GUBEN. Die Polizei hat noch keine neuen Erkenntnisse zu dem rechtsextremen Übergriff auf ein 14-jähriges Mädchen am vergangenen Sonntag in Guben (Spree-Neiße). Die Ermittlungen liefen mit Hochdruck, sagte die Polizei in Frankfurt (Oder) am Mittwoch. Laut Polizei hatten zwei bislang unbekannte Männer die Jugendliche überfallen und ihr ein etwa drei mal vier Zentimeter großes Hakenkreuz in die Wange geritzt.
Den Angaben zufolge war die Schülerin zu Fuß auf dem Weg zu einem Bekannten gewesen, als neben ihr ein schwarzer Honda des Typs Civic oder CRX hielt und zwei Männer aus dem Auto heraussprangen. Während der eine Jenny S. festgehalten habe, habe der andere dem Mädchen mit einem Messer das Hakenkreuz in die Wange geritzt. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft in Cottbus sollen die Männer dabei “Das geschieht dir recht. Scheiß Neger” zu der Jugendlichen gesagt haben. Der Vater des Mädchens stammt aus Kuba, die Mutter ist Deutsche. Nach Auskunft des Mädchens sollen die Männer schwarze Jacken einer Marke getragen haben, die in rechtsradikalen Kreisen sehr beliebt ist. Auch der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz hat sich in die Ermittlungen eingeschaltet. Keine Angaben konnte die Polizei zu einem Zeitungsbericht machen, wonach zwei Zeugen den Vorfall gesehen, aber nicht eingeschritten sein sollen. In Guben war es in der Vergangenheit immer wieder zu rechtsextremen Übergriffen gekommen. In den vergangenen Jahren sorgten in Deutschland aber auch Fälle für Aufsehen, wo sich scheinbare Opfer rechter Attacken ihre Verletzungen selbst zugefügt oder Überfälle frei erfunden hatten. Ein Polizeisprecher sagte, dass die Aussagen der 14-Jährigen “sicher glaubhaft” seien.
Jahr: 2003
Nazis überfielen Casino in Potsdam
POTSDAM Eine Gruppe von jungen Neonazis hat in der Silvesternacht das Haus des Jugend- und Kulturvereins Chamäleon in Potsdam überfallen. Die Angreifer warfen nach Polizeiangaben Feuerwerkskörper auf das Haus und schlugen mehrere Scheiben ein. Die Einsatzkräfte nahmen sechs Personen im Alter von 17 bis 30 Jahren vorläufig fest.
Der angeblich rechtsextremistisch motivierte Angriff auf eine 14-Jährige im brandenburgischen Guben ist von dem Mädchen frei erfunden worden. Die junge Frau habe gestanden, sich selbst ein Hakenkreuz mit einer Rasierklinge ins Gesicht geritzt zu haben, teilte die Cottbuser Staatsanwaltschaft mit. Gegen sie wird nun wegen Vortäuschens einer Straftat ermittelt. Das Mädchen hatte zuvor angegeben, von zwei Männern überfallen und verletzt worden zu sein.
Rathenow: Hip-Hopper angegriffen
Am gestrigen Donnerstagabend, gegen 18.00 Uhr wurde ein Jugendlicher Hip-Hopper vor dem City Center in Rathenow, Höhe Eiscafe Venezia, von mehreren Rechtsextremisten angegriffen und geschlagen. Hierbei wurde das
Opfer leicht verletzt. Gegen die drei namentlich bekannten Schläger wurde Anzeige erstattet.
Bereits in der Neujahrsnacht griff eine Gruppe jugendlicher
Rechtsextremisten zweimal eine Silvesterparty von Hip Hoppern in einem Mietshaus in der Semliner Straße in Rathenow an. Am 1.Januar gegen 3.00 Uhr morgens tauchten vor dem Mietshaus plötzlich 10 Personen der rechtsextremen Szene auf und zettelten einen Streit an in dessen Folge es zu einem kurzem Handgemenge kam. Gegen 3.45 Uhr tauchte dieselbe Gruppe Rechtsextremisten noch einmal auf
und bewarf das Haus, in dem die Party stattfand, mit Böllern, Raketen und Flaschen.
Die herbeigerufene Polizei konnte zwar die Angreifer vertreiben, Anzeigen oder gar die Verfolgung der noch nahen Täter wurde nicht aufgenommen.
Klubs haben keine Zuchtmeister
Nach dem grauenvollen Mord an dem 17-jährigen Schüler Marinus Schöberl im Vorjahr in Potzlow (Uckermark) ist dem Jugendklub des Ortes vorgeworfen worden, sich indifferent gegenüber rechtsradikalen Jugendlichen verhalten zu haben. Mit dem Leiter des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Land Brandenburg, Wolfram Hülsemann, sprach Klaus Bischoff über Chancen und Grenzen der Jugendarbeit.
Haben die Verantwortlichen des Potzlower Jugendklubs einfach weggeschaut?
Hülsemann:
Nein, das haben sie nicht. In diesem Haus wird professionell und mit hohem Engagement gearbeitet. Rechtsextremismus wird dort weder gefördert noch toleriert. Die Vorwürfe, die nach dem Mord an Marinus erhoben wurden, entbehren jeder Grundlage.
Dürfen Jugendhäuser ihre Türen für Rechtsextremisten öffnen und wenn ja, wie sollen diese jungen Leute dort behandelt werden?
Hülsemann:
Rechtsextremisten, die in einer Partei oder Kameradschaft organisiert sind, haben in einem Jugendklub nichts zu suchen. Denn sie kommen dort nicht hin, weil sie arglos ihre Freizeit verbringen wollen — sie kommen als Propagandisten. Diese Leute müssen ausgegrenzt werden. Genau genommen grenzen sie sich selbst aus. Mehr oder weniger diffus rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen dagegen müssen wir wie allen Heranwachsenden mit Einfühlungsvermögen, Anerkennung und Wärme begegnen. Gleichzeitig müssen wir sie mit ihrer Haltung konfrontieren, über die sie in den seltensten Fällen nachgedacht haben. In Gesprächen etwa über die Geschichte ihres Dorfes und seiner Bewohner oder wenn es um alltägliche Fragen geht, können da manche Anknüpfungspunkte auftauchen. Bei all dem steht außer Frage, dass jeder Besucher des Klubs die — auch unter Mitwirkung von Vertretern der Jugendlichen — festgelegten Regeln des Hauses einzuhalten hat. Es darf natürlich keine Nazi-Agitation geben, die Musik dieser Szene wird nicht gespielt, bestimmte martialische Kleidung nicht getragen.
Kann es den Sozialarbeitern gelingen, die Szenen fremdenfeindlicher Radaubrüder aufzubrechen?
Hülsemann:
Die Jugendarbeit ist nicht die Reparaturbrigade der Nation. Eine sich aus demokratischen Wertvorstellungen ableitende Jugendarbeit darf die jungen Leute pädagogisch nicht erdrücken, also überpädagogisieren, wie das häufig in der DDR geschah. Sozialarbeiter sind keine außerschulischen Zuchtmeister. Sie respektieren in einem hohen Maße die Selbstbestimmung der jungen Menschen, tragen ihrem Autonomiebedürfnis Rechnung. Wirklich erfolgreich ist das aber nur, wenn auch die Elternhäuser und die Schule ihrer Verantwortung nachkommen. Alle — und darauf kommt es mir an — Eltern, Lehrer und Jugendpädagogen, müssen eine wichtige Frage stellen: Sichert das gegenwärtige politische Handeln auf sämtlichen Ebenen der heranwachsenden Generation erkennbare Perspektiven?
Manche Berliner haben, wenn sie ins Umland fahren, Angst vor rechtsradikalen Schlägern. Geht es in Ostdeutschland so gewalttätig zu oder ist das ein Klischee?
Hülsemann :
Es ist leider so: Die Gefahr Opfer einer Straftat zu werden, bleibt für fremd, für nicht normgerecht Erscheinende im Osten größer als im Westen. Wenngleich das Risiko statistisch auch in Brandenburg minimal ist. Zudem gehen die Täter im Osten oftmals brutaler als im Westen vor. Was mich besonders bedenklich stimmt: Zu wenige Menschen erregen sich über Taten dieser Art. Viele nehmen Übergriffe einfach hin, scheinen abgestumpft, zeigen keine Empfindung, keine Regung für das Opfer, dessen Leben beschädigt oder gar ausgelöscht wird.
Es gibt die Aktion Tolerantes Brandenburg, die Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule, das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, den Landespräventionsrat und kommunale Koordinatoren. Ist das nicht ziemlich viel Aufwand für ein eher mageres Ergebnis?
Hülsemann:
Da sollten Sie nicht alles in einen Topf werfen. Jedes Bündnis, jede Institution hat eigene Aufgaben. Das aus Kirchen, Verbänden und Gewerkschaften bestehende Aktionsbündnis etwa macht deutlich, was in diesem Lande gelten soll, ermutigt zu demokratischer Mitverantwortung gegen das Erstarken von Rechtsextremismus und Rassismus. Und es zeigt auf, wo die Grenzen der Toleranz liegen. Unser Mobiles Beratungsteam ermutigt Kommunen, Verbände und Schulen vor Ort in ihrem demokratischen Engagement, oftmals in konfliktreichen Situationen.
Ist es denn wenigstens an einigen Orten gelungen, mit der Dominanz der Rechtsextremisten aufzuräumen?
Hülsemann:
Ja, gewiss. Wir sind weiter als vor einigen Jahren. Wo eine starke rechte Szene existiert, gibt es vermehrt eine Gegenbewegung. Zum Beispiel haben Lübbener Jugendliche gesagt: Wir überlassen unsere Stadt nicht den Rechtsradikalen. Sie haben sich mit Erwachsenen zusammengetan, sind öffentlich aktiv geworden und haben das Klima in der Stadt spürbar verändert. Und dennoch müssen wir sagen, dass da noch ein langer Weg vor uns liegt.
Hat sich die Arbeit Ihres Mobilen Beratungsteams nach Bildung der Großen Koalition in Potsdam verändert?
Hülsemann:
Nein. Wir haben auch der CDU-Seite unsere Arbeit dargestellt und wir erfahren in dankenswerter Weise im Innenministerium ein hohes Maß an Wertschätzung.
Nach dem Rücktritt der Landesbeauftragten gegen Extremismus, Uta Leichsenring, Ende vergangenen Jahres hat die CDU gefordert, die gesamte bisherige Arbeit gegen Rechtsextremismus zu überdenken. Was halten Sie davon?
Hülsemann:
Darüber sollte man ständig nachdenken. Schließlich wird für diese Tätigkeit auch viel Geld ausgegeben. Es ist immer wichtig zu überlegen, wie wir unsere Anstrengungen verstärken, Synergieeffekte erzielen können.
Sie sind Theologe, nicht Politiker. Warum engagieren Sie sich so intensiv gegen den Extremismus von rechts?
Hülsemann:
Welche Wirkung eine menschenverachtende Ideologie auch auf spätere Generationen ausübt, hat mich schon seit frühen Jahren beschäftigt. Ich habe mir stets vergegenwärtigt, dass in Nazi-Deutschl and Menschen der Vernichtung preisgegeben wurden und die Nachbarn haben zugeschaut; vielleicht am Ende noch die Möbel billig erworben. Später in der DDR fand die Auseinandersetzung mit diesem Geschehen nur mangelhaft statt. Wie auch? Bei meinen Lehrern war deren Erziehung in Hitlerjugend oder Militär unverkennbar. Ich erinnere mich deutlich: Wenn es Ärger gab, dann brüllten sie. Dazu kamen Rituale wie das Marschieren oder Strammstehen beim Fahnenappell. Viele von uns wurden damals autoritär deformiert. Demokratie als politische Wertegemeinschaft sichert nach meiner Überzeugung am ehesten humane Lebensgestaltung. Das aber geschieht nicht im Selbstlauf. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, die demokratische Ordnung außer Kraft zu setzen. Entweder wir halten es miteinander aus oder wir kriegen es nicht hin.
Der Polizeiüberfall auf das Wohnprojekt in der Potsdamer Rudolf-Breitscheid-Str. 6 am 25.08.01 nach dem von rechten Übergriffen begleiteten DFB-Pokal-Spiel hat nun ein
gerichtliches Nachspiel.
Natürlich nicht für die Polizei, die den Nazimob beim Skandieren rechter Parolen und Steinwürfen auf die Breiti duldete und danach das Haus stürmte und die Einrichtung
zerschlug. Vor dem Amtsgericht steht am 6., 13., 20. und 27. Januar 2003 jeweils ab 10 Uhr im Raum 210 das Kampagnenmitglied Lutz Boede.
Wegen einer Veröffentlichung in den PNN über den Polizeieinsatz wird ihm nun Üble Nachrede vorgeworfen.
Egal wie das Verfahren ausgeht, vielleicht bietet es die letzte Chance, den Polizeieinsatz kritisch öffentlich zu diskutieren.
Über ein solidarisches Publikum würden wir uns freuen.
Weitere Infos zum damaligen Polizeieinsatz findet Ihr unter www.polizeikontrollstelle.de in der Rubrik Skandale und im Pressearchiv.
Mehr rechte Gewalt in Brandenburg
Die rechtsextreme Gewalt in Brandenburg hat im Jahr 2002 leicht zugenommen. Der
Verein “Opferperspektive” zählte 106 Angriffe mit rechtsextremen oder rassistischen
Hintergrund gegenüber 103 Angriffen im Jahr 2001. Darunter waren 93 Angriffe auf
Personen sowie sieben Brandstiftungen und sechs Sachbeschädigungen, die sich
indirekt gegen Personen richteten. Verletzt wurden 108 Personen, darunter 51
nichtrechte Jugendliche, 39 Ausländer, sieben Aussiedler, zwei Obdachlose und neun
weitere Personen. Zwei Personen wurden ermordet, im Mai der Russlanddeutsche Kajrat
Batesov in der Nähe von Wittstock, im Juli der 16-jährige Marinus Schöberl im
uckermärkischen Potzlow. Mit 13 Angriffen liegt Potsdam an der unrühmlichen Spitze
vor dem Landkreis Havelland mit zwölf Angriffen.
Diese Zahlen stehen im krassen Gegensatz zu den von Innenminister Schönbohm im
November veröffentlichten. Schönbohm sprach von einem “deutlichen Rückgang” der
rechten Gewalt um 32 % in den ersten neun Monaten des Jahres. Als Ursache für diese
Abweichung ist zu vermuten, dass es bei der Polizei nach wie vor Handhabungsprobleme
mit dem neuen Erfassungssystem für “politisch motivierte Kriminalität” gibt.
Angriffe auf nichtrechte Jugendliche werden in vielen Fällen als unpolitische
Cliquenrivalitäten abgetan und nicht richtig eingeordnet.
Völlig verfehlt ist es, die unzuverlässigen Zahlen des LKA zum Anlass für eine
Entwarnung bei rechter Gewalt zu benutzen, wie es Schönbohm versucht hat. Allein mit
Repression gegen Straftäter vorzugehen, wird das rechtsextreme und rassistische
Einstellungspotenzial nicht nachhaltig zurückdrängen. Stattdessen ist eine
zivilgesellschaftliche Offensive erforderlich, die auch vor der Ausgrenzung von
Asylbewerbern nicht Halt macht. Doch Schönbohm marschiert in die Gegenrichtung. Im
Interview mit der rechtsradikalen Jungen Freiheit fiel er den zivilgesellschaflichen
Initiativen in den Rücken und machte sie für einen Anstieg der rechten Gewalt
verantwortlich. Mit einem solchen Innenminister wurde der Bock zum Gärtner gemacht.
Eine Chronik der Angriffe finden Sie unter www.opferperspektive.de
Vergleiche hierzu die offiziellen Statistiken: Weniger Straftaten aus rechter Szene
Am Vormittag des 01.01.03 bot sich dem Beobachter ein Bild der Verwüstung: Das Vereinshaus von Chamäleon e.V. in der Hermann Elflein Str. 32 wurde um den Jahreswechsel von mehreren dutzend Nazis angegriffen. Das Erdgeschoss ist
fast komplett entglast, auch im ersten Stock sind mehrere Fensterscheiben eingeschlagen, ein Bewohner erlitt einen Nervenzusammenbruch.
Gegen 20 Uhr beschossen etwa 15 Nazis — als solche an “Landser”-T-Shirts und ähnliche szenetypischen Accessoires zu erkennen — das Haus mit Raketen und Leuchtspurmunition und versuchten insbesondere die rote Fahne, die auf dem Dach weht, abzuschießen. Nach ca. 15 Minuten verschwindet diese
Gruppe jedoch wieder zu einer nahegelegenen Naziparty.
Gegen 22 Uhr taucht diese Gruppe wieder auf, klopft von außen an die Tür und droht unverhohlen “Wir kriegen euch alle!”. Eine Stunde später lassen sich die ersten “Sieg Heil”-Rufe von der Strasse vernehmen, eine weitere Stunde später beginnen die Nazis, inzwischen sind es zwischen 40
und 50, das Haus anzugreifen. Sie rütteln an den Fensterläden und fangen an, mittels Holzlatten und Steinen die Fensterscheiben zu zertrümmern, und beschießen das Haus mit Schreckschusspistolen. Fenster, hinter denen sie Personen sehen, werden eingeworfen.
Die HausbewohnerInnen riefen daraufhin die Polizei. Diese nimmt sechs Personen zwischen 17 und 30 Jahren vorläufig fest, bei einem der Nazis findet man auch die Schreckschusspistole.
Dieser Angriff stellt nur die Spitze des Eisberges dar. Trotzdem Potsdam immer noch den Ruf besitzt, sich vom restlichen Brandenburg bezüglich Naziaktivitäten positiv abzuheben, ist dies nicht mehr als das nicht mehr als der
Wunsch einiger Lokalpolitiker. In letzter Zeit lässt sich eine massive Zunahme faschistischer Aktivitäten beobachten, angefangen bei Aufmärschen bis hin zu Überfällen wie diesem.
Dieser Angriff soll auf jeden Fall nicht unbeantwortet bleiben, achtet also auf aktuelle Ankündigungen auf Inforiot.
In einer ansonsten ruhigen Silvesternacht bildete der von Rechtsradikalen verübte Angriff auf einen Jugend- und Kulturverein in der Hermann-Elflein-Straße die böse Ausnahme. Den Mitgliedern des Vereins “Chamäleon” stand noch am Neujahrsmorgen der Schreck in die Gesichter geschrieben. Die eingeschlagenen Fensterscheiben waren notdürftig mit Eierkartons abgedeckt, der mit Glassplittern übersähte Gehweg mit Klebeband provisorisch abgesperrt. Das Gebäude, das der Verein seit August gepachtet hat, ist vorerst unbewohnbar.
“Seit kurz nach acht standen die Nazis, die wohl auf Parties in der Nähe waren, vor dem Haus und schossen immer wieder mit Raketen und Knallern auf uns”, erzählen Olli und Julia, die in dem Verein mitarbeiten. Gegen 22 Uhr wurde dann von außen an die Türen geklopft und gedroht: “Wir kriegen euch alle!” Im Chamäleon-Haus reagierte man zunehmend panisch. “Gegen elf waren dann Sieg-Heil-Rufe” zu hören”, erinnern sich die beiden, “und als die Rechten gegen Mitternacht anfingen an den Fensterläden zu rütteln und die Scheiben zu zertrümmern, haben wir die Polizei gerufen”. Diese spricht von rund 15 Angreifern, konnte aber gestern noch keine näheren Angaben über mögliche Anwohnerbeschwerden und der Vermutung der Vereinsmitglieder machen, dass ein Teil der Angreifer bereits vorher eine andere Jugendgruppe belästigt hatte. Sechs Personen im Alter von 17 bis 30 Jahren wurden vorläufig festgenommen. Gefunden wurde auch ein Schreckschusstrommelrevolver, mit dem vermutlich gegen das Haus geschossen worden war.
Protest für “Freie Heide”
“Muss Gedenken der Zukunft weichen, bringen Kriege noch mehr Leichen”
(TeilnehmerInnen) Etwa 450 Menschen (Anmerkung Inforiot: Inforadio vermeldet 800 DemonstrantInnen) versammelten sich am 1.1.03 in Schweinrich, um an der 80. Protestwanderung gegen den geplanten Truppenübungsplatz in der Freien Heide (zwischen Kyritz und Wittstock) zu demonstrieren. Zum alljährlichen Neujahrsspaziergang hatte die BürgerInnen-Initiative FREIe HEIDe aufgerufen.
Nach einer Andacht in der Kirche
von Schweinrich lief der Protestzug zu einer Mahnsäule gegen Krieg und Bombodrom. Zwischen mehreren Redebeiträgen wurde eine Gedenktafel enthüllt, die an eine zerstörte Mahnsäule erinnern soll.
Die Protestierenden setzten sich vor allem aus Bewohnern der umliegenden Dörfer, Familien mit Kinder und Mitgliedern der Bürgerini zusammen. Auch einige Lokalpolitiker, wie der Neuruppiner Bürgermeister Otto Theel (PDS) und
verschiedene Kreistagsabgeordnete waren anwesend.
Die Polizei war zahlenmäig sehr schwach vertreten und wohl eher dazu da, um den Verkehr zu regeln. Dafür wurden die Spaziergänger von den Insassen eines Bundeswehrfahrzeugs
argwöhnisch betrachtet. Auch eine Handvoll Dorfglatzen versuchten, sich wichtig zu machen und pöbelten vereinzelt Leute an. Bei der Neujahrsdemo vor einem Jahr nahmen übrigens rund 600 Menschen teil.
Protest für “Freie Heide”
(Inforadio) Rund 800 Menschen haben bei Wittstock gegen eine weitere militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner-Heide im Nordwesten Brandenburgs demonstriert.
Es war die mittlerweile 80. Protestwanderung der Bürgerinitiative “Freie Heide“in über zehn Jahren. Ein Sprecher der Initiative forderte die Bundesregierung auf, in diesem Jahr endlich eine Entscheidung über die friedliche Nutzung des ehemaligen sowjetischen Truppenübungsplatzes herbeizuführen.
Die Bundeswehr plant auf dem über 140 Quadratkilometer großen Areal einen Luft-Boden-Schießplatz.