Küstrin-Kietz. Ein 26-jähriger Deutscher aus der Uckermark ist am Sonntag beim Versuch, einen Tschetschenen über die deutsch-polnische Grenze zu schmuggeln, erwischt worden. Bei einer “stichprobenartigen Kontrolle”
entdeckten die Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS) am Übergang Küstrin-Kietz im Kofferraum des weißen Golfs den 33-jährigen Tschetschenen. Gegen beide Männer wurde Anzeige erstattet — wegen Verdachts der unerlaubten
Einreise beziehungsweise Beihilfe dazu. Der Tschetschene wurde von polnischen Grenzschützern in Gewahrsam genommen. Der Deutsche durfte in seinen Heimatort weiterreisen und werde dort auf sein Verfahren warten, hieß es beim BGS.
Jahr: 2004
Ein Bild des Jammers in der Kreuzstraße in Hörlitz: Wo am Freitag noch leckere Fritten und Kebab über die Theke gingen, ist nur ein Haufen Asche übrig. In der Nacht zu Samstag war die Dönerbude von Mehmet A. lichterloh in
Flammen aufgegangen. Zwei Jugendliche aus Schipkau hatten Molotow-Cocktails gegen das Holzhäuschen geworfen. Nach ihrer Festnahme gaben sie zu Protokoll: «Wir können Ausländer nicht leiden.»
Leichtes Spiel für die Polizisten: Die Übeltäter, 18 und 20 Jahre alt, hatten ganz in der Nähe des Tatorts Position bezogen, um sich an den Flammen zu ergötzen. Kurz nachdem das Feuer gelöscht war, klickten die Handschellen.
Die Vernehmungsprotokolle lagen der Staatsanwaltschaft in Cottbus schon gestern vor: Nach einer Fete bei einem Freund in Schipkau sei ihnen die Idee gekommen, die Dönerbude anzuzünden. Die beiden Azubis waren hier
Stammkunden. «In der Garage des 20-Jährigen haben sie Benzin vom Moped in zwei Bierflaschen gezapft» , so Staatsanwalt Hans-Josef Pfingsten. Mit den brennbaren Geschossen im Gepäck marschierten sie Richtung Hörlitz.
Um 2.59 Uhr, als die Flammen schon hoch schlugen, alarmierte ein Zeuge Polizei und Feuerwehr. «Sonst wäre das noch viel schlimmer ausgegangen» , glaubt Albert Liesk — der Holzhändler hat die Imbissbude vor drei Jahren an
den Türken Mehmet A. verpachtet. Seine Werkstatt steht nur wenige Meter daneben.
Der Hörlitzer ist mit einem blauen Auge davon gekommen, Mehmet A. verlor alles. Sein ganzes Erspartes, 9 000 Euro, hatte der 49-Jährige Vater zweier Kinder damals in die Ausstattung des Imbiss gesteckt — und nicht versichert.
Eine neue Existenz: unerschwinglich. «Aber wir helfen, das steht fest» , so Liesk. Spätestens Ende März soll eine neue Bude stehen, und Bürgermeister Sigurd Heinze will so schnell wie möglich finanzielle Linderung für die
Familie besorgen.
Die Brandstifter haben in den nächsten Wochen reichlich Muße, mit ihrem schlechten Gewissen zu kämpfen: «Bis zur Verhandlung sitzen sie in U‑Haft» , so Staatsanwalt Pfingsten. Wegen Brandstiftung und Verstoß gegen das
Waffengesetz drohen bis zu zehn Jahren Gefängnis.
Prozess wegen versuchten Mordes
Neuruppin. Nach einem Brandanschlag auf einen türkischen Imbiss in Hennigsdorf (Oberhavel) muss sich vom heutigen Dienstag an ein 27-Jähriger vor dem Landgericht Neuruppin verantworten. Dem Mann, der sich selbst der
rechten Szene zurechnet, werden versuchter Mord und versuchte schwere Brandstiftung vorgeworfen, teilte das Landgericht Neuruppin mit. Er soll unter anderem aus ausländerfeindlichen Motiven nach einem Streit im
September 2003 zwei Molotowcocktails auf das Lokal geworfen haben, in dem sich sieben Menschen aufhielten. Verletzt wurde niemand.
Den Ermittlungen zufolge hatte der Beschuldigte zunächst am Nachmittag den Imbiss aufgesucht, um dort zwei Männer von einer Anzeige gegen zwei seiner Freunde aus der rechten Szene abzubringen. Als sie ablehnten, bedrohte er
die beiden. Die alarmierte Polizei nahm den jungen Mann vorübergehend mit. Am Abend sei der 27-Jährige aber wieder zurück zu dem Imbiss gekommen und habe zwei brennende Brandflaschen durch die Tür werfen wollen. Als diese
versperrt wurde, soll der Beschuldigte die Molotowcocktails gegen ein doppelverglastes Fenster geworfen haben, von dem aber nur die erste Scheibe barst. Der Brand konnte gelöscht werden. In dem Lokal hielten sich eine Frau
und sechs Männer auf.
Für den Prozess sind zunächst vier Verhandlungstage bis zum 10. Februar angesetzt. Laut Landgericht sind bislang 15 Zeugen geladen. Der Beschuldigte sei nicht einschlägig vorbestraft.
Marsch durch fast leere Straßen
(MAZ, 2.2., Thomas Wachs, Kerstin Henseke) BELZIG Zirka 100 Teilnehmer waren am Freitagabend dem Aufruf einer Nationalen Aktionsgemeinschaft Freies Deutschland zu einem Aufmarsch in Belzig gefolgt.
Sie kamen nach Angaben des Einsatzleiters der Polizei, Mathias Tänzer, sowohl aus Belzig, Treuenbrietzen, Brück und anderen Orten der Region, zu einem Großteil jedoch auch aus der Prignitz. Von dort war auch Mario Schulz, der einstige Landesvorsitzende der NPD angereist, der die Versammlung im Namen der Preußischen Akionsfront angemeldet und geleitet hatte.
In Empfang genommen wurden die rechtsgerichteten Demonstranten am Bahnhof von Polizisten des Schutzbereiches Brandenburg/Belzig sowie Spezialkräften der Landeseinsatzeinheit (Lese) und der Mobilen Einsatzgruppe gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit (Mega). Insgesamt waren von Freitagmorgen bis in die Morgenstunden des Sonnabends hinein 160 Beamte im Einsatz. Sie begleiteten auch den Aufmarsch, der mit einem Lautsprecherauto und rechtsgerichteter Musik durch die Karl-Liebknecht-Straße, den Klinkengrund und später vorbei am Jugendfreizeitzentrum Pogo durch die Straße der Einheit am Marktplatz vorbei zurück zum Bahnhof führte.
Zur gleichen Zeit hatten sich am Markt etwa 120 Belziger zu einer Kundgebung versammelt, um zu zeigen, dass sie andere Werte in ihrer Stadt gelebt wissen wollen. Unter dem im Info-Café “Der Winkel” entstandenen Transparent mit der Aufschrift “Zwangsarbeit? Konzentrationslager? Hunger und Krieg? Nie wieder Faschismus!” grenzten sie sich von den Demonstranten der Aktionsgemeinschaft und ihren populistischen Losungen ab. Als diese in sicht- und hörbarer Entfernung den Marktplatz passierten, wurden sie zu Adressaten lautstarker “Nazis-raus”-Chöre. Im Vorfeld wurden Kerzen angezündet. Afrikanische Trommelrhythmen versuchten die Kälte zu vertreiben. Die Versammelten klärten in kurzen Ansprachen ihre politischen Standpunkte und machten die historischen Zusammenhänge um die Machtergreifung der Nationalsozialisten vor 71 Jahren und ihre verheerenden Folgen deutlich. Einen der eindrücklichsten Redebeiträge, weil fern jeder politischen Ideologie, sondern auf das Wesentliche, auf das Leben bezogen, hielt eine junge Spätaussiedlerin. Unverständnis und Verachtung brachte sie gegenüber jenen zum Ausdruck, “die Unterschiede zwischen Hautfarbe und Sprache machen. Wir bewohnen alle diese Erde, uns hat die Mutter geboren, in uns fließt rotes Blut, und wie alle anderen wollen wir in Ruhe zur Schule gehen, arbeiten und Kinder groß ziehen. Wir werden auch weiter hier leben, in Schulen und Diskotheken gehen und keine Angst haben vor ihrem Grinsen und ihren Beleidigungen!”
Sie sprach damit nicht nur den erstmals zahlreich erschienenen jugendlichen Spätaussiedlern, sondern auch etlichen anderen Belzigern ausländischer Herkunft aus der Seele. Unter den Versammelten, die vom Schüler bis zum Bürgermeister einen repräsentativen Querschnitt durch die Belziger Bevölkerung darstellten, waren auch viele Gesamtschüler. Die kurzfristig bekannt gewordenen Aktivitäten der Aktionsfront waren noch am Tag der Zeugnisausgabe von der Schulleitung thematisiert worden.
Ein erst kürzlich Zugezogener zeigte sich dennoch fassungslos angesichts der relativ geringen Zahl protestierender Bürger. “Wo sind zum Beispiel die Geschäftsleute und die, die hier für Kultur und Tourismus verantwortlich sind. Wissen die nicht, dass eine Stadt mit Nazi-Aktivitäten größere Schlagzeilen bekommt als für eine Therme?”
Die Ortsvereine und ‑verbände aller in Belzig aktiven Parteien hatten noch am Freitag aufgerufen, den Aufmarsch der Aktionsgemeinschaft zu ignorieren. Zuletzt war die Preußische Aktionsfront am 8. November mit 57 Teilnehmern durch Belzig marschiert.
40 Antifaschisten feierten gestern in Potsdam den Sieg der Roten Armee bei Stalingrad
Trotz Regens fanden sich am gestrigen Sonntag Nachmittag rund 40 vorwiegend jugendliche Antifaschistinnen und Antifaschisten vor dem sowjetischen Ehrenmal auf dem Potsdamer Bassinplatz ein, um unter dem Motto „Was wir
vergessen, verraten wir“ dem Aufruf der Potsdamer Jugendantifagruppe progress [antifascist youth] zu folgen, und das 61. Jubiläum des Sieges bei Stalingrad würdig zu begehen.
„Durch ein technisches Problem müssen wir diesmal leider auf eine Anlage verzichten“, sagte Bastian Leitmayer, Mitglied von progress, an die Kundgebungsteilnehmer gerichtet. Anschließend verlas er den Redebeitrag (siehe unten), der die nicht zu unterschätzende Außenwirkung des Sieges bei Stalingrad herausstellte, und ihn als den Anfang vom Ende der Barbarei“ charakterisierte. Ausserdem richtete er sich entschieden gegen die geschichtsverfälschende Gleichsetzung von
Wehrmacht und Roter Armee, und machte auch noch einmal auf den Zusammenhang zwischen preussischen Idealen, wie sie heute unverhohlen von den Deutschen angepriesen werden, und dem Nationalsozialismus aufmerksam.
Nach der Schweigeminute für die Opfer des deutschen Wahns – Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Kommunistinnen und Kommunisten, und nicht zuletzt die bei Stalingrad gefallenen Soldaten der Roten Armee – wurden Blumen
vor den sowjetischen Ehrenmal abgelegt, um anschließend mit Vodka und Krimsekt die Veranstaltung ausklingen zu lassen.
In einer Pressemitteilung vom 26.01.04 brachte Sarah Paschke, Pressesprecherin von progress, dass Anliegen der Veranstalter auf den Punkt: „Wir werden es unter keinen Umständen kritiklos hinnehmen, dass die deutsche
Geschichtsschreibung Henker und Erhängte eins werden lässt. Den alliierten Befreiern gilt unser aufrichtiger Dank, den nationalsozialistischen Mördern und deren
aktuellen Rehabilitanden unser Kampf.“
Am Rande der Veranstaltung wiesen Vertreter der Autonomen Antifa Nordost [AANO] noch auf die unausweichliche Konsequenz des Nationalsozialismus hin: auf einem weissblauen Transparent konnte man lesen „Solidarität mit Israel. Für den Kommunismus“.
Redebeitrag
Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Genossinnen und Genossen,
wir haben uns heute hier getroffen um an den Sieg der Roten Armee in
Stalingrad zu erinnern, um diesen Sieg zu feiern und um der Menschen zu Gedenken,
die im Kampf gegen die Deutschen ihr Leben verloren.
Am 2. Februar 1943 — morgen vor 59 Jahren — kapitulierten in Stalingrad die
Reste der 6. Armee unter Generalfeldmarschall Paulus. Ihr Weg gen Osten, der
eine Spur der Vernichtung hinterließ, war zu Ende.
Stalingrad, das war bis zu den verheerenden Kämpfen im Winter 1942/1943 eine
Industriestadt an der Wolga. Stalingrad wurde in diesen Kämpfen zum Symbol.
Es wurde zum Symbol erfolgreichen und opferreichen Kampfes gegen die
Deutschen. Es wurde aber auch zu einem Symbol des bedingungslosen Zusammenhalts der
Angehörigen der deutschen Vernichtungsmaschinerie und ihrer Führung. Die
Deutschen gaben den Kampf erst auf, als sie in Massen zu verhungern und zu
erfrieren begannen, als sie ganz einfach die physische Fähigkeit verloren den Kampf fortzusetzen. Das gab einen Vorgeschmack darauf, dass noch in den Trümmern von Berlin für den Endsieg gekämpft werden sollte. Stalingrad wurde zum Symbol für die Notwendigkeit, den Kampf gegen den Nationalsozialismus mit aller
Härte zu führen.
Der Sieg von Stalingrad gab allen AntifaschistInnen weltweit, ob es sich um die in den KZs zusammengepferchten Menschen aus ganz Europa handelte, um KommunistInnen oder Mitglieder des englischen Königshause — um nur einige zu nennen — die Hoffnung, dass der deutscher Vernichtungs- und Eroberungskrieg beendet werden kann. Es war ein Symbol der Hoffnung, der Hoffnung auf ein Ende von Vernichtung und Zerstörung, der Hoffnung auf Frieden und Freiheit.
Hier in Potsdam schlossen am 1. März 1933 die traditionellen preussischen und die neuen nationalsozialistischen Eliten ein Bündnis, dass durch den berühmten Händedruck zwischen Hindenburg und Hitler besiegelt wurde. Hier in Potsdam beschlossen im Sommer 1945 die siegreichen Alliierten, welche Ordnung sie Europa nach dem Zweiten Weltkrieg geben wollten. Es sollte dies eine Ordnung sein, die den Deutschen ein erneutes Überziehen Europas mit Tod und Vernichtung verunmöglichte. Ein Gegenteil der Ordnung, um deretwillen Hindenburg und Hitler sich die Hand reichten. Dazwischen liegt Stalingrad.
Hier in Potsdam widmen sich neben faschistischen Offizieren auch sozialdemokratische Funktionäre, die evangelische Kirche und der Industrieclub Potsdam dem Wiederaufbau des Symbols des erfolgreichen Aufstiegs der Nationalsozialisten — der Garnisonskirche. Nun könnte man zynisch behaupten, dass es sich bei diesen Leuten um die “am meisten aggressiven und am meisten chauvinistischen Kreise”, von denen der Genosse Dimitroff sprach, handele. Doch es ist schlimmer: das ist die deutsche Zivilgesellschaft. Die deutsche Zivilgesellschaft — das sind die Leute, die aus dem Eingeständnis, dass “in deutschem Namen” Verbrechen begangen wurden und dem Fakt, dass es den Deutschen im Großen und Ganzen gelang, für ihre Verbrechen weder zur Rechenschaft gezogen zu werden noch materiellen Ersatz leisten zu müssen moralischen Profit ziehen.
Deshalb konnten sie die Bombardierung Jugoslawiens mit Auschwitz rechtfertigen.
Deshalb können sie die militärischen Operationen von Deutschland überfallener Staaten mit dem deutschen Vernichtungshandeln gleichsetzen, wie zuletzt im Falle der Royal Air Force geschehen.
Deshalb können in Potsdam die selben Stadtverordneten von CDU bis PDS, die ein Denkmal für die aus den Ländern Ost€pas ausgesiedelten NS-Kollaborateure — die sogenannten >Vertrieben< — gebilligt haben alljährlich am 8. Mai Kränze am Sowjetischen Ehrenfriedhof abwerfen.
Das nennen sie dann >Versöhnung über den Gräbern<. Diese Versöhnung, die die deutsche Schuld einebnet verhöhnt jene Menschen, die kein Grab haben — jene, die von den Deutschen als Juden vernichtet wurden, die Opfer des deutschen Verbrechens wurden, für das der Name Auschwitz steht.
Es kann keine Versöhnung geben! Gegen die Apologeten des deutschen Vernichtungskrieges ist das Andenken an die BefreierInnen Europas vom Nationalsozialismus gerichtet. Es gilt unversöhnlich an der Unterscheidung zwischen den nationalsozialistischen deutschen Verbrechern und jenen, die deren Tun gewaltsam beendeten, festzuhalten! Stalingrad ist das ewige Symbol dieses siegreichen antifaschistischen Kampfes.
Für uns als Linke gilt es die Notwendigkeit des Kampfes gegen Deutschland zu verteidigen. Jenen Linken, die meinen, man könne mit der Roten Armee, der Royal Air Force und anderen nicht solidarisch sein, da es sich nicht um revolutionäre Massen, sondern um die Armeen von Nationalstaaten handelte, ist entgegenzuhalten, dass die endgültige Vernichtung des Nationalsozialismus mit all
seinen Wurzeln die Bedingung für die Revolution darstellt. Stalingrad ist und beleibt das Symbol des siegreichen antifaschistischen Kampfes. Es bleibt das Symbol für das Scheitern der deutschen Ambitionen auf Weltherrschaft. Es bleibt das Symbol für den Zwang, den Kampf mit aller notwendigen Härte zu führen.
Keine Friede mit Deutschland! Ruhm und Ehre den Kämpfern gegen den Faschismus! Darum lasst uns nun in gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Barbarei eine Schweigeminute einlegen. Anschließend könnt Ihr die Blumen auf dem Friedhof niederlegen.
Cottbuser Ermittler: Aufklärungsquote könnte verdoppelt werden / Debatte um richterlichen Vorbehalt
Die Polizei sollte nach dem Willen des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) genetische Fingerabdrücke von Straftätern leichter sammeln dürfen.
“Erfahrungen aus der Schweiz zeigen, dass sich die Aufklärungsquote damit
verdoppeln lässt”, sagte der DNA-Experte und stellvertretende
BDK-Bundesvorsitzende, Wolfgang Bauch, aus Cottbus.
Bisher könnten die Behörden nur das Foto und den natürlichen Fingerabdruck
problemlos speichern. Für das Sammeln der Spuren von Speichel, Haaren oder
Sperma ist eine richterliche Entscheidung nötig. Beim Abgleich neuer
DNA-Spuren von Tatorten mit den Datensätzen beim Bundeskriminalamt (BKA)
liege die Trefferquote derzeit bei 22,4 Prozent. “In der Schweiz erreicht
sie fast 50 Prozent”, sagte Bauch.
Erbanlagen bleiben tabu
“Die Möglichkeiten, die wir mit der DNA-Analyse in der Kriminalistik haben,
sind sensationell. Dies muss man nutzen, um Opfer zu vermeiden und mehr
Straftaten aufzuklären”, forderte Bauch. Es gehe nicht darum, jeden
Tatverdächtigen zu registrieren. “Wir nehmen ja auch nicht von jedem
Ladendieb oder Verkehrssünder die Fingerabdrücke”, sagte der Kriminalist.
Die Untersuchungen der DNA-Spuren erfolgten ausschließlich im so genannten
nichtcodierenden Bereich. “Dieser gibt keine Auskunft über das Aussehen der
Person, schon gar nicht über Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder
Krankheiten.”
Untersuchungen hätten gezeigt, dass fast 80 Prozent der Vergewaltiger und
Sexualmörder eine lange kriminelle Karriere hinter sich haben, sagte der
Ermittler bei der Cottbuser Mordkommission. Zur Vermeidung weiterer Opfer
müsse von diesen potenziellen Wiederholungstätern eine DNA-Probe ohne
überflüssigen bürokratischen Aufwand möglich sein.
Für eine Vereinfachung von DNA-Analysen sprachen sich in Brandenburg und
Sachsen weitere Experten aus. Brandenburgs Justizministerin Barbara
Richstein (CDU) hält den so genannten Richtervorbehalt für zu restriktiv.
Sie plädiert für eine Gleichstellung des genetischen Fingerabdrucks mit dem
normalen Fingerabdruck.
“Ich sehe nicht, dass man das völlig gleichsetzen kann”, schränkte Potsdams
Polizeipräsident Bruno Küpper ein. Aber es sei auch nicht sinnvoll, den so
genannten Richtervorbehalt zu einem Ritual erstarren zu lassen. Der Leiter
der Potsdamer Kriminalpolizei, Roger Höppner, bekräftigte: “Aus Sicht der
Ermittler ist eine Vereinfachung dringend erforderlich.”
Bandenkriminalität im Visier
Nach Richsteins Angaben wurden durch die Staatsanwaltschaften in Brandenburg
vom Jahr 2000 an von 31 269 verurteilten Straftätern 5904 genetische
Fingerabdrücke in die DNA-Datei des Bundeskriminalamtes aufgenommen. Die
Ministerin will den Katalog der Straftaten, bei denen DNA-Material entnommen
werden darf, ausweiten. Nach ihrer Ansicht sollte eine Untersuchung auch für
banden- oder gewerbsmäßig agierende Täter erlaubt sein.
Sachsen will ebenfalls den genetischen Fingerabdruck als Standard in der
Ermittlungsarbeit festschreiben. Damit sei die erfolgreiche Identifizierung
von Straftätern möglich, hieß es aus dem Innenministerium.
Seit Einführung der Zentralen DNA-Datenbank beim Bundeskriminalamt in
Wiesbaden im April 1998 habe Sachsen Datensätze von rund 19 800 Personen
eingegeben, sagte der Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA), Lothar Hofner.
“Von Jahr zu Jahr sind die Zahlen gestiegen, das liegt auch an der
rückwirkenden Erfassung von rechtskräftig Verurteilten oder inzwischen aus
der Haft Entlassenen.”
“Ohne Gerichtsbeschluss dürfen weder Spuren noch anderes Material von
Tatverdächtigen recherchiert, ausgewertet oder bewertet werden”, sagte
Matthias Kubitz, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Nur wenn
ein Tatverdächtiger “freiwillig den Mund aufmacht”, dürfe eine entsprechende
Speichelprobe entnommen werden. Der genetische Fingerabdruck erleichtere die
Arbeit und bringe Rechtssicherheit für Opfer und Verdächtige, die nicht
immer Täter sein müssten.
Innenminister Horst Rasch (CDU) betonte, dass die DNA-Analyse ein normaler
Bestandteil der erkennungsdienstlichen Behandlung werden müsse. Bei den
genetischen Fingerabdrücken sollte nicht nur die Schwere der verübten
Straftat eine Rolle spielen, insbesondere auch Prognosen über die weitere
Entwicklung eines Straftäters.
“Ich halte es für durchaus gerechtfertigt, verschiedene Sachverhalte, die
jenseits von Sexualstraftaten, Mord und Totschlag liegen, auch mit Mitteln
der DNA aufzuklären”, betonte Rasch.
280 000 Personen erfasst
Die DNA-Analyse gilt als eines der wichtigsten Werkzeuge bei der Aufklärung
von Gewaltverbrechen. Bereits aus winzigen Spuren von Blut, Sperma, Schuppen
oder Haaren können Experten einen genetischen Fingerabdruck — das sind
bestimmte, über das gesamte Erbgut verteilte DNA-Abschnitte — eines Menschen
erstellen. Spuren mit Erbinformationen findet die Polizei laut Deutscher
Gesellschaft für Rechtsmedizin bei etwa der Hälfte aller Tötungsdelikte.
Derzeit sind beim BKA rund 280 000 Personen und 50 400 Datensätze von
Spuren, die an Tatorten gefunden wurden, erfasst. Spitzenreiter ist Bayern
mit 59 000 Personen.
(MOZ) Potsdam (dpa) Beim illegalen Grenzübertritt an Oder und Neiße kommen nach Angaben des brandenburgischen Innenministeriums immer wieder Flüchtlinge zu
Tode. Die Zahl der Todesfälle habe sich in den vergangenen Jahren aber deutlich verringert. 2002 etwa seien zwei Tote am Ufer der Neiße bei Guben und Forst (Spree-Neiße) gefunden worden, antwortete Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) auf eine parlamentarische PDS-Anfrage. Mit ihnen habe sich die Zahl der ausländischen Toten an den beiden Flüssen seit 1993 auf 63
erhöht.
Weniger Einwanderer sorgen für Delle in Polizeistatistik
Kriminalität im Schutzbereich Cottbus/Spree-Neiße geht zurück
(LR) Auf ein «aus unserer Sicht sehr ereignisreiches und erfolgreiches Jahr»
blickte der Leiter des Polizeischutzbereiches Cottbus / Spree-Neiße, Olaf
Fischer, bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik für 2003
zurück. Zwischen Welzow und Guben wurden weniger Straftaten erfasst und mehr
aufgeklärt. Allerdings spielt bei der Erfolgsbilanz auch die Statistik mit.
Für den Schutzbereich zeichnete Fischer ein positives Bild: Die Kriminalität
ging von 29 231 Fällen in 2002 auf 28374 im Vorjahr zurück, die
Aufklärungsquote stieg auf 54,7 Prozent. Olaf Fischer lobte ausdrücklich die
gute Zusammenarbeit mit dem Bundesgrenzschutz und der polnischen Seite. Nur
so hätten Diebstahlserien wie der Cottbuser Airbag-Klau aufgeklärt werden
können.
Wenig aussagekräftige Daten
In Forst stürzte die Zahl der Straftaten von 5478 im Jahr 2002 auf 4653 im
Vorjahr ab. Allerdings sind diese statistischen Zahlen in Hinblick auf die
Gefährdung der Forster mit Vorsicht zu genießen, denn eine Hauptursache des
Rückgangs der Straftaten liegt darin, dass der Bundesgrenzschutz vornehmlich
bei Forst weniger illegal Eingereiste aufgegriffen und an die Polizei
übergeben hat, weil viele Schleuser inzwischen bei ihren Touren nach
Deutschland offenbar den Weg über die Neiße meiden. So gingen die gemeldeten
Straftaten im Bereich Ausländer- und Asylverfahrensgesetz allein im
Kommissariat Forst binnen Jahresfrist um 467 Fälle auf 1270 zurück.
Nebeneffekt: Da der Grenzschutz bei illegalen Grenzübertritten mit der
Straftat meist gleich auch den Täter mitliefert, hatte die Polizei in Forst
2002 die Traum-Aufklärungsquote von 67,2 Prozent. Sie sank auf 66,1
Prozent — der Bundesdurchschnitt liegt bei 52,9 Prozent.
Die Ausländerkriminalität legt sich wie ein Schleier über die Forster
Zahlen. Beispiel: Da die Einwandernden meist Erwachsene sind, ist die
Jugendkriminalität mit 20,8 Prozent extrem niedrig, dafür liegt der Anteil
nichtdeutscher Tatverdächtiger bei 56,3 Prozent. Zum Vergleich: In Spremberg
betrug die Jugendkriminalität 37,8 Prozent, der Anteil nichtdeutscher
Tatverdächtiger lag bei 6,3 Prozent. Wie sich die kriminalistische Lage in
der Grenzregion nach dem EU-Beitritt Polens entwickeln wird, darüber wollte
Schutzbereichs-Chef Olaf Fischer gestern keine Prognose wagen. Allerdings
gebe es bereits enge Abstimmungen mit Zoll und BGS, erklärte er.
Auch andere Zahlen sagen nach Ansicht des Forster Kripochefs Peter Kaiser
nicht das aus, was es auf den ersten Blick scheint: So liegt Forst mit 196
Fällen von Rauschgiftkriminalität nur leicht hinter der Großstadt Cottbus.
Die hohe Zahl resultiere allerdings aus dem Ermittlungsdruck, mit dem die
Forster Polizei die Szene klein halten will. Ob die Stadt im Vergleich zu
den Nachbarn Drogenhochburg ist, kann er nicht sagen. Allerdings sei der
Anteil der harten Droge Heroin bei den sicher gestellten Drogen in Forst
höher als beispielsweise in Spremberg. Als Erfolg bezeichnete Kaiser die
Drogenkontrollen bei Technopartys auf dem Flugplatz Preschen im Frühjahr
2003.
Große Sorgen macht der Polizei im Schutzbereich das verstärkte Zündeln,
offenbar ein landesweiter Trend. Die Zahl der Brandstiftungen in Cottbus und
Spree-Neiße verdoppelte sich im vergangenen Jahr beinahe von 118 auf 203
Fälle, allein in Forst zählte die Polizei 33 Brandstiftungen. Kripo-Chef
Andreas Kaiser kündigte die Einrichtung einer festen Brandkommission an.
Bequemer Betrug per Internet blüht
Auch in Sachen Betrug blüht die Kriminellenphantasie, besonders in der
«Zukunftsbranche» Internetauktionen versuchen Betrüger erfolgreich vom
heimischen Computer aus ihr Glück. Olaf Fischer: «Wir haben hier einen
erheblichen Zuwachs zu verzeichnen. Bequemer geht es ja auch für den Täter
kaum.» Allein das Kommissariat Forst nahm 201 Betrugsanzeigen auf — 26 mehr
als im Vorjahr. Auch die Einbruchsserien in Firmen bereiten den Beamten
Sorgen, im Forster Bereich stieg die Zahl von 109 auf 126 Fälle: Die Täter
haben es derzeit offenbar vor allem auf das Bargeld abgesehen. Volle
Geldkassetten sollten nicht übers Wochenende in leeren Büros bleiben, riet
Fischer eindringlich.
Gute Nachrichten kann Forst in Sachen Fahrradklau, Ladendiebstahl,
Kellereinbrüchen, Straßenkriminalität und, trotz neuer Serien bei
gestohlenen Autoradios, bei Einbrüchen in Pkw vermelden. In allen Bereichen
waren die Langfinger weniger fleißig als 2002. Trotz dieser Trends wird
Forst nicht an die lupenreine Kriminalstatistik des Örtchens Staakow an der
Straße zwischen Lieberose und Guben heranreichen: Die Polizei registrierte
dort nicht eine einzige Anzeige.
INFORIOT Wie erst jetzt bekannt wurde, wurde am Mittwoch in Oranienburg von Seiten einer Gruppe Neonazis versucht, eine antifaschistische Infoveranstaltung zu stürmen. Im Rahmen der zurzeit stattfindenden Antifawoche fand im Forum gegen Rassismus ein Infoabend der Brandenburger JungdemokratInnen / Jungen Linken statt. Thema war die Neonazi-Kameradschaft “Märkischer Heimatschutz”, die im Nordosten des Landes aktiv ist.
Noch bevor die Veranstaltung, auf der vor rund 30 ZuhörerInnen über Organisation und Ideologie der Neonazis aufgeklärt wurde, beginnen konnte, versuchte eine Gruppe Rechter, sich Zutritt zur Veranstaltung zu verschaffen. Den etwa 15 Neonazis wurde schlichtweg die Tür vor der Nase zugeschlagen, berichtete ein Augenzeuge. Sie versuchten daraufhin erfolglos, die Tür aufzustemmen. Die eintreffende Polizei erteilte den Neonazis Platzverweise und nahm ihre Personalien auf. Nach dem Inforiot vorliegenden Augenzeugenbericht sollen sich unter ihnen etliche Mitglieder des “Märkischen Heimatschutzes” befunden haben, unter anderem auch ihr Anführer Gordon Reinholz.
Die Situation entspannte sich daraufhin — der Infoabend konnte stattfinden, “wenn auch mit Zivilpolizisten im Publikum”. Am Ende wurden dann gar die Personalien aller TeilnehmerInnen von der Polizei notiert. Es liegt zudem eine Anzeige wegen Körperverletzung von Seiten der Rechten vor, weil bei dem Gerangel an der Tür CS-Gas nach draußen gesprüht worden sein soll. Auf der rechtsextremistischen Internetseite Altermedia wird derweil geklagt, dass “die diskussionswilligen” Neonazis ausgegrenzt worden seien.
Dafür und doch dagegen
(MAZ, 31.01.04) HOHEN NEUENDORF — Es ist nicht einfach zu erklären: Alle Abgeordneten waren dafür, und trotzdem wurde der Antrag am Donnerstagabend im Stadtparlament
mit sieben Stimmen dafür, zwölf dagegen und sieben Enthaltungen abgelehnt. Dies nach einer für Hohen Neuendorfer Verhältnisse emotionsgeladenen
Debatte, in die sich ungemein viele Stadtverordnete quer durch die Fraktionen einbrachten.
Worum ging es? Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wandte sich an ihre Abgeordnetenkollegen, das Stadtparlament möge ein öffentliches Bekenntnis für “zivilen Mut für ein tolerantes Brandenburg — gegen Rassismus,
Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit” ablegen und Hohen Neuendorf sich in diese Richtung engagieren. Dies aus “Sorge über die Zunahme rechtsextremistischer Gewalt in Brandenburg”. “Nicht wegsehen, nicht verharmlosen! So schaffen wir eine starke Gegenöffentlichkeit und tragen zum
Schutz der Würde eines jeden Menschen unserer Stadt bei”, heißt es in dem Antrag.
Die PDS unterstützt dieses Anliegen, wie Fraktionsvorsitzender Manfred Tittelbach deutlich machte. Die meisten anderen schienen mit diesem Antrag jedoch Probleme zu haben. Als Person und Fraktion würden sie diesen Appell selbstverständlich mittragen und unterschreiben, machten sie deutlich. Aber nicht in Form eines Parlamentsbeschlusses. Die Stadtverordnetenversammlung
sei nicht das Gremium für derartige Proklamationen. Das sei Landes- und Bundesangelegenheit. Zudem würde dies ein “falsches Licht” auf Hohen Neuendorf werfen: “Was ist denn dort los?” Schließlich habe die Stadt “zum Glück” keine Zunahme schwerer Fälle zu verzeichnen, wie Stadtverordnetenvorsteher Milutin Stefanov ausführte. Viele Abgeordnete regten deshalb an, den Toleranz-Aufruf der Grünen nicht als Antrag zu behandeln, sondern öffentlich auszulegen, damit ihn jeder unterschreiben
kann.
Grünen-Fraktionschef Thomas von Gizycki ging mit diesem Vorschlag mit, bestand jedoch auf einer Abstimmung im “Hohen Haus”, die mit besagter Ablehnung endete.
Wie Bürgermeisterin Monika Mittelstädt ausführte, würde die Stadt mit der Erfüllung ihrer kommunalpolitischen Aufgaben das ganze Jahr über etwas gegen Gewalt und Diskriminierung tun.
Wiedersehensfeier in Halbe
Das interessante in Halbe am 15.November 2003 war das peinliche Schauspiel hinter den Trauermarschkulissen. Ein „Freundeskreis Halbe“ und die „Freien Nationalisten“ hatten unter der Parole „Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten“ zur Demonstration und zur Kranzniederlegung auf dem größten deutschen Soldatenfriedhof aufgerufen.
Der Aufmarsch wurde nach einigem Hin und Her erlaubt, so konnten die Rechten an die nationalsozialistische Tradition des „Heldengedenkens“ anknüpfen.
Über 1000 Polizisten sicherten den Neonazis den Weg, Protest von Gegen-Demonstranten drang kaum zu ihnen durch. Der Zentralfriedhof in Halbe ist mit 27.000 Toten die größte soldatische Gräberstätte in Bundesrepublik. Aber das interessierte die Neonazis um Organisator Christian Worch und Anmelder Lars Jacobs wenig. Sie waren froh, ihr Ziel endlich wieder erreicht und die Genehmigung für einen Trauermarsch erhalten zu haben. Allerdings konnte ihr Auftritt nicht annähernd mit den martialischen Zuständen von 1990 und 1991 mithalten, das Tragen von Fackeln, Uniformen und Trommeln war verboten. Gegen Mittag versammelten sich etwa 600 Neonazis vor dem Bahnhof der kleinen brandenburgischen Stadt. Ein von Worch zum „Offizier für Klebeband“ ernannter Neonazi war vollauf damit beschäftigt, alle SS- und NS-Embleme auf den Kranzschleifen und Klamotten seiner Kameraden mit schwarzem Klebeband zu bedecken. Die eintreffenden Führer begrüssten sich hemdsärmelig. Von der NPD war nicht viel zu sehen, unter den wenigen waren Angehörige der NPD aus Senden. Interessant war der Auftritt der Führungsriege der „Freien Kameradschaften“. Die zerstrittenen Hamburger Fraktionen maßen der Veranstaltung scheinbar hohen Stellenwert bei und zeigten überaschenderweise gemeinsame Präsenz.
Hauptorganisator Worch und sein fleissiger Helfer Jacobs achteten peinlichst darauf, den gemeinsamen Auftritt mit Thomas Wulff bestens zu inszenieren. Bei genauer Betrachtung entpuppte sich das Wiedersehenstreffen jedoch eher als eiskaltes Kalkül. Tobias Thiessen vom Worch-kritischen „Ktionsbüro Norddeutschland“ hielt den ganzen Tag eine schwarze Fahne – und sich zurück. Seine Freundin Inge Nottelmann war nicht, wie üblich, in die Organisation eingebunden, halbherzig fotografierte sie „Kameraden“. Außer Steffen Hupka und dem einsitzenden Peter Borchert war alles angereist, was Rang und Namen in der Kameradschaftsszene hat, u.a. Christiane Dolscheid („Club 88“, Neumünster), Thorsten Heise („Kameradschaft Northeim“ und jetziger NPD-Kandiat bei der Landtagswahl in Thüringen), Oliver Schweigert aus Berlin, der die Eingangskontrollen machte, die thüringischen „Kameraden“ André Kapke und Ralph Wohlleben aus Jena beaufsichtigten die Suppenküche, Daniela Wegener von der ehemaligen „Sauerländer Aktionsfront“ von Sven Liebich und Mirco Appelt aus Sachsen-Anhalt.
Die vielen Fotografen und Fernsehteams sorgten für noch schlechtere Stimmung und gereizte Ausfälle. Der braune Liedermacher Manuel, dem die Neurednerin Yvonne Mädel aus Thüringen die Noten halten durfte, hetzte los: „Die Herren von der Presse sollten sich schämen, es waren nicht nur unsere Väter, es waren auch ihre! … und eines Tages werden sie sich vor einem Reichsgericht dafür verantworten müssen, das verspreche ich Ihnen!“ Wulff und Worch wechselten sich in ihren Redebeiträgen peinlichst genau ab. Wulff wirkte dabei äußerst steif und schlecht gelaunt, nichts von der scheinbaren Lockerheit, die der bullige Hamburger Führer ansonsten bei Auftritten vor norddeutschen Kameraden gern an den Tag zu legen versucht. Darüber konnten auch härtere Töne nicht hinwegtäuschen: „… am Ende wird der Zusammenbruch stehen, dann folgt, der wirkliche Freiheitssturm unseres Volkes. Und so soll sich der eine oder andere Polizeiführer oder Politiker die Hände noch reiben, das alles sind keine Siege in diesem Krieg, es sind Geplänkel!“ Die Rede endete beschwörend mit: „dann werden wir marschieren Kameraden, jedes Jahr wieder, bis zum Sieg“. Der Northeimer „Kameradschaftsführer“ Thorsten Heise hatte Militärliteratur gewälzt und einen ausführlichen Redebeitrag über den Abwehrkampf der Wehrmacht und die letzten Tage im Kessel von Halbe gehalten. Worch verglich den „Kampf des Kameraden Jacobs“ zur Durchsetzung des „Heldengedenken“ in Halbe gar mit dem „Kampf der Kameraden an der Front, insbesondere an der Ostfront“, In einer Schweigeprozession ging es bis vor den Waldfriedhof von Halbe. Sehr zum Ärger der Kameraden durften sie das Gräberfeld nicht betreten, die Kränze wurden auf einem Rasenstück vor den Eingangstoren abgelegt.