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Nur ein Vorfall?

Oster­mon­tag war es bere­its in den Medi­en zu hören und zu lesen: Ein weiterer
ras­sis­tis­ch­er Über­griff, mit­ten in Pots­dam, ihres Zeichens Landeshauptstadt
bran­den­bur­gis­ch­er Tol­er­anz. Verübt auf einen Men­schen, der den Tätern ganz
offen­sichtlich nicht in ihr Welt­bild passte. Eine harte Verurteilung traf
augen­blick­lich die Angreifer; fast schien es, als wolle die gesamte Zivilbevölkerung
in den offe­nen Wider­stand gegen jede Form von Aus­gren­zung und Alltagsrassismus
gehen, wo immer sie ihn zu erken­nen glaubte. 

Die Ernüchterung fol­gte schnell. Nicht nur, dass jede noch so Gewis­sen reinigende
Empörung ein­mal mehr erst nach dem eigentlichen Über­griff kam, melde­ten die ersten
reflek­tierten Köpfe Bedenken an: Eine pauschale Verurteilung der Täter dürfe nicht
erfol­gen, eine klare ras­sis­tis­che Moti­va­tion wäre trotz dementsprechender
Belei­di­gung des Opfers plöt­zlich abhan­den gekom­men — und kon­nte dem Opfer nicht
sog­ar ein viel zu hoher Alko­holpegel nachgewiesen wer­den? Auch tauchte in den Medien
immer wieder der Begriff eines „Deutschen äthiopis­ch­er Herkun­ft“ oder des
„Deutsch-Äthiopiers“ auf, um auch den let­zten klar zu machen, dass es sich nicht um
ein „rein“ deutsches Opfer han­dle. Spätestens hier man­i­festieren sich der blanke
Hohn und der Schlag ins Gesicht der Opfer.
Den ras­sis­tis­chen Schlägern ist egal, welchen Pass sein Opfer hat, ob es von
deutsch­er Sozial­hil­fe lebt oder eine Dok­torar­beit schreibt. Und auch die
Gesellschaft unter­schei­det höch­stens in „gute“ und „schlechte“ Aus­län­derIn­nen. Und
Men­schen mit ander­er Haut­farbe bleibt ein Weg in die Gesellschaft ver­wehrt – sie
erleben tagtäglich Diskri­m­inierung und Abwehr. Und schwarze Deutsche kom­men im
Konzept der Medi­en nicht vor. 

Das flugs her­bei­hal­luzinierte „Einzelfall-Phänomen“ macht eines überdeutlich:
Ras­sis­mus, Aus­gren­zung und Diskri­m­inierung haben Tra­di­tion, sei es durch seit Jahren
ansteigende Zahlen so genan­nter Einzelfälle, also gewalt­tätige Über­griffe durch
Deutsche „deutsch­er Herkun­ft“, oder sys­tem­a­tis­che Abschiebung von Flüchtlin­gen in
ihre jew­eilige „Heimat“.
Dabei ist der Ras­sis­mus, den die Öffentlichkeit so vehe­ment totzuschweigen oder zu
bestre­it­en sucht, all­ge­gen­wär­tig. Die wohl „pop­ulärste“ Spielart zeigt sich dabei
eben in jenen Über­grif­f­en auf Nicht(genug)deutsche, die allerd­ings nur die Spitze
des Eis­berges darstellen. Zu den Kreisen der TäterIn­nen zählen auch bei weit­em nicht
mehr nur jene klis­chee­be­hafteten kahlköp­fi­gen Per­so­n­enkreise mit ein­er Affinität zu
Base­ball­spie­len mit Köpfen fremder Leute. Vielmehr ist der Ras­sis­mus ist allen
Gesellschaftss­chicht­en angekom­men und damit auch die gewalt­tätige Umsetzung. 

Ver­suche und immer wieder gern wieder­holte Ver­sprechen seit­ens der Poli­tik den
gewalt­samen Auswüch­sen des Ras­sis­mus’ effek­tiv etwas ent­ge­gen­zuset­zen, scheitern
kläglich. [..] Denn Parolen wie „Arbeit zuerst für Deutsche“ oder das altbekannte
Lied von willkomme­nen „nüt­zlichen Aus­län­dern“ sind längst nicht mehr allein Kreisen
wie NPD oder DVU zuzuord­nen, vielmehr sind sie auch bei den „großen“ Parteien wie
der CDU und SPD angekom­men. Die Parolen der „etablierten“ Poli­tik­erIn­nen sind nur
noch Wass­er auf die Mühlen der TäterInnen. 

Die Außen- und Asylpoli­tik spricht Bände. Jährlich wird von
Men­schen­recht­sor­gan­i­sa­tio­nen die Zahl der Abschiebun­gen allein aus Deutsch­land auf
rund 50000 geschätzt. Die Prob­lematik liegt im gesellschaftliche Sys­tem begründet,
die sys­tem­a­tis­che Abschiebung und „Abwehr“ von Flüchtlin­gen set­zt sich fort. Wenn
die Zahl der an deutschen Gren­zen Umgekomme­nen sinkt, liegt dies wohl kaum an der
plöt­zlichen Human­ität deutsch­er Behör­den wie der Bun­de­spolizei, son­dern wohl eher an
der verbesserten Effizienz der Flüchtlings­bekämp­fung an den Gren­zen der Festung
Europa. Mit der Poli­tik der “Regionalen Immi­gra­tionsnet­zw­erke” wer­den “Deutsche
Inter­essen” auch in Nord-Afri­ka gesichert. 

Inner­halb des kap­i­tal­is­tis­chen Sys­tems ist eine men­schen­würdi­ge Behand­lung von
Flüchtlin­gen offen­sichtlich nicht möglich. In der Logik von Gren­zen, Prof­iten und
Konkur­ren­z­denken ist kein Platz für Men­schen, die sich dieser Sys­tem­atik nicht
anpassen kön­nen oder wollen. Daher muss der Kampf gegen den Ras­sis­mus auch
gle­ichzeit­ig der Kampf gegen ein inhu­manes Sys­tem der immer­währen­den Aus­beu­tung und
der weltweit­en Logik des Kap­i­tals und der Nation­al­staatlichkeit sein. Nur durch die
Über­win­dung dieser Prinzip­i­en ist eine Alter­na­tive zum Kap­i­tal­is­mus denkbar.
Kampf dem Ras­sis­mus bedeutet Kampf dem System! 

Fight racism – smash capitalism!

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Wie eine Prügelei in Potsdam zum Politikum wurde


Ermyas M.s Schick­sal stieß im ver­gan­genen Früh­jahr, kurz vor der Fußball-WM, eine hitzige poli­tis­che Debat­te um No-go-Areas und Ras­sis­mus an

BERLIN taz Während der 38-jährige Fam­i­lien­vater Ermyas M. im April 2006 mit schw­er­sten Gehirn­ver­let­zun­gen im kün­stlichen Koma lag und um sein Leben rang, wurde sein Schick­sal zum Poli­tikum. Die Repub­lik fieberte der Fußball-Welt­meis­ter­schaft ent­ge­gen — Mot­to: “Die Welt zu Gast bei Fre­un­den”. Und den WM-Organ­isatoren dro­hte wegen des Angriffs auf Ermyas M. ein PR-Desaster. In Pots­dam gin­gen mehrere tausend Men­schen gegen Frem­den­hass und Gewalt auf die Straße. Ober­bürg­er­meis­ter Jann Jakobs sprach von einem “Angriff auf das Lebens­ge­fühl aller Potsdamer”. 

Der dama­lige Gen­er­al­bun­de­san­walt Kay Nehm stritt sich öffentlich mit Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU). Nehm hat­te wegen des ver­muteten ras­sis­tis­chen Hin­ter­grunds die Ermit­tlun­gen an sich gezo­gen. Schön­bohm warf ihm vor, er habe “über­zo­gen”. Bun­desin­nen­min­is­ter Wolf­gang Schäu­ble (CDU) sagte: “Es wer­den auch blonde blauäugige Men­schen Opfer von Gewalt­tat­en, zum Teil sog­ar von Tätern, die möglicher­weise nicht die deutsche Staat­sange­hörigkeit haben. Das ist auch nicht besser.” 

SPD-Gen­er­alsekretär Huber­tus Heil warf Schäu­ble vor, er ver­harm­lose “solch aggres­siv­en Ras­sis­mus zumin­d­est fahrläs­sig”. Exregierungssprech­er Uwe-Karsten Heye warnte: “Es gibt kleine und mit­tlere Städte in Bran­den­burg und ander­swo, wo ich keinem, der eine andere Haut­farbe hat, rat­en würde, hinzuge­hen. Er würde sie möglicher­weise lebend nicht mehr ver­lassen.” Es fol­gte eine heftige Debat­te um No-go-Areas im Osten. Ende Mai musste Nehm den Fall an die Pots­damer Ermit­tler zurück­geben. Seine These von einem frem­den­feindlichen Mord­ver­such war nicht zu halten. 

Ermyas M. äußerte sich im Stern später kri­tisch zu dem Medi­en­rum­mel um die Tat. Natür­lich sei es gut, dass Men­schen gegen Ras­sis­mus auf die Straße gin­gen. Er wolle jedoch nicht in die Rolle als “leben­der Beweis für Frem­den­feindlichkeit” gedrängt wer­den. Gesund­heitlich gehe es ihm inzwis­chen wieder ziem­lich gut, berichtete M. vor eini­gen Monat­en. Er könne sog­ar schon wieder mit seinen Kindern Fußball spie­len: “Nur mit Kopf­bällen lasse ich mir noch Zeit.” AGX

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Jenseits der Schlagzeilen

Drei Män­ner tre­f­fen sich zufäl­lig an ein­er Hal­testelle. Es ist Nacht. Man hat getrunk­en. Man pöbelt sich an. Man provoziert sich. Ein­er holt aus und schlägt zu. Ein ander­er bleibt liegen. Schw­er verletzt. 

Ein Fall wie viele. Nichts Ungewöhn­lich­es. Kein Aufreger. Nichts für die Zeitung. Es sei denn der Täter ist Neon­azi, das Opfer Schwarz­er, der Tatort Ost­deutsch­land. Dann ist es ein Skandal. 

Deutsch­land hat wieder einen beson­ders bru­tal­en Fall von Aus­län­der­feindlichkeit, als am frühen Oster­son­ntag 2006 der Deutsch-Äthiopi­er Ermyas M. in ein Pots­damer Kranken­haus ein­geliefert wird. Die Augen­höh­len­wand des 37-Jähri­gen ist nach einem hefti­gen Schlag zertrüm­mert, um ihn zu ret­ten, wird er von Ärzten in ein kün­stlich­es Koma ver­set­zt. Ob er je wieder ganz gesund wer­den kann, ist zu diesem Zeit­punkt unklar. 

Von “ver­suchtem Mord” spricht tags darauf — als bun­desweit die Empörungs­mas­chine anläuft — die Pots­damer Polizei. “Abscheulich, men­schen­ver­ach­t­end”, schnaubt Bun­deskan­z­lerin Angela Merkel. Gen­er­al­bun­de­san­walt Kay Nehm zögert nicht, die Ermit­tlun­gen an sich zu reißen. Von einem “Mord­ver­such aus frem­den­feindlichen Motiv­en” spricht auch er, geeignet, die innere Sicher­heit des Lan­des zu gefährden. Für Innen­min­is­ter Wolf­gang Schäu­ble ste­ht fest: Das war ein “frem­den­feindlich­er Exzess”. Nur: War es das wirklich? 

Vom heuti­gen Mittwoch an wird die 4. Große Strafkam­mer des Landgerichts Pots­dam ver­suchen, Licht ins Dunkel des Falls Ermyas M. zu brin­gen. Man darf orakeln: Ein­fach wird das nicht. 17 Prozesstage wur­den im Bran­den­bur­gis­chen ange­set­zt, 24 Seit­en umfasst die Anklageschrift gegen Björn L. und Thomas M. Von Mord­ver­such freilich ist darin keine Rede mehr, von frem­den­feindlichen Motiv­en eben­so wenig. Es geht nur noch um gefährliche Kör­per­ver­let­zung und unter­lassene Hil­feleis­tung. Nur noch? Wie es aussieht, wer­den die drei Richter und ihre Schöf­fen nicht nur über zwei Angeklagte zu befind­en haben — wie es aussieht, wer­den sie sich auch ein Urteil über Vorurteile bilden müssen. 

Fol­gt man der Staat­san­waltschaft, dann war es nicht dumpfer Ras­sis­mus, der sich vor zehn Monat­en in der Pots­damer Innen­stadt Bahn brach. Dann kam es dort nur zu ein­er Rangelei — mit fatal­en Fol­gen. Es gibt einen Handy-Mitschnitt von der nächtlichen Szene, er stammt vom Mobil­tele­fon des Opfers und ist etwa 80 Sekun­den lang. Ihm vor allem haben es die Ermit­tler zu ver­danken, dass sie den Tather­gang einiger­maßen genau rekon­stru­ieren konnten. 

Dem­nach traf Ermyas M. um vier Uhr mor­gens an der Straßen­bahn-Hal­testelle Char­lot­ten­hof auf Björn L. und Thomas M. und rief ihnen zu: “Geht mal anders rum, Mann!” Außer­dem ist das Wort “Schweine­sau” zu hören. Ver­mut­lich aus seinem Mund. Eine hohe Stimme antwortet: “Hey, Nig­ger!”, eine dun­klere: “Hey Nig­ger, wie bitte?” M., so glauben die Ermit­tler, sei daraufhin hin­ter den bei­den Män­nern herge­laufen und habe ver­sucht, Björn L. zu treten. Der jedoch habe sich umge­dreht und M. mit einem einzi­gen, hefti­gen Schlag zu Boden gestreckt. 

All das weiß noch nie­mand, als einen Tag später in deutschen Redak­tion­sstuben an grif­fi­gen Schlagzeilen gebastelt wird. Es passt alles zu gut zusam­men: Ein halb tot geprügel­ter Schwarz­er, ein Tax­i­fahrer, der zwei Kurzgeschorene am Tatort gese­hen hat, Pots­dam, eine Hochburg brauner Kam­er­aden — die Sache scheint ein­deutig. Wenige Wochen bevor die Welt zu Gast bei Fre­un­den ist, ein solch­er Gewal­texzess von Neon­azis: Deutsch­land ist empört. Ein Gefühl, das noch gesteigert wird durch Bun­de­san­walt Nehm, der die bei­den Tatverdächti­gen vor laufend­en Kam­eras mit ver­bun­de­nen Augen im Hub­schrauber abtrans­portieren lässt. Als Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) das als “über­zo­gen” kri­tisiert, sieht er sich post­wen­dend Rück­tritts­forderun­gen gegenüber. 

Erst als Nehm drei Wochen später die Zuständigkeit wieder abgegeben hat und erst als Einzel­heit­en über die fatale Nacht von Pots­dam nach außen sick­ern, scheint auch eini­gen Amts- und Wür­den­trägern zu däm­mern, dass sich die Real­ität wom­öglich doch nicht so braun-weiß zeich­nen lässt. “Doch kein recht­sradikaler Hin­ter­grund?”, titelt fast schon ent­täuscht Bild am Son­ntag. Andere machen sich gar nicht erst die Mühe, ein Frageze­ichen zu set­zen und nehmen sich nun plöt­zlich Ermyas M. vor, als habe der seine tödliche Ver­let­zung nur gespielt. Ist es nicht so, dass der Dok­torand mit den Rastalock­en in jen­er Nacht zwei Promille im Blut hat­te? Hat­te er zuvor nicht Stunk gemacht in der Dis­co “Art Spe­ich­er”? Und war er nicht schon einem Bus­fahrer laut­stark pöbel­nd aufge­fall­en? Lebt der Mann, der über Wochen stets als char­mant, intel­li­gent und san­ft­mütig skizziert wor­den war, nicht auch getren­nt von sein­er Frau? 

Was ist Dich­tung? Was Wahrheit? Es wird nicht ein­fach sein für das Landgericht Pots­dam, diesen Fall, der schon zahllose Male öffentlich ver­han­delt wurde, unvor­ein­genom­men aufzulösen. Matthias Schön­burg, der Anwalt des Angeklagten Björn L., spricht von einem Ver­fahren, das längst schon “poli­tis­che Dimen­sio­nen” angenom­men habe. Ver­mut­lich ist das untertrieben. 

Rel­a­tiv unstrit­tig ist, dass es tat­säch­lich L. und sein Kumpane Thomas M. waren, die in jen­er Nacht auf Ermyas M. trafen. Bei­de behaupten zwar, zum fraglichen Zeit­punkt zu Hause gewe­sen zu sein. Die Gegen­be­weise aber sind fast erdrück­end: Vom 31-jähri­gen Thomas M. wur­den auf Flaschen­scher­ben am Tatort DNA-Spuren gefun­den. Dem mut­maßlichen Haupt­täter Björn L. (29) dage­gen dürfte seine Fis­tel­stimme zum Ver­häng­nis wer­den, die ihm den Spitz­na­men “Pieps” einge­bracht hat. Nach einem Abgle­ich mit der fast weib­lich klin­gen­den Stimme auf Ermyas M.s Handy ist sich die Polizei sich­er: Er war’s. Zudem soll L. einem Mithäftling in Unter­suchung­shaft gesagt haben: “Hätte ich mal richtig zugetreten.”

Aber schon bei der Frage, ob es sich bei den bei­den um Recht­sex­trem­is­ten han­delt, ist es mit der Sicher­heit vor­bei. “Die hat­ten wir nicht auf dem Schirm”, heißt es beim Pots­damer Ver­fas­sungss­chutz. In Pots­dam selb­st dage­gen gibt es nicht wenige, die behaupten, L. und M. gehörten “seit Jahren” zur Neon­azi-Szene. Noch so ein Fragezeichen. 

Vieles in diesem Prozess wird abhän­gen von der Aus­sage des inzwis­chen 38-jähri­gen Ermyas M., der auch als Neben­kläger auftritt. Er hat sich erholt von sein­er schw­eren Ver­let­zung, aber nach 13 Tagen im Koma noch immer Gedächt­nis­lück­en. Zweimal ist er bis­lang öffentlich in Erschei­n­ung getreten, dem Stern hat er mit sein­er Frau ein länglich­es Inter­view gegeben, und im Fernse­hen bei Gün­ther Jauch war er ein­er der “Men­schen 2006”. Er hat ein biss­chen gere­det in bei­den Fällen, aber nicht wirk­lich viel gesagt, um keine “unnöti­gen Angriffs­flächen” zu bieten. All jenen, die in ihm nun “eine Art Aushängeschild” sehen, einen “leben­den Beweis für Frem­den­feindlichkeit”, hat er mit­gegeben: “Diese Rolle möchte ich nicht annehmen.” 

Was weiß Ermyas M. noch von der Nacht des 16. April 2006? Und was wird er davon dem Landgericht erzählen? Der Mann, der auf so bru­tale Weise berühmt wurde, hat das Recht zu schweigen, sollte er sich selb­st belas­ten. Man wird genau hin­hören, nicht nur im Gerichtssaal. Erst ganz am Ende jedoch wird man in der Lage sein, sich ein endgültiges Urteil über diesen denkwürdi­gen Fall zu bilden. Es wird, so viel ist jet­zt schon klar, nicht jedem gefallen.

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Notlösung Anstalt: Uwe K. eingewiesen


Was tun mit dem ent­lasse­nen Sex­u­altäter? Bran­den­burg psy­chi­a­trisiert ihn kurz­er­hand — ein umstrit­ten­er Weg

BERLIN Die Stadt Brandenburg/Havel hat beantragt, den jüngst ent­lasse­nen Sex­u­altäter Uwe K. in einem psy­chi­a­trischen Kranken­haus unterzubrin­gen. Am Mon­tag wurde von Amt­sarzt Uwe Peters der entsprechende Antrag gestellt. Das örtliche Amts­gericht gab gestern dem Antrag statt. Der Mann war bere­its am Mon­tag in eine Klinik gebracht worden. 

Der Fall ist brisant, weil Uwe K. ver­mut­lich gar nicht psy­chisch krank ist. Uwe K. hat­te von 1992 bis 1995 neun Mäd­chen verge­waltigt. Er lebte in Falkensee in sozial schwieri­gen Ver­hält­nis­sen, die Mäd­chen aus der Nach­barschaft kamen frei­willig zu ihm, weil er sich um sie küm­merte. Er miss­brauchte ihr Ver­trauen. Das Landgericht Pots­dam verurteilte K. zunächst zu 14 Jahren Haft plus anschließen­der Sicherungsver­wahrung. Der Bun­des­gericht­shof bean­standete dies aber, weil es in den neuen Län­dern bis 1995 keine Sicherungsver­wahrung gab. 

Da es in der Haft keine neuen gravieren­den Vor­fälle gab, kon­nte auch keine nachträgliche Sicherungsver­wahrung beantragt wer­den. Die Bran­den­burg­er Lan­desregierung forderte deshalb vom Bund eine Geset­zesän­derung, um “Alt­fälle” wie K. nicht ent­lassen zu müssen. Immer­hin hat­ten zwei Gutachter bei K. “unver­min­dert fortbeste­hende Gefährlichkeit” attestiert. Auch der Bran­den­burg­er Gen­er­al­staat­san­walt Erar­do Raut­en­berg beze­ich­nete K. als tick­ende Zeitbombe. 

Am 25. Jan­u­ar wurde K. aus der Haft ent­lassen, einige Tage früher, als die Lan­desregierung dachte, weil ihm — wie vie­len Häftlin­gen — die zeitweise rechtswidrig schlechte Bezahlung für Knas­tar­beit straf­min­dernd angerech­net wurde. Das hat­te die Staat­san­waltschaft der Lan­desregierung aber nicht mitgeteilt. 

K. war nach Darstel­lung des Pots­damer Jus­tizmin­is­teri­ums wie vorge­se­hen in ein betreutes Wohn­heim für ent­lassene Strafge­fan­gene einge­zo­gen. Dort wollte man auch ver­hin­dern, dass er wieder soziale Kon­tak­te zu jun­gen Mäd­chen aufn­immt. Zudem wurde ihm eine Ther­a­pie aufgegeben, er musste Schul­höfe und Kindergärten meiden. 

Doch weil die Aufre­gung um seinen Fall plöt­zlich so groß war, wurde K. Ende let­zter Woche von der Polizei mit Bil­li­gung des Amts­gerichts in Vor­beuge­haft genom­men, um eine “Gefährdungs­analyse” zu erstellen. Und das, obwohl fast alles nach Plan gelaufen ist — bis auf die Kom­mu­nika­tion­spanne über den Ent­las­sung­ster­min, für die K. nichts konnte. 

Da die Vor­beuge­haft max­i­mal vier Tage dauern darf, wäre K. gestern ent­lassen wor­den. Doch am Mon­tag zauberte die Bran­den­burg­er Stadtver­wal­tung plöt­zlich die Idee aus dem Hut, K. in die Psy­chi­a­trie zu steck­en. Nach dem Bran­den­burg­er Psy­chisch-Kranken-Gesetz ist dies jedoch nur möglich, wenn K. durch “krankheits­be­d­ingtes Ver­hal­ten” eine Gefahr für sich oder andere darstellt. Die bloße Gefährlichkeit genügt also nicht, sie muss krankhafte Ursachen haben. Doch von ein­er psy­chis­chen Erkrankung des Häftlings war bish­er nie die Rede gewe­sen. Son­st hätte man ihn ja auch erst gar nicht ent­lassen. Amt­sarzt Uwe Peters hat­te vor seinem über­raschen­den Antrag am Mon­tag mit K. gesprochen und die bish­eri­gen Gutacht­en zu Rate gezogen.

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Kommentar: Vom Täter zum Politikum

Dass Men­schen, die nicht psy­chisch krank sind, in die Psy­chi­a­trie gesteckt wer­den, ist typ­isch für Dik­taturen aller Art. Eine solche Zwangspsy­chi­a­trisierung haben nun aber auch die Behör­den in Brandenburg/Havel ver­sucht. Weil gegen den jüngst aus dem Gefäng­nis ent­lasse­nen Sex­u­altäter Uwe K. aus rechtlichen Grün­den keine Sicherungsver­wahrung ver­hängt wer­den kon­nte, sollte er zwangsweise in einem psy­chi­a­trischen Lan­deskranken­haus unterge­bracht wer­den — und das nur, um auf eine selb­st geschaf­fene Medi­en­hys­terie eine zupack­ende Antwort zu liefern. So etwas macht aus Bran­den­burg zwar keine Dik­tatur, zeich­net die Stadt aber als Ort min­deren Rechts­be­wusst­seins aus. 

Der Fall ist frap­pierend, weil bei K. nie von ein­er psy­chis­chen Krankheit die Rede war, wed­er bei sein­er Verurteilung noch während der Haft und auch nicht bei sein­er Ent­las­sung. K. hat­te nur das Pech, ein Poli­tikum zu sein. Weil er mehrere Mäd­chen verge­waltigte, als es in Bran­den­burg noch keine Sicherungsver­wahrung gab, musste er nach Ver­büßung der Strafe aus der Haft ent­lassen wer­den. Der Pots­damer Innense­n­a­tor machte dafür die Bun­desjus­tizmin­is­terin per­sön­lich ver­ant­wortlich, weil sie die Geset­zes­lücke nicht rechtzeit­ig schloss. In dieser Auseinan­der­set­zung wurde aus Uwe K. plöt­zlich eine “tick­ende Zeit­bombe”, obwohl K. ein rel­a­tiv leicht kon­trol­lier­bar­er Beziehungstäter ist, der sich nie wahl­los an frem­den Opfern verging. 

K. hätte also nicht ein­mal eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung benötigt, wie sie derzeit dem wohl deut­lich gefährlicheren Quedlin­burg­er Frauen­mörder Frank O. zuteil wird. Bei Uwe K. hät­ten eine strenge Führungsauf­sicht und ein wach­samer Bewährung­shelfer ver­mut­lich genügt. 

Doch als der Boule­vard das The­ma ent­deckt hat­te, gab es kein Hal­ten mehr. Zunächst wurde K. vier Tage in Vor­beuge­haft genom­men, obwohl keine akute Gefahr vor­lag. Dann beantragte der Amt­sarzt die Unter­bringung in der Psy­chi­a­trie, weil es die kurzfristig einzige real­isier­bare drastisch klin­gende Maß­nahme war. Wer Hys­terie sät, muss pop­ulis­tisch han­deln. Das zeigt das Beispiel von Brandenburg.

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Mehr Hilfe für Migranten

Innen­stadt — Um etwa Spä­taussiedlern aus Rus­s­land ihr neues Leben in Pots­dam zu erle­ichtern, hat das Diakonis­che Werk Pots­dam e.V. eine neue Beratungsstelle ein­gerichtet. Die so genan­nte Migra­tionser­st­ber­atung befind­et sich ab sofort im Raum 329 des Büro­haus­es in der Schloßs­traße 1. „Sie richtet sich an alle erwach­se­nen Zuwan­der­er in Pots­dam, die einen gesicherten Bleibesta­tus besitzen“, sagte gestern Fred­erik Beier bei einem Pressege­spräch. Der 28-Jährige wird die Beratung übernehmen. 

Die Zahl sein­er poten­tiellen Kun­den kann Beier dabei nur schätzen: Er gehe von rund 350 Zuwan­der­ern in Pots­dam pro Jahr aus. „Zuwan­der­er mit deutschem Pass lassen sich schlecht sta­tis­tisch erfassen“, begrün­det Beier die Wis­senslücke. Allerd­ings ist der Ser­vice der Diakonie in Pots­dam nicht einzi­gar­tig: Der Bund der Ver­triebe­nen betreibt ein ganz ähn­lich angelegtes Büro in sein­er Lan­deszen­trale in der Straße Zum Kahle­berg 4 in der Wald­stadt II

Die Auf­gaben solch­er Info-Stellen liegt in der prak­tis­chen All­t­agshil­fe. „Es geht um die Ver­mit­tlung von Sprachkursen, um den möglichen Nachzug von Fam­i­lien­ange­höri­gen oder um die Anerken­nung von aus­ländis­chen Bil­dungsab­schlüssen“, erk­lärt Beier. Den Vorteil für sein Büro sieht er in dessen zen­traler Lage in der Innen­stadt und die im sel­ben Haus ansäs­sige Flüchtlings­ber­atung der Diakonie. „Früher haben wir Men­schen, die irgend­wann die feste Aufen­thalt­ser­laub­nis in Pots­dam erhal­ten haben, auch weit­er­hin berat­en müssen – nun kön­nen wir sie ein­fach an das neue Büro ein Stock­w­erk tiefer ver­weisen“, sagte Andrea Ver­gara Marin von der Flüchtlings­ber­atung. Eben­so in dem Büro­ge­bäude unterge­bracht ist der Jugend­mi­gra­tions­di­enst des Inter­na­tionalen Bun­des, dessen Ange­bote für junge Leute bis zu 27 Jahren aus­gerichtet sind. 

Die Ein­rich­tung der neuen Anlauf­stelle für Migranten ist Teil der Umset­zung des Zuwan­derungs­ge­set­zes, dass 2005 in Kraft getreten ist. Deshalb unter­stützt das zuständi­ge Bun­desmin­is­teri­um die Diakonie mit rund 27 000 Euro pro Jahr, um die Stelle von Fred­erik Beier zu finanzieren. Hen­ri Kramer 

Die Migra­tionser­st­ber­atung in der Schloßs­traße 1 hat Dien­stag von 14.30 bis 19 Uhr sowie Don­ner­stag von 9 bis 12 und von 13 bis 16 Uhr geöffnet. Zudem lassen sich unter Tel.: (0331) 200 77 940 Ter­mine vereinbaren.

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Dreiste Schmiererei an der Schule

Falkensee (Havel­land) Ein etwa 50 Quadrat­meter großes Graf­fi­ti war am Mon­tag­mor­gen an der Fas­sade ein­er Schule in Falkensee kaum zu überse­hen. Mit rot­er und schwarz­er Farbe hat­ten die Täter unter anderem „Arbeit macht wieder Arbeit“ an die Schul­wand geschmiert. Der Haus­meis­ter hat­te die Sachbeschädi­gung als Erster ent­deckt, ger­ade zwei Tage zuvor war die Wand neu gestrichen worden. 

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Demonstration gegen “Rechts” verlief störungsfrei

Die am Sam­stag in der Zeit von 15.00 Uhr bis 16.45 Uhr in Oranien­burg stattge­fun­dene Demon­stra­tion gegen „Rechts“ ver­lief störungs­frei. Zu der Demon­stra­tion hat­ten Schüler und Schü­lerin­nen des Oranien­burg­er Luise-Hen­ri­et­ten-Gym­na­si­um unter dem Mot­to „Weg mit dem Braunen Dreck“ aufgerufen. Vom Aus- und gle­ichzeit­ig End­punkt der Demon­stra­tion am Runge-Gym­na­si­um/Bahn­hofsvor­platz, zogen die etwa 50 Teil­nehmer über die Stralsunder‑, Bernauer‑, Berliner‑, Breite‑, Havel‑, Berlin­er- Lehnitz- und Willy-Brandt-Straße wieder zurück zum Aus­gangspunkt, wo eine Abschlusskundge­bung gehal­ten wurde. Während des gesamten Zeitraums des Aufzuges reg­istri­erten die Ein­satzkräfte der Polizei keine Zwis­chen­fälle. Im Stadt­ge­bi­et Oranien­burg kam es zu leichteren Verkehrsbehinderungen. 

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Von Vermummten überfallen

Zwei junge Män­ner sind Son­ntag früh vor dem Pots­damer Haupt­bahn­hof von ein­er Gruppe von Ver­mummten ange­grif­f­en und ver­let­zt wor­den. Die bei­den, von denen ein­er derzeit bei der Bun­deswehr in Berlin dient, standen mit ein­er Fre­undin an ein­er Bushal­testelle. Während der Unter­hal­tung näherte sich vom Bahn­hof­s­ge­bäude eine Gruppe von sechs ver­mummten Män­nern. Die augen­schein­lich der linken Szene zuge­höri­gen jun­gen Män­ner attack­ierten den Sol­dat­en und schlu­gen ihn auf den Hin­terkopf, so dass er zu Boden ging. Sie grif­f­en auch dessen Fre­und an. Bei­den wurde Pfef­fer­spray ins Gesicht gesprüht. Bere­its am Boden liegend, trat­en die unbekan­nten Täter auf den Mann ein und beschimpften ihn mit den Worten „Scheiß Nazi“. Dabei erlitt er eine Platzwunde. Die Ermit­tlun­gen zu den unbekan­nten Tätern und zum Motiv der Kör­per­ver­let­zung dauern an. Es liegen keine Anhalt­spunk­te vor, dass es sich bei den Opfern um Ange­hörige der recht­en Szene handelt. 

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Unbekannte stießen jüdischen Gedenkstein um

Straus­berg — Am Son­ntag in der Tatzeit von 16:00 Uhr bis 22:45 Uhr stießen unbekan­nte Täter auf dem jüdis­chen Fried­hof in der Straus­berg­er Karl-Liebknecht-Straße einen Gedenkstein (Beton­plat­te mit Relief) um, welch­er mit einem Hak­en an der Fried­hof­s­mauer gegen ein Umfall­en gesichert war. Bere­its am Tag zuvor nah­men Polizeibeamte dort eine Anzeige wegen Störung der Toten­ruhe auf. Auch in diesem Fall hat­ten die Täter bei einem weit­eren Gedenkstein den Hak­en gelöst, so dass dieser zu Boden fiel. 

Die Gedenksteine kon­nten ohne Beschädi­gun­gen wieder aufgestellt werden.

Die Ermit­tlun­gen dauern an. 

Inforiot