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Antifaschismus Law & Order

Gemeinsam trainieren mit Neonazis

Deshalb wende ich mich auch ganz dezi­diert gegen die Aus­gren­zung anders
ori­en­tiert­er gesellschaftlich­er Grup­pen, solange sie nicht als
ver­fas­sungs­feindlich gel­ten.“ [1] Diese Worte sprach der Präsi­dent der
Uni­ver­sität Pots­dam beim Neu­jahrsemp­fang 2018. Doch wer entschei­det an
der Uni eigentlich über Ver­fas­sungs­feindlichkeit und vor allem wie?
Am 10.01.2018 wurde der Neon­azi Tom Fis­ch­er durch die AR_P//U
(Antifaschis­tis­che Recherche_Potsdam//Umland) geoutet [2]. Fis­ch­er
studiert seit 4 Jahren Philoso­phie an der Uni­ver­sität Pots­dam und
fungiert derzeit als Kick­box­train­er beim Hochschul­sport. In dem
veröf­fentlicht­en Text wird ein­deutig gefordert, die Train­ertätigkeit von
Fis­ch­er zu been­den: „Als Train­er ist Tom Fis­ch­er im Hochschul­sport nicht
halt­bar. Aus ein­fach­sten poli­tis­chen Erwä­gun­gen und mit Rück­sicht auf
andere Studierende ist den Ver­ant­wortlichen drin­gendst nahegelegt, das
Ver­hält­nis mit Fis­ch­er umge­hend zu been­den“[2]. Doch wie reagierte die
Uni­ver­sität und der Hochschulsport?
Sie stell­ten sich bere­itwillig vor Fis­ch­er, indem sie als adäquate
Beweisquelle den Ver­fas­sungss­chutz Bran­den­burg benan­nten [3]. Genau
dieser Ver­fas­sungss­chutz, der in den let­zten Monat­en und Jahren heftig
in Kri­tik ger­at­en ist. Ein promi­nentes Beispiel sind die Verstrickungen
des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutz im NSU Kom­plex und eine
unver­ant­wortliche Zusam­me­nar­beit mit dem V‑Mann Carsten Szczepanski
(alias „Piat­to“) [4]. Der Ver­fas­sungss­chutz Bran­den­burg trägt eine
Mitver­ant­wor­tung, dass ein Teil der NSU-Grup­pierung unter­tauchen und in
den Jahren 2000 bis 2007 mor­den kon­nte. Auch der Bundesverfassungsschutz
war nicht in der Lage zehn ras­sis­tisch motivierte Morde zu verhindern,
obwohl es bere­its 1998 schon Hin­weise auf den Aufen­thalt­sort des
NSU-Trios, beste­hend aus Mund­los, Böhn­hardt und Zschäpe, gab [5].
Und jet­zt argu­men­tiert die Uni­ver­sität Pots­dam – mith­il­fe von nicht
vorhan­de­nen Infor­ma­tio­nen des Ver­fas­sungss­chutzes – dass Fis­ch­er kein
Neon­azi ist? Dabei liefert der Text der AR_P//U nicht nur ein Argument
dafür, dass Fis­ch­er ein aktiv­er Neon­azi war und ist. Das Trainingsvideo
wurde ein­deutig von der recht­sradikalen Partei ‚Der III. Weg‘ erstellt
und veröf­fentlicht. Fis­ch­er trägt auch in diesem Video ein T‑Shirt von
der Partei ‚Der III. Weg’! Er trainiert mit Sym­pa­thisan­ten des III. Wegs
und es ist auch bekan­nt, dass min­destens eine weit­ere Per­son, die in
diesem Video gezeigt wird, am Kick­box­train­ing der Uni Pots­dam teilnimmt.
Wenn all dies nicht aus­re­icht, was muss dann noch passieren?
Wird der Hochschul­sport zum Anlauf­punkt für Recht­sradikale? Wenn diesem
nicht aktiv ent­ge­gengewirkt wird, ist das dur­chaus denkbar. Die Aktionen
der Iden­titären Bewe­gung zeigt ein­deutig die Reich­weite von Neon­azis in
den Hochschul­be­trieb [6].
Wir kön­nen nur die Worte unseres kür­zlich veröf­fentlicht­en Textes über
„Recht­es Gedankengut in sozialen Berufen“ wieder­holen. „Es liegt an uns
dem etwas ent­ge­gen­zuset­zen, die Dinge beim Namen zu nen­nen und offensiv
darauf aufmerk­sam zu machen“ [7]. Und da müsst ihr aktiv wer­den! Nervt
die Hochschulleitung! Macht bei euren Sportkursen darauf aufmerksam,
wenn dort ein Neon­azi trainiert! Macht es öffentlich! Schließt euch
zusam­men, tauscht euch aus! Neon­azis dür­fen keine ruhige Minute haben!
Neon­azis offen­siv entgegentreten!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Wessen Sicherheit?

Für den heuti­gen Tag lud­das Innen­min­is­teri­um anlässlich eines Übergriffs
jugendlich­er Flüchtlinge auf ein Ehep­aar zu einem Spitzen­tr­e­f­fen in
Cot­tbus ein, um über die Sicher­heit­slage in der Stadt zu sprechen. In
der Pressemit­teilung des Min­is­teri­ums ist kein Wort über die zahlreichen
Angriffe gegen Flüchtlinge in Cot­tbus und die ras­sis­tisch motivierte
Gewalt in Sach­sendorf in der Neu­jahrsnacht zu lesen. Während andere noch
feierten, wur­den Geflüchtete durch die Stadt gejagt und in ihrer
Unterkun­ft ange­grif­f­en. Der Wach­schutz schaute zu. Ein Sprech­er der
Stadt Cot­tbus rel­a­tivierte den Angriff auf Geflüchtete als einen der
„Kon­flik­te auf­grund unter­schiedlich­er Herkun­ft“. Das ist eine grobe
Ver­harm­lo­sung von Ras­sis­mus und rechter Gewalt in Cot­tbus. Inzwischen
ergaben jour­nal­is­tis­che Recherchen, dass mehrere Mitar­beit­er von
Sicher­heits­di­en­sten in Cot­tbus Verbindun­gen zu recht­en Struk­turen haben
oder selb­st Teil davon sind.
Cot­tbus ist in den let­zten Jahren ein Hotspot rechter Struk­turen und
Angriffe auf Geflüchtete gewe­sen. Die Forschungsstelle Antisemitismus
und Recht­sex­trem­is­mus des Moses Mendelssohn Zen­trums beobachtet die
größten ein­schlägi­gen Aktio­nen in Bran­den­burg in 2017 im Rah­men der
„Zukunft-Heimat“-Kampagne in Cot­tbus. Die höch­ste Gesamt­summe der
lokalen Teil­nah­mezahlen wurde in Cot­tbus verze­ich­net (4030 Personen),
gefol­gt vom Land­kreis Havel­land (940). Bran­den­burg­weit fand in 2017 in
Cot­tbus die höch­ste Anzahl rechter und flüchtlingsfeindlicher
Straße­nak­tio­nen statt.
Die Opfer­per­spek­tive betra­chtet die Entwick­lung in Cot­tbus seit mehreren
Jahren mit großer Sorge. Min­destens im Ver­lauf des Jahres 2015 hat die
ras­sis­tis­che Gewalt gegen Geflüchtete und inter­na­tionale Studierende in
der Stadt mas­siv zugenom­men. „Spätestens seit 2016 kann von einer
enthemmten ras­sis­tis­chen Gewalt in Cot­tbus gesprochen wer­den. Die
Opfer­per­spek­tive zählte im Jahr 2015 17 ras­sis­tisch motivierte Angriffe
und 2016 bere­its 29 ras­sis­tisch motivierte Angriffe, die bei den
Betrof­fe­nen zu teil­weise schw­eren Ver­let­zun­gen führten.“ sagt Martin
Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive. Auch für 2017 geht der Vere­in von einem
unge­broch­enen ras­sis­tis­chen Aus­nah­mezu­s­tand in der Stadt mit
ver­gle­ich­baren Zahlen wie in 2016 aus.
Seit zwei Jahren macht der Vere­in immer wieder auf die wachsende
Mobil­isierung und Gewalt gegen Geflüchtete in Cot­tbus aufmerk­sam – ohne
dass sicht­bare Kon­se­quen­zen seit­ens der poli­tisch Ver­ant­wortlichen aus
Lan­desregierung und Innen­min­is­teri­um gefol­gt wären.
Statt dessen organ­isiert das MIK wenige Tage nach dem Angriff junger
Geflüchteter auf das Ehep­aar öffentlichkeitswirk­sam ein Gespräch über
die Sicher­heit in der Stadt und blendet dabei die ras­sis­tis­che und
organ­isierte rechte Gewalt völ­lig aus. „Min­is­ter Schröter set­zt dabei
wieder die Null-Tol­er­anz-Attitüde auf und will diese Gewalt „keinem
Bürg­er in Cot­tbus erk­lären“. Dabei verken­nt er, dass Flüchtlinge auch
Bürger_innen von Cot­tbus sind, deren Sicher­heit dort immer wieder
gefährdet ist.“ sagt Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. Nach
einem ras­sis­tis­chen Über­griff auf Geflüchtete in Sach­sendorf wird
hinge­gen kein Sicher­heits­ge­spräch ein­berufen, obwohl der Leit­er des
Wach­schutzes laut jour­nal­is­tis­chen Recherchen Verbindun­gen zum rechten
Milieu hat.
*Ras­sis­tis­che Gewalt wird hier unsicht­bar gemacht und zugle­ich der
Ras­sis­mus durch die Zus­pitzung der Sicher­heits­de­bat­te auf Flüchtlinge
weit­er geschürt. Der Innen­min­is­ter pro­fil­iert sich wieder ein­mal über
seine gegen Flüchtlinge gerichteten Law and Order-Äußerun­gen und fischt
hier offen­sichtlich am recht­en Rand.

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Antifaschismus

Rechtes Gedankengut in sozialen Berufen

Vor weni­gen Wochen wurde die Öffentlichkeit darauf hingewiesen, dass Per­so­n­en mit einem ras­sis­tisch geprägten Men­schen­bild in sozialen, staatlich geförderten Ein­rich­tun­gen in Pots­dam tätig sind bzw. waren. Erzieher*innen, die sich nicht von Neon­azis abgren­zen kön­nen oder wie im aktuellen Fall, Sozialarbeiter*innen, die eng mit der neon­azis­tis­chen Szene ver­bun­den sind.
Auch wir wollen darauf aufmerk­sam machen und die Igno­ranz, das Hin­nehmen dessen bzw. das Stillschweigen der Öffentlichkeit anmah­nen. Warum ist das so wichtig? Ein kurz­er Rück­blick in die let­zten 15 Jahre:
 
In Pots­dam und Umge­bung liefert der Jugend­club Fahrland ein aus­sagekräftiges Beispiel für eine mehrjährige akzep­tierende Jugen­dar­beit mit Neon­azis. Die Auswirkun­gen sind noch heute spür­bar. So ent­stand in den Jahren 2005 bis 2010 im Jugend­club Fahrland eine Neon­azi-Gen­er­a­tion, die zum Teil heute noch aktiv ist. Dazu gehören Per­so­n­en wie Dustin Schlem­minger, ein­er der Köpfe hin­ter der Grup­pierung “Freies Pots­dam”, aber auch Pad­dy Bohm, Ben­jamin Oestre­ich [1] und viele weitere.
Der frühere Jugend­clubleit­er und heutige Geschäfts­führer des Tre­ff­punkt Fahrlands e.V. Thomas Liebe hat in der Ver­gan­gen­heit die Her­anwach­senden lieber in Schutz genom­men. Er äußerte während ein­er Beiratssitzung im Sep­tem­ber 2007, “dass es in Fahrland mehr Prob­leme mit Linken als mit Recht­en gäbe. Zudem seien die recht­en Jugendlichen in seinem Club alle gewalt­frei, wür­den durch ihre Anwe­sen­heit ‚nicht absichtlich‘ andere Jugendliche ver­drän­gen und ‚uns nicht für ihre Inter­essen‘ aus­nutzen” [2]
Diese weitver­bre­it­ete Mei­n­ung ist in unseren Augen nicht akzept­abel. Gegenüber Neon­azis muss immer klare Kante bewiesen wer­den, sei es auf der Straße oder im Jugend­club! Ver­ant­wortlich dafür sind wir alle!
 
Doch nun zum aktuellen Fall.
Der Musik­er und Erzieher Thomas Lafrenz aka Thomas Berlin war einige Zeit als Erzieher im Jugend­club 18 am Stern tätig und für die musikalis­che Bil­dung mitver­ant­wortlich. Wie die AR_P//U (Antifaschis­tis­che Recherche_Potsdam//Umland) am 31.12.2017 veröf­fentlichte, fehlt Thomas Berlin eine klare Abgren­zung zu Neon­azis und Recht­srock. So spielt er zusam­men mit dem Recht­srock­er Daniel Horn in ein­er Band und ‚liked‘ auf seinem Face­bookpro­fil u.a. Beiträge der Neon­azior­gan­i­sa­tion “Ein Prozent für unser Land“ und andere men­schen­ver­ach­t­ende Kom­mentare [3].
 
Dass Thomas Berlin, ein Recht­srock-Fan jet­zt für die musikalis­che Ent­fal­tung von Jugendlichen ver­ant­wortlich ist, macht uns wütend. Doch kaum ver­wun­der­lich für einen Jugend­club wie den Club 18. Hier kon­nte schon vor Jahren die Neon­azi-Band Prois­senheads proben [4] und den Grund­stein für ihren Erfolg leg­en. Alles finanziert von den städtis­chen Behör­den. Schon damals wurde nur zugeschaut und nicht rechtzeit­ig gehandelt.
Wir wer­den nicht mit anse­hen wie die Pots­damer Jugend­kul­tur durch Neon­azis und ihre men­schen­ver­ach­t­ende Musik bee­in­flusst wird! Die extreme Rechte hat die Sozialar­beit längst als ein offenes Feld ent­deckt, ob in Schulen, Kindergärten oder anderen sozialen Ein­rich­tun­gen. Es liegt an uns dem etwas ent­ge­gen­zuset­zen, die Dinge beim Namen zu nen­nen und offen­siv darauf aufmerk­sam zu machen.
 
[1] http://arpu.blogsport.eu/2015/11/12/neonazis-bei-der-feuerwehr-auch-in-potsdam/ (Stand: 09.01.2018)
[2] Kramer, H. (2007): Stre­it um Tre­ff­punkt, in: PNN. Online unter: http://www.pnn.de/potsdam/31006/ (Stand: 09.01.2018)
[3] http://arpu.blogsport.eu/2017/12/31/thomas-berlin-aka-thomas-lafrenz-mittelalter-folk-trifft-rechtsrock/ (Stand: 09.01.2018)
[4] http://arpu.blogsport.eu/2011/02/26/neonazistisch-musikalisches-treiben-in-potsdam/ (Stand: 09.01.2018)

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Antifaschismus

Ein Neonazi als Kickboxtrainer

Tom Willy Fis­ch­er: Kick­box­train­er an der Uni­ver­sität Pots­dam und Neonazi

Ein­drück­lich beschreibt die aktuelle Kam­pagne „Runter von der Mat­te – Kein Hand­shake mit Nazis“, wie die neon­azis­tis­che Kampf­s­port­szene aufgestellt ist und wie wichtig es ist, wach­sam zu bleiben, wenn Rassist_innen und Neon­azis Kampf­s­port betreiben. Vorstel­lun­gen wehrhafter Männlichkeit und völkisch-ras­sis­tisch imag­iniert­er Kör­perkult – so kön­nen Neon­azis ihre sportlichen Aktiv­itäten ide­ol­o­gisch aufladen und sich einen „tief­er­en“ Sinn einreden.
Ger­ade Kampf­s­port oder Kampfkün­ste sowie Selb­stvertei­di­gung­stech­niken kön­nen, durch die Propagierung ein­er ver­meintlichen „Über­frem­dung“, dem „Schutz des eige­nen Volkes“ oder der „Vertei­di­gung“ wahlweise Deutsch­lands oder Europas, pop­kul­turell und niedrigschwellig poli­tisch instru­men­tal­isiert wer­den. Unter dem Deck­man­tel des Sportes kön­nen so neon­azis­tis­che Mod­e­la­bels Geld ver­di­enen und auf Kampf­s­portevents der Neon­azi- Szene wird sich vernetzt.
Auch in Pots­dam sind Aus­prä­gun­gen dieser Szene, oft gemis­cht aus Neon­azis, Sicher­heits­gewerbe und Rock­er-Struk­turen, zu beobacht­en. In der Ver­gan­gen­heit fan­den in der Stadt mehrere Events mit Beteili­gung dieser Mis­chszene statt. Aber auch in einem ver­meintlich ser­iöseren Milieu, dem uni­ver­sitären Kon­text, ist es Neon­azis möglich, sich entsprechend zu betäti­gen – als Train­er ist beispiel­sweise der langjährige Neon­azi Tom Fis­ch­er im Zen­trum für Hochschul­sport der Uni­ver­sität Pots­dam engagiert. Hier leit­et er jeden Dien­stag und Fre­itag Kickbox-Kurse.
Schon 2015 wurde durch Antifaschist_innen die (uni­ver­sitäre) Öffentlichkeit über den neon­azis­tis­chen Hin­ter­grund von Tom Willy Fis­ch­er informiert. [1] Nach seinem Schulbe­such am Leib­niz-Gym­na­si­um und der Steuben-Gesamtschule sowie Zivil­dienst am Klinikum „Ernst von Bergmann“ studiert er seit vier Jahren an der Uni­ver­sität Pots­dam u.a. Philoso­phie. Mit­tler­weile ist Fis­ch­er nicht nur Teil­nehmer an Vor­lesun­gen und Sem­i­naren, son­dern als Train­er mit Studieren­den betraut und damit auch Repräsen­tant für den Hochschul­sport und die Uni­ver­sität Pots­dam. [2] Dabei ist davon auszuge­hen, dass er nicht lediglich sportliche Inhalte ver­mit­telt, son­dern auch ver­sucht, das ein­gangs genan­nte ide­ol­o­gis­che Fram­ing sub­til ein­fließen zu lassen. Er selb­st ist durch seine Erfahrung im Kick­box­en poten­ziell hochge­fährlich für Per­so­n­en, die nicht in sein men­schen­feindlich­es Welt­bild passen.
Sportliche Betä­ti­gung ist in der Pots­damer Neon­aziszene nichts Neues.
Sie spie­len in Fußbal­lvere­inen wie Ein­tra­cht Babels­berg 90, For­tu­na Babels­berg, SG Töplitz oder SG Born­im, sie trainieren als Neon­azi-Hooli­gans Judo oder tur­nen als Cheer­leader. Aber auch als poli­tis­ches Event nutzt die hiesige Szene den Sport, um sich ken­nen­zuler­nen und des Grup­penge­fühl zu stärken. Die Pots­damer Neon­aziszene ver­anstal­tete beispiel­sweise 2009 ein so genan­ntes nationales Fußball­turnier in Neu-Fahrland. Das Turnier fungierte damals, neben der Glo­ri­fizierung ihrer NS-Kör­peride­alvorstel­lung, auch als Ver­net­zungstr­e­f­fen. Über 70 Neon­azis aus ganz Bran­den­burg beteiligten sich. Bere­its bei diesem Fußball­turnier war Tom Fis­ch­er Mannschaftsmitglied.
Still aus dem Video von „Der III. Weg“ über ihr Zelt­lager 2016; rechts Tom Fischer

Dass Fis­ch­er nicht nur „harm­los­er“ Mitläufer ist, was an sich in sein­er Posi­tion als Train­er eben­falls nicht trag­bar wäre, zeigt sein Engage­ment für die neon­azis­tis­che Partei „Der III. Weg“. Im August 2016 war er Anleit­er für die kampf­s­portliche „Weit­er­bil­dung“ bei einem Zelt­lager des „Stützpunk­tes Mit­tel­mark (Hav­el)“ der Partei. An diesem nah­men neben Fis­ch­er u.a. auch sein guter Fre­und Mar­tin Klahr, der eben­falls interne Schu­lun­gen für die Partei hält, und Christin Bathe teil. In einem Bericht schreiben die Neon­azis: „Wir wis­sen jedoch, dass ein gesun­der Geist in einem gesun­den Kör­p­er lebt, daher ist neben der geisti­gen Gesun­der­hal­tung auch der kör­per­lichen Ertüch­ti­gung nachzuge­hen.“ Außer­dem fer­tigten sie ein Video an, um ihre Aktiv­itäten zu doku­men­tieren und szenein­tern zu demon­stri­eren, wie umfassend sie sich durch Erler­nen von Kno­ten­tech­niken und Feuer­lehre geschult haben. Tom Fis­ch­er zeigte den anderen Neon­azis, wie Pratzen gehal­ten wer­den, wie ges­par­rt wird sowie diverse „Schlag‑, Tritt- und Grifftech­niken“ – vorge­blich als „Selb­stvertei­di­gungs­maß­nah­men“. [3]

Tom Fis­ch­er (l.) mit seinem Fre­und Mar­tin Klahr

Dass „Selb­stvertei­di­gung“ im Kon­text stramm nation­al­sozial­is­tis­ch­er Ide­olo­gie etwas anderes bedeutet – näm­lich die Recht­fer­ti­gung und Ausübung von Gewalt gegenüber peo­ple of colour, Antifaschist_innen und Men­schen, die nicht in ihr völkisch-ras­sis­tis­ches Welt­bild passen – wird umso klar­er, wenn die Inhalte und Aktio­nen der Partei „Der III. Weg“ vor Augen geführt wer­den. So machte die Neon­azi­partei am 1. Mai 2016 bun­desweit Schlagzeilen, als es auf ihrer Demon­stra­tion in Plauen zu hefti­gen gewalt­täti­gen Angrif­f­en aus dem Demon­stra­tionszug her­aus kam. Aggres­siv ging es auch the­ma­tisch weit­er. So forderten die anwe­senden Neon­azis einen „Deutschen Sozial­is­mus“, wom­it, ergänzt mit der Parole „Nationaler Sozial­is­mus jet­zt“, immer wieder der his­torische Nation­al­sozial­is­mus her­auf­beschworen wird.
Einige Neon­azis des Pots­damer „Stützpunk­tes“ fie­len in der Ver­gan­gen­heit mit Bedro­hun­gen und Gewalt­tat­en auf.
Tom Fis­ch­er (rechts am Trans­par­ent) auf ein­er Neon­azi-Demon­stra­tion am 7. Juni 2008 in Gen­thin; im Vorder­grund mit blauem Cap Mirko Kubeler

Vor seinen Aktiv­itäten bei „Der III. Weg“ nahm Tom Fis­ch­er nur vere­inzelt an Aufmärschen teil und ver­suchte sich bedeckt zu hal­ten, u.a. weil er bedacht darauf ist, seinen Aktivis­mus und poli­tis­ches Welt­bild nicht allzu offen zu präsen­tieren, um möglichen Anfein­dun­gen und Nachteilen vorzubeu­gen. Lediglich in jün­geren Jahren war er als Mit­glied der „Freien Kräfte Pots­dam“ Teil­nehmer bei neon­azis­tis­chen Demon­stra­tio­nen, beispiel­sweise am 7. Juni 2008 in Gen­thin an der Demon­stra­tion „Nationale Zen­tren erkämpfen – Polizeis­taat abschal­ten“ der „Jun­gen Nationaldemokraten“.
An dieser Demon­stra­tion nahm er zusam­men mit anderen Pots­damer Neon­azis, u.a. Gabor Grett, Mirko Kubel­er, Mar­tin Klahr, Chris­t­ian Bushardt, Sebas­t­ian Glaser, Patrick Bün­sch, Den­nis Helm­st­edt und Nino Sch­neck­en­berg teil. Sie forderten auf zwei mit­ge­bracht­en Trans­par­enten „Nationale Jugendzen­tren“ und „Nationaler Sozial­is­mus Jetzt!“.

Pots­damer Neon­azis am 7. Juni 2008 auf einem Auf­marsch in Gen­thin; Chris­t­ian Bushardt und Sebas­t­ian Glaser (3. & 4. v. l.), Tom Fis­ch­er und Gabor Grett (Bild­mitte, Fis­ch­er im Hin­ter­grund), Mirko Kubel­er und Patrick Bün­sch (5. & 4. v. r.) sowie ganz rechts Den­nis Helm­st­edt (Hin­ter­grund) und Nino Sch­neck­en­berg (Vorder­grund)

Auch zu dem dama­li­gen Szenekad­er Mar­cel Guse, mit Mirko Kubel­er ein­er der Köpfe hin­ter „Info­por­tal Pots­dam“ und ver­ant­wortlich für mehrere „spon­tane“ Aktio­nen und Aufmärsche im Stil der „Spreelichter“, hielt Fis­ch­er Kontakt.
Dass Tom Fis­ch­er dur­chaus gewalt­tätig wer­den kann, darauf weist eine Aus­sage vor dem Amts­gericht Pots­dam im Som­mer 2014 hin: Er wird als Mit­täter eines ras­sis­tis­chen Über­griffs am Mor­gen des 20. Okto­ber 2013 am Pots­damer Haupt­bahn­hof genan­nt. Durch die schlampige Arbeit der Polizei, die fälschlicher­weise den Neon­azi Nino Sch­neck­en­berg als Täter pro­duzierte, der let­z­tendlich frei gesprochen wurde, kon­nte Fis­ch­er so nicht als mut­maßlich tat­säch­lich­er Täter vor Gericht gestellt werden.
Als Train­er ist Tom Fis­ch­er im Hochschul­sport nicht halt­bar. Aus ein­fach­sten poli­tis­chen Erwä­gun­gen und mit Rück­sicht auf andere Studierende ist den Ver­ant­wortlichen drin­gendst nahegelegt, das Ver­hält­nis mit Fis­ch­er umge­hend zu beenden.
[1] https://linksunten.indymedia.org/ – nicht mehr abrufbar
[2] https://buchung.hochschulsport-potsdam.de/angebote/aktueller_zeitraum/_Kickboxen.html
[3] Video „Zelt­lager 2016 an der Hav­el“ unter https://www.youtube.com/watch?v=MHbX7fKISBQ

 
unsere bish­eri­gen Texte über Neon­azis in Pots­damer Sportvereinen:
Cheer for NS – Pots­damer Neon­azi: Mario Schober – Feb­ru­ar 2012
Still cheer­ing: Mario Schober mehr als unglaub­würdig, Vere­in ver­harm­losend – Feb­ru­ar 2012
Thomas Pecht: Volkss­port für die Volks­ge­mein­schaft? – März 2012
Gewal­tro­man­tik trifft auf Neon­azi­denken – „Crimark“ – Neon­azi-Hools in Rot-Weiß – Mai 2012
Schober und Pecht noch immer etabliert – Vere­ine hofieren Neon­azis – Juni 2012
Pots­damer Neon­azis auch 2013 sportlich? – April 2013
Stadt­sport­bund unter­stre­icht seine Ohn­mächtigkeit gegen Neon­azis in den eige­nen Rei­hen – April 2013
„Pots­dam bewegt“ sich nicht – Pots­damer Sportvere­ine und ihre Neon­azis – Novem­ber 2014
Lukas Franz: Organ­isiert­er Neon­azi in der „Sport­ge­mein­schaft Töplitz 1922 e.V.“ – Feb­ru­ar 2015
Ver­strick­un­gen ins neon­azis­tis­che Milieu – For­tu­na Babels­berg bewegt sich nicht – Okto­ber 2015
Reak­tion von For­tu­na Babels­berg ist symp­to­ma­tisch – Okto­ber 2015
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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Schwere Körperverletzung unter Aufsicht des Sicherheitsdienstes

Am frühen Neu­jahrsmor­gen ver­let­zte eine zehnköp­fige Gruppe drei Flüchtlinge schw­er. Eines der Opfer kommt mit gebroch­en­em Kiefer ins Kranken­haus. Die Wach­leute des ver­ant­wortlichen Sicher­heit­sun­ternehmens grif­f­en nicht ein. „Ist der Sicher­heits­di­enst von Recht­sex­tremen unter­wan­dert?“, fragt die Bürg­erini­tia­tive Cot­tbus schaut hin.
 
Eine Gruppe von drei afghanis­chen Flüchtlin­gen ist in den Mor­gen­stun­den des neuen Jahres in Cot­tbus auf ihrem Heimweg in Sach­sendorf. Als sie gegen 1:30 Uhr am Gelsenkirch­en­er Platz in Sach­sendorf ankom­men, begin­nt eine etwa zehnköp­fige Gruppe von jun­gen Deutschen sie als „Scheiß Aus­län­der“ zu beschimpfen und zu ver­fol­gen. So erzählt es ein­er der drei Betrof­fe­nen des Angriff der Bürg­erini­tia­tive Cot­tbus schaut hin.
 
Die drei Opfer ver­sucht­en die Täter zu ignori­eren und schnell­st­möglich in ihre Unterkun­ft in der Zielona-Gora-Straße 17 und 19 zu gelan­gen. Schon auf dem Weg seien sie mit Schla­grin­gen und Bier­flaschen mal­trätiert wor­den. An der Unterkun­ft angekom­men, dann aber der Schock.
 
Die zwei dien­sthaben­den Wach­leute ließen die drei Bewohn­er zwar in den Ein­gangs­bere­ich, kurz darauf aber auch die Angreifer.
Wir haben mehrmals zu den Wach­män­nern gesagt, dass sie die Polizei anrufen sollen. Aber sie haben nicht reagiert und ein­fach 20–25 Minuten zugeschaut, wie wir von über zehn Deutschen im Flur und Trep­pen­bere­ich geschla­gen wurden.
Nach ca. 25 Minuten haben die Wach­män­ner die Tür für die Deutschen geöffnet und zu ihnen gesagt, dass sie raus gehen müssen, weil jet­zt die Polizei kommt.
 
Der zehn Minuten später ein­tr­e­f­fend­en Polizei habe ein­er der Wach­leute danach noch eine falsche Rich­tungsangabe darüber gemacht, wohin die Täter geflo­hen seien.
Alle drei Opfer des Angriff tru­gen mas­sive Ver­let­zun­gen im Gesicht davon. Ein­er von ihnen wird immer noch mit gebroch­en­em Kiefer im Carl-Thiem-Klinikum behan­delt. Die drei jun­gen Afgha­nen fordern die Bestra­fung der Täter und des Wach­per­son­als, Polizei und Sozialamt haben sie bere­its informiert.
 
Dis­telkam Dien­stleis­tungs­gruppe – Neon­azis im Dien­ste der Stadt?
Die Ini­tia­tive „Cot­tbus schaut hin“ richtet fol­gende Fra­gen an die Stadt Cot­tbus: Ist Ihnen bekan­nt, was für ein Sicher­heit­sun­ternehmen in den Unterkün­ften der Zielona-Gora-Straße tätig ist? Wur­den die Sicher­heit­sleute auf diesem speziellen und hochsen­si­blen Arbeits­feld aus­re­ichend über­prüft? Gab es schon vorher Beschw­er­den? Welche Auf­gabe hat dieses Sicher­heit­sun­ternehmen in den einzel­nen Objek­ten: Schutz der Bewohn­er vor Angrif­f­en von außen oder Hil­festel­lung bei Angrif­f­en von außen?
 
Nach Recherchen der Bürg­erini­tia­tive han­delt es sich bei dem vor Ort zuständi­gen Sicher­heit­sun­ternehmen um die Dis­telkam Dien­stleis­tungs­gruppe aus Chem­nitz. Eine Analyse des Face­book-Auftritts von Unternehmer Kai Dis­tel­mann (facebook.com/kai.distelmann) zeige, dass er alles andere als ein unbeschriebenes Blatt sei, so die Press­esprecherin Maria Koch von Cot­tbus schaut hin.
In Dis­telkams „Gefällt-mir-Angaben“ fän­den sich mehrere ein­schlägige Seit­en, die auf eine recht­spop­ulis­tis­che bis recht­sex­treme Gesin­nung schließen ließen. Unter anderem find­en sich dort Seit­en mit fol­gen­den Titeln: Das Rit­terkreuz and the Rit­terkreuzträger Wehrma­cht (eine Wehrma­cht­stra­di­tion­s­seite), Frank Ren­nicke (ein recht­sex­tremer Lie­der­ma­ch­er), Unbe­queme Jugend Cot­tbus (Jugend­gruppe von Infer­no Cot­tbus), Sach­sen stellt sich quer: Asylmiss­brauch stop­pen; Chem­nitz, Sach­sen, Deutsch­land gegen Scheina­sy­lanten und mehrere Face­book­seit­en der AfD.
 
Dis­telkam teilt Nachricht­en von „Heimat und Tra­di­tion Chem­nitz Erzge­birge“ unter anderem einen Aufruf unter dem Titel „Ein­siedel sagt Nein zur Erstauf­nahme-Ein­rich­tung“. Im Mai spekuliert er, der Tod von Michèle Kiesewet­ter sei gar nicht auf Neon­azis, son­dern auf Islamis­ten zurück­zuführen und ein Fre­und rät ihm die ver­schwörungs­the­o­retis­che Doku­men­ta­tion mit dem viel­sagen­den Titel „Das NSU Märchen“ anzusehen.
 
Dis­telkams Unternehmen wird von Fre­un­den bewor­ben, die sich wenig Mühe geben ihr neon­azis­tis­ches Gedankengut zu ver­ber­gen. Ein­er der Beschäftigten nimmt seinen Arbeit­ge­ber gegen den Vor­wurf, Löhne nicht auszuzahlen in Schutz; er sei stolz dort beschäftigt zu sein. Seine eigenes Face­bookpro­fil wird der­weil von sein­er „Wei­h­nachts­deko“ geschmückt im Nazi-Stil samt Hakenkreuz.
 
Die Ini­tia­tive bew­ertet ihre Ergeb­nisse wie fol­gt: „Der Vor­fall in Cot­tbus und die im Inter­net sicht­baren Net­zw­erk­struk­turen lassen nur einen Schluss zu: Dis­telkam will weniger Aus­län­der in sein­er Heimat, während sein Unternehmen davon lebt Aus­län­der zu „bewachen“. Seine Gesin­nungsgenossen wer­ben unter­dessen dafür, sich genau bei diesem Sicher­heits­di­enst zu bewer­ben. Dass das nicht lange gut gehen würde, hätte man ahnen können.“
 
Cot­tbus schaut hinschließt sich den Forderun­gen der Opfer des Angriffs aus der Sil­vester­nacht an: „Die Täter und Mit­täter müssen zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den – das ist klar. Aus mein­er Sicht ist es aber auch völ­lig indiskutabel, dass dieses Unternehmen weit­er­hin von der Stadt Aufträge erhält.“, so Maria Koch weiter.
 
Der Vor­fall habe eine beson­dere und auch über­re­gionale Bedeu­tung, da Dis­telkams Unternehmen nicht nur für zahlre­iche weit­ere Flüchtling­sun­terkün­fte, son­dern auch für den Schutz des Landgerichts in Chem­nitz zuständig sei.
 

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Brandenburg 2017: Alltagsrassismus, Einschüchterung, Gewalt

Jahres­rück­blick 2017: Zwis­chen All­t­agsras­sis­mus und Ein­schüchterung: Am Beispiel Süd­bran­den­burg wer­den Struk­turen und Mech­a­nis­men sicht­bar, die dazu führen, dass sich Men­schen sich lang über­legen, ob sie öffentlich für Demokratie einzutreten.
 
Für den Belltower.News-Jahresrückblick sprechen wir mit zivilge­sellschaftlichen Ini­tia­tiv­en und Akteur_innen über die Sit­u­a­tion in ihrem Bun­des­land. Das Inter­view mit Mar­tin Vese­ly von „Opfer­per­spek­tive“, der Bran­den­burg­er Beratung für Opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt, führte Simone Rafael.

Was waren die wichtigsten Ereignisse und Akteure in Brandenburg im Rechtsextremismus?

 
In 2017 hat­ten wir lei­der weit­er­hin mit ein­er beson­ders großen Anzahl ras­sis­tisch motiviert­er Angriffe zu tun. Die Zahl wird ähn­lich hoch sein wie in 2016, wo wir mit 221 Angrif­f­en einen Höch­st­stand verze­ich­nen mussten. Die Angriffe gibt es in ganz Bran­den­burg. Allerd­ings erken­nen wir auch Schw­er­punkt-Regio­nen, wo sich die Tat­en häufen. In Süd­bran­den­burg, also Cot­tbus und Umge­bung, gab es beson­ders viele Über­griffe. Sie tre­f­fen vor allem Geflüchtete, aber auch inter­na­tionale Studierende an der BTU Cot­tbus. Men­schen, die sich für Geflüchtete engagieren, sind auch weit­er Ziele von Gewalt.
In Süd­bran­den­burg gibt es neben der gefes­tigten recht­sex­tremen Szene auch viel Zus­tim­mung für die AfD. Süd­bran­den­burg ist eine Hochburg der AfD, nicht nur in Bran­den­burg, son­dern auch im bun­desweit­en Ver­gle­ich. Anfang 2017 wurde entsprechend hier auch ver­sucht, ein bran­den­bur­gis­ches Pen­dant zu „Pegi­da“ aufzubauen, unter dem Namen „Zukun­ft Heimat“. Die wöchentlichen Demon­stra­tio­nen waren ein Sam­mel­beck­en. Hier liefen organ­isierte Neon­azis eben­so mit wie Rechtspopulist_innen, „besorgte Bürger_innen“ und AfD-Umfeld oder das rechte Kampf­s­port-Milieu. Mot­to war, „die Heimat“ zu „vertei­di­gen“, und das war nicht gewalt­frei gemeint. Aus den Demon­stra­tio­nen her­aus gab es zwei gezielte Angriffe auf Gegendemonstrant_innen. Immer­hin gibt es in Cot­tbus Men­schen, die sich solchen Aufmärschen ent­ge­gen stellen! Seit Som­mer sind die Aufmärsche unregelmäßiger gewor­den und zum Jahreswech­sel 2017/18 gab es dann nochmal den Ver­such von “Zukun­ft Heimat”, mit einem weit­eren Auf­marsch weiterzumachen.
Als weit­eres generelles Prob­lem in Bran­den­burg, aber beson­ders in Cot­tbus, beobacht­en wir eine man­gel­nde Strafver­fol­gung. Selb­st wenn Täter gefasst wer­den, dauert es in der Regel ein bis drei Jahre, bis ein Ver­fahren am Amts­gericht wirk­lich stat­tfind­et. Das sind drei Jahre, in denen die Täter unbe­hel­ligt bleiben. Für die Opfer heißt das: Drei Jahre Unsicher­heit, drei Jahre Lei­den. Und wenn es zum Urteil kommt, wird die lange Ver­fahrens­dauer auch noch strafmildernd für die Täter aus­gelegt. Dazu gibt es etwa in Cot­tbus einen Anwalt, der selb­st Teil der recht­en Szene ist und der dies auch strate­gisch nutzt. Er zieht Ver­fahren mit Anträ­gen in die Länge, damit die Strafen immer geringer ausfallen.
Das Sig­nal dieser man­gel­nden Strafver­fol­gung ist fatal: es entste­ht prak­tisch ein Gefühl von Straf­frei­heit bei den Tätern. Und es ist eine große Belas­tung für die Opfer. Offiziell wird die lange Ver­fahrens­dauer mit Über­las­tung der Gerichte begrün­det. Allerd­ings sollte ger­ade in recht­en Hege­monieräu­men wie Süd­bran­den­burg drin­gend eine Lösung gefun­den werden.
Wir hat­ten deshalb auch Prozesse, die gar nicht mehr vernün­ftig geführt wer­den kon­nten: Etwa den gegen einen Angestell­ten der Flüchtling­sun­terkun­ft in Mas­sow, der 2015 mit mas­sivem Pfef­fer­spray-Ein­satz über 60 Men­schen ver­let­zt hat (vgl. Opfer­per­spek­tive). Im Ver­fahren kon­nte der Tather­gang nicht mehr aufgek­lärt wer­den, weil die Betrof­fe­nen und Zeu­gen längst alle abgeschoben wor­den waren oder durch die Behör­den zur „frei­willi­gen Aus­reise“ gedrängt wur­den. Verurteilt wurde der Mann dann wegen einem anderen Verge­hen zu ein­er weitaus milderen Strafe (vgl. rbb).
Fast eben­so schw­er wie tätliche Angriffe wiegt in Bran­den­burg ein tief ver­wurzel­ter und für die Betrof­fe­nen unerträglich­er All­t­agsras­sis­mus. Der trifft Geflüchteten und Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund prak­tisch jedes Mal, wenn sie vor die Woh­nungstür gehen. Es sind Belei­di­gun­gen, abw­er­tende oder abwehrende Bemerkun­gen und Gesten, Unfre­undlichkeit – per­ma­nente Nadel­stiche. Viele Opfer, die wir berat­en, beschreiben deshalb den Angriff nur als End­punkt ein­er täglichen ras­sis­tis­chen Abw­er­tung, die ihnen schw­er zu schaf­fen macht und ihre Leben­squal­ität mas­siv ein­schränkt. Der All­t­agsras­sis­mus zer­mürbt und führt schlimm­sten­falls dazu, dass Betrof­fene kaum noch ihre Woh­nung ver­lassen wollen.
 

Welchen Einfluss hat der Rechtspopulismus in Brandenburg?

Die AfD sitzt im Land­tag, und mit Alexan­der Gauland hat­ten wir hier bis zur Bun­destagswahl auch einen promi­nen­ten AfD-Vertreter, der gern ein­mal laut die ras­sis­tis­che Trom­mel gerührt hat. Das war aber kaum mehr als das übliche ras­sis­tis­che Getöse der AfD bun­desweit. Und es kor­re­spondiert mit der ras­sis­tis­chen Grun­de­in­stel­lung, die in weit­en Öffentlichkeit­en Bran­den­burgs herrscht. Aber damit stieß die AfD auf viel Gegen­liebe, ger­ade Frank­furt / Oder und im Oder-Spree-Kreis. Im Wahlkreis Cot­tbus-Spree-Neiße war bei der let­zten Bun­destagswahl die AfD stärk­ste Kraft bei den abgegebe­nen Zweitstimmen.
 

Gab es herausragende Ereignisse?

Es gab auch 2017 Bran­dan­schläge auf Flüchtling­sun­terkün­fte. Neu war dabei, dass die Hemm­schwellen weit­er gesunken sind, auch Anschläge auf bewohnte Unterkün­fte zu verüben und damit den Tod der dort leben­den Men­schen in Kauf zu nehmen. Das war etwa in Krem­men im April 2017 der Fall. In der Nacht wer­den zwei Molo­tow­cock­tails über den Zaun ein­er Unterkun­ft für Geflüchtete gewor­fen. Diese entzün­den den Rasen. Der Wach­schutz kann das Feuer löschen. Es wird wegen ver­sucht­en Mordes und ver­suchter schw­er­er Brand­s­tiftung ermit­telt (vgl. MAZ). Inzwis­chen sind zwei Tatverdächtige ermit­telt und sitzen in Unter­suchung­shaft (vgl. MAZ).
Außer­dem fand 2017 das Ver­fahren wegen eines Bran­dan­schlags in Jüter­borg im Vor­jahr statt (vgl. Opfer­per­spek­tive). Hier trat zu Tage, dass wir es nicht mehr mit spon­ta­nen ras­sis­tis­chen Angrif­f­en zu tun haben, son­dern mit organ­isierten, geplanten, vorsät­zlichen, ras­sis­tisch motivierten Ver­brechen. Hier war der Vater eines der Täter ein stadt­bekan­nter organ­isiert­er Recht­sex­tremer, der Ben­zin besorgte, die Brand­sätze zusam­men­stellte, und dann seinen Sohn und einen Fre­und überre­dete, den Anschlag auf ein Wohn­heim für min­der­jährige unbe­gleit­ete Flüchtlinge in Jüter­borg zu verüben. Dabei nah­men die Täter klar in Kauf, dass auch Men­schen zu Schaden kom­men. Der Sohn, selb­st auch als Teil­nehmer ras­sis­tis­ch­er Aufmärsche bekan­nt, ist wegen 20fachen ver­sucht­en Mordes verurteilt worden.
Dass es so weit kom­men kon­nte, liegt auch an den öffentlichen Diskursen zum The­ma in der Stadt­ge­sellschaft. Jüter­borgs Bürg­er­meis­ter, der parteilose Poli­tik­er Arne Raue, beteiligt sich selb­st an ras­sis­tis­chen Argu­men­ta­tio­nen und schürt Äng­ste vor Geflüchteten, etwa über Post­ings in sozialen Net­zw­erken. Entsprechend gab es nach dem Über­griff auch keine öffentliche Verurteilung der Tat, keine Sol­i­dar­ität mit den Ange­grif­f­e­nen, den schon zuvor durch die Flucht trau­ma­tisierten unbe­gleit­eten Min­der­jähri­gen. Es gibt auch in Jüter­borg Men­schen, die die Geflüchteten unter­stützen. Allerd­ings tun sie das prak­tisch heim­lich. Die Bedro­hung in der Stadt ist so groß und es gibt so wenig Sol­i­dar­ität, dass sich die Unterstützer_innen nicht mehr trauen, sich öffentlich zu Wort melden. Und das trägt wiederum dazu bei, dass viele, die nicht direkt betrof­fen sind, das Prob­lem des All­t­agsras­sis­mus und der Ein­schüchterung gar nicht wahrnehmen.

Inforiot