt zu den Veranstaltungen in Sachsenhausen und Ravensbrück!