POTSDAM. Es ist Girl´s Day. Überaus entspannt steht Dagmar Ziegler an der Sternwarte des Astrophysikalischen Instituts in Babelsberg. Die Brandenburger Arbeits- und Sozialministerin freut sich an diesem Donnerstagmorgen über die vielen Mädchen und jungen Frauen, die hier ihre Berufschancen erkunden wollen. Und sie freut sich über ihren eigenen Coup. Zieglers Ankündigung, das Ministeramt aufzugeben, hat viele überrascht. Und die Warnung der SPD-Politikerin vor Rot-Rot hat in der Potsdamer Politik ein kleines Beben ausgelöst.
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Das Zitat ist gesetzt: “Ich kann mir nicht vorstellen, mit Politikern am Kabinettstisch zu sitzen, die einst für die Stasi als IM gearbeitet haben.” Auch wenn Dagmar Ziegler im Nachhinein relativiert, die Bedenken gegen Rot-Rot seien für sie kein zentraler Grund für den 2009 geplanten Wechsel in den Bundestag. Auch wenn sie sagt, sie habe die Koalitionsdebatte nicht anheizen wollen. Sie sagt auch: “Ich will mich noch im Spiegel angucken können.” Das verleiht ihrem Abgang einen besonderen Gestus.
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Die heute 47-Jährige wurde schon 1990 SPD-Mitglied. Den merkwürdigen Knick in ihrer Vita, als sie 1987 von der Staatsbank der DDR in Leipzig auf den Posten der Ökonomin bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in Lenzen in der Prignitzer Provinz wechselt, begründete Ziegler immer politisch: Sie habe nicht in die SED eintreten wollen. Deswegen habe sie in der Staatsbank keine Zukunft mehr für sich gesehen.
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Später, als Landtagsabgeordnete, erst Finanz‑, dann Sozialministerin in Potsdam, war Dagmar Ziegler nicht eindeutig zu verorten. Weder fachpolitisch noch als Mahnerin gegen einen allzu kuscheligen Umgang mit der Linken. Aus der SPD-Landtagsfraktion wird all die Jahre über Zieglers mangelndes Profil, aber auch über ihre Empfindlichkeit geklagt. Sie gilt als sehr schnell beleidigt und überaus misstrauisch. Positiv besetzte Themen wie das erfolgreiche Netzwerk für Gesunde Kinder oder das Bemühen, dem Ärztemangel mit dem Modell Gemeindeschwester zu begegnen, werden eher Ministerpräsident Matthias Platzeck oder Fraktionschef Günter Baaske, Zieglers Amtsvorgänger, zugeschrieben.
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Und auch mit der CDU, besonders mit deren damaligem Chef Jörg Schönbohm, legte sich die groß gewachsene, schlanke Frau schon heftig an. Intern beschimpfte sie Schönbohm einmal als “kranken, alten Mann”. Zerwürfnisse haben bei Dagmar Ziegler meist persönliche Gründe.
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In der CDU jedenfalls hat das anderthalb Jahre vor den Bundes- und Landtagswahlen gesetzte Thema der Noch-Sozialministerin ganz viele neue Freunde beschert. Niemand redet dort über ihre Arbeitsbilanz. “Respekt” habe er vor ihrer Haltung, betont Generalsekretär Rolf Hilke und fordert von Regierungschef Matthias Platzeck Klarstellungen zu Rot-Rot.
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Die Linke ist vom frühen Ausbruch der IM-Debatte überrumpelt. Die führenden Köpfe der Partei, Fraktionschefin Kerstin Kaiser und Parteichef Thomas Nord, waren der DDR-Staatssicherheit als informelle Mitarbeiter zu Diensten. Sie sind damit offen umgegangen und haben auch immer wieder ihr Bedauern bekundet. Viele Sozialdemokraten haben mit ihrer Vita dennoch ein Problem. Daran ändert auch nichts, dass Platzeck unlängst die Sicht vertrat: “Wer sich 20 Jahre ernsthaft bemüht hat, unser Gemeinwesen zu gestalten und die Demokratie voranzubringen, hat ein Recht darauf, dass seine gesamte Lebensleistung gewürdigt wird.”
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Thomas Nord hält Ziegler vor, die IM-Debatte als “faule Ausrede für ihren Rückzug” zu missbrauchen. Abenteuerlich sei es, wenn führende Sozialdemokraten wie sie schon jetzt begännen, ihre Posten zu sichern. Ziegler, die ihr Amt als stellvertretende Landesvorsitzende auf dem Wahlparteitag im August abgeben will, gilt jetzt als Nummer zwei auf der SPD-Liste für den Bundestag. Gleich hinter dem Spitzenkandidaten, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
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Christian Göhrke, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, gibt einen Vorgeschmack, was im Brandenburger Wahlkampf noch bevorsteht: “Wer mit einer Blockflöte wie CDU-Chef Ulrich Junghanns am Kabinettstisch sitzt, der noch in den letzten Tagen der DDR die Mauer verteidigt hat, sollte sich zurückhalten.”