Mit Kirche, ohne Traditionsverein: Wiederaufbau notfalls ohne dessen sechs Millionen Euro
(BM) Potsdam — Nach jahrelangen Querelen um den Potsdamer Garnisonkirchenturms will eine gemeinsame Initiative der evangelischen Landeskirche, der Stadt
Potsdam, des Landes Brandenburg und des Potsdamer Industrieclubs einen neuen
Anlauf für den Wiederaufbau unternehmen. Eine Stiftung, der das Land, die
Landeskirche und Potsdam angehören und die möglicherweise schon am
Donnerstag gegründet wird, soll den organisatorischen Rahmen für den
Wiederaufbau des preußischen Wahrzeichens schaffen. Unter Federführung des
Industrieclubs soll international nach Geldgebern für die Wiedererrichtung
des symbolträchtigen Bauwerks gesucht werden. Die Traditionsgemeinschaft
Potsdamer Glockenspiel, die in der Vergangenheit Spenden und Spendenzusagen
in Höhe von rund sechs Millionen Euro gesammelt hat, wird nach derzeitigem
Stand nicht der Stiftung angehören, ist aber nach Angaben der Initiative
“zur Mitarbeit aufgefordert”. Allerdings will man im Zweifel auf die Mittel
der Traditionsgemeinschaft verzichten, wenn diese an für die Kirche
unannehmbare Forderungen gebunden bleiben.
Für den Bau des Turms werden etwa zehn Millionen Euro, für den kompletten
Kirchenneubau weitere 40 Millionen Euro veranschlagt. Die gemeinsame
Schirmherrschaft für das Vorhaben wollen der evangelische Landesbischof
Wolfgang Huber, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sowie Potsdams Oberbürgermeister Jann
Jakobs (SPD) und der Potsdamer Superintendent Bertram Althausen übernehmen.
“Es ist höchste Zeit, dass der Stillstand überwunden wird”, sagte Schönbohm.
Vor allem er hatte bis zuletzt versucht, zwischen Kirche und
Traditionsgemeinschaft zu vermitteln. Deren Vorsitzender, der Iserlohner
Oberstleutnant a.D. Max Klaar hatte Pläne der Kirche abgelehnt, im Turm ein
internationales Versöhnungszentrum einzurichten und auf die ausschließliche
Nutzung als Gotteshaus bestanden. Danach zog sich über Monate der Streit, ob
der Turm mit der Nachbildung der historischen Wetterfahne oder einem auf das
Versöhnungszentrum hinweisenden Nagelkreuz geschmückt werden solle.
Schließlich wollte die Traditionsgemeinschaft das Geld nur unter der Auflage
freigeben werden, dass im Garnisonkirchenturm kein Kirchenasyl gewährt und
keine Trauungen von homosexuellen Paaren vorgenommen werden. Auch sollten
keine Wehrdienstverweigerer beraten oder feministische Theologie gepredigt
werden. Dies lehnte die Kirche ab, worauf Klaar die Gespräche mit der Kirche
für beendet erklärte.
Der Vorstandsvorsitzende des Industrieclubs, Hans P. Reinheimer sagte jetzt,
es müsse klar sein, dass die Kirche bei der Nutzung das letzte Wort habe.
Die Traditionsgemeinschaft wolle prüfen, an vorderster Stelle mitzuwirken.
In der Stadtverwaltung war lange nach einem Ausweg aus der Sackgasse gesucht
worden. Klaar, dessen Sammelleistung hoch angesehen wird, wurde zuletzt als
Gesprächspartner kaum noch ernst genommen. Auch der Hinweis auf die
Spendengelder zog nur noch bedingt, da viele Geldgeber, darunter auch Werner
Otto, mit drei Millionen Mark (1,5 Millionen Euro) einer der Hauptsponsoren,
lediglich eine Spendenzusage gemacht, das Geld aber keineswegs überwiesen
haben.
Neue Stiftung sammelt für Garnisonkirche
Wiederaufbau wohl ohne Traditionsgemeinschaft
(Berliner Zeitung, Martin Klesmann) POTSDAM. Politiker wie Richard von Weizsäcker, aber auch viele Soldaten,
Adlige und Unternehmer haben in den vergangenen zwanzig Jahren eine Menge
Geld gespendet. Fast sechs Millionen Euro hat die Traditionsgemeinschaft
Potsdamer Glockenspiel (TPG) für den Wiederaufbau der Garnisonkirche
gesammelt. Das könnte umsonst gewesen sein. Denn nach jahrelangem Streit um
das kirchliche Nutzungskonzept haben das Land Brandenburg, die Stadt Potsdam
und die evangelische Landeskirche nun beschlossen, eine eigene Stiftung ins
Leben zu rufen. Jene “Stiftung Garnisonkirche Potsdam” soll nun
international Spenden sammeln. Dies teilte der Industrieclub Potsdam am
Montag mit. Vorbild sei die Spendenaktion für den Wiederaufbau der Dresdner
Frauenkirche. Es sollen ein Spendenverein gegründet werden und eine GmbH,
die den Wiederaufbau ausführen soll. Schirmherren der neuen Stiftung sind
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), sein Regierungs-Vize Jörg
Schönbohm (CDU) und Landesbischof Wolfgang Huber. Die TPG und ihr
streitbarer Vorsitzender Max Klaar haben nach Informationen der Berliner
Zeitung eine Kooperation mit der neuen Stiftung zunächst abgelehnt. Sie
bleiben außen vor.
Der Streit zwischen TPG und der evangelischen Kirche hatte sich an der
künftigen Nutzung des Garnisonkirchturms entzündet. Die TPG, 1984 von
Bundeswehroffizieren gegründet, forderte, dass die Garnisonkirche rein
kirchlich genutzt und der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. dort
wieder bestattet werden sollte. Die evangelische Kirche hingegen will dort
ein internationales Versöhnungszentrum errichten, in dem politische Themen
eine wichtige Rolle spielen. TPG-Chef Klaar hatte dem entgegengehalten, dass
er in der Kirche Kirchenasyle, Beratung für Kriegsdienstverweigerer oder
Homosexuellentrauungen nicht tolerieren könne.
Die neue Stiftung hofft nun darauf, dass ein großer Teil der Spender ihre
Gelder von der TPG zurückfordern. Das sei möglich, da die Spenden
zweckgebunden gewesen seien, hieß es in Potsdamer Regierungskreisen. Viele
würden dann wohl das Geld der neuen Stiftung zukommen lassen. Denn sonst
müssten sie die Beträge nachträglich versteuern.
Die Garnisonkirche war 1732 als Kirche für das Potsdamer Militär eingeweiht
worden. Die Nationalsozialisten inszenierten hier im März 1933 den Tag von
Potsdam: Reichspräsident Paul von Hindenburg empfing den neuen Reichskanzler
Adolf Hitler vor der Kirche. Dies sollte nach der Regie von
NS-Propagandaminister Joseph Goebbels den Schulterschluss von Preußentum und
Nationalsozialismus symbolisieren. Im Krieg wurde die Kirche dann stark
beschädigt. 1968 ließen die DDR-Oberen die Kirche sprengen und errichteten
dort ein Bürogebäude in Plattenbauweise.
“Ruf aus Potsdam” für neue Garnisonkirche
Platzeck und Schönbohm werben gemeinsam
(MAZ) POTSDAM Mit einem “Ruf aus Potsdam” wollen Brandenburgs Große Koalition, die
evangelische Landeskirche und die Stadtspitze am kommenden Donnerstag in-
und ausländische Geldgeber zu Spenden für den Wiederaufbau der
Garnisonkirche animieren. Damit zeigt sich ein Ausweg aus der
zweieinhalbjährigen fruchtlosen Debatte zwischen denen, die das Geld
gesammelt haben, und denen, die das Grundstück besitzen.
Die geplante “Stiftung Garnisonkirche Potsdam” könnte den eigentlichen
Initiator des Projektes ausbooten: die Traditionsgemeinschaft Potsdamer
Glockenspiel (TPG). Der im Jahr 1984 im westdeutschen Iserlohn von Soldaten
gegründete konservative Traditionsverein mit seinem Vorsitzenden Max Klaar
hatte Jahre vor der Wende im Glauben an die deutsche Einheit mit seiner
Sammlung begonnen. 5,7 Millionen Euro kamen seither für die von Friedrich
Wilhelm I. 1732 geweihte Hof- und Militärkirche zusammen. Das Signal aus
Potsdam an Klaar heißt nun aber: Wir können auch ohne euch.
Dennoch soll das Tischtuch nicht zerschnitten werden. Die
Traditionsgemeinschaft sei zur Mitarbeit eingeladen, sagt der Vorsitzende
des Industrieclubs, Hans P. Reinheimer, der den Neuanfang initiiert hat.
Allerdings müsse klar sein, dass die Kirche bei dem Projekt das letzte Wort
habe. Das sei Konsens unter den Beteiligten. Bei der TPG hält man sich
weiter bedeckt. M
an prüfe das Angebot noch, hieß es gestern.
Reinheimer hat es geschafft, ein neues Schirmherren-Trio zu formieren.
Erstmals übernimmt Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) formelle
Verantwortung für das Projekt, neben ihm steht Bischof Wolfgang Huber. Die
eigentliche Überraschung ist jedoch der Seitenwechsel, mit dem sich
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dazu gesellt. Bislang hatte der
Ex-General eher die Position der Traditionsgemeinschaft bedient, der ihr
nahe stehenden Stiftung Preußisches Kulturerbe stand er bereits als
Schirmherr für den Wiederaufbau der Garnisonkirche zur Verfügung. Doch im
Herbst 2003 warf auch Schönbohm nach einem letzten Schlichtungsversuch
zwischen TPG und Kirche resigniert das Handtuch. Klaar hatte alle Gespräche
schon vorher für beendet erklärt. Es war Reinheimer, der im November
ankündigte, mit einer Aktion nach dem Vorbild der Dresdner Frauenkirche die
Chance doch noch beim Schopfe zu packen.
Tatsächlich war das politische Klima für das Projekt in Potsdam nie
günstiger. Der Kirchenkreis, der eine Rekonstruktion wegen des einstigen
Missbrauchs des Gotteshauses durch die Nationalsozialisten lange vehement
abgelehnt hatte, beschloss 2001 nach quälender interner Debatte das
Nutzungskonzept für eine City-Kirche mit internationalem Friedens- und
Versöhnungszentrum. Selbst die PDS trägt den Ansatz mit. Für den
einflussreichen Stadtfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg ist das
Versöhnungszentrum der “entscheidende Punkt”. Allerdings sei er “wegen der
völlig anderen Vorzeichen skeptisch, dass die Fixierung auf die
Garnisonkirche so gelingt, wie bei der Frauenkirche”, sagte Scharfenberg.
Die Traditionsgemeinschaft lehnt die Pläne der evangelischen Kirche ab.
Klaar sieht darin die göttliche Verheißung dem Zeitgeist geopfert. In einem
Schenkungsvertrag wollte er die Spendenübergabe konditionieren: kein
Kirchenasyl, keine Segnung homosexueller Paare, keine feministische
Theologie, keine Beratung von Wehrdienstverweigerern. Die Kirche lehnte das
Ultimatum strikt ab und sah von Anfang an sowohl Platzeck als auch den
Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs auf ihrer Seite. Man könne der
Kirche nicht vorschreiben, was Kirche sei, hieß es.
Für die Rekonstruktion des barocken Sakralbaus werden laut Reinheimer 40 bis
50 Millionen Euro benötigt.