Mittwochnachmittag wurde der Polizei mitgeteilt, dass die öffentliche Toilette auf einem Marktplatz, durch bisher noch unbekannte Täter verunstaltet wurde. Die Täter trugen vermutlich mittels schwarzem Faserstift diverse Schriftzeichen wie “Hakenkreuze” und “SS Runen” auf die Wände der Toilettenboxen auf. Die Beseitigung der Schmierereien wird in Verantwortlichkeit der Stadtverwaltung durchgeführt. Die Kriminalpolizei
ermittelt.
Jahr: 2003
(Jens Blankennagel, Berliner Zeitung) EGGERSDORF. Nach einem Brandanschlag vom Mittwoch auf zwei
Mercedes-Geländewagen der Bundeswehr in Eggersdorf gibt es eine erste Spur.
In einem Bekennerschreiben, das bei der Berliner Zeitung einging, übernahm
eine linksextreme, gewaltbereite Gruppe die Verantwortung für die Tat. Das
vierseitige Schreiben trägt die Unterschrift “militante gruppe (mg)”.
Als Grund für den Anschlag geben die Autoren an, es sei eine politische
Notwendigkeit der radikalen Linken, gegen die Bundeswehr und Einrichtungen
eines der größten Rüstungskonzerne der Welt — gemeint ist DaimlerChrysler -
mit militanten Aktionen vorzugehen. Weil die Bundeswehr mit ihren
Auslandseinsätzen eine Politik zur Durchsetzung imperialistischer
Weltherrschaft unterstütze. Die Gruppe bekennt sich auch zu zwei Anschlägen
im Jahr 2002 — auf das Sozialamt Berlin-Reinickendorf und auf das Finanzamt
Neukölln.
Nachdem die Täter die reparaturbedürftigen Wagen in einer Mercedes-Werkstatt
in Eggersdorf (Märkisch-Oderland) angezündet hatten, meldeten Zeugen gegen
2.45 Uhr das Feuer. Die Autos brannten aus. “Der Schaden beträgt mindestens
100 000 Euro”, sagte Polizeisprecher Matthias Kühnel. “Am Tatort fanden wir
keine verwertbaren Spuren.”
Noch ist nicht geklärt, wer die Ermittlungen übernimmt. Wegen des
politischen Motivs könnten Bundeskriminalamt oder Generalbundesanwalt den
Fall vom Staatsschutz übernehmen. “Die Gruppe ist uns von den vorherigen
Anschlägen bekannt”, sagte Berlins Polizeisprecher Klaus Schubert. Es sei
aber unklar, wer dahinter steckt.
Auf das Schreiben klebten die Bekenner eine Briefmarke mit dem Abbild von
Georg Elser, dessen Bomben-Attentat auf Hitler 1939 gescheitert war.
Bekennerbrief von Linksextremisten nach Anschlag auf Bundeswehr
(MOZ) Einen Tag nach dem Brandanschlag auf zwei Mercedes-Geländewagen der Bundeswehr in Eggersdorf gibt es offenbar eine erste Spur. Bei der «Berliner
Zeitung» ging ein Bekennerschreiben einer linksextremistischen «militanten
gruppe (mg)» ein, wie das Blatt am Freitag berichtet.
Als Grund für den Anschlag geben die Autoren des vierseitigen Schreiben an,
es sei «eine politische Notwendigkeit der radikalen Linken», gegen die
Bundeswehr und «Einrichtungen eines der größten Rüstungskonzerne der Welt» -
gemeint ist Daimler-Chrysler — mit militanten Aktionen vorzugehen. Weil die
Bundeswehr mit ihren Auslandseinsätzen eine Politik zur «Durchsetzung
imperialistischer Weltherrschaft» unterstütze. Die Gruppe bekannte sich auch
zu zwei Anschlägen im Jahr 2002 — auf das Sozialamt Berlin-Reinickendorf und
auf das Finanzamt Neukölln.
Bei dem Anschlag brannten zwei reparaturbedürftigen Armeewagen in einer
Werkstatt in Eggersdorf völlig aus. «Der Schaden beträgt mindestens 100 000
Euro», sagte Polizeisprecher Matthias Kühnel. «Am Tatort fanden wir keine
verwertbaren Spuren.»
Ungeordneter Rückzug
Jörg Schönbohm nennt seine Unterschrift unter der “Irak-Resolution” einen
Fehler — auf Druck von Platzeck und aus Sorge um die Koalition
(Tagesspiegel) Potsdam. Während maßgebliche SPD-Politiker am Donnerstag erneut eine
Beendigung der großen Koalition forderten, bemühte sich CDU-Landeschef und
Innenminister Jörg Schönbohm fieberhaft, den drohenden Bruch abzuwenden.
“Wir müssen die Irritationen ausräumen”, mahnte er und versicherte: “Ich
werde meinen Beitrag dazu leisten.” Zugleich pfiff Schönbohm seinen
Partei-Vize Sven Petke zurück. Dieser hatte Regierungschef Matthias Platzeck
am Donnerstag in einem Radiointerview wegen seiner harschen Reaktion auf die
CDU-Solidaritätsadresse an US-Präsident Bush “Dünnhäutigkeit” und
“Führungsschwäche” vorgeworfen. SPD-Politiker hatten Petkes Attacke auf
Platzeck als neue Provokation gewertet.
Der einflussreiche SPD-Bezirkschef und Landtagsabgeordnete Ulrich Freese
forderte am Donnerstag den Rücktritt Schönbohms. “Glaubwürdig wäre es
gewesen, den Brief zurückzuziehen”, sagte Freese. “Ein Mann, der nicht
einmal liest, was er unterschreibt, ist als Minister ungeeignet.” Freese
forderte, dass der SPD Landesvorstand am Montag ernsthaft die Frage
diskutieren müsse, die große Koalition aufzukündigen. Einen Schritt, den
auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert befürwortet. Die
“Anbiederung an Bush” offenbare eine empörende Haltung des
Koalitionspartners, die keinen Rückhalt in der Bevölkerung habe.
Schönbohm selbst zog am Donnerstag die Notbremse. Ähnlich wie der
Generalsekretär der Bundes-CDU, Laurenz Meyer, distanzierte er sich von Ton
und Diktion des Schreibens. Seine Unterschrift unter das von Platzeck als
“peinlich für das Land” bezeichnete Solidaritätsschreiben an Bush nannte er
einen Fehler. “Der Duktus des Briefes ist missverständlich, das muss ich
zugeben.” Er habe den Brief nicht mit der gebotenen Sorgfalt gelesen, bevor
er unterschrieben habe. Zugleich rüffelte er Petke: Er habe diesen gebeten,
seine Platzeck-Kritik “unverzüglich zurückzunehmen”. Sie sei “so nicht
hinnehmbar”. Petke bedauerte darauf hin, Platzeck persönlich angegriffen zu
haben. Schönbohm sagte weiter, zum Wohle des Landes sei es an der Zeit,
“sich insgesamt in mehr Mäßigung und Gelassenheit zu üben”. Er verwies
darauf, dass die Koalition im Landtag nächste Woche wichtige Gesetze zur
Gemeindereform verabschieden wolle. Zugleich relativierte er seine Aussagen
zum Folter-Freibrief für Terroristen-Fahnder.
Krisenstimmung herrscht auch in der CDU-Landtagsfraktion, wo Fraktionschefin
Blechinger alle Termine absagte und die SPD zu beruhigen versuchte. Dem
Vernehmen nach entschuldigten sich Christdemokraten wegen der
“Ergebenheitsadresse” an Bush bei SPD-Politikern, darunter auch ein
Unterzeichner. In Teilen der Union wird die Rolle von Landeschef Jörg
Schönbohm zunehmend kritisch gesehen, der mit seiner Unterschrift unter das
Schreiben an Bush und seine Aussagen zur Folter bei Terrorverdacht die
Koalitionskrise ausgelöst hatte.
“Er wird immer unberechenbarer, weil er nicht über die Folgen nachdenkt”,
sagte ein CDU-Landtagsabgeordneter dem Tagesspiegel. Aufgefallen war, dass
führende CDU-Politiker wie Fraktionschefin Beate Blechinger,
Vize-Landtagspräsident Martin Habermann, aber auch die Minister Ulrich
Junghanns, Johanna Wanka und Barbara Richstein das Solidaritätsschreiben an
Bush nicht unterzeichnet hatten.
Wirtschaftsminister Junghanns, der als möglicher Nachfolger Schönbohms
gehandelt wird, weilte am Donnerstag bei BASF in Ludwigshafen — gemeinsam
mit SPD-Regierungschef Matthias Platzeck.
Richstein gegen Anwendung von Folter
(MOZ) Potsdam (ddp-lbg). Brandenburgs Justizministerin Barbara Richstein (CDU)
lehnt die Anwendung von Gewalt gegen Tatverdächtige oder Straftäter ab.
Forderungen nach einer schärferen Gangart bei Polizeiverhören sowie der
Zulassung staatlicher Folter bei schweren lebensbedrohenden Gefahren seien
«verfassungsrechtlich unhaltbar», betonte die Ministerin am Donnerstag in
Potsdam.
Sie reagierte damit unter anderem auf Äußerungen des innenpolitischen
Sprechers der CDU-Landtagsfraktion und stellvertretenden Landeschef der
Union, Sven Petke. Die Forderungen Petkes seien mit dem Menschenbild der CDU
unvereinbar, unterstrich Richstein. Folter sei unter keinen Umständen mit
den Grundwerten einer christlich-demokratischen Partei in Einklang zu
bringen.
Zudem verwies die Ministerin auf Artikel 1 des Grundgesetzes zum Schutz der
Menschenwürde. Es sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, in Gewahrsam
befindliche Tatverdächtige staatlich verordneter Gewalt auszusetzen. Würde
ein Rechtsstaat eine solche Praxis gesetzlich verankern, wäre Richstein
zufolge außerdem das gemäß Artikel 3 der Menschenrechtskonvention
völkerrechtlich garantierte Folterverbot außer Kraft gesetzt. Zudem würde
nach Ansicht von Richstein kein deutsches Gericht ein solches Gesetz
anwenden.
Ausgesprochen frostig
Am liebsten will Platzeck weiter mit der CDU — aber ohne Schönbohm
(MAZ) POTSDAM Es war weit mehr als nur eine Geste. Am Tag nach dem bislang
heftigsten Krach in der Koalition hob Ministerpräsident Matthias Platzeck
(SPD) auf dem Weg zu BASF nach Ludwigshafen hervor, wie wichtig jetzt
“Sacharbeit” in der Koalition sei, und schaute wohlwollend seinen neben ihm
stehenden Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) an. Der nickte und
fügte zur Zufriedenheit Platzecks hinzu: “Wir haben hier alle eine
Verantwortung übernommen, und die wollen wir weiter wahrnehmen.”
Platzeck lässt in diesen Tagen kaum eine Gelegenheit aus, den gut
100-Tage-Minister von der CDU zu loben, seine Verlässlichkeit hervorzuheben
und sich mit ihm öffentlich zu zeigen. Warum er das tut, hat einen einfachen
Grund. Mit seinem eigentlichen Pendant in der Koalition, Innenminister und
CDU-Chef Jörg Schönbohm, hat er sich überworfen. Es gebe, so ist aus
Platzecks Umfeld zu hören ist, schwere atmosphärische Verstimmungen. Beim
gemeinsamen Grünkohlessen am Mittwoch in Cottbus sei es “ausgesprochen
frostig” zwischen beiden zugegangen, meinte ein Beobachter.
Aktueller Auslöser für das Zerwürfnis war die von CDU-Parlamentariern aus
Brandenburg und Berlin initiierte Irak-Resolution, die auch Schönbohm mit
unterschrieb. Platzecks harsche Reaktion (“peinlich”, “eine
Ergebenheitsadresse”) am Mittwoch sorgte dafür, dass Schönbohm noch am Abend
einen Rückzieher machte. Er habe den “Duktus” des Textes nicht genügend
beachtet, räumte er ein. Zugleich war er um Schadensbegrenzung bemüht.
Selbst innerhalb der CDU gibt es Stimmen, die das Agieren ihres Vormannes
mit Skepsis verfolgen. “Wenn der so weiter macht, landen wir in der
Opposition”, fürchtet ein CDU-Abgeordneter, der sich allerdings auch nicht
vorstellen kann, wie Schönbohm “wieder eingefangen” werden kann. Auffallend
ruhig sind jene, die die Resolution nicht unterschrieben haben wie
Fraktionschefin Beate Blechinger.
Allerdings reicht in der CDU die Phantasie noch nicht so weit, über eine
Fortführung der Koalition mit der SPD ohne Schönbohm nachzudenken. “Wenn die
SPD das fordert, ist das eine unannehmbare Erpressung”, erregte sich gestern
der Potsdamer Abgeordnete Wieland Niekisch. Schönbohm sei “mit Stolpe der
Architekt der Großen Koalition in Brandenburg”.
In der SPD wird hinter den Kulissen Stimmung gegen Schönbohm und die CDU
gemacht. “Noch ein Ding und der Laden fliegt auseinander”, sagt ein
führender SPD-Mann. Aufmerksam wird registriert, wie Platzeck um jene in der
CDU wirbt, die nicht die Res
olution unterschrieben haben wie Blechinger oder
Landtagsvizepräsident Martin Habermann. Mit Junghanns könnte Platzeck auch
deshalb besser als mit Schönbohm, witzelte ein SPD-Vorstandsmitglied, “weil
der ihm keine Kamera weg nimmt”.
Hauptfürsprecherin für einen Wechsel zur PDS ist die stellvertretende
SPD-Landeschefin Katrin Molkentin (“das Fass ist übergelaufen”), die sich
“relativ sicher” ist, dass die Koalition platzen wird. Sie fordert einen
Sonderparteitag der SPD mit dem Ziel, ein Votum für das Ende der Koalition
mit der Schönbohm-CDU und für eine neue rot-rote Regierung herbeizuführen.
Sie will, dass die SPD-Spitze offiziell Gespräche mit der PDS führt.
Inoffizielle hat es schon gegeben. Platzeck hat sich mit PDS-Chef Ralf
Christoffers und dem parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Heinz
Vietze, getroffen. Allerdings ohne konkrete Verabredungen zu treffen. Nach
außen erklärt Christoffers zwar, die PDS stehe bereit, unter Bedingungen in
die Regierung einzutreten. Allerdings will die PDS nicht nur als
“Drohkulisse” gegen die CDU herhalten. Die PDS weiß auch nicht, ob ihr der
jetzige Eintritt in die Regierung nützt. Nach einem Jahr wäre sie im
Stimmungstief — in Berlin war das auch so. In gut einem Jahr aber sind in
Brandenburg Wahlen.
Wittstocks Bürgermeister verlangt harte Strafen im Prozess um den Tod eines
Russlanddeutschen
Lutz Scheidemann ist angespannt. Der FDP-Bürgermeister von Wittstock in
Nordbrandenburg hat sich den Montag dick im Kalender angestrichen: Am
Neuruppiner Landgericht soll am 3. März das Urteil im Prozess um den Tod
eines Russlanddeutschen (die RUNDSCHAU berichtete) verkündet werden. Der
Mann wurde im Mai 2002 in Wittstock erschlagen.
Wie hoch das Strafmaß für die fünf Angeklagten ausfällt, ist nicht nur für
Scheidemann interessant. Der Vorfall brachte nicht nur Wittstock ein
fremdenfeindliches Image, sondern rückte erneut ganz Brandenburg in ein
solches Licht. Selten lagen allerdings die Forderungen von Ankläger und
Verteidigung so weit auseinander.
Was war geschehen? Nach einer Techno-Disko am 3. Mai 2002 in einer
Gaststätte im Ortsteil Alt Daber gerieten zwei Aussiedler und eine Gruppe
Einheimischer aneinander.
Feldstein auf Opfer geworfen
Plötzlich rasten fünf junge Männer — die jetzt 20- bis 23-jährigen
Angeklagten — aus. Sie schlagen und treten die Opfer, zum Schluss wirft ein
Angreifer sogar einen 17,7 Kilogramm schweren Feldstein auf die wehrlos auf
dem Pflaster vor der Disko Liegenden. Der 24-jährige Kajrat Batesow, den der
Stein voll trifft, stirbt 20 Tage später an inneren Verletzungen; sein
Freund überlebt schwer verletzt.
Doch das Dilemma der Ankläger und der Jugendstrafkammer wird im Prozess
schnell klar. “Obwohl die Disko aus und eine Menge Gäste vor der Gaststätte
waren, will niemand etwas gesehen haben”, klagt Staatsanwalt Kay Clement.
Mehrfach spricht er von einer “Mauer des Schweigens”. Trotzdem glaubt der
Ankläger Haftstrafen von acht, neun und zwölf Jahren wegen Totschlags für
die drei mutmaßlichen Haupttäter fordern zu können. Die Verteidigung sieht
dafür kaum Beweise, verlangt als höchste Strafe zweieinhalb Jahre Haft für
den Lehrling. “Das Schweigen tut der Stadt nicht gut”, sagt Bürgermeister
Scheidemann. Er verlangt harte Strafen für die Haupttäter. “Wer die
Gesundheit anderer aufs Spiel setzt, sollte dafür gerade stehen.”
“Wir sind kein rechtes Nest”
Nach dem Vorfall hatte es mehrfach Auseinandersetzungen zwischen Aussiedlern
und Einheimischen gegeben. “Damals suchten die jungen Aussiedler auf eigene
Faust nach Tätern”, erklärt Scheidemann. Heute habe sich das beruhigt, auch
wenn das Sprachproblem als Hauptursache geblieben sei. “Die Leute müssen
länger Deutsch lernen”, verlangt er. Viele sind weggezogen, so auch die
Mutter des Toten. Sie tritt als Nebenklägerin auf. Ihre Anwältin sieht sogar
“einen Mord”.
Das damalige Erstaufnahmeheim für Aussiedler in Alt Daber wird aufgelöst,
die Leute sollen gleich in Wohnungen untergebracht werden, um sie vielleicht
besser zu integrieren. “Das fällt aber schwer bei einer der höchsten
Arbeitslosenquoten im Land mit 24,4 Prozent im Altkreis”, schätzt
Scheidemann ein.
Auf keinen Fall sei Wittstock aber ein “rechtes Nest”, wie viele
behaupteten. “Wegen einseitiger Berichte mussten wir zeitweise sogar das
Besucherbuch schließen, so wurden wir angefeindet.”
Koalitionskrise wegen Schönbohm
SPD entsetzt über Solidaritätsadresse der CDU
Ministerpräsident Platzeck nennt Schreiben peinlich / Erneute Krise in der großen Koalition
(Berliner Zeitung, Andrea Beyerlein) POTSDAM. Der Abstand zwischen den Koalitionskrisen in Potsdam wird immer
kürzer. Am Mittwoch waren es Vorstöße der Union zum Irak-Krieg und zur
Lockerung des Folterverbotes, die das Regierungslager in helle Aufregung
versetzten. So sehr gerieten die Sozialdemokraten in Rage, dass selbst der
sonst verhalten agierende SPD-Regierungschef Matthias Platzeck von einer
Beschädigung des Koalitionsklimas sprach. Sein Hauptproblem: An beiden
Initiativen ist sein Stellvertreter, CDU-Chef Jörg Schönbohm, beteiligt. Und
der avanciert an der SPD-Basis mehr und mehr zum Feindbild.
Schönbohm rudert zurück
Erst am Dienstag hatten sich Platzeck und Schönbohm wieder einmal
versprochen, weitere Konfrontationen zu vermeiden. Schließlich wäre die
Koalition schon vor zwei Wochen fast zerbrochen, weil sich das Kabinett kaum
über die Lastenverteilung für den Sparhaushalt des laufenden Jahres einigen
konnte. Doch der neu besiegelte Frieden hielt nicht lange: Einige Stunden
später flatterte dem Ministerpräsidenten die von seinem Innenminister
mitunterzeichnete Resolution an US-Präsident George W. Bush auf den Tisch.
Darin bekunden 15 CDU-Abgeordnete ihr “Beschämen” über die Außenpolitik der
rot-grünen Bundesregierung und werfen ihr vor, “unter dem Deckmantel der
Erhaltung des Friedens ihre antiamerikanischen Grundeinstellungen
auszuleben”. Am Mittwoch konterte Platzeck: Eine “peinliche”
Ergebenheitsadresse sei das, die ihn an unselige DDR-Zeiten erinnere — “nur
saß der Adressat damals in Moskau”.
Die Union mühte sich im Laufe des Tages hektisch um Schadensbegrenzung.
Platzeck und er verträten zwar unterschiedliche Auffassungen in der
Außenpolitik, sagte Schönbohm. Es sei aber “bedauerlich, dass dies die
erfolgreiche Politik unserer Koalition trübt”. Schönbohm räumte aber
kleinlaut ein, dass er diese Resolution “so nicht noch einmal
unterschreiben” würde. Aus der Unionsfraktion will nun kaum noch einer
mitgehen, wenn Dieter Dombrowski, Abgeordneter aus Havelland, am Donnerstag
die von ihm initiierte Resolution an US-Botschafter Daniel R. Coats
übergibt. Unterschrieben hat allerdings — außer Fraktionschefin Beate
Blechinger — fast die gesamte Führungscrew: von Generalsekretär Thomas
Lunacek über Fraktionsgeschäftsführer Dierk Homeyer bis hin zu Parteivize
Sven Petke.
Auch deswegen glaubt in der SPD kaum noch einer an ein Versehen. Selbst in
Teilen der Union geht die Furcht um, die beständigen Scharmützel um bundes-
und außenpolitische Themen seien schwerlich einzudämmen: Als
CDU-Bundespräsidiumsmitglied und als ehemaliger Militär sei Schönbohm “ein
Getriebener”. Das wird in der SPD nicht anders eingeschätzt. Aber: “Wenn es
so weitergeht, geht es nicht weiter”, drohte Landesgeschäftsführer Klaus
Ness. “Es gibt eine Schmerzgrenze. Und die hat die CDU überschritten.” Der
Lausitzer Abgeordnete und Unterbezirkschef Ulrich Freese meinte: Wenn
Schönbohm seine Äußerungen ernst meine, müsse er konsequenterweise das
Bündnis mit den “vaterlandslosen Gesellen von der SPD” beenden.
Wie es dann weitergehen könnte, ist in der SPD-Spitze schon während der
letzten Krise durchgespielt worden. In Ermangelung einer Zweidrittelmehrheit
zur Auflösung des Landtages bliebe nur ein fliegender Wechsel zur PDS — zu
deren Parteichef Ralf Christoffers Platzeck durchaus gute Kontakte pflegt.
Für eine solche Operation, so wird mittlerweile auch bei der PDS diskutiert,
haben die Verantwortlichen wegen der nahenden Landtagswahlen im Herbst 2004
jedoch allenfalls noch drei Monate Zeit.
SPD empört über CDU
Wegen Schönbohm liebäugeln Sozialdemokraten immer mehr mit Rot-Rot
(MAZ) POTSDAM Christoph Schulze, für gewöhnlich ein wortgewandter
SPD-Parlamentarier, fällt mit Blick auf den Koalitionspartner CDU derzeit
nicht viel ein. “Ich reibe mir die Augen und verstehe es nicht”, sagt er und
wundert sich über die Folter-Debatte oder über den Irak-Brief an
US-Präsident Bush. “Die können damit doch nichts gewinnen.”
So ratlos wie Schulze sind augenblicklich viele in der SPD. Als hätte
Brandenburg kein milliardenschweres Finanzloch, mischen sich
CDU-Parlamentarier in die außenpolitische Irak-Debatte ein oder geben sich
beim Thema Folter als Hardliner. Ministerpräsident und SPD-Landeschef
Matthias Platzeck konstatierte gestern in scharfem Ton, dass dies dem
Koalitionsklima insgesamt schade.
Allerdings gibt die CDU kein einheitliches Bild ab. Die Irak-Resolution
haben beispielsweise nur 15 der 25 Abgeordneten der Potsdamer
Landtagsfraktion unterschrieben, was Platzeck im Gegenzug hervorheben
musste. Es sei “erfreulich”, dass führende Mitglieder der CDU-Fraktion das
Papier nicht unterschrieben haben, erklärte er. Zu diesen gehört Beate
Blechinger, Fraktionschefin, die für sich in Anspruch nimmt, “keine
Resolutionen jedweder Art” zu unterzeichnen. An DDR-Zeiten müssen sich
offenbar auch Vize-Landtagspräsident Martin Habermann und der frühere
Landeschef Peter Wagner erinnert haben, die ebenfalls nicht unterschrieben.
Auch die drei CDU-Minister Johanna Wanka, Ulrich Junghanns und Barbara
Richstein tauchen auf der Liste nicht auf. Dafür aber Landeschef Jörg
Schönbohm, der über die Heftigkeit der Kritik von Platzeck gestern
überrascht war. Aus Schönbohms Umgebung hieß es, die SPD dürfe nicht weiter
gereizt werden. Deshalb soll die pressewirksam initiierte Übergabe der
Resolution an die US-Botschaft kleiner ausfallen. Verfasser Dieter
Dombrowski fährt heute allein, in aller Stille, nach Berlin.
In der SPD wachsen die Zweifel, ob die CDU noch der richtige Partner ist.
Während der Nachtsitzung des Kabinetts zum Haushalt vor zwei Wochen hing das
Bündnis am seidenen Faden. Erst im letzten Moment kam es zur Einigung.
Platzeck, der anders als Stolpe mit Schönbohm seine Probleme hat, hatte im
Vorfeld im SPD-Vorstand den Genossen einen möglichen Umstieg zur PDS
erläutert. Auch mit PDS-Landeschef Ralf Christoffers hat er sich zu diesem
Thema getroffen.
Neuwahlen soll es demnach nicht geben, sondern einen möglichst geräuschlosen
Wechsel zu Rot-Rot. Längst hat sich auch zu Platzeck herumgesprochen, wie
weitgehend harmonisch in Schwerin und Berlin die SPD mit der PDS regiert.
Die Lage in der märkischen SPD hat sich zu 1999 geändert. Galt damals eine
Koalition mit der PDS als undenkbar (nur Regine Hildebrandt war dafür),
können sich dies jetzt viele vorstellen.
Auch aus Sicht von SPD-Parlamentarier Schulze ist ein Wechsel denkbar, auch
wenn er derzeit nicht damit rechnet. “Es gibt zur PDS zumindest keine
unüberbrückbaren Hürden.” Wie konstruktiv die PDS beispielsweise bei der
Gemeindereform mitdiskutierte, will Schulze nächste Woche im Plenum
ausdrücklich loben.
Folter
Streit um Anwendung von Gewalt bei Verhören zur Rettung von Menschenleben
(MOZ) Potsdam (ddp-lbg). Brandenburger CDU-Politiker sind mit Äußerungen in der
Folter-Debatte schwer unter Druck geraten. Das Polizeigesetz sei
weitreichend genug und müsse nicht um die Anwendung von Gewalt zur
«Erpressung» von Geständnissen bei Polizeiverhören verschärft werden,
betonte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Mittwoch
in Potsdam. Er schloss auch eine Bundesratsinitiative zur Änderung der
Strafprozessordnung aus.
Platzeck reagierte damit auf Aussagen des Innenmi
nisters Jörg Schönbohm
(CDU) im TV-Nachrichtenkanal «Phönix» und des innenpolitischen Sprechers der
CDU-Landtagsfraktion, Sven Petke, in Brandenburger Zeitungen. Schönbohm ließ
inzwischen durch einen Sprecher erklären, er gehöre nicht zu den
Befürwortern der Folter. Er habe lediglich Verständnis für Polizisten und
Staatsanwälte geäußert, die in Extremsituationen darüber nachdächten,
«härtere» Verhörmethoden anzuwenden.
Schönbohm forderte eine grundsätzliche Debatte — auch angesichts wachsender
terroristischer Bedrohung — über solche Ausnahmefälle. Petke stellte
ebenfalls klar, dass er die Folter ablehne. In Zeitungsberichten hatte er
sich für die Androhung von körperlicher Gewalt ausgesprochen, wenn es
beispielsweise bei Geiselnahmen um die Rettung von Menschenleben geht.
Die Androhung von Gewalt gegen jeden mutmaßlichen Straftäter, auch gegen
Terroristen, müsse unter «jedem denkbaren Umstand» ausgeschlossen werden,
betonte der Vorsitzende des Brandenburger Anwaltsverbandes, Frank‑W.
Hülsenbeck, gemeinsam mit dem Berliner Anwaltsverein. Schon das Nachdenken
darüber sei ein «Spiel mit dem Feuer». Es sei erschütternd, wie leichtfertig
konservative Politiker bereit seien, den Schutz der Menschenwürde preis zu
geben, sagte Verdi-Landesbezirksleiterin Susanne Stumpenhusen.
Der Generalsekretär der Brandenburger FDP, Heinz Lanfermann, nannte Petke
einen «Scharfmacher ohne Tiefgang». Lanfermann appellierte an
Justizministerin Barbara Richstein (CDU), sich eindeutig zum Folterverbot zu
bekennen. Eine Ressortsprecherin äußerte sich zu der Thematik aber nicht.
Die Bundesrepublik Deutschland sei sowohl der Europäischen
Menschenrechtskonvention als auch der Anti-Folter-Konvention der Vereinten
Nationen beigetreten, die auch für außergewöhnliche Umstände die Folter
nicht rechtfertige, betonte der FDP-Politiker.
Brandenburgs Grüne verlangten, die Folter müsse im Rechtsstaat «ein Tabu»
bleiben. Die PDS lehnte die Aufweichung des Folterverbots in Deutschland als
im Widerspruch zum geltenden Recht stehend ab.
Petke bezeichnet Platzeck im Streit um Irak-Resolution als dünnhäutig
(MOZ) Potsdam (ddp-lbg). Der Streit um die Irak-Resolution von CDU-Mitgliedern aus
Brandenburg geht weiter. CDU-Landesvize Sven Petke bezeichnete
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Donnerstag auf Radio Eins als
«dünnhäutig». Zugleich warnte er die SPD davor, «jetzt jede einzelne Aktion
der CDU zu beobachten und jedes Verhalten zu kommentieren».
Platzeck hatte die Resolution am Mittwoch als peinlich für das Land
eingeschätzt und darin eine Belastung für die große Koalition in der Mark
gesehen. Zudem erinnerte Platzeck an ähnliche «Ergebenheitsadressen in
unseligen DDR-Zeiten, nur saß der Adressat damals in Moskau». Petke, der die
Resolution mit unterzeichnet hatte, zeigte sich über diesen Vergleich
bestürzt. Das habe nichts mit der Realität zu tun. Zugleich sieht der
CDU-Politiker in der «Aufgeregtheit und Dünnhäutigkeit innerhalb der SPD»
ein Zeichen ihrer Führungsschwäche. Die SPD sei verunsichert wegen der
zuletzt schlechten Umfrageergebnisse.
Die Resolution war von 15 CDU-Parlamentariern aus Brandenburg und 12 aus
Berlin unterzeichnet worden und sollte am Donnerstag an US-Botschafter
Daniel Coats übergeben werden. In dem Brief äußern sich die CDU-Politiker
«beschämt» über die Haltung der Bundesregierung im Irak-Konflikt. Die
Bundesregierung setze Freundschaft und Partnerschaft mit den USA aufs Spiel
und lebe ihre «antiamerikanischen Grundeinstellungen» aus.
Petke sieht die deutsch-amerikanische Freundschaft langfristig in Gefahr.
Die derzeitige Situation der Funkstille zwischen Deutschland und den USA sei
einmalig. Die Unterzeichner der Resolution wollten die Sicherheit der
Bundesrepublik auch in Zukunft durch ein gutes Verhältnis zur USA
gewährleistet sehen.
Schönbohm bringt Platzecks Genossen zur Weißglut
Nach der “Irak-Resolution” des Koalitionspartners CDU fordern immer mehr
Sozialdemokraten Rot-Rot. Die PDS signalisiert ihre Bereitschaft
(Tagesspiegel) Potsdam. In Brandenburgs SPD mehren sich die Stimmen, die offen ein Ende der
Großen Koalition fordern. So erklärte SPD-Vizechefin Katrin Molkentin am
Mittwoch, das an US-Präsident Bush gerichtete “Anbiederungsschreiben” von
CDU-Innenminister Jörg Schönbohm und der Fraktion bringe das Fass zum
Überlaufen. In ungewohnter Schärfe distanzierte sich auch Ministerpräsident
Matthias Platzeck von Schönbohm und der CDU: Das Schreiben, das scharfe
Angriffe gegen die Bundesregierung und die Gegner eines Irak-Krieges
enthält, sei “peinlich” für das Land. Die “Ergebenheitsadresse” erinnere an
unselige DDR-Zeiten.
Platzeck verwahrte sich dagegen, “dass die, die diesen Text nicht
unterschreiben, indirekt zu Feinden unseres Bündnispartners Amerika
abgestempelt werden”. Mit Äußerungen zum Fortbestand der Koalition hielt
sich Platzeck zurück. Er betonte jedoch, dass der Vorgang dem
Koalitionsklima schade. Im Zusammenhang mit den jüngsten
Koalitionsstreitigkeiten um die Haushaltspolitik hatte sich Platzeck nach
Tagesspiegel-Recherchen Anfang Februar mit Parteichef Ralf Christoffers
getroffen und dabei auch sondiert, ob die PDS gegebenenfalls als
Koalitionspartner zur Verfügung stünde. Dies ist von Christoffers dem
Vernehmen nach grundsätzlich bejaht worden. Auch soll er erläutert haben,
dass die PDS ministrable Politiker aufbieten könne. Katrin Molkentin
forderte gestern “die Aufnahme offizieller Gespräche mit der PDS”.
Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zeigten, dass schwierige Probleme mit der
PDS zielgenauer und verlässlicher gelöst werden könnten. Laut Molkentin gibt
es in der Partei einen Stimmungsumschwung zugunsten von Rot-Rot.
Die SPD-Politikerin kritisierte scharf, dass sich Schönbohm und seine Partei
offensichtlich von der Landespolitik verabschiedet hätten. “Außen- und
bundespolitische Spielwiesen sind der CDU offenbar wichtiger als die
Koalition.” In dem Schreiben an US-Präsident Bush, das neben Schönbohm die
Mehrheit der CDU-Fraktionsmitglieder unterzeichnet hat, wird die Politik der
rot-grünen Bundesregierung scharf attackiert. Wörtlich heißt es unter
anderem: “Es ist uns ein Herzensanliegen, Ihnen mitzuteilen, dass wir
beschämt sind, wie sich unsere Bundesregierung im Irak-Konflikt, im
UN-Sicherheitsrat, aber auch innerhalb der Nato verhält.” Die gleichen
Kräfte, die 1979 gegen den Nato-Doppelbeschluss mobil machten und immer die
Nähe zum SED-Regime suchten, setzten jetzt die Partnerschaft zu den USA aufs
Spiel und würden “unter dem Deckmantel der Erhaltung des Friedens
letztendlich ihre antiamerikanischen Grundeinstellungen ausleben”. Das
Schreiben löste in der SPD eine Welle der Empörung aus, zumal auch die
Schönbohmsche Forderung nach einem Folter-Freibrief für Terroristen-Fahnder
großes Unverständnis hervorrief. “So kann es nicht weitergehen”, warnte
SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness. Schönbohms Stil sei nicht akzeptabel.
Der einflussreiche Landtagsabgeordnete und Unterbezirkschef von Spree-Neiße,
Ulrich Freese, beschrieb die Stimmung in der Partei so: “Schönbohm schlägt
Schröder und meint Platzeck.” Der CDU-Landeschef sollte dann auch konsequent
sein und die Oppositionsrolle nicht in der Regierung, sondern auf der
Oppositionsbank wahrnehmen. Es sei inakzeptabel, dass Schönbohm die
Sozialdemokratie in Brandenburg bis zur Weißglut reiz
e. Er mache permanent
Wahlkampf und sei offenbar nicht fähig, fünf Jahre verlässliche Politik in
einer Koalition zu machen.
PDS-Parteichef Ralf Christoffers bestätigte die rot-rote Annäherung. Er
kündigte an, dass er bereit sei, die von Sozialdemokraten angeregten
offiziellen Gespräche zu führen. Es gebe offenbar einen kulturellen und
politischen Grundkonflikt zwischen SPD und CDU. Er sehe ein Ende der
Gemeinsamkeiten. Die SPD müsse entscheiden, ob daraus eine Koalitionsfrage
werde. Aus Sicht des PDS-Parteichefs ist die Lage in der Koalition ernster
als im Zuwanderungsstreit. Christoffers bestritt Gerüchte, wonach es
zwischen SPD und PDS bereits einen “Geheimplan” für eine rot-rote Koalition
geben soll. Er bestätigte jedoch, dass “inoffiziell auf verschiedenen
Ebenen” Gespräche geführt werden.
Siehe auch: Offener Brief der Polizeikontrollstelle an den Brandenburger Verfassungsschutz Wegen den eventuellen “verfassungsfeindlichen Bestrebungen” in der Landes-CDU fordert die Initiative die Beobachtung der Partei.
“Hier geblieben” — Flüchtlingsrat, Landeskirche und Flüchtlingsinitiative
fordern Bleiberecht für Asylsuchende, die schon lange in Brandenburg leben
(TAZ) Seit elf Jahren leben Jose und Clara Ndualu in Brandenburg an der Havel.
Jahrelang bestimmte der Status “Asylbewerber” jeden Schritt des
kongolesischen Flüchtlingsehepaares und seiner beiden in Deutschland
geborenen Kinder. Gesetzliche Vorgaben wie das De-facto-Arbeitsverbot für
Asylsuchende und die Residenzpflicht prägten den Alltag. Trotzdem gelang der
Familie nach Ansicht ihrer deutschen Freunde die Integration. Damit ist es
vorbei, seit die Ausländerbehörde Mitte Januar drohte, die Familie
abzuschieben. Vier Wochen leben die Ndualus nun schon im Kirchenasyl der
Brandenburger St.-Gotthardt-Gemeinde und hoffen auf eine Verhandlungslösung
mit den Behörden.
Dass die Ndualus kein Einzelfall sind, machten gestern in Potsdam Vertreter
der Brandenburger Flüchtlingsinitiative und ders Flüchtlingsrats deutlich.
Dessen Geschäftsführerin Judith Gleitze erinnerte an mehrere vietnamesische
Familien, die in den vergangenen Jahren erst durch Kirchenasyle und den
darauf folgenden öffentlichen Druck eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten,
obwohl sie seit einem Jahrzehnt in Brandenburg gelebt hatten.
Mit einer speziell an die Potsdamer Landesregierung und Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) adressierten Kampagne unter dem Motto “Hier geblieben”
fordert der Flüchtlingsrat nun ein Bleiberecht für Asylsuchende mit dem
Status der so genannten Duldung. Auch die evangelische Landeskirche
unterstützt das Anliegen der Kampagne, die derzeit bundesweit von Pro Asyl
koordiniert wird. Hanns Thomä-Venske, der Ausländerbeauftragte der
Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, machte gestern darauf
aufmerksam, dass Deutschland von einer solchen Bleiberechtsregelung
profitieren würde. Zum einen würden Verwaltungsarbeit und ‑gelder gespart.
Zum andern sollten gerade die neuen Bundesländer aus eigener Erfahrung
wissen, wie wichtig es für die Gemeinschaft sei, dass sozial integrierte
Menschen nicht weggehen, sondern hier bleiben.
Konkret fordern die Initiatoren eine sofortige unbürokratische und
großzügige Bleiberechtsregelung insbesondere für Opfer rassistischer
Angriffe und traumatisierte Flüchtlinge. Gleiches soll für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge gelten, die seit zwei Jahren in Deutschland leben,
für Flüchtlingsfamilien mit dreijährigem Aufenthalt und für Alleinstehende,
die seit fünf Jahren hier leben.
Rund 230.000 Asylsuchende mit dem Status “Duldung” könnten bundesweit von
diesen Forderungen profitieren, in Brandenburg sind es 1.695 Menschen.
Gleitze kritisierte, dass auf die Ankündigungen seitens der Landesregierung,
eine Härtefallregelung in Brandenburg einzuführen, “bislang keine Taten
gefolgt seien”.
Bleiberecht für geduldete Langzeitflüchtlinge gefordert
Allein in Brandenburg droht 1 695 Betroffenen Abschiebung
(Jens Blankennagel, Berliner Zeitung) POTSDAM. Die vier Dutzend Flüchtlinge, die sich am Mittwoch in der
Friedrichskirche von Potsdam trafen, hatten sich ein gemeinsames Symbol
ausgedacht. Jeder trug an der Brust einen Zettel. Darauf standen nicht, wie
oft üblich, ihre Namen, sondern Zahlen: zwei Jahre, acht Jahre, zwölf Jahre.
Jahre, die sie in Deutschland leben: geduldet, aber nicht als Flüchtlinge
anerkannt. Mit ihren Zetteln wollten sie zeigen, dass es ihnen nicht um
Einzelschicksale geht, sondern um das Problem an sich.
Kirchenasyl ist nur Notlösung
“In Deutschland leben 230 000 Menschen, die seit Jahren nur geduldet werden
und jederzeit abgeschoben werden können. In Brandenburg sind es 1 695″,
sagte Judith Gleitze vom Brandenburger Flüchtlingsrat. Der startete am
Mittwoch die landesweite Kampagne “Hier geblieben!”. “Wir wollen öffentlich
auf das Schicksal der Flüchtlinge aufmerksam machen und fordern eine
ernsthafte Integrationspolitik.”
Die Aktivisten sehen akuten Handlungsbedarf für die Landesregierung. Das
hätten die beiden Fälle von Kirchenasyl in den vergangenen Monaten gezeigt,
mit denen Flüchtlinge vor der Abschiebung geschützt wurden. Erstmals waren
sogar Polizisten ohne Durchsuchungsbefehl in Kirchenräume eingedrungen.
“Kirchenasyl ist aber keine Lösung, nötig sind humane Regelungen”, sagte
Gleitze. Damit die langen bürokratischen Kämpfe der oftmals abgelehnten
Asylbewerber ein Ende haben, fordert der Flüchtlingsrat eine unbeschränkte
Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für sie. Vor allem für Flüchtlinge, die
länger als fünf Jahre hier leben, oder nach drei Jahren für Familien mit
kleinen Kindern.
Dies unterstützt auch die evangelische Kirche. Deren Ausländerbeauftragter
Hanns Thomä-Venske verlas einen Beschluss der Landessynode, mit dem die
Regierungen von Berlin und Brandenburg aufgefordert werden, sich für eine
bundesweit einheitliche Bleiberechtsregelung einzusetzen. “Die Praxis
unseres Asylrechts führt dazu, dass Bewerber keine Anerkennung erhalten,
obwohl ihnen in den Abschiebeländern Gefahr für Leib und Leben droht.”
Landtagspräsident Herbert Knoblich (SPD), als Kind selbst aus der Heimat
vertrieben, forderte in einem Grußwort “eine grundlegende Reform des
bestehenden Zuwanderungsgesetzes”.
In der Kirche berichteten viele Flüchtlinge von ihren Erfahrungen mit den
derzeitigen Gesetzen. So erzählte eine Afrikanerin von ihrer schwierigen
Job-Suche. “Erst wenn ich selbst einen Job gefunden habe, kann ich dafür
eine Arbeitserlaubnis beantragen”, sagte sie. Dann werde von den Behörden
geprüft, ob sich für den Job nicht ein deutscher Arbeiter findet. Das dauert
sechs Wochen. “Doch so lange will meist kein Arbeitgeber auf mich warten”,
sagte sie. Deshalb wäre eine allgemeine Arbeitserlaubnis wichtig, um
unabhängig von staatlichen Hilfen leben zu können.
Bleiberecht nach fünf Jahren gefordert
(FR) POTSDAM, 26. Februar (epd/now). Ein Bleiberecht für Asylbewerber nach fünf
Jahren Aufenthalt in Deutschland haben Flüchtlingsorganisationen in
Brandenburg gefordert. Notwendig sei eine neue Bleiberechtsregelung ohne
“unerfüllbare Hürden” wie dem Nachweis eines ausreichenden Einkommens trotz
fehlender Arbeitserlaubnis, sagte Judith Gleitze vom Flüchtlingsrat
Brandenburg am Mittwoch in Potsdam. Ziel müsse es sein, seit langem in
Deutschland lebenden Flüchtlingen eine gleichberechtigte Teilnahme am
sozialen Leben zu ermöglichen.
Derzeit seien rund 230 000 geduldete Flüchtlinge trotz langjährigem
Aufenthalt von der Abschiebung bedroht, darunter rund 1700 in Brandenburg,
betonte Gleitze zum Auftakt einer Bleiberechtskampagne für Brandenburg. Die
Einschränkung der Bewegungsfreiheit und des Rechtes auf Arbeit komme für die
Betroffenen seelischer Gewalt gleich, kritisierte die Flüchtlingsinitiative
Brandenburg. Der Ausländerbeauftragte der berlin-brandenburgischen
evangelischen Kirche, Hanns Thomä-Venske, ergänzte, mit einem dauerhaften
Bleiberecht könnten öffentliche Kosten erspart werden, weil lange
Gerichtsverfahren und der Bezug von Sozialhilfe entfielen. Brandenburgs
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) habe zugesagt, die geforderte
Bleiberechtsregelung in der Länder-Innenministerkonferenz zu thematisieren,
so Thomä-Venske.
Flüchtlingsrat fordert: “Hier geblieben”
Votum für geduldete Asylbewerber
(Tagesspiegel) Potsdam. Der Brandenburger Flüchtlingsrat und die Flüchtlingsinitiative
Brandenburg fordern mit der Kampagne “Hier geblieben!” ein Bleiberecht für
alle geduldeten Asyl
bewerber. Einige von diesen Menschen, die nach eigenen
Angaben zum Teil schon über zehn Jahre voll integriert in Brandenburg leben,
berichteten bei der gestrigen Auftaktveranstaltung der Kampagne in der
Potsdamer Friedrichskirche über ihre Situation. Judith Gleitze vom
Flüchtlingsrat machte darauf aufmerksam, dass 1695 Geduldete in Brandenburg
leben — 230 000 seien es in ganz Deutschland. Sie müssten ständig fürchten,
abgeschoben zu werden.
Der Appell richtet sich vor dem Hintergrund der aktuellen
Kirchenasyl-Debatte insbesondere an die Landesregierung. In den letzten
Monaten hatten zwei Fälle von Kirchenasyl in Schwante und in der Stadt
Brandenburg die Öffentlichkeit bewegt.
im folgenden ein text von indymedia.de
Wie eine Presseerklärung ein wenig Spannung in den Bernauer Bundestagswahlkampf brachte.
Beginnen wir mit der Vorgeschichte. Wie in vielen anderen Städten und Dörfern fielen hunderte Wahlplakate der Schill-Partei und der NPD unbekannten Plakatedieben zum Opfer. Das führte zur Anzeigen und Ermittlungsverfahren wegen Diebstahl und Sachbeschädigung. Die Schill-Partei setzte dabei ihre Propaganda für die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes in die Tat um. Sie observierte heimlich ein Wahlplakat in der Goethestrasse mit Hilfe einer Videokamera. Ein Videoband auf dem zwei Plakatediebe in Aktion zu sehen sein sollen, führte dann zu einer Hausdurchsuchung bei einem der angeblich Betroffenen. Diese blieb aber Ergebnislos.
Am selben Tag kam dann der Herr Schill höchst persönlich nach Bernau für eine Wahlkampfkundgebung. Die endete in einem totalen Desaster für die Partei. Dabei kam es zu einigen unverhältnissmässigen Festnahmen, eine Person wurde sogar vorher zu Hause festgenommen und in Vorbeugegewahrsam gesteckt.
In den Gästebüchern der Internetseiten der Brandenburger Schill-Partei www.schillbrandenburg.de (GB inzwischen zensiert) und www.wesslau.de (GB existiert inzwischen nicht mehr) tauchten zahlreiche kritische Beiträge auf. Der Beitrag “Nazis Raus!” führte zu einer Anzeige wegen Verleumdung. Daraufhin lud die Polizei mehrere Menschen als Beschuldigte vor, die ihre Personalien bei einer Protestaktion vor einer Veranstaltung der Schill-Partei abgeben musste. Ob diese Vorgehen rechtmässig war, wird auf jeden Fall den Brandenburger Datenschutzbeauftragten beschäftigen.
Doch nun zur besagten Presseerklärung. In dieser kündigten “Bernauer Bürger und Bürgerinnen” an, am Donnerstag den 12. September um 17 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz zu erscheinen und dort die Plakate der NPD und der Schill-Partei zu entfernen. Obwohl die regionale Presse diese Erklärung verschwieg, erreichten Mundpropaganda und Internet doch eine schnelle Verbreitung der Informationen. Die Polizei ermittelte wegen “Aufruf zur Straftat” und die NPD stellte Strafanträge gegen die bisher unbekannten Autoren und Indymedia auf dessen Internetseite die Presseerklärung zu lesen ist.
Am Donnerstag-Vormittag durchsuchte die Polizei dann den Bernauer Jugendtreff “DOSTO”. Da auch auf den Seiten des DOSTO (www.dosto.de) die Presseerklärung zu lesen ist, wird hier wegen “Aufruf zur Straftat” ermittelt. Ein Rechner und zahlreiche CDs wurden beschlagnahmt. Am Nachmittag besetzten dann über hundert Polizisten teilweise in Kampfmontur den Bahnhofsvorplatz. Trotzdem erschienen etwa 75 Bernauer und Bernauerinnen mit einer grossen Holzleiter um die Plakate zu entfernen. Die Polizei konnte das zwar verhindern, es wurden aber trotzdem zahlreiche Flugblätter verteilt. Ausserdem wurden auf dem Hin- und auf Rückweg einige Wahlplakate von NPD und Schill-Partei entfernt. Die Polizei sprach reichlich Platzverweise aus und nahm ca. 15 Menschen in Gewahrsam. Während die meisten nach kurzer Zeit wieder entlassen wurden, blieb eine Person bis 1.30 Uhr in der Nacht im Vorbeugegewahrsam, da sie bereits mit einem zerrissenen Wahlplakat der Schill-Partei auf dem Bahnhofsvorplatz erschien.
Zu erwähnen ist noch, das die Nazis des “Nationalen Widerstandes Berlin-Brandenburg” zur Verteidigung der Wahlplakate aufgerufen hatten. Obwohl zahlreiche Kameradschaften angekündigt wurden (Autonome Nationalisten Berlin, Märkischer Heimatschutz, Kam. Mitte, Kam. Pankow und Kam. Prenzlauer Berg), erschienen dann doch nur etwa 10 Nazis, unter ihnen die Bernauer NPD-Kader XXXXXXX und Ricardo G., die sich unter Polizeischutz ungestört auf dem Platz bewegen konnten.
Insgesamt ist die Aktion positiv zu bewerten, weil es gelang, die Auseinandersetzung um die Wahlplakate rechter Parteien in die Öffentlichkeit zu bringen. Das ist aber nicht als Plädoyer gegen nächtliche Aktionen zu begreifen, sondern als sinnvolle Ergänzung.
An das
Ministerium des Innern
Verfassungsschutzbehörde
H.-v.-Tresckow-Straße 9–13
14467 Potsdam
Hinweis aus der Bevölkerung zu verfassungsfeindlichen Bestrebungen in der brandenburgischen CDU
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den letzten Jahren geriet unsere Initiative immer wieder mit Ihrer Behörde in Streit darüber, ob denn der Verfassungsschutz in Brandenburg nicht überflüssig sei.
Durch die Speicherung ordnungsgemäß angemeldeter und durchgeführter Demonstrationen als verfassungsfeindliche Bestrebung, die grundlose und peinliche Warnung vor Attacken wildgewordener Hausbesetzer auf die Blumenbeete der BUGA und eine allgemeine Überschätzung linksradikaler Strukturen entstand bei uns mitunter der Eindruck, der brandenburgische Verfassungsschutz wäre zur Sicherung der Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter/innen angesichts mangelnder Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dazu übergegangen, verfassungsfeindliche Strukturen in der rechten Szene finanziell zu unterstützen und sich angesichts der angespannten Haushaltslage in der linken Szene mit weniger ergiebigen Taten zu begnügen.
Wir freuen uns, Ihr Augenmerk nunmehr auf tatsächlich verfassungsfeindliche Bestrebungen lenken zu können und damit einen sinnstiftenden Beitrag zur Legitimation der Verfassungsschutzbehörde leisten zu können.
Unterstützung eines Angriffskrieges durch Jörg Schönbohm
In der Ausgabe 05/2003 des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ äußerte sich Jörg Schönbohm in einem Interview wie folgt:
Schönbohm .… Wenn Saddam nicht mit den Vereinten Nationen kooperiert, muss er mit Konsequenzen rechnen, dazu gehört auch sein Sturz.
SPIEGEL: Soll sich Deutschland daran militärisch beteiligen?
Schönbohm: Unsere Mittel sind durch die vielen Auslandseinsätze der Bundeswehr ziemlich erschöpft. Aber wenn wir noch logistische Kapazitäten haben, könnten wir sie anbieten. …
SPIEGEL: Sie glauben an den “gerechten Krieg”?
Schönbohm: Nein, aber wenn es sich um Notwehr handelt, ist ein Präventivschlag gerechtfertigt.
Weder das Völkerrecht, noch das Grundgesetz legitimieren einen Präventivkrieg. Die Grundsätze von Notwehr oder Nothilfe, die sinngemäß auch im Völkerrecht gelten, sind nur auf Verteidigungsfälle anzuwenden. Schon begrifflich ist der präventive, also vorbeugende Krieg und die Notwehr, also die erforderliche Gegenwehr zur Abwehr eines gegenwärtigen Angriffes unvereinbar. Präventivkriege sind also rechtlich völkerrechtswidrige Angriffskriege. Ihre Unterstützung verstößt gegen Art. 26 GG und ist gem. § 80 StGB strafbar. Daher ist die Forderung nach Unterstützung des Krieges gegen den Irak, trotz entgegenstehender Rechtslage und des Verbotes des Grundgesetzes den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung Herrn Schönbohms dar.
Forderung nach Einführung der Folter durch Sven Petke u. Jörg Schönbohm
Sven Petke
Am 26.02.03 heißt es in den PNN auf Seite 1 unter der Überschrift „Petke für härtere Gangart bei Polizeiverhören”:
„Wenn es um die Rettung von Menschenleben geht, muß die Androhung von körperlicher Gewalt möglich sein“ sagte Petke vor dem Hintergrund der bundesweiten Folterdebatte. .… Petke widersprach Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg, der bei Gewaltandrohungen in Polizeiverhören … die „Grundlage unseres Staates in Frage gestellt“ sieht.
Jörg Schönbohm
Ebenfalls am 26.02.03 berichtet Spiegel-Online:
Nun schaltete sich Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm in die Debatte ein und brachte eine ganz neue Idee auf den Tisch. Man müsse über Folter in Polizeiverhören nachdenken, wenn durch Terroristen eine Gefahr für eine Vielzahl von Menschen drohe, sagte Schönbohm am Montagabend in der “Phoenix”-Sendung “Unter den Linden”. Der Moderator hatte den Minister gefragt, ob man sich Strafmaßnahmen wie im Fall von Metzler auch für potentielle Terroristen überlegen müsse. Wörtlich sagte der Minister: “Diese Frage kann ich nicht mit Ja oder Nein beantworten. Ich kann mir vorstellen, wenn eine unmittelbare Gefahr für Tausende bevor steht, dass man über solche Maßnahmen nachdenkt.”
Die Abschaffung der Folter ist wesentlicher Bestandteil der bundesrepublikanischenn Rechtsordnung. Das ergibt sich sowohl aus dem strafprozessualen Verwertungsverbot (§ 136 a StPO verbotene Vernehmungsmethoden) für Beweismittel, die durch Folter oder Drohung mit Folter gewonnen wurden, als auch aus dem im Artikel 16 a des Grundgesetzes verankerten Verbot der Abschiebung in Länder, in denen die Folter droht. Folgerichtig ist die Bundesrepublik auch der UN-Antifolterkonvention beigetreten. Die Folter verstößt gegen Art. 1 des GG, der die Unantastbarkeit der Menschenwürde garantiert. Artikel 1 gehört nicht nur zu den Grundrechten, sondern ist als Kernbereich des Grundgesetzes von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG geschützt.
Die Forderung nach Anwendung der Folter ist daher nicht einmal durch eine Änderung des Grundgesetzes ohne gewaltsame Änderung oder Ausschaltung der Rechtsordnung durchzusetzen. Daher stellen die Äußerungen Herrn Petkes und Herrn Schönbohms schon für sich genommen verfassungsfeindliche Bestrebungen dar.
Gesicherte Hinweise, daß CDU-Mitglieder z.B. in der Türkei, Afghanistan oder Südamerika Folterlehrgänge besucht haben, liegen uns derzeit noch nicht vor.
Da die beiden genannten Personen sich häufig in der Tresckow-Straße 9–13 aufhalten, ist die Beobachtung auch mit einem relativ geringen Aufwand durchzuführen.
Dabei wünschen wir Ihnen gute Unterhaltung und viel Erfolg. Bedenkt man, daß die Äußerungen, auf die wir in diesem Schreiben hingewiesen haben, öffentlich gemacht wurden, kann man sich lebhaft vorstellen, was Herr Petke und Herr Schönbohm erst von sich geben, wenn sie unter sich sind.
Wir hoffen, mit unserem Hinweis aus der Bevölkerung dazu beigetragen zu haben, Ihren Überwachungseifer in verfassungskonforme Bahnen zu lenken.
Mit freundlichen Grüßen
Beate Netzler,
Im Prozess um den Tod eines Russlanddeutschen in Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) haben die Verteidiger deutlich geringere Strafen und
sogar Freispruch für die Angeklagten gefordert. Einige Anwälte zweifelten vor dem Landgericht Neuruppin an, dass ihre Mandanten in den Angriff mit einem Feldstein auf zwei Aussiedler verwickelt waren. Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft für vier Angeklagte Haftstrafen zwischen vier und zwölf Jahren gefordert.
Wittstock-Prozess: Verteidiger will Freispruch
(Berliner Zeitung) NEURUPPIN. Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines Russlanddeutschen aus
Wittstock hat der Verteidiger des Hauptangeklagten Freispruch gefordert. Der
22-jährige Patrick S. könne nicht der Mann gewesen sein, der den Stein auf
das Opfer warf, sagte der Anwalt am Dienstag im Landgericht Neuruppin. Für
die vier Mitangeklagten sollte es geringe Freiheitsstrafen geben. Der
Staatsanwalt hatte für Patrick S. am Vortag zwölf Jahre Gefängnis gefordert.
Nach seiner Ansicht hatte Patrick S. im Mai 2002 vor einer Tanzgaststätte
den Stein auf den Russlanddeutschen geworfen und ihn dadurch getötet.
Flüchtlingsrat fordert Bleiberecht
Potsdam (ddp-lbg). Der Flüchtlingsrat des Landes Brandenburg fordert ein
Bleiberecht für langjährig in Deutschland lebende Flüchtlinge. Aus
humanitärer Sicht sei es unverantwortlich, Menschen abzuschieben, die
inzwischen in Deutschland integriert seien, sagte Judith Gleitze vom
Flüchtlingsrat am Mittwoch in Potsdam zum Auftakt einer landesweiten
Bleiberechtskampagne. Dennoch sei dieses Vorgehen noch immer an der
Tagesordnung.
Allein in Brandenburg lebten knapp 1700 Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht
haben und in ständiger Angst vor der Abschiebung leben, betonte Gleitze. Sie
würden nicht als Flüchtlinge anerkannt, konnten meist keine eigene Wohnung
mieten und erhielten auch keine Arbeitserlaubnis. Ihren Kindern werde der
Zugang zur Ausbildung oder einem Studium verwehrt.
Der Flüchtlingsrat fordert ein Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge, die seit
mindestens fünf Jahren in Deutschland sind. Für Familien sollte diese Zeit
auf drei Jahre und für Minderjährige auf zwei Jahre verkürzt werden.
Traumatisierte Menschen sollten sofort ein Aufenthaltsrecht erhalten. Dies
gelte auch für Ausländer, die Opfer rassistischer Übergriffe in Deutschland
wurden.
Ein bundesweites Bleiberecht für diese Flüchtlinge sei «humanitär geboten
und vernünftig», sagte der Ausländerbeauftragte der Evangelischen Kirche
Berlin-Brandenburg, Hanns Thomä-Venske. Es sei nicht vertretbar, sie in ihre
Heimat zurückzuschicken, wo ihnen oft Gefahr für Leib und Seele drohe. Eine
großzügige Bleiberechtsregelung könne auch Kosten sparen, denn die
Flüchtlinge könnten sich ihren Unterhalt dann selbst verdienen. Die
Potenziale der bislang nur «geduldeten» Menschen sollten endlich genutzt
werden.
Langjährige Flüchtlinge sollten eine unbeschränkte Arbeits- und
Ausbildungserlaubnis erhalten, fordert der Flüchtlingsrat. Zudem müsse ihnen
das Recht auf Familiennachzug gewährt werden. Wohnsitzbeschränkungen dürfe
es nicht geben. Das Bleiberecht dürfe nicht davon abhängig gemacht werden,
ob Flüchtlinge für ihren Unterhalt alleine aufkommen können. Schließlich
werde ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt meist verwehrt. Auch ein fehlender
Pass oder ein zeitweise illegaler Aufenthalt dürften kein Grund dafür sein,
dass Ausländer kein Aufenthaltsrecht erhalten.
Zugleich forderte der Flüchtlingsrat die Bildung einer Härtefallkommission
in Brandenburg. Die SPD habe sich bereits im Herbst 2001 dazu bekannt,
jedoch sei bislang noch nichts geschehen.