EBERSWALDE. Das Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg hat seit dem Jahr 2000 die Indizierung von 54 Tonträgern wegen rechtsextremer oder Gewalt verherrlichender Inhalte beantragt. In 35 Fällen habe die Bundesprüfstelle
die Jugendgefährdung bejaht und die CDs auf den Index gesetzt, teilte ein LKA-Sprecher am Freitag in Eberswalde mit. Elf der 18 im vergangenen Jahr vom LKA beanstandeten CDs seien von der Bundesprüfstelle bereits auf den
Index gesetzt worden, weitere Fälle würden geprüft. Seit Jahresbeginn wurde bereits für neun Tonträger die Indizierung beantragt.
Jahr: 2004
Mahler leugnet Holocaust
Mit Tumulten vor dem Gerichtssaal, scharfen Attacken der Angeklagten auf den
Rechtsstaat und der Leugnung des Holocaust hat am Freitag in Berlin der
Prozess gegen den früheren NPD-Anwalt Horst Mahler wegen Volksverhetzung
begonnen.
Berlin · 6. Februar · ap/dpa · Der 68 Jahre alte Rechtsextremist und zwei 60
und 38 Jahre alte Mitangeklagte müssen sich vor dem Landgericht wegen eines
ausländerfeindlichen Pamphlets vom Oktober 2000 im Internet verantworten. In
ihrem so genannten Aufruf zum Aufstand der Anständigen fordern sie ein
100-Punkte-Programm der Regierung, um Ausländer in Deutschland nicht mehr zu
beschäftigen und auszuweisen. Mahler wird ferner vorgeworfen, in der
NPD-Zentrale in Berlin-Köpenick im Herbst 2002 volksverhetzende Schriften
verteilt zu haben, in denen er den Hass auf Juden als “völlig normal und
Zeichen geistiger Gesundheit” genannt habe.
Vor Gericht sprach Mahler von der so genannten Auschwitz-Lüge und rief zum
Sturz der “jüdischen Fremdherrschaft” auf. Nach Ende der Verhandlung sagte
er, es sei eine “Lüge, dass wir sechs Millionen Juden fabrikmäßig umgebracht
haben”. Er muss deshalb mit neuen Ermittlungen rechnen.
Während der Verhandlung kam es vor dem Saal zu Rangeleien, als abgewiesene
Zuhörer die Justizwachtmeister bedrängten, wiederholt gegen die Türen
hämmerten und lautstark Einlass begehrten. Einen Antrag der Angeklagten auf
einen größeren Sitzungssaal hatte das Gericht abgelehnt. Mahler, der früher
als Anwalt RAF-Terroristen verteidigt hatte, nannte das Verfahren einen
“politischen Schauprozess”.
Mord von Potzlow wird Theaterstück
Berlin/Potzlow. Der Berliner Filmemacher Andres Veiel will über den
grausamen Mord an einem 16-jährigen Schüler in Potzlow ein Theaterstück
herausbringen. Der Regisseur von “Black Box BRD” stehe mit dem Berliner
Maxim Gorki Theater in entsprechenden Verhandlungen, sagte Dramaturgin
Annette Reber am Freitag. Das Stück solle 2005 im Gorki und am Theater Basel
zu sehen sein.
Der 16-jährige Marinus Schöberl war im Juli 2002 von drei jungen Männern
gefoltert und brutal getötet worden. Die Leiche verscharrten die drei Täter
im Alter zwischen 18 und 24 Jahren in einer Jauchegrube, wo sie monatelang
unentdeckt blieb. “Es gibt überall ganz ähnliche Verdrängungsmechanismen und
latente Aggressivität” sagte die Dramaturgin. Das mache das Thema für das
Theater interessant. Das Landgericht Neuruppin hatte das Trio im Oktober
2003 zu Gefängnisstrafen zwischen 2 und 15 Jahren verurteilt.
Der 44-jährige Veiel wurde für den Dokumentarfilm “Black Box BRD” über die
terroristische “Rote Armee Fraktion” (RAF) mit zahlreichen Preisen
ausgezeichnet.
Er gilt als der härteste Gangster-Rapper Deutschlands. Viele seiner Texte
sind eine schnodderige Ode an die Gewalt. «Als Berliner boxt man sich halt
gern» , hat «Bushido» einmal in einem Interview gesagt. «Wenn du in einem
Ghetto lebst, ist der Sinn des Spiels, dass du immer der Erste bist, der
zuschlägt.» Bei «Bushidos» Gastspiel im Cottbuser Glad-House, dem Auftakt
einer geplanten Hip-Hop-Veranstaltungsreihe, ist in der Nacht von Mittwoch
auf Donnerstag aus diesem Spiel blutiger Ernst geworden.
Eigentlich soll der verbale Schlagabtausch zwischen Rappern und Publikum als
Ventil wirken, Aggressionen abbauen, verhindern, dass sich «echte Kerle»
immer gleich die Rübe einhauen. Doch einige rasteten nach dem heftigen
Wortgewitter, das von der Bühne auf sie niederging, aus. Noch während des
Auftritts kam es zu ersten Wortgefechten. So bat «Bushido» zum Beispiel
Hip-Hop-Radiomoderator André Langenfeld auf die Bühne, um «ihm die Fresse zu
polieren» . «Die haben getan, als ob sie die Größten wären. Das war alles
sehr provokant» , sagt Langenfeld. «Und dann spielten Alkohol und
Aggressionen im Publikum eine große Rolle.»
Das Feuerwerk wüster Beschimpfungen und Beleidigungen, das immer wieder über
die Köpfe hinweg prasselte, war für Langenfeld aber «nur Show, Getue. Ich
habe das gar nicht so ernst genommen» , sagt er. Andere im Publikum fühlten
sich indes «von der Band extrem provoziert» , wie die Polizei später zu
Protokoll nehmen sollte. «Fakt ist, dass eine Gruppe aggressive Stimmung
verbreitet hat im Saal» , bestätigt Ulf Hennicke, Leiter des
Glad-House-Veranstaltungsbüros. «So hat sich das Ganze langsam
aufgeschaukelt.» Und nach dem Konzert war noch lange nicht Schluss.
An der Bar flog dem Cottbuser Dirk F., wie Unbeteiligte bestätigen, eine
Flasche an den Kopf. Zudem sollen Bandmitglieder den Disput gesucht und ihn
bedrängt haben, wie er später aussagen wird. Es kam zu Handgreiflichkeiten.
Schließlich zog der 32-Jährige ein Schnitzmesser, stach wild um sich,
verletzte drei Männer im Alter von 18 bis 26 Jahren, die den Streit zum Teil
schlichten wollten — wohl aus Angst, vielleicht auch, weil ihn die
Erinnerung in diesem Moment einholte. Denn angeblich soll Dirk F. vor zehn
Jahren selbst Opfer einer Messerattacke gewesen sein. Damals verletzte ihn
eine Gruppe Rechtsextremer lebensgefährlich.
«Dirk F. hat bei der Vernehmung erklärt, dass er in Notwehr gehandelt hat» ,
sagt die Cottbuser Staatsanwältin Cäcilia Cramer-Krahforst. «Ein Haftbefehl
gegen ihn ist nicht erlassen worden. Dafür gibt es keinen Grund.» «Die
Aggression» , sagt einer der Verletzten, der am Donnerstag operiert wurde,
«ging an diesem Abend eindeutig von Aggro-Berlin aus. Das ist eben nicht
Hip-Hop, nicht in dieser Form.»
Die Veranstalter sind schockiert. Die geplante Veranstaltungsreihe
«Tonspielzeugtage — Ein Klang Party» ist abgesagt worden. «Wir wollten
Hip-Hop aus verschiedenen Städten und verschiedenen Nationalitäten
präsentieren, gerade weil diese Musik immer mit Gewalt in Verbindung
gebracht wird, um zu verdeutlichen: Es geht auch mit Toleranz» , erklärt
Glad-House-Leiter Jürgen Dulitz. «Doch wenn Gewalt zur
Selbstverständlichkeit wird, werden wir diese Szene als Kulturhaus nicht
mehr bedienen können. Dieses Ausmaß war erstmalig und einmalig.»
Elbe-Elster in der Filiz-Falle
Umstrittene Abschiebung einer kurdischen Familie aus dem Asylbewerberheim Hohenleipisch offenbart kollektive Ohnmacht
Die Abschiebung der kurdischen Familie Filiz aus dem Asylbewerberheim
Hohenleipisch ist Beispiel dafür, wie ein Rechtsstaat seine Bürger im Stich
lassen kann. Im Elbe-Elster-Kreis gerieten Kirche und Landkreis aneinander,
obwohl beide keinen entscheidenden Einfluss auf das Asylverfahren hatten.
Über das Schicksal der Filiz wurde tatsächlich schon 2002 im Bundesrat
entschieden. Damals gab es den Eklat bei der Abstimmung um das
Zuwanderungsgesetz. Noch heute warten die Betroffenen auf konkrete
Regelungen und kämpfen wie im Elbe-Elster-Kreis gegen unsichtbare
Windmühlen.
«Wir werden es wieder machen.» Stefan Branig spricht diesen Satz aus, wie es
sonst nur sturköpfige Teenager tun. Der 44-Jährige ahnt, dass er auch beim
nächsten Mal kaum Erfolg haben wird. Doch er fühlt sich im Recht. Branig ist
kein Querulant, sondern Pfarrer der Gemeinde Tröbitz. Er taugt nicht
unbedingt zum Don Quichotte, hat nicht einmal Spitzbart und Lanze. Dafür
aber ein großes Herz.
Seit gut einem Jahr hatte sich Stefan Branig für den 34-jährigen Gazi Filiz,
seine Frau Halime (25) und die drei in Deutschland geborenen Kinder Süleyman
(6), Bucra (3) und Zeynep (2) eingesetzt. Im Frühjahr 2003 erfuhr er, dass
im 25 Kilometer entfernten Hohenleipisch die fünfköpfige Familie abgeschoben
werden soll. In die Osttürkei, wo den Kurden ob ihrer unerlaubten Heirat die
Steinigung drohte. «Blutschande» haben die Filiz in den Augen der Familie
von Halime begangen. In einigen türkischen Regionen noch immer
gleichzusetzen mit dem Todesurteil.
Branig entschied aus Bauch und Herz heraus. Dort sitzt bei ihm der tiefe
Glaube, er vertraut auf die Bibel. Das Gebot der Nächstenliebe steht für den
44-Jährigen an erster Stelle. Auf des Pfarrers Betreiben hin gewährte der
Gemeindekirchenrat den Kurden kurzfristig Kirchenasyl. Mutig, denn im
deutschen Recht gibt es dieses Asyl nicht — strafrechtliche Konsequenzen
drohten. Bibel gegen Rechtsstaat, eine Zwickmühle für den Christen Branig.
Die Evangelische Kirche hilft ihren Pfarrern mit einem Handzettel aus dem
Dilemma. Darauf beschreibt sie das Asyl als Auszeit, «um bei den Behörden
eine rechtlich und humanitär vertretbare Lösung zu erwirken» .
Tröbitz besonders sensibilisiert
Stefan Branig will sein Einmischen erklären, sucht Begründungen. «Vielleicht
sind wir in Tröbitz besonders sensibilisiert» , sagt er mit gesenktem Blick.
Der Pfarrer meint den «verlorenen Zug» , der am 22. April 1945 mit 2500
jüdischen Häftlingen in Tröbitz landete, von den Russen befreit wurde. Zuvor
war der Transport zwischen den Fronten hin und her geirrt. Ursprünglicher
Zielbahnof: Theresienstadt. Nur wenige überstanden die zehntägige Odyssee.
Nicht alle im Dorf scheinen diese Vorgänge so verinnerlicht zu haben wie der
Pfarrer. Die Resonanz sei «deutlich negativ» gewesen, erzählt Branig. «Jetzt
helfen die den Türkenschweinen» , gibt er eine ihm zu Ohren gekommene
Äußerung wieder. Der Christ will es den Menschen nicht verdenken: «Schauen
Sie sich die Arbeitslosenquote an» , meint er resigniert. «Die Leute sind
frustriert, müssen selbst sehen, wo sie bleiben.»
Mittlerweile hat sich der Pfarrer in die Masse der Frustrierten eingereiht.
Nicht die wirtschaftliche Lage, sondern die Niederlage im ungleichen Kampf
gegen die Behörden lässt ihn verzweifeln. Die Enttäuschung sitzt tief. Auch
wenn es Branig nicht ausspricht, die hilflos zuckenden Schultern verraten
ihn.
Am 10. April 2003 hatten Gerichtsbeamte mit Unterstützung von Polizei und
Jugendamt die Familie aus dem Tröbitzer Kirchenasyl geholt. Gazi und Halime
waren von ihren Kindern getrennt worden. Die drei landeten verstört in einem
Fürstenwalder Heim. Es gab heftigen öffentlichen Protest,
Elbe-Elster-Landrat Klaus Richter (SPD) schaltete sich ein. Bereits am Abend
saß die Familie wieder vereint an einem Tisch im Hohenleipischer
Asylbewerberheim.
Ein Gutachten sollte nun nochmals klären, ob der Gesundheitszustand der
Familie eine Ausweisung in die Türkei überhaupt zulässt. «Das war unser
letzter Strohhalm» , erinnert sich Klaus Richter heute. Ein «Strohhalm, der
richtig Geld kostete» , fügt er hinzu. Der Landrat hat das dringende
Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. Vor ihm liegt ein Brief — Absender anonym.
Darin wird Richter gelobt, «die Abschiebung dieser Türken als eine
stabsmäßig organisierte Meisterleistung» bezeichnet, durch die «alle
Quertreiber überrumpelt wurden.» Der Landrat schüttelt den Kopf, diesen
Bierkeller-Strategen wollte er nicht in die Hände spielen. Aber er hatte
keine Wahl.
Schnell wurde deutlich, dass sich der Filiz-Fall speziell für den Landrat
zur Filiz-Falle entwickelte. Dessen Amtskollege Dieter Friese (SPD)
formulierte bei einer Abschiebung in seinem Spree-Neiße-Kreis: «Ich wähle
zwischen Staatsanwalt und Menschenwürde.» Klaus Richter ging es so:
Einerseits musste er den Entscheidungen der Gerichte folgen, andererseits
raubte ihm der Gedanke an die Abschiebung den Schlaf. «Besonders wegen der
Kinder habe ich mich gesorgt» , sagt Richter.
Die Wahl zwischen Recht und Moral, wer sollte bei dieser Entscheidung
helfen« Eine Härtefallkommission» Landrat Richter sagt Ja, die würde ihn
entlasten. Doch Ordnungsdezernent Erhard Haase, in seinem Ressort werden
Ausländerfragen geklärt, widerspricht. Er will eine konkrete gesetzliche
Regelung. «Egal wie» , sagt er. Aber die Zuwanderung müsse endlich
ordentlich geklärt werden.
Seit der theaterreifen Bundesrat-Debatte im März 2002, als Hessens
Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wütend auf den Tisch trommelte, liegt
die Sache jedoch auf Eis. Ausgerechnet Brandenburg hatte in Person von
Manfred Stolpe (SPD) und Jörg Schönbohm (CDU) das unentschiedene Zünglein an
der Waage gespielt. Das Bundesverfassungsgericht verkündete daraufhin, das
Zuwanderungsgesetz sei «verfassungswidrig zu Stande gekommen» . Noch immer
fehlt eine rechtmäßige Regelung. Längst ist bekannt, dass Deutschland die
Zuwanderung braucht, um wirtschaftlich mithalten zu können. Warum werden
dann junge Familien wie die Filiz ausgewiesen«
Antworten darauf gab es nicht, stattdessen avancierte der Fall im
Elbe-Elster-Kreis zum Spielball der Instanzen. Für seine im April 2003
ausgesprochene Duldung bekam Klaus Richter einen Rüffel aus dem
Innenministerium. Durch seinen Sprecher ließ Innenminister Jörg Schönbohm
die Verantwortung für die Elbe-Elster-Entscheidung von sich weisen. Dass der
Christdemokrat damals mit Blick auf die Kommunalwahlen parteipolitisch
taktierte, will SPD-Mann Richter heute nicht ausschließen.
Der Landrat blättert sichtlich mitgenommen in einem dicken Aktenordner. Der
Filiz-Fall war ein außerordentlicher Rechtsfall. Seit 1997 sollte die
Familie abgeschoben werden. Immer wieder wurde Halime schwanger. Erst griff
der Mutterschutz, danach stellte sie für das neugeborene Kind ein
Asylantrag. Wieder ein Verfahren, das dauerte. So mancher im
Elbe-Elster-Kreis glaubt, dass die Familie so versuchte, Zeit zu schinden -
offen aussprechen will das niemand.
Überhaupt ist es schwer, in dieser Geschichte Opfer und Täter auszumachen.
Wieso haben die Filiz erst um politisches Asyl gebeten, als sie 1997
aufgegriffen wurden» Schließlich waren sie schon seit 1996 illegal in
Deutschlan
d. War er verzweifelt oder skupellos, als Gazi Filiz drohte, im
Fall des Falles werde er seinen Kindern etwas antun, sie gar anzünden?
Hartnäckig halten sich auch Gerüchte, Gazi sei in den Schwarzhandel mit den
Gutscheinen für die Asylbewerber verwickelt gewesen — nicht einfach für
seine Mitmenschen, ihn nur als Opfer zu betrachten.
«Wenn die Leute sehen, wie die Ausländer bei uns kistenweise Schnaps auf
ihre Gutscheine kaufen, dann wissen die, dass da was nicht rechtens ist» ,
ist sich ein Elsterwerdaer Geschäftsmann sicher. Aber das seien wenige,
nicht alle Ausländer seien Verbrecher, weiß er zu berichten. «Sie wissen ja,
wie die Stimmung bei den Menschen ist» , fügt er viel sagend hinzu.
Offiziell wolle er aber nichts sagen. Der Mann steht für jene, die lieber
schweigen statt anzuecken.
Angst vor Missverständnissen
Auch Martina Funke will nicht missverstanden werden. Sie ist
stellvertretende Leiterin des Asylbewerberheims Hohenleipisch, der
zeitweisen Heimat der Filiz. Fast reflexartig betont die blonde Frau: «Das
soll jetzt nicht rassistisch oder so klingen.» Aber: «Bei den Asylbewerbern
gibt es genauso Idioten, wie bei uns Deutschen» , sagt sie. Martina Funke
bleibt sachlich, obwohl sie ganz schön sauer sein könnte. Sie hat einiges
erlebt: Als «Nazi» haben sie Asylbewerber beschimpft, als «Arschloch»
tituliert. Ausgerechnet sie, die Heimbewohnern bei Rechtsangelegenheiten
hilft, für sie Briefe beantwortet. «Der meisten Bewohner sind aber liebe
Menschen, mit denen wir keine Probleme haben» , fügt sie an.
Die 45-Jährige zeigt die Asylbewerber-Baracken auf dem ehemaligen
Militärareal. Rechts das asiatische Haus, davor das afrikanische.
Schmucklos, aber stabil. Für manche ein Zuhause für mehrere Jahre. Ihr
Gefühl sagt Martina Funke: «Wer hier freiwillig lebt, in dessen Heimat muss
es fürchterlich sein.» Sie hat Mitleid mit Halime und ihren Kinder, denkt
oft an sie. «Es war allerdings eine rechtlich saubere Sache» , betont sie.
Rechtlich sauber und für manch einen im Kreis längst überfällig. Mit den
Ausländern sei es immer dasselbe, meint zum Beispiel Klaus in Elsterwerda.
Die kämen nach Deutschland, um mit großen schwarzen Augen die Hand
aufzuhalten. Der Mittvierziger steht vor der Tür des Bahnhofsgebäudes, nickt
wissend mit dem Kopf und zieht mechanisch an einer Zigarette. Seinen
Nachnamen will er partout nicht sagen, dafür aber noch etwas «zu den
Ausländern» : «Anderswo hätte man die sofort rausgeschmissen» , so sein
argumentativer Keulenschlag.
Klaus hat von der aufwändigen Filiz-Abschiebung gehört. Von ihm könnten «die
Türken» kein Mitleid erwarten. «Ich würde auch gern mal für 50 000 Euro in
die Türkei fliegen» , sagt der Arbeitslose. Diese Summe hat er sich gemerkt,
weiß, dass er damit am Stammtisch punkten kann. Gelangweilt schnippt der
Elsterwerdaer die Zigarette weg. «Wir haben selbst genug Probleme.» Ende der
Durchsage. Klaus wendet sich ab, will zurück in die Bahnhofskneipe. Der Fall
Filiz ist für ihn erledigt.
«Dumpfbacken» nennt Thomas Meißner solche Menschen. Meißner ist Pfarrer der
evangelischen Gemeinde Bad Liebenwerda und hat seinen Tröbitzer Freund
Stefan Branig bei der Filiz-Sache unterstützt. Für ihn ist sie noch längst
nicht erledigt. Er redet sich den Frust von der Seele. Besonders die geheim
gehaltene Abschiebung mit Polizeiaufgebot am 20. Januar macht ihn noch immer
wütend. «Das war unmenschlich» , sagt der 39-Jährige. «Die wurden wie
Schwerverbrecher behandelt.»
Vater Gazi wurde von der Familie getrennt, «die Filiz auf einer Irrfahrt»
zum Charterflug nach Bremen geschafft. Meißner und Branig fuhren hinterher -
ein hoffnungsloser Rettungsversuch. Die beiden Pfarrer fühlen sich
hintergangen, hatte ihnen der Landkreis doch zugesichert, vor der
Abschiebung seelsorgerisch mit der Familie sprechen zu können. «Wir hätten
sie dann wieder ins Kirchenasyl genommen» , gibt Meißner unumwunden zu. Die
Blitzaktion der Behörden durchkreuzte ihre Pläne.
Zurück bleibt Ratlosigkeit
Landrat Richter und Ordnungsdezernent Haase verteidigen die Abschiebeaktion.
Sie rechtfertigen den Aufwand damit, die Kinder vor dem Vater zu schützen.
Mittlerweile sind die Filiz in der Türkei bei der Familie von Gazi
untergekommen. Per Handy hat Stefan Branig davon erfahren. «Ob es ihnen aber
wirklich gut geht, kann ich nicht sagen» , fügt er an. Zu weit weg ist die
Türkei, die Hilflosigkeit hat eine neue Dimension angenommen.
Zurück in Deutschland bleibt enttäuschte Ratlosigkeit.
Bei Martina Funke im Asylbewerberheim, die nicht einmal beim Kofferpacken
helfen konnte.
Bei Landrat Richter, der noch immer angestrengt in seinen Akten wühlt, wohl
auch, um sein eigenes Gewissen zu beruhigen.
Und bei den Pfarrern Branig und Meißner, die sich von verschiedenen Seiten
vorwerfen lassen müssen, der kurdischen Familie falsche Hoffnungen gemacht
zu haben. Sie bestehen trotzig darauf: «Wir betrachten immer den
Einzelfall — und wir werden es wieder tun.»
Keine Kameras an Schulen
POTSDAM Brandenburgs Schulen werden auch künftig nicht per Video überwacht.
Rechtlich sei die Videoüberwachung von Schulen zwar möglich, sagte der
Sprecher des Bildungsministeriums, Thomas Hainz, gestern. Doch sei die
Überwachung der Einrichtungen vor allem aus pädagogischer Sicht abzulehnen.
Das Bildungsgesetz formuliere einen Erziehungs- und Bildungsauftrag, sagte
Hainz. Demnach sollten die Kinder und Jugendlichen zu selbstbestimmten
Persönlichkeiten erzogen werden. Hainz betonte zudem, dass die Überwachung
nur dann sinnvoll wäre, wenn sie flächendeckend erfolgen würde. Das sei
jedoch nicht möglich. Man könne nicht jeden Winkel einer Schule beobachten.
Lediglich eine Videoüberwachung von Schulhöfen sei im Einzelfall in Erwägung
zu ziehen, so Hainz.
Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann (CDU) hatte am Donnerstag
angeregt, für besonders kritische Zonen in Schulen könnten technische
Sicherheitsmaßnahmen wie Videoüberwachungen sinnvoll sein. Busemann
reagierte damit auf die bekannt gewordenen Misshandlungen von Schülern in
Berufsschulen.
Blick hinter den Stacheldrahtzaun
Olaf Löhmer ist Mitglied des Flüchtlingsrates Brandenburg und besucht Abschiebehäftlinge in Eisenhüttenstadt
(PNN, Ulrike Strube) Ein kleiner Bau gesichert mit Videokameras und endlos wirkendem, eng geschlungenem Stacheldraht. Eine kleine Festung im Südosten des Landes
Brandenburg, nahe der deutsch-polnischen Grenze. Weitab von der öffentlichen Wahrnehmung: die Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt. Hier werden Menschen inhaftiert, deren Abschiebung vorbereitet wird. Ihr Asylantrag wurde
abgelehnt, weil beispielsweise die Gefahr ihres Lebens in der Heimat für nicht bedrohlich erachtet wurde. Sie sitzen teilweise monatelang ein, ohne etwas verbrochen zu haben. Olaf Löhmer erzählt. Sein Gesicht ist gezeichnet
von Fassungslosigkeit. Die Zustände für die dort lebenden Menschen seien einfach unmenschlich. Seit Jahren engagiert sich der Student für die Rechte von Asylsuchenden im Land Brandenburg, beispielsweise warb – und wirbt – er
für die Abschaffung der Wertgutscheine für Asylsuchende.
Auf den Aktionstagen der JungdemokratInnen/Junge Linke im vergangenen Frühling erfuhr das Mitglied des Brandenburger Flüchtlingsrates vom Leben in der Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt. Löhmer las Berichte vom Leben hinterm
Stacheldraht, beispielsweise von Alice Mutoni Kamau, die nach eigenen Aussagen in die Beruhigungszelle Nummer 2007 gesperrt und auf einem mit Plastik bedeckten flachen Gestell gefesselt wurde. Er zitiert aus ihrem
Bericht: „Sie fesseln deine Hände, deinen Bauch und deine gespreizten Beine.“ Die Kenianerin wurde mehrmals fixiert – „bis sie sich wieder unter Kontrolle hatte“. Anfang Oktober 2003 waren es über zehn Stunden, was die
Zentrale Ausländerbehörde für Asylbewerber bestätigt. Dabei gilt die Fixierung als körperlicher Eingriff in die Freiheit. „Selbst im akuten Notfall muss eine richterliche Genehmigung eingeholt werden“, erklärt Hubert Heinhold, Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl auf Nachfrage. Wenn von dieser Form der Beruhigung eines Menschen in psychiatrischen Abteilungen von Krankenhäusern Gebrauch gemacht wird, „muss diese Maßnahme alle 15 Minuten neu entschieden werden“. Kamau wurde Ende des vergangenen Jahres in Handschellen abgeschoben. Doch das ist ein
anderer Bericht.
Dem Anfang der 90er gegründeten Flüchtlingsrat liegen zahlreiche Begebenheiten von Inhaftierten vor. In ihnen wird über mangelnde medizinische und psycho-soziale Versorgung gesprochen. Dazu kommen fehlende
Qualifikationen und fehlende Fremdsprachenkenntnis des Personals, ganz zu schweigen von dem Angebot einer Rechtsberatung.
Alle ein bis zwei Wochen fährt Olaf Löhmer von Potsdam nach
Eisenhüttenstadt. Mittags nimmt er den roten Doppelstockzug. Drei Stunden lang führt ihn seine Reise vorbei an den glatten Fassaden der Regierungsgebäude in der Bundeshauptstadt und der friedvollen Landschaft hin
in eine andere Welt, von der er früher nichts ahnte. Jeder
Abschiebungshäftling darf, wie es in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nummer 2470 der PDS vom Oktober 2003 heißt, „täglich in der Zeit zwischen neun und 11.30 Uhr und in der Zeit von 14 bis 18 Uhr Besuch
empfangen“. Die Besuchszeit ist auf täglich eine Stunde begrenzt. Das erste Mal war Olaf Löhmer bereits gegen halb zwei Uhr vor Ort, um die Zeit auszunutzen. „Das war etwas naiv“, kommentiert der aus Hannover Stammende zynisch. „Pünktlich um 14 Uhr beginnt der Einlass für die Besucher.“ Nachdem der Name des zu Besuchenden notiert wird, beginnt eine intensive Kontrolle: Erste Schleuse – Pförtner: Abgabe des Personalausweises und Aushändigung der
Besucherkarte. Zweite Schleuse – Pförtner: Warten auf einen Mitarbeiter, der den Besucher zur nächsten Kontrolle führt. Dritte Schleuse – auf dem Haftgelände: Kontrolle der Sachen. „Die ersten zwanzig Minuten sind dann
vorbei.“ Die verbleibende Zeit nutzt der 26-Jährige zum Gespräch mit mindestens zwei Menschen. Er möchte wissen, ob sein Gegenüber Bedürfnisse hat wie Kontakt zum Anwalt, Probleme mit dem Personal oder Nachrichten für
Freunde.
Der 26-Jährige erfährt von der täglichen Stunde Freigang, „auf dem eingezäunten Gelände“, den 18 Quadratmeter großen Zellen für bis zu drei Menschen mit unverschließbaren Schränken und der Angst vor der ungewissen
Zukunft. Manchmal bringt er Eingeschweißtes wie Kekse, Getränke oder einfach Geld zum Telefonieren mit. Diese Hilfe sei nebensächlich. „Die Angst vor der Zukunft ist das zentrale Problem.“ Eine Abschiebung sollte nach Möglichkeit
verhindert werden. Für die Zeit der Inhaftierung benötigten die Gefangenen Solidarität und Kraft. „Die Menschen sitzen dort, weil der Verwaltungsvorgang Abschiebung vorbereitet wird.“
Nach seinen Besuchen und regelmäßigen Telefonaten mit den Menschen in der Einrichtung sucht Löhmer das Gespräch mit seinen Mitstreitern vom Flüchtlingsrat, mit Seelsorgern und Anwälten. So konnte eine Frauenberatung aus Frankfurt (Oder) gewonnen werden, die die Frauen hinter dem Stacheldraht besucht. Kopfzerbrechen bereite dem Flüchtlingsratsmitglied die fehlende kostenlose Rechtsberatung. Der nächste auf Asylrecht spezialisierte Anwalt sei in Berlin zu erreichen. Vor zwei Jahren bat die Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht des Deutschen Anwalt Vereins das brandenburgische Innenministerium um die Genehmigung einer regelmäßigen Rechtsberatung, doch
die wurde die mit der Begründung „kein Bedarf“ abgelehnt.
Problematisch erscheinen Olaf Löhmer die haftähnlichen Bedingungen. „Wenn man bedenkt, dass die meisten von ihnen erstmals im Gefängnis sitzen.“ Erst Abschiebehaftanstalten wurden in der Bundesrepublik Anfang der 90er Jahre
eingerichtet. Laut Flüchtlingsrat werden bundesweit jährlich mehr als 50 000 Menschen abgeschoben. Brandenburgs Haftanstalt wurde 1997 mit 108 Plätzen in Betrieb genommen. Seit ihrem Bestehen haben 3 346 Personen die Einrichtung
zu „Haftabschiebungszwecken“ verlassen. Die durchschnittliche Haftdauer betrage 29 Tage und überschreite in keinem Fall die maximale
Inhaftierungsdauer von 18 Monaten.
Für den Studenten der Biologie und Geografie ist diese Arbeit eine eindrucksvolle Erfahrung. „Ich lerne Zustände kennen, von denen ich nichts erfahren hätte.“ Mit ihnen abfinden möchte er sich nicht. Und so will er weiter versuchen den Menschen, die aus welchem Grund auch immer den Weg hierher gefunden haben, zu ihrem Recht auf „menschenwürdige Bedingungen und Chancen“ zu verhelfen.
Ermittler: Lausitzer Motorrad-Club “Gremium” denkt über Racheakt an den “Bandidos” in der Hauptstadt nach
Ihr Aufnäher ist ihr Markenzeichen: Eine geballte Faust hin zur Sonne, die die Wolken durchbricht. Für die Rocker des “MC Gremium” scheint diese Sonne derzeit Berlin zu sein. Nach Erkenntnissen des Landeskriminalamtes wollen
sie dort einen Ableger ihres Clubs aufbauen. Doch da sind ihre Rivalen vor: die “Bandidos”. Deren Anhänger sollen den designierten Berliner Präsidenten vom “Gremium Motorradclub Cottbus” bewusstlos geschlagen haben — als
Warnung. Die Polizei befürchtet nun einen Rockerkrieg.
Die Biker des “MC Gremium” nennen sich die “Auserwählten”. Mit Stolz tragen sie einen 1-%-Aufnäher: Erkennungszeichen für die Raubeinigsten in der Szene. Wie ein Netz hat sich die Organisation, die in Süddeutschland ihre Wurzeln hat, in den letzten Jahren über ganz Deutschland ausgebreitet. Auch in Thailand, Griechenland und Polen hat “Gremium” Ableger. Sieben Rats-Gruppen legen die Marschrichtung der etwa 400 Mitglieder fest.
Die Cottbuser haben sich offensichtlich inzwischen bewährt. Nach der Fusion mit dem “Berserker MC Spremberg” hat sich ihre Schlagkraft erhöht. Die Polizei zählt derzeit 30 bis 40 “Brüder” zu dem Club-Ableger, der von einem “Anwärter” zu einem Vollmitglied der streng hierarchisch organisierten Vereinigung aufgestiegen ist.
Bei der Cottbuser Polizei waren deren Mitglieder lange Zeit ein völlig unbeschriebenes Blatt. Die meisten von ihnen sollen sich als Türsteher in ostsächsischen Discotheken und Nachtclubs verdingt haben. Das Bundeskriminalamt rechnet “Gremium” indes den “gesetzlosen Motorrad-Banden” zu.
Kürzlich sprengten Beamte des brandenburgischen Landeskriminalamtes bei einer Razzia im Spremberger Club-Heim offenbar ein Deutschland-Treffen führender “Gremium”-Köpfe (die RUNDSCHAU berichtete). Dort soll es dem Vernehmen nach auch um Strategien und die Aufteilung künftiger Reviere gegangen sein. Berliner Ermittler kamen zu der Erkenntnis, dass der Club einen Ableger in Berlin plant.
Den verfeindeten, in der Hauptstadt agierenden “Bandidos” passt diese neue Konkurrenz aber augenscheinlich nicht. Was sie von ihr halten, haben sie nach Einschätzung des Landeskriminalamtes schon einen Tag vor der Razzia deutlich gemacht. Da sollen sie den designierten Berliner Präsidenten des “Gremium MC Cottbus” in dessen Tattoo-Studio in Berlin-Reinickendorf überfallen haben. Maskierte Männer hätten den 39-Jährigen bewusstlos geschlagen, nachdem sie ihm mit vorgehaltener Waffe angedroht haben sollen, ihn umzubringen, falls es zur Gründung eines “Gremium”-Ablegers in Berlin komme, so die Ermittler.
“Gremium” soll für diese Aktion Rache geschworen haben. Dem
Landeskriminalamt liegen Hinweise vor, dass die Organisation darüber nachdenkt, die “Bandidos” zu bestrafen. Die Beamten nehmen diese Hinweise ernst.
Schon einmal hatte “Gremium” auf eine Auseinandersetzung mit einer verfeindeten Rocker-Gruppe mit Gewalt geantwortet. Damals hatten die Döbelner “Highway Wolves” (Autobahn-Wölfe) die Motorradwerkstatt eines “Gremium”-Bruders auseinandergenommen. Etwa ein Dutzend Maskierter marschierte daraufhin in das Clubheim der “Wölfe” und drosch mit Baseball-Keulen auf die sächsischen Provinzrocker ein. Sechs schwer Verletzte und einen Toten ließen sie zurück. Der Dresdner “Gremium”-Präsident Heiko R. hatte dem “Wölfe”-Chef mit einer Schrotflinte in den Bauch geschossen. Er verblutete.
Das damalige Rollkommando rekrutierte sich aus ostdeutschen
“Gremium”-Ablegern. 25 Rocker nahm die Polizei in Dresden, Zwickau, Bautzen, Cottbus und Neubrandenburg fest. Zunächst sagten sie vor Gericht kein Wort — bis der Dresdner Präsident Heiko R. den Schusswaffengebrauch auf seine Kappe nahm. Immer wieder stoßen die Beamten bei ihren Ermittlungen in der Rocker-Szene auf eine Mauer des Schweigens.
Auch dem designierten Berliner “Gremium”-Präsidenten soll bei der Vorwarnung eingeprügelt worden sein, unter allen Umständen den Mund zu halten. Er hielt sich eisern daran, als ihn die Polizei verhörte. Die Spuren seines Martyriums an seinem Kopf und Körper waren aber unübersehbar. Und da die Rocker-Experten des LKA schon bei der Razzia in Spremberg auf Hinweise zu den “Bandidos” gestoßen waren, ermittelten sie die Schläger schnell.
Ende Januar schlug das Sondereinsatzkommando zu, durchsuchte elf Wohnungen der “Bandidos”, nahm fünf Mitglieder, darunter den Präsidenten und den Vize-Präsidenten, fest. Beamte beschlagnahmten zudem Schlag- und Stichwaffen, eine Schreckschusspistole, Rauschgift, unverzollte Zigaretten und einen Scanner zum Abhören des Polizeifunks. Die Behörden hoffen, einem Rockerkrieg zwischen Berlin und Cottbus zuvorgekommen zu sein.
Ein Ermittler sagte indes der “Berliner Morgenpost”: “Die lassen das nicht auf sich beruhen, schließlich geht es darum, das Gesicht zu wahren und Stärke zu zeigen.” Vor allem soll aber auch die Vormachtstellung im kriminellen Milieu eine Rolle spielen.
Nach Angaben der Polizei betätigen sich Angehörige von Rockergruppen inzwischen verstärkt als Schuldeneintreiber, im illegalen Waffen- und Drogenhandel, stellen Räumlichkeiten für Skinhead-Konzerte zur Verfügung. Auch der “MC Gremium” ist schon mehrfach mit Rechtsextremen in Verbindung
gebracht worden.
So vermerkt der brandenburgische Verfassungsschutz, dass im Spremberger Clubhaus des “MC Berserker” vor dessen Fusion mit den “Gremium”-Rockern verschiedene NS-Metal-Bands aufgetreten seien. Zum Abschluss sei auf vielfachen Wunsch der Frontmann von “Frontalkraft” auf die Bühne getreten und habe gemeinsam mit anderen Bandmitgliedern gespielt. “Bei dem Konzert waren 200 Angehörige der rechtsextremistischen Szene anwesend”, schreiben die Verfassungsschützer. “Es wurde der Hitlergruß gezeigt und Sieg Heil skandiert.”
Insider berichten, der Club in Spremberg sei aus der Glatzenszene der frühen 90er-Jahre entstanden. Der Cottbuser und der Dresdner “Gremium”-Ableger sollen Kontakte pflegen. Und hinter dem Pseudonym “Oswald” des amtierenden Dresdner Club-Präsidenten soll kein Geringerer als Andreas Pohl stecken.
Pohl war einer der Anführer der später verbotenen neonazistischen Nationalistischen Front (NF). Seinen Tarnnamen wählte er wohl nicht von ungefähr: Oswald Pohl war ein SS-Offizier und Kriegsverbrecher, den die Alliierten 1951 hinrichteten.
Andreas Pohl soll aus Berliner Skinheadkreisen stammen, war Bandmitglied bei “Kraft durch Froide” und tauchte spätestens Ende der 90er-Jahre beim “Clan MC” in Dresden auf, aus dem der “Gremium”-Ableger hervorgegangen ist. Die Polizei hatte die berüchtigten Clan-Rocker damals schnell mit Rotlichtkriminalität, aber auch mit “Neonazi-Konzerten” in Verbindung
gebracht.
Der Berliner Verfassungsschutz warnt vor unheiligen Allianzen, die durch diese Kontakte entstehen könnten. Militante Rechtsextreme könnten durch die Rocker-Banden möglicherweise leichter an Waffen kommen, heißt es. Bei “Freien Kameradschaften” sind in den letzten Monaten vermehrt Waffen und Sprengstoffe gefunden worden.
In Berlin soll “Gremium” der berüchtigten Rockergruppe “Hells Angels” nahe stehen. Die “Bandidos” hatten sich mit den “Höllenengeln” in den 90er-Jahren schon einmal einen blutigen Krieg in Skandinavien geliefert: Selbst Panzerfaustraketen setzten sie dabei ein. Die Bilanz: Mehr als 80 Mordanschläge mit elf Toten und 96 Verletzten.
Messerstecherei im Jugendkulturhaus
(Tagesspiegel) Cottbus. Nach Streitigkeiten an der Bar hat ein 32-Jähriger im Cottbuser Jugendkulturzentrum “Gladehouse” drei junge Männer mit einem Messer niedergestochen. Die Tat ereignete sich nach einem so genannten Multikulti-Konzert in der Nacht zum Donnerstag gegen 2.30 Uhr. Die drei Verletzten mussten zur Behandlung ins Krankenhaus, sie schweben nicht in
Lebensgefahr. Der Messerstecher wurde festgenommen. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder) sagte, die Ermittler gingen bislang nicht von einem politischen Hintergrund der Tat aus.
Cottbuser Tonspielzeugtage nach Messerstecherei abgebrochen
(LR) Die Tonspielzeugtage im Cottbuser Glad-House sind nach schweren
Auseinandersetzungen in der Nacht zum Donnerstag abgebrochen worden. Laut
Aussagen der Polizei kam es bei dem mehrtägigen DJ-Wettbewerb gegen 2.30 Uhr
an der Bar zu einer Rauferei, bei der mehrere Männer im Alter zwischen 18
und 26 Jahren mit einem Messer verletzt wurden.
Drei Geschädigte befinden sich zur Behandlung im Krankenhaus. Lebensgefahr
bestehe nicht, hieß es von der Polizei. Ein 32 Jahre alter Tatverdächtiger
aus Cottbus ist festgenommen worden.
Zuvor war es zu Wortgefechten zwischen den Künstlern des Abends gekommen.
Dabei hatten die Berliner Rapper von “Bushido” dem Rundfunk-Moderator André
Langenfeld von Jugendradio Fritz (RBB) auf der Bühne mit einer Schlägerei
gedroht und das Publikum provoziert.
Später entwickelte sich ein Handgemenge an der Bar des Klubs, in dessen
Verlauf Messer gezogen wurden, hieß es vom Cottbuser Jugend-Kulturhaus, das
seine Räume für die Tonspielzeugtage zur Verfügung stellte. Neben Leuten aus
dem Umfeld der Berliner Rapper ist auch ein Veranstalter des Festivals unter
den Verletzten.
Der Chef des Cottbuser Jugendkulturhauses, Jürgen Dulitz, wünscht sich nach
den Vorfällen während der Tonspielzeugtage eine Diskussionsrunde zum Thema
Jugendkultur und Gewalt: “Besonders wichtig ist es uns, die Ereignisse
dieses Abends nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern baldmöglichst eine
öffentliche Diskussion zur Problematik HipHop und Gewalt zu initiieren”.
Messerstecherei im Glad-House
Drei Verletzte / 32-Jähriger festgenommen / «Tonspielzeugtage» abgesagt
(LR) Bei einer Messerstecherei im Glad-House wurden gestern gegen 2.30 Uhr drei
Männer im Alter von 18 bis 26 Jahren verletzt. Alle drei Geschädigten
befinden sich zur Behandlung im Krankenhaus, Lebensgefahr besteht nach
Polizeiangaben jedoch nicht.
Die Beamten nahmen einen 32-jährigen Cottbuser fest, er soll gestern
zugestochen haben.
Die Gewalttat ereignete sich auf der Hip-Hop-Veranstaltung
«Tonspielzeugtage — Ein Klang Party» . Nach Angaben der Kulturhausleitung
kam es während des äußerst provokativen Auftritts der Berliner Rapper
«Bushido» zu harten Auseinandersetzungen im Publikum, die dann in einer
Messerstecherei an der Bar endeten. Unter den drei Verletzten befindet sich
auch einer der Veranstalter. «Er wollte den Streit schlichten und bekam
dabei ein Messer in den Bauch» , sagte Ulf Hennicke, Leiter des
Veranstaltungsbüros. Wie es zu der schweren Auseinandersetzung kam, ist noch
unklar. Um den Tathergang zu klären, werden die drei Verletzten heute von
der Polizei verhört.
Als Reaktion auf die Gewalttat wurden gestern alle weiteren Veranstaltungen
im Rahmen der «Tonspielzeugtage» , die als offizieller Auftakt für die neue
Cottbuser DJ-Musikschule «Zum Tonspielzeug» geplant waren, abgesagt. Jürgen
Dulitz, Leiter des Glad-Houses: «Mit der Veranstaltung, die wir unterstützt
haben, sollten Toleranz und Gewaltfreiheit demonstriert werden. Dieses
Ansinnen wurde konterkariert.» Er sei froh, dass das Sicherheitspersonal
vehement eingeriffen und damit Schlimmeres verhindert habe. Dennoch wolle
man nach diesem tragischen Ereignis nicht zur Tagesordnung übergehen und
deshalb alle beteiligten Musiker, Veranstalter, Medien, die Polizei und auch
die Hip-Hop-Fans zu einer öffentlichen Diskussionsrunde im März einladen.
Auch die Stadt Cottbus will sich an diesem Forum beteiligen.
Kulturamtsleiter Bernd Warchold: «Ich bin erschüttert über diesen Vorfall.
Das muss Konsequenzen nach sich ziehen. Es ist daher dringend notwendig,
dass Gewalt im Zusammenhang mit dieser Musik-Szene zum Thema gemacht wird.»
Nach einem rassistisch motivierten Brandanschlag auf einen türkischen Imbiss in Brück hat die Polizei am Freitagvormittag drei Tatverdächtige festgenommen. Die Staatsanwaltschaft stufe die Tat in der Nacht zum Freitag
als versuchtes Tötungsdelikt ein, da sich der Inhaber in dem Imbiss befunden habe, sagte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Freitag vor Journalisten in Potsdam. Die drei Männer aus der Region seien bereits durch
andere politisch motivierte Straftaten bekannt und gehörten einer gewaltbereiten rechtsextremen Gruppierung an.