Neuruppin. Eine von der Polizei aufgelöste Veranstaltung von Rechtsextremen in Wittstock (Prignitz) im Oktober 2001 hat jetzt ein gerichtliches Nachspiel. Am heutigen Montag beginnt in Neuruppin der Prozess gegen neun Männer aus der rechten Szene im Alter zwischen 18 und 28 Jahren, die sich an Ausschreitungen gegen Polizisten beteiligt haben sollen. Bei dem als Geburtstagsfeier angemeldeten Treffen der rechten Szene im Wittstocker Jugendclub “Havanna” am 13. Oktober 2001 soll ein Mann den Hitlergruß gezeigt haben. Außerdem wurden nach Angaben der Ermittler Musik-CDs, die
wegen Volksverhetzung auf dem Index stehen, so laut abgespielt, dass sie auch vor dem Gebäude zu hören waren. Die Polizei verlangte per Lautsprecher die Auflösung der Veranstaltung und erteilte den Teilnehmern Platzverweis.
Daraufhin verbarrikadierten die Angeklagten die Eingangstür mit Tischen und Stühlen. Als die Beamten versuchten, die Barrikade von außen abzubauen, wurden sie — so die Anklage — mit vollen Bierflaschen, Stühlen und einem Feuerlöscher beworfen. An den Ausschreitungen sollen sich insgesamt etwa 20 Personen beteiligt haben.
Jahr: 2004
Anti-Antifa entdeckt das Internet
Screenshot der Potsdamer Anti-Antifa-Seite
(Vorab-Artikel aus dem Antifa Infoblatt 62) Auf der Internetseite der „Anti-Antifa — Sektion Potsdam“ werden neben Adressen von alternativen Projekten auch Namen und Fotos von Menschen veröffentlicht, die sich in der Vergangenheit mit der Naziszene in Potsdam kritisch auseinandergesetzt haben. Diese neue Zuspitzung der Ereignisse ist nur einer von vielen Fakten, die Indizien dafür sind, dass sich die Landeshauptstadt Potsdam in den letzten Jahren zum Kristallisationspunkt rechter Gewalt entwickelt hat. So gab es im letzten Jahr über 15 dokumentierte Übergriffe gegen Personen aus dem alternativen Spektrum. Die Täter scheinen dabei immer wieder aus demselben Personenkreis zu stammen. Es handelt sich um eine ca. 30 Personen umfassende Neonazitruppe, aus denen sich auch die „Anti-Antifa Potsdam“ rekrutiert und gute Kontakte zu anderen Nazigruppen in der Region unterhält.
„Wir die anti-antifa verstehen uns nicht als feste Organisation.Vielmehr sind wir unabhängige Kameraden die es sich zur Aufgabe gemacht haben regional entgegen der antifa zu arbeiten. Das sieht im einzelnen wie folgt aus: ‑erfassung von Daten jeglicher Art“ (Rechtschreibung im Original). So liest sich der Wilkommenshinweis auf der Internetseite des „Anti-Antifa Networks – Sektion Potsdam“. Auf dieser sich noch im Aufbau befindlichen Seite finden sich die Adressen von mehreren alternativen Projekten und auch eine Rubrik für besetzte Häuser ist geplant. Weiterhin ist der Aufbau eines Personenindexes vorgesehen und teilweise schon umgesetzt. So finden sich hier bereits der Name eines Journalisten des Berliner Tagesspiegels und der Name, zusammen mit zwei Fotos, einer Mitarbeiterin des Vereins „Opferperspektive“. Beide Personen haben sich im Zuge eines Gerichtsprozesses gegen ein bekanntes Mitglied der Potsdamer Naziszene intensiv mit dieser auseinandergesetzt. Auch die Sicherheitsbehörden scheinen die Bedrohung, die von der Potsdamer Naziszene ausgeht durchaus ernst zu nehmen. So wurde der Mitarbeiterin von „Opferperspektive“ nach Stellen eines Strafantrages sofort Personenschutz durch das LKA Berlin angeboten. Indes scheinen sich Polizei und Staatsanwaltschaft nicht sicher zu sein, wer der Betreiber dieser Seite ist, da sie auch zwei Tage nach Eingang der Anzeige immer noch im Netz stand.
Strukturen offen legen
Oliver Kalies (links), Melanie Witassek (rechts)
Dem Antifaschistischen Infoblatt (AIB) anonym zugespieltes Material beweist jedoch, dass hinter der Internetpräsenz der gleiche Personenkreis steht, der auch für einen Großteil der Übergriffe gegen nicht rechte Jugendliche in Potsdam verantwortlich ist. Entworfen hat die Seite der 20 Jährige Oliver Kalies aus Potsdam. Kalies ist für die Zusammenstellung der Adressliste und den Entwurf der Einleitungstexte zuständig gewesen. Er selber rechnet sich dem Spektrum der freien Kameradschaften zu und ist regelmäßiger Besucher von Naziaufmärschen in ganz Deutschland. In einer von ihm selber aufgestellten Statistik finden sich alleine 23 Aufmärsche aus den letzten 2 Jahren, auf denen die Potsdamer Struktur anzutreffen war. Auf diesen Aufmärschen wurden auch Fotos von GegendemonstrantInnen geschossen, die sich am Rande der Demonstration befanden. Dass diese Fotos auch auf der Homepage veröffentlicht werden sollten, ist anzunehmen. Für das Schießen von Fotos scheinen hauptsächlich der Berliner Nazi Danny Leszinski (24) und die Potsdamerin Melanie Witassek (19) verantwortlich zu sein. Doch nicht nur Linke und deren Projekte stehen im Visier der „Anti-Antifa“, was von Leszinski gemachte Fotos zeigen, die dem AIB vorliegen. Diese zeigen gut erkennbar mehrere Mitglieder der Berliner Polizeieinheit PMS (Politisch motivierte Straßengewalt), die sich unter anderem mit rechts motivierter Gewalt beschäftigt.
Dass dieses Foto- und Adressensammeln nicht, wie auf der Homepage behauptet, rein dokumentarischen Zwecken dient, zeigt der Angriff gegen das alternative Projekt Chamäleon zu Sylvester 2002. Hierbei wurden das Haus und BesucherInnen einer Sylvesterparty von mehreren Neonazis überfallen, die in der nahegelegenen Gutenbergstraße ebenfalls eine Sylvesterparty feierten. Es wurden hierbei alle Fenster des Untergeschosses eingeworfen und das Haus mit Signalmunition beschossen, dabei wurden Naziparolen skandiert und Hitlergrüße gezeigt. Unter den ca. 50 feiernden Neonazis waren laut Zeugenaussagen neben dem Gastgeber Mike Marten (genannt Impi) auch Leszinski, Witassek und Kalies anwesend. Das Chamäleon steht auf dem Entwurf für die „Anti-Antifa“ Homepage auf einer Adressliste ganz oben und ist bereits durchgestrichen. In dem Entwurf zu der Homepage befindet sich auch schon eine Liste von besetzten Häusern (oder zumindest das, was die Nazis dafür halten) in Potsdam, die aber bisher noch nicht ihren Weg ins Internet gefunden hat.
Drei Monate später kam es zu einem erneuten Übergriff in Potsdam. Am 23.03.03 überfielen die Neonazis Enrico Paul, Heiko Groch, Jens Franke und Jeanette Hoffmann einen 16 Jährigen Jugendlichen, der der alternativen Szene Potsdam angehört. Sie schlugen ihn am Bahnhof Rehbrücke mit einem Teleskopschlagstock auf den Kopf und versuchten eine Zigarette in seinem Gesicht auszudrücken. Als das Opfer die Angreiferin Jeanette Hoffmann als ehemalige Klassenkameradin identifizierte und sie bat aufzuhören, ließen sie von ihm ab und warfen ihn stark blutend auf die Gleise. Dabei ist es dem Zufall zu verdanken, dass nicht weitaus Schlimmeres passierte, da der hier ankommende Zug eine halbe Stunde Verspätung hatte. Groch, der mittlerweile wegen dieser Tat zu 6 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, gab als Tatmotiv „Hass gegen Linke“ an. Dabei ist es kein bloßer Zufall, dass es ausgerechnet den 16 Jährigen traf. Er wohnt im gleichen Dorf wie Groch und war diesem bestens als Anhänger der alternativen Szene bekannt. Kurz nach der Tat traf Groch sein Opfer in einer Kneipe und versuchte ihn zu einer die Nazis entlastenden Falschaussage zu bewegen. Auch zwischen Tatbeteiligten dieses Überfalls und den schon aufgezeigten Strukturen der „Anti-Antifa Potsdam“ bestehen enge Verbindungen. So bewohnen Enrico Paul und Danni Leszinsky eine gemeinsame Wohnung in Berlin und Jens Franke lässt sich beim Aufmarsch in Halbe gemeinsam mit Witassek und anderen Nazis dieser Struktur auf einem Gruppenfoto verewigen. Oliver Kalies plante laut eigenen Angaben mehrere Gefängnisbesuche für Heiko Groch. Mitnehmen wollte er Enrico Paul und Melanie Witassek.
Szeneübergreifende Kontakte
Foto aus dem Besitz von Oliver Kalies
Gute Kontakte scheinen auch zu anderen Nazigruppen zu bestehen. Die erst Anfang Januar 2003 entworfene Homepage der Potsdamer wurde bereits im März um den Punkt „Anti-Antifa Networks“ erweitert. Unter diesem Eintrag sollen Links zu Anti-Antifa Gruppen in Hamburg, Bayern und Sachsen bereitgestellt werden. In dieser Liste wird die eigene Gruppe auch nicht mehr als „Anti-Antifa Potsdam“ aufgeführt, sondern vollmundig als „Anti-Antifa Berlin/Brandenburg“. Waren die Neonazis am ersten Verhandlungstag gegen Heiko Groch deutlich unterrepräsentiert und mussten sich auf das Fotografieren von Angehörigen der zahlreich erschienen Potsdamer Alternativszene begnügen, mobilisierten sie zum zweiten Verhandlungstag neben mehreren Anhängern der lokalen Naziszene auch Neonazis von außerhalb Potsdams.
Verbindungen bestehen aber auch in andere Szenen. So arbeite
ten sowohl Heiko Groch als auch Mike Marten als Tätowierer in Potsdam und zumindest Marten fühlt sich laut Zeugenaussagen eher der Rockerszene als der Kameradschaftsszene zugehörig, was ihn freilich nicht daran hindert ein absolut rechtsextremes Weltbild zu vertreten und für Danny Leszinski vor einer Hakenkreuzfahne zu posieren. Mindestens Melanie Witassek unterhält auch Verbindungen in das Spektrum des verbotenen Musiknetzwerks „Blood & Honour“. So wird sie namentlich in einem Booklet der Band Bloodshed gegrüßt und ist dort auch auf einem Portraitfoto abgebildet. Bloodshed ist das Nachfolgeprojekt der Band Proissenheads, die eng mit den Blood & Honour Netzwerk verwoben war. Auch im Entwurf zur Homepage von Oliver Kalies finden sich diverse Devotionalien von Blood & Honour, unter anderem ein Foto auf dem ein Gewehr in Richtung des Betrachters zielt. In den Skizzen zum Homepageentwurf taucht auch mehrfach das Kürzel C18 (Combat 18) auf. Dabei scheinen sich die Potsdamer Aktivisten zu diesem Label eher selber dazuzurechnen, als dass ernsthafte Kontakte bestehen dürften.
Die Potsdamer Gruppe besteht sicher zum Großteil nicht aus geschulten Rechtsextremisten, die Mitglieder oder gar Kader irgendwelcher Organisationen oder Parteien sind. Dennoch, oder gerade deshalb geht von ihnen eine nicht zu unterschätzende Gefahr für andersdenkende Menschen aus. Sie haben es immerhin über Jahre hinweg geschafft sich ein beachtliches „Gewaltmonopol“ in Potsdam und Umgebung zu schaffen, das lange Zeit weder durch staatliche Repression noch durch antifaschistische Intervention zu Sprengen war. Ihr äußerst brutales Vorgehen und das bewusste Inkaufnehmen von Haftstrafen lassen auf eine Art „Allmachtsgefühl“ bei den Nazis schließen. Sie scheinen in großen Teilen den Bezug zur Realität verloren zu haben und lassen sich vollends von ihrem durch Rassismus und Fremdenhass geprägten Weltbild leiten. Dieses ist eine Tendenz, die in der militanten Naziszene in letzter Zeit häufiger zu beobachten ist. Trotz dem absolut dilettantischen Vorgehen der Gruppe haben sie es fertig bekommen mehr oder weniger unbehelligt ein Netzwerk aufzubauen und eine Struktur zu schaffen, welche von außen nur schwer zu Überblicken und zu bekämpfen war. Grund zur Hoffnung gibt aber der relativ große Anteil von Potsdamer Jugendlichen, die nicht mehr länger bereit scheinen diesem Treiben noch tatenlos zuzusehen. So bleibt zu hoffen, dass aus dem eindrucksvollen Solidaritätsbeweis beim Prozess gegen Groch, es wurden alle Stühle im großen Gerichtssaal besetzt, so dass die anwesenden Nazis keinen Platz mehr gefunden haben, eine Kontinuität von konsequenter Antifaarbeit erwachsen kann.
(Tagesspiegel, 06.03.04) Neuruppin. Im Prozess gegen fünf junge Männer und eine Frau, die einen alkoholkranken Arbeitslosen brutal misshandelt haben, hat die
Staatsanwaltschaft Neuruppin harte Strafen gefordert. Der mutmaßliche Haupttäter, der Skinhead Enrico B., müsse mit siebeneinhalb Jahren Haft bestraft werden, sagte Ankläger Kai-Uwe Scholz am Freitag vor der Jugendkammer des Landgerichts Neuruppin. Enrico B. habe mit seinen
Stahlkappenstiefeln mehrfach dem Opfer Karsten B. gegen den Kopf getreten und darauf eine Bierflasche zerschlagen. Dies sei versuchter Totschlag.
Karsten B. war in der Nacht zum 16. August 2003 nahe Glöwen (Prignitz), wie berichtet, dreimal attackiert worden. Der Mann wurde durch Schläge und Tritte so übel zugerichtet, dass er in Lebensgefahr schwebte. Nur eine zufällig eintreffende Polizeistreife rettete ihn. Für die mitangeklagten Männer forderte der Staatsanwalt Strafen zwischen 26 Monaten und viereinhalb Jahren Haft. Nur die weibliche Angeklagte Nicole K. soll mit 18 Monaten auf
Bewährung davonkommen.
Die Gewaltorgie begann, als der Angeklagte Thomas W. mit seinem Wagen dem auf der Straße torkelnden Karsten B. ausweichen musste. Thomas W. stieg aus und geriet mit Karsten B. aneinander, dem es jedoch gelang, W.
niederzuringen. Die Beifahrerin von W., Nicole K., trat dann Karsten B. ins Gesicht. Das Verfahren zu dieser ersten Schlägerei stellte das Gericht allerdings ein, da sie angesichts der schweren Folgetaten kaum noch ins
Gewicht fällt. Thomas W. holte nämlich Verstärkung auf einer Party von NPD-Sympathisanten. Mit den bulligen Skinheads Enrico B. und Ronny M. fuhren Thomas W. und Nicole K. los. Die beiden Kahlköpfe schlugen und traten
Karsten B. zusammen. Dann begab sich die Clique zur Party zurück, wo weitere Kumpane Lust bekamen, ein wehrloses Opfer zu prügeln. Thomas W. setzte sich nochmal ans Steuer, Enrico B. und die Angeklagten Jens K. und Jörg E. fuhren
mit. Wieder wurde Karsten B. massiv getreten. Dann ließen sie ihn ohnmächtig und stark blutend liegen. Karsten B. leidet auch heute noch unter Schmerzen und einer Sehstörung. Da durch die Tritte ein Augennerv eingeklemmt wurde, wird Karsten B. nie mehr seinen Beruf als Dachdecker ausüben können.
Die Verteidiger von vier Angeklagten forderten Bewährungsstrafen, die Anwältin von Jens E. plädierte auf Freispruch. Nicht mehr als fünf Jahre Haft erbat der Verteidiger von Enrico B. Der Skinhead demonstrierte indes
wieder seine Aggressivität. Er unterbrach mit “hehehe”-Gerufe das Plädoyer des Staatsanwalts und beschimpfte in seinem Schlusswort den Mitangeklagten Thomas W. Am 15. März will die Strafkammer das Urteil verkünden.
(MOZ, 06.03.04) Potsdam (dpa) Nach Angaben von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ist die Video-Erfassung von Kfz-Kennzeichen zur Verbrechensbekämpfung gegenwärtig nur begrenzt möglich. Für eine flächendeckende Überwachung
bedürfe es einer Änderung des Polizeigesetzes, sagte Schönbohm auf eine parlamentarische Anfrage. Die Novellierung sei in dieser Legislaturperiode jedoch nicht mehr möglich und bleibe damit dem nächsten Landtag vorbehalten.
Mit mobiler Technik wurden laut Schönbohm bereits im vergangenen Jahr im Landkreis Dahme-Spreewald und auf der Autobahn 10 bei Michendorf die Kennzeichen von Fahrzeugen gescannt. Dieser Probebetrieb habe rund 13 000 Euro gekostet. Gegenwärtig sei es gemäß Polizeigesetz nur im Einzelfall möglich, Kennzeichen im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung abzugleichen. Damit könnten Kontrollstellen zur Verhinderung bestimmter
Straftaten, wie der Bildung terroristischer Vereinigungen, schweren Raubes oder räuberischer Erpressung eingerichtet werden.
Das Bundesland Rheinland-Pfalz habe inzwischen sein Polizeigesetz verschärft und verfüge damit über deutlich bessere Möglichkeiten zum Scannen von Fahrzeug-Kennzeichen, erläuterte der Minister. Mit einer vergleichbaren
Regelung in Brandenburg könnte eine deutlich effektivere vorbeugende Verkehrsüberwachung erreicht werden. Dazu gehöre der Einsatz der Videokameras an besonders gefährlichen Orten. Vorstellbar sei dies beispielsweise im Bereich von Flughäfen oder an der Grenze des
Bundesgebietes in einer Tiefe bis zu 30 Kilometern.
Brandstiftung im Parkhaus
(MOZ, 06.03.04, Polizeibericht) Freitagmorgen gegen 1.40 Uhr wurden Feuerwehr und Polizei ins Parkhaus am Zehmeplatz gerufen. Dort stand ein Ford Transit in Flammen. Als Halter des Fahrzeugs ermittelten die Beamten eine Frankfurter Sicherheitsfirma. Unweit des Transits wurde ein
“Bekennerschreiben” der vermutlichen Täter gefunden. Nach ersten Erkenntnissen drangen Unbekannte in das zur Nachtzeit verschlossene Parkhaus ein und zündeten den Transporter an. Er brannte völllig aus. Der Schaden wird auf 30.000 Euro geschätzt. Die Kripo ermittelt.
Schillpartei löst sich auf
(MOZ, 5.3.04) Fürstenwalde (MOZ) Die zwei Abgeordneten der Partei rechtsstaatliche Offensive (Schill-Partei) in der Fürstenwalder Stadtverordnetenversammlung sind aus
ihrer Partei ausgetreten und werden sich künftig der CDU-Fraktion anschließen. Als Gründe dafür werden in einer Pressemitteilung Vorgänge und Abläufe innerhalb der rechtsstaatlichen Offensive genannt, die “für uns nicht mehr
tragbar gewesen” sind. Auf Einzelheiten gingen die beiden Abgeordneten nicht ein. Heiko Pohl, der die Schill-Partei bisher im Kreistag vertrat, wird auch dort in die Unions-Fraktion eintreten. Im Fürstenwalder Stadtparlament ändern
sich mit dem Wechsel die Mehrheitsverhältnisse. Mit zehn Sitzen wird die CDU stärkste Fraktion vor der PDS mit neun Sitzen.
Roma-Lager am Bahnhof Genshagener Heide zieht weiter, wenn das jüngste Baby aus dem Krankenhaus kommt
(MAZ, 05.03.04) LUDWIGSFELDE “Wir fahren weiter, wenn mein Baby aus dem Krankenhaus kommt”, sagt Raxi. Der Kleine ist neun Monate alt und ihr erstes Kind. Er liegt mit einer Lungenentzündung in Ludwigsfelde, erzählt die junge Frau. Sie hat braune Augen, blond gefärbte Haare. “Am Freitag oder Sonnabend”, da können sie ihn abholen, sagt sie, über die geöffnete Halbtür eines Wohnwagens hinweg. Hinter
ihr schaut ein Mädchen mit langen Locken um die Ecke, auf der Couch krabbelt ein Junge mit Windelhose um sie herum. Beide haben Nuckel im Mund, beide schauen mit großen Augen. Raxi zeigt auf die Kinder ihrer Cousine — “es wird
kalt …”, entschuldigt sie sich, zieht die Tür zu.
Raxi gehört zu einer Gruppe Roma, die vorige Woche mit zwölf Wohnwagen drei Tage auf der Rollschuhbahn Ludwigsfelde stand, die anschließend nicht auf
dem Autobahnparkplatz Rangsdorf bleiben durfte, und die von der Gemeinde Großbeeren jetzt den Platz am Bahnhof Genshagener Heide zugewiesen bekommen hatte. Strom liefern Aggregate, die zwischen den Wohnwagen stehen, Wasser holen sie sich von der Tankstelle.
Drei Monate leben sie in Straßburg, neun Monate sind sie in West€pa unterwegs, heute oder morgen verlassen sie den Bahnhofsplatz Genshagener Heide. Jungs laufen herum, rennen, schmeißen Stöckchen, versuchen die drei Hunde zu
fangen, die jeder in eine Handtasche passen würden. Die Jungs kommen näher und erzählen. Wenn sie in Frankreich sind, gehen sie in die Schule; unterwegs lernen sie “bei Mutter und Vater, alles — lesen, schreiben und rechnen. Ich
bin 6. Klasse.” Neun Klassen muss er schaffen. Und er heißt Külo. Nur Külo? “Ja, bei uns haben alle nur einen Namen.” Gegenüber kommt Raxi aus dem Wohnwagen. Sie erzählt, dass sich alle einmal im Jahr in Hamburg treffen, “im neunten
Monat, zu einer großen Mission”. Jetzt betreut sie andere Kinder aus den zwölf Wohnwagen am Bahnhof mit, “hier sind viele Kinder.” Wie viele? “Vielleicht 60.” Wovon leben sie alle? “Vom Kindergeld in Frankreich.” Sonst nichts?
“Doch, wir verkaufen.” Und was? “Teppiche.” Wer macht die Teppiche? “Die Großmutter in Straßburg.”
Nebenan in der Kleingartenanlage “Heidegrund” ist ein Ludwigsfelder zugange. Nein, seinen Namen möchte er wirklich nicht sagen. Aber nach dem Rechten sehen, das muss er ja wohl. Wo “die da” doch schon so lange hier stehen,
“die Zigeuner”. Er habe auch schon allen Nachbarn bescheid gesagt, damit die auch nach dem Rechten sehen können. Man weiß ja nie …
Aber Frank Gerhard weiß, der stellvertretende Bürgermeister von Ludwigsfelde. Er hat fünf Beschwerden auf dem Tisch, “von Leuten, die Angst haben, dass ihr Zaun eingerissen oder dass etwas geklaut wird”, wie er sagt. Drei Tage, das sei eine nirgends genau festgelegte Regelung bundesweit, so lange würden nicht sesshafte Gruppen geduldet. Einschlägige Urteile legten lediglich fest,
dass das Hausrecht einer Gemeinde gelte und dass soziale Härtefälle zu vermeiden seien.
Beschwerden liegen auch bei Polizeiwachenleiter Klaus Lichtenberg. Er ärgert sich wenn er so Dinge hört wie “Da wissen wir ja, warum jetzt wieder so viele Autos geklaut wurden.” Der Polizeihauptkomissar sagt: “Die Autodiebstähle
und ‑einbrüche haben mit dieser Truppe nichts zu tun. Wir haben da ganz andere Spuren. Voher wurde auch geklaut. Und außerdem sind die doch mit höherklassigen Fahrzeugen unterwegs als aufgebrochen und geklaut wurden.”
Lothar Schwarz, Ordnungsamtsleiter in Großbeeren, erklärt, diesmal gebe es überhaupt keine Probleme. “Das sind vernünftige Zigeuner. Da hatten wir voriges Jahr schon ganz andere, die handgreiflich wurden.” Natürlich dürfen
sie bleiben, bis das Baby aus dem Krankenhaus kommt. Den Müll “nehmen sie bestimmt mit. Wenn nicht, klären wir das mit dem Kreis oder machen es selbst”, sagt Schwarz.
Am Bahnhof Genshagener Heide fährt mal ein Volvo auf den Platz, mal ein BMW. Dann kommt ein Mercedes, ein Mann in Schwarz steigt aus. Er heißt Porado. Ob er der Chef ist? “Nein, Madame.” Er zeigt mit dem Finger senkrecht hoch.
“Unser Chef ist da oben und sieht alles, Madame. Der sieht alles und heißt Gott.” Einfach Gott? “Wir sind alle evangelisch, alle Roma. Wir sind eine freie
Kirchengemeinde. Ohne Gott könnte ich nicht leben.” Ein kleiner Junge, dem die schwarzen Haare aus einem Loch in der gestrickten Mütze quellen, tippt sich an den Kopf und sagt: “Der Gott sieht alles, auch deine Gedanken hier drin.”
Ehrung für Widerstandsgruppe
(MAZ, 05.03.04) LUCKENWALDE Eine Gedenktafel für die Widerstandsgruppe “Gemeinschaft für Frieden und Aufbau” wurde gestern auf dem Luckenwalder Bahnhofsvorplatz von
Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide eingeweiht. Geehrt werden damit jene Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges zum Widerstand gegen das Nazi-Regime aufgerufen und durch persönlichen Einsatz zahlreichen Juden das
Leben gerettet hatten.
Der Bahnhofsvorplatz wurde als Ort für die Tafel gewählt, weil sich damals dort die Wege vieler Widerstandskämpfer kreuzten. Untergetauchte Juden aus Berlin kamen am Bahnhof an und auch Flugblätter wurden dort hindurchgeschleust
und in andere Städte gebracht.
Elisabeth Herzog-von der Heide würdigte die Menschen, “die ungeachtet ihrer politischen Überzeugung oder ihrer Herkunft mit Tugenden wie Mitmenschlichkeit, Toleranz und Gerechtigkeit Zivilcourage gezeigt haben”. Neben dem Gedenken “an diese Menschen und deren große Taten” rief die Bürgermeisterin dazu auf, auch in der Gegenwart solche Tugenden “für sich als wichtig zu erachten”.
Als Zeitzeugen waren gestern auch Eugen Herman-Friede (77) und Ruth-Winkler-Kühne (73), die Tochter von Hans und Frieda Winkler, dabei. Eugen Herman-Friede hatte damals bei Familie Winkler in der Bismarck-Straße (heute Karl-Marx-Straße) in Luckenwalde untertauchen können. Zu den noch lebenden Zeitzeugen gehört auch Günter Naumann (82) aus Scharfenbück, der gestern aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein konnte.
Historikerin Barbara Schieb aus Berlin hat die Aktivitäten der Widerstandsgruppe “Gemeinschaft für Frieden und Aufbau” erforscht und mehrere Publikationen herausgegeben. Barbara Schieb führte gestern durch die anschließende Veranstaltung “Luckenwalder Stadtgeschichte(n)” im Rathaus.
Eine Frage der Lobby
(MAZ, 05.03.04) NEURUPPIN Einigermaßen beruhigt hat sich Margarete Jungblut — wirklich verstehen kann Neuruppins Sozialdezernentin den politischen Druck auf das
Jugendfreizeitzentrum (JFZ) nicht. In geheimer Abstimmung hatte der Haupt- und Finanzausschuss am Montag beschlossen, den Betriebskostenzuschuss ans JFZ ab April auf Eis zu legen — wenn der Klub bis dahin keine Sparvorschläge macht. “Wo bleibt denn da die Gleichbehandlung?”, fragt sich Margarete Jungblut. “Sind Mittendrin und IJN denn anders?”
Seit die städtischen Mittel für Betriebskostenzuschüsse jedes Jahr knapper werden, teilen JFZ, Jugendwohnprojekt Mittendrin und die Initiative Jugendarbeit (IJN) das Jahresbudget für Jugendeinrichtungen gerecht durch
drei. Zum Sparen gezwungen werde nun aber nur das JFZ, kritisiert die Vizebürgermeisterin und empfindet das wiederum als ungerecht.
Dem JFZ-Team spricht sie damit aus dem Herzen. Doch Vorstand Richie Neumann glaubt zu wissen, warum Mittendrin und IJN in der Spardiskussion ungeschoren davonkommen. “Sie haben einfach die stärkere Lobby”, sagt er. IJN-Chef
Andreas Haake sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Stadtparlament, Mittendrin-Chefin Kerstin Kroll für die PDS. Sie leitet den Haupt- und Finanzausschuss und hat
am Montag, als es um das JFZ ging, mit abgestimmt.
Der JFZ-Vorstand rüstet sich nun für die Flucht nach vorn. “Vielleicht sollten wir die Stadtverordneten einfach mal zu uns einladen”, überlegt Richie Neumann, “damit alle wissen, worüber sie reden.” Im Stadtparlament kursieren
Gerüchte, wonach das JFZ Woche für Woche immense Summen erwirtschaftet. “Der Laden macht einen Umsatz für zehn Kneipen”, glaubt beispielsweise Wolfgang Passon (Pro Ruppin).
“Wir haben unseren Wirtschaftsplan offen gelegt”, erwidert Neumann. “Den hätte jeder einsehen können.” Doch als die JFZ-Vorstände im Februar zum geforderten Prüfgespräch ins Neuruppiner Rathaus kamen, saßen ihnen lediglich drei
Abgeordnete gegenüber.
(BM, 05.03.04) Potsdam — Die Stadt Potsdam bittet um Mithilfe beim geplanten Wiederaufbau der Garnisonkirche. Gesucht werden noch erhaltene Teile des einstigen
Wahrzeichens, Fotos, Filmmaterial, schriftliche Aufzeichnungen und Reste der Architektur, um das Gotteshaus bis zum Jahr 2010 so originalgetreu wie möglich
wiedererrichten zu können. “Sicher erinnern sich noch Menschen, die nach der Kirchensprengung im Jahr 1968 den Schutt abtransportiert haben, wo er vergraben
liegt”, hofft Wieland Eschenburg, Büroleiter des Oberbürgermeisters, der die Potsdamer zu der Aktion aufrief. Es gehe nicht um die Frage, auf welchem Weg
Baudetails in die Hände der heutigen Eigentümer gelangt seien. Infos werden in der “Ausstellung zur Garnisonkirche” (Breite Straße 7, Mi.-So., 13–18 Uhr), unter Tel.: 03 31/201 18 30 oder per E‑Mail an info@garnisonkirche-potsdam.de gesammelt.