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Rechte Gewalt ist Normalität in Brandenburg

Für das Jahr 2018 hat die Beratungsstelle Opfer­per­spek­tive 174 rechte Gewalt­tat­en im Land Bran­den­burg verze­ich­net. Damit verbleibt die Zahl der Angriffe weit­er­hin auf einem besorgnis­er­re­gend hohen Niveau. 2017 zählte die Opfer­per­spek­tive 171 rechtsmo­tivierte Über­griffe. Bere­its 2015 warnte die Beratungsstelle vor ein­er möglichen Nor­mal­isierung rechter Gewalt.

Judith Porath, Geschäfts­führerin des Vere­ins Opfer­per­spek­tive, stellt fest: „Schauen wir auf die ver­gan­genen vier Jahre, stellen wir fest, dass eine Nor­mal­isierung einge­treten ist. Die Anzahl rechter Gewalt­tat­en ist auf einem kon­stant hohen Niveau.“

Die Nor­mal­isierung rechter Gewalt in Bran­den­burg basiert vor allem auf der Vielzahl ras­sis­tisch motiviert­er Angriffe. In 86 Prozent aller recht­en Gewalt­tat­en (150) war Ras­sis­mus das Motiv. Dies ist erneut ein leichter Anstieg gegenüber dem Vor­jahr und ein weit­er­er Höchst­wert seit Beginn des Mon­i­tor­ings im Jahr 2001.

Wie in den Jahren zuvor bilden Kör­per­ver­let­zungs­de­lik­te den her­aus­ra­gen­den Schw­er­punkt rechter Gewalt­tat­en in Bran­den­burg. Die Opfer­per­spek­tive zählte 83 ein­fache Kör­per­ver­let­zun­gen (2017: 79) und 64 gefährliche Kör­per­ver­let­zun­gen (2017: 69). Weit­er­hin han­delt es sich bei den meis­ten kör­per­lichen Über­grif­f­en um spon­tane Tat­en im öffentlichen Raum.

Betrof­fene rechter Gewalt sind in Bran­den­burg über­wiegend männlich (ca. 80 Prozent) und im jun­gen Erwach­se­nenal­ter. Im Jahr 2018 waren 19 Prozent der Betrof­fe­nen Frauen (50 von 262). Die meis­ten der ange­grif­f­e­nen Frauen (44 von 50) wur­den aus ras­sis­tis­chen Motiv­en ange­grif­f­en. Bei der­ar­ti­gen Angrif­f­en ist die Tat­mo­ti­va­tion oft mit starken Ele­menten sex­is­tis­ch­er Abw­er­tung ver­schränkt. Dies belastet die Betrof­fe­nen zusätzlich.

Die Stadt Cot­tbus sticht wie in den Vor­jahren lan­desweit mit der höch­sten Zahl an recht­en Gewalt­de­lik­ten her­vor. Durch die Beratungsstelle wur­den in Cot­tbus 35 rechte Angriffe reg­istri­ert, die über­wiegende Mehrheit hier­von (29) waren ras­sis­tisch motiviert und betrafen vor allem Geflüchtete, die in der Stadt ihren Wohn­sitz haben. In der aktuellen seit 2015 anhal­tenden Sit­u­a­tion ist die Uck­er­mark kon­stant ein­er der Land­kreise mit der höch­sten Anzahl rechter Gewalt­straftat­en im Land Bran­den­burg. Von diesem hohen Niveau aus­ge­hend musste im Jahr 2018 ein weit­er­er Anstieg der Angriffe von 13 auf 27 fest­gestellt werden.

Im Hin­ter­grund­pa­pi­er zur Jahressta­tis­tik 2018 find­en sich aus­führlichen Analy­sen sowie die grafis­che Aufar­beitung der Sta­tis­tik. Die Grafiken sind unter Nen­nung der Quelle (Peer Neumann/ Opfer­per­spek­tive) frei verwendbar:

Zum Anschauen oder Herun­ter­laden hier klicken:
Hin­ter­grund­pa­pi­er der Opfer­per­spek­tive zur Jahressta­tis­tik 2018

Info­grafik Jahressta­tis­tik 2018

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Klima & Umwelt

Rohdung #1 – Nein, Nein, das ist nicht die Zukunft!

Infos zu Rohdung – der Kolumne aus dem Dschun­gel gibt es hier.

Seit dem Sep­tem­ber let­zten Jahres ist die “Fri­days for Future”-Bewegung (FFF) in Deutsch­land angekom­men. Am 18. Jan­u­ar diesen Jahres gab es die erste Demon­stra­tion mit anschließen­der Kundge­bung in Eber­swalde, die näch­ste Demon­stra­tion soll am 15. März stat­tfind­en. Es solle “den größten Kli­mas­treik geben, den die Welt je gese­hen hat.” sagt fridaysfofuture.de. [1] Ob dieser großspuri­gen Ankündi­gung, dem dabei auf­blühen­dem Eber­swalder Öko­herz und dem medi­alen Wirbel um “Fri­days for Future” scheint ein unvoll­ständi­ger Ver­such der Auseinan­der­set­zung lohnenswert.

Spätestens seit ihrer Rede auf dem UN-Klimagipfel Anfang Dezem­ber ken­nt fast jed­er Men­sch mit einem Social-Media-Pro­fil die Ini­tia­torin der “Fri­days for Future”-Bewegung Gre­ta Thun­berg. Die damals 15-jährige ging nach den Som­mer­fe­rien 2018 bis zu den Wahlen des schwedis­chen Par­la­ments im Sep­tem­ber drei Wochen lang nicht zur Schule und set­zte sich stattdessen vor das schwedis­che Par­la­ments­ge­bäude. In der Hand hielt sie ein Schild: “Skol­stre­jk för kli­matet”, auf deutsch “Schul­streik für das Klima”.
Seit den Wahlen fehlt Thun­berg jeden Fre­itag – und ist dabei schon lange nicht mehr allein. Bere­its am 30. Novem­ber fol­gten ihrem Vor­bild Schüler_innen in rund 100 Städten Schwe­dens, auch in anderen europäis­chen Län­dern gab es Aktio­nen. [2] Es kam wie es kom­men musste, die Bewe­gung kam nicht nur nach Deutsch­land, son­dern auch nach Eberswalde.

Bei der Demon­stra­tion im Jan­u­ar nah­men in Eber­swalde 200 Per­so­n­en teil – oder 50. Je nach­dem, ob man nun fridaysforfuture.de oder der MOZ glauben möchte. [3][4] Nach dem Video der MOZ zu urteilen, han­delt es sich eher um 50 Schüler_innen. [5] Die Demon­stra­tion musste zeitweise wegen der gerin­gen Teilnehmer_innenzahl auf dem Bürg­er­steig laufen. Am Star­tort, dem Hauptbahn­hof, und am Ende, dem Mark­t­platz, fan­den Kundge­bun­gen statt. Es wurde auf den Kli­mawan­del und eine wenig han­del­nde Poli­tik aufmerk­sam gemacht. In Sprechchören wurde ein Wan­del der Klimapoli­tik und das Ende der Kohlever­stro­mung gefordert.
Im Großen und Ganzen war es alles andere als eine welt­be­we­gende Ver­anstal­tung. Bemerkenswert ist neben der Tat­sache, dass uns bish­er keine anti­semi­tis­chen Krak­endarstel­lun­gen vor die Augen gekom­men sind, vielmehr das Mobil­isierungspo­ten­tial: In rel­a­tiv kurz­er Zeit wurde aus nur einem Milieu, dem der Schüler_innen, min­destens 50 Per­so­n­en zu ein­er sehr speziellen The­matik auf die Straße gebracht. Und das bun­desweit. Erfol­gre­iche Mobil­isierung an Schulen gelang in der Ver­gan­gen­heit entwed­er wenn eine lokale oder the­ma­tis­che Verknüp­fung vor­lag, beispiel­sweise durch Naziaufmärsche/Refugee Sup­port in der eige­nen Stadt oder die Bil­dungsstreiks 2009. Kli­maschutz ist aber nur im über­tra­ge­nen Sinn lokal. Das Über­schre­it­en des Zwei-Grad-Ziels sorgt nicht für blutige Nasen wie es Nazis tun und bet­rifft junge Men­schen nur min­i­mal mehr als ältere, da der Kli­mawan­del ein Prozess ist, der schon längst stat­tfind­et. Dementsprechend leben wir schon mit ihm und die Her­aus­forderung liegt somit  eher in der Anpas­sung der Gesellschaft und Wirtschaft an ihn. Diese muss in den näch­sten Jahrzehn­ten stat­tfind­en – und diese Jahrzehnte erleben auch noch die Eltern der Gen­er­a­tion Z [6] und auch ein Großteil deren Großel­tern. Die Gegen­proteste zu den let­zten recht­en Ver­anstal­tun­gen in Eber­swalde lock­ten, trotz lokaler Unmit­tel­barkeit, nicht so viele Schüler_innen aus dem Klassenzimmer.

Die Forderung der deutschen Bewe­gung beläuft sich auf “mehr Kli­maschutz und den Kohleausstieg – und zwar nicht erst in zehn Jahren!”. [7] Während für die Kohlever­stro­mung mit “Kohleausstieg ab 2020” [8] ein grund­sät­zlich­er Rah­men geset­zt wird, lässt sich zu “mehr Kli­maschutz” nichts Genaueres find­en. Wie sollte man auch? Der men­schliche Einfluss auf den Kli­mawan­del ist selb­st auf nationaler Ebene viel zu vielschichtig, um irgendwelche konkreten Forderun­gen zu stellen. Pos­i­tiv­er Neben­ef­fekt ist, dass so möglichst vehe­ment und kämpferisch für etwas gestrit­ten wer­den kann, ohne dass ein Gegen­wind aus entsprechen­den Wirtschaft­branchen zu erwarten ist, oder der deutsche Michel aus Angst um seinen Lebens­stan­dard in Sachen Bequem­lichkeit auf die Bar­rikaden geht.
Die Rhetorik dieser Bewe­gung beruft sich ständig auf das Ver­hält­nis von “wir Junge gegen euch Alte”, oft genug ver­bun­den mit infan­tilem Gejam­mer, dass die “Alten (da oben)” ihnen wed­er zuhören, noch sie ern­st­nehmen wür­den. Mit­tler­weile sind (lokale) Führungsper­so­n­en der Bewe­gung zu diversen Gesprächen mit Vertreter_innen von Poli­tik und Wirtschaft ein­ge­laden. Man freut sich über einen Auftritt beim Grü­nen Parteitag hier [9] und ein­er Einladung ins Insti­tut für deutsche Wirtschaft dort. [10] Endlich werde man ernst genom­men, endlich könne man par­tizip­ieren. Auch wenn nicht aus­geschlossen wer­den kann, dass dem Einen oder Anderen 68er das Herz beim Anblick der “jun­gen Wilden” auf­blüht, lassen sich diese Einladun­gen doch mit einem einzi­gen Wort beschreiben: Appeasement.

Natür­lich lädt das Kap­i­tal, in Form von Poli­tik und Wirtschaft, die FFF-Vorzeigestre­ber_innen aus der ersten Bankrei­he ein. Schließlich gibt es keinen besseren Weg die Bewe­gung zu besän­fti­gen, als der Forderung nach Gehör nachzukom­men, zu tun als würde man zuhören, zu ver­sich­ern man sorge sich genau­so und ihnen am Ende zu verk­lick­ern, dass es nun einmal nicht so ein­fach sei, wenn nicht sog­ar unmöglich. Entwed­er sehen die FFF-Vertreter_in­nen dies dann ein oder man geht ohne Lösung auseinan­der – und kann behaupten man hätte ja ver­sucht auf FFF einzuge­hen, aber mit dieser Bewe­gung ließe sich nicht kon­struk­tiv ver­han­deln. So ein­fach wie man den Klimabe­wegten den Schwung und die Sym­pa­thie nimmt, so wenig wird am Ende von “Fri­days for Future” abseits von Zeitungsarchiv­en bleiben. Wahrschein­lich muss das Kap­i­tal nicht die ger­ing­sten Zugeständ­nisse machen. 

Dazu kommt, dass FFF nicht ein­mal zu begreifen scheint, was nötig wäre, um ihre Forderun­gen kon­se­quent umzuset­zen: Die Über­win­dung des Kap­i­tals oder zumin­d­est mehr poli­tis­che Macht als dieses.
Denn, wie das 22-jährige Gesicht der deutschen Bewe­gung, Luisa Neubauer, richtig sagt: “Ich erlebe […] den Zwies­palt zwis­chen der Forderung nach Klimapoli­tik und der Forderung nach Wirtschaftswach­s­tum”. [11] Welch haarscharfe und auch über­raschende Analyse, dass das kap­i­tal­is­tis­che Sys­tem auf (möglichst effek­tiv­er) Akku­mu­la­tion beruht und sich eben diese Akku­mu­la­tion­s­möglichkeit­en nicht stre­it­ig machen lassen will. Zumal nicht zählt, ob akku­muliert, son­dern dass aus­re­ichend akku­muliert wird, um in der Konkur­renz des Mark­tes beste­hen zu kön­nen. Die Unfähigkeit eben diesen Zusam­men­hang zu erken­nen und auszus­prechen, son­dern sich im schlimm­sten Fall noch in Post­wach­s­tum­skonzepte oder in andere Green-Cap­i­tal­ism-Idi­otie zu flücht­en, ist für die bre­ite Masse der Kli­maschutz- bzw. Ökobe­we­gung symp­to­ma­tisch. Das gilt für die Klimabe­wegte in Eber­swalde genau­so wie bundesweit.
Mehr poli­tis­che Macht bzw. Druck auf die Poli­tik in Form von Par­la­menten und Min­is­te­rien wird eben­falls wohl kaum zu stande kom­men, zumal es sich beim einzigen Druck­mit­tel um ein “Bestreiken” des Schu­lun­ter­richts han­delt. Als ob “Streiken” an einem einzi­gen (!) Wochen­tag, noch dazu dem Fre­itag, nicht schon lächer­lich genug wäre, find­en die sogen­nan­ten Streiks brace your­self fast auss­chließlich Nach­mit­tags statt. Falls die Schüler_innen zu diesen Zeit­en noch Unter­richt haben, wer­den also unge­fähr ein bis zwei Unter­richtsstun­den bestreikt. Doch hier erre­icht der Irrsinn seinen Höhep­unkt noch nicht, denn Streiks sollen Druck aufbauen, da Pro­duk­tion ver­hin­dert wird und damit zu Gewin­nver­lus­ten führen. Das tut das “Bestreiken” des Schu­lun­ter­richts nicht. Schon gar nicht am Fre­itag Nach­mit­tag. Die einzige Leis­tung dieses “Streiks” ist, dass sich die Stre­ber_innen aus der ersten Rei­he ein­mal in ihrem Leben rebel­lisch fühlen kön­nen, bevor sie im Anzug ver­schwinden. Das “Engage­ment” für FFF macht sich dann alle­mal gut im Lebenslauf.

Jede_r fängt mal klein an. Wird zumin­d­est oft gesagt. Und tat­säch­lich ist es schön zu sehen, dass sich junge Men­schen für etwas engagieren. Noch schön­er ist, dass sie sich wahrschein­lich in vie­len Fällen als “links” ver­ste­hen. Jedoch wird auch in selb­ster­nan­nten “linken” Kli­maschutzbe­we­gun­gen reak­tionär-antie­manzi­pa­torischen Ansätzen allzu oft ein Podi­um geboten. Statt eine klare Kante gegen Spin­ner_innen zu zeigen, wird in der Regel ver­sucht noch der let­zten Tiefenökolo­gin ein Safe Space zu bieten. Ratio­nale Kri­tik hat draußen zu bleiben.
Ob FFF hier der unsäglichen Tra­di­tion deutsch­er Ökobe­we­gun­gen fol­gen wird oder nicht, bleibt abzuwarten. Bish­er fie­len die Ver­anstal­tun­gen wed­er durch solche Aus­fälle auf, noch durch offen­sive Abgren­zung dagegen.
Ger­ade wenn den Gesichtern der FFF-Bewe­gung aus der kon­ser­v­a­tiv bis extrem recht­en Ecke vorge­wor­fen wird, sie seien bloße Instru­mente von wem auch immer (Hal­lo, Ver­schwörungsphan­tasie!), oder hät­ten ein­fach keine Lust in die Schule zu gehen, gehören sie vertei­digt. Ins­beson­dere weil wieder ein­mal mehr zu sehen ist, wie ekel­haft soziale Medi­en sein kön­nen. Doch gehören sie gegen diese Angriffe vertei­digt und nicht für ihre Inhalte. Denn diese gehören seper­at und nüchtern auf den Prüf­s­tand gestellt. Nie­man­dem ist geholfen, indem die Schüler_innen von FFF zum neuen rev­o­lu­tionärem Sub­jekt verk­lärt wer­den, nur weil sie sym­pathisch sind. Gle­ich­es gilt übri­gens auch für Baggerbesetzer_innen, schließlich ist es vol­lkom­men offen, ob das Pro­jekt “Kli­maschutz” über­haupt als “links” anzuse­hen ist. Denn: linke Konzepte fehlen bish­er. [12]
Es bleibt zu hof­fen, dass die Beteili­gung an FFF zumin­d­est für einige das Ursprungsmo­ment ein­er dauer­haften Poli­tisierung
darstellt . Mit noch ein wenig Hoff­nung mehr, führt diese zu einem Engage­ment im Kampf ums Ganze, statt dem Kampf ums Klima.

Lange Rede kurz­er Sinn:
Liebe Schüler_innen, wenn ihr “streikt”, dann macht in der Zeit etwas Sin­nvolles. Schlaft aus, entspan­nt euch im Park, zieht euch Net­flix rein oder lest etwas.


[1] https://fridaysforfuture.de/march15th/
[2] https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/greta-thunberg-das-gesicht-der-globalen-klimabewegung-a-1241185.html
[3] https://fridaysforfuture.de/18januar/
[4] https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1704083/
[5] Die Bewe­gung wird haupt­säch­lich von Schüler_innen getra­gen, allerd­ings fühlen sich auch viele Studierende ange­sprochen (bzw. wer­den von der Bewe­gung gezielt ange­sprochen) und nehmen an den Aktio­nen teil. Diese wer­den hier, der Ein­fach­heit hal­ber, eben­falls ange­sprochen, wenn von Schüler_innen die Rede ist.
[6] Beze­ich­nung für zwis­chen 1997 und 2012 geborene
[7] https://fridaysforfuture.de/about/
[8] https://fridaysforfuture.de/wp-content/uploads/2019/02/Offener-Brief-kohlekommission.pdf
[9] https://www.pnn.de/brandenburg/fridays-for-future-zuspruch-fuer-streikende-schueler-waechst/24042846.html
[10] https://ze.tt/klima-aktivistin-luisa-neubauer-ich-hoffe-dass-ich-nicht-noch-825-freitage-streiken-muss
[11] ebenda
[12] Allen Leser_innen sei an dieser Stelle der Text „T‑Shirt im Treibhaus“ von Ivo Boz­ic ans Herz gelegt: https://jungle.world/artikel/2017/35/t‑shirt-im-treibhaus

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Antifaschismus Gender & Sexualität Law & Order

Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still!

Am 8. März find­et in Cot­tbus eine Kundge­bung zum inter­na­tionalen Frauenkampf­tag statt. Als Teil ein­er The­men­woche für Selb­st­bes­tim­mung und gegen Unter­drück­ung der Frauen rufen ver­schiedene Organ­i­sa­tion auf, sich um 15.00 Uhr auf dem Heron­platz zu ver­sam­meln. Gemein­sam soll ein Zeichen für die Emanzi­pa­tion der Frau geset­zt werden.

Seit mehr als 100 Jahren find­et am 8. März der inter­na­tionale Frauenkampf­tag statt. Ursprünglich ins Leben gerufen, um das Frauen­wahlrecht durchzuset­zen, ist das Datum heute fes­ter Bestandteil viel­er poli­tis­ch­er Organ­i­sa­tio­nen. Auch dieses Jahr find­en bun­desweit Kundge­bun­gen, Demos und Streiks statt — alle­samt in der Tra­di­tion der
gle­ichen Forderun­gen: Aufzubegehren gegen jede Unter­drück­ung, ver­bale wie kör­per­liche Gewalt aber auch gegen Ungle­ich­be­hand­lung — Einzutreten für die Rechte von Frauen*, für ihre Anerken­nung und Selbstbestimmung.

Bere­its im let­zten Jahr fand in Cot­tbus eine Demon­stra­tion unter dem Mot­to “Frauen gemein­sam gegen Ras­sis­mus und Ungerechtigkeit” in Cot­tbus statt. Daran soll angeknüpft und der Diskurs weit­er in die Stadt­ge­sellschaft getra­gen wer­den. Ziel ist es, vere­inzelte Kämpfe von Frauen zu verbinden, sich sol­i­darisch zu zeigen und bestehende
Missstände anzuk­la­gen. Aus diesem Grund gibt es in diesem Jahr eine ganze The­men­woche, die sich mit unter­schiedlichen Aspek­ten des Frauen­be­freiungskampfes auseinan­der set­zt. Inspi­ra­tion dafür fan­den die Organisator*innen im bun­desweit­en Frauen­streik­bünd­nis. Ermöglicht wurde die The­men­woche, indem sich ver­schiedene Men­schen und Organ­i­sa­tio­nen zusam­men geset­zt haben, ihre Vorstel­lun­gen und Ideen aus­ge­tauscht und gemein­sam über­legt haben, wie diese umge­set­zt wer­den können.

Um auf ver­gan­gene und aktuelle Kämpfe Bezug zu nehmen, find­en außer der Kundge­bung weit­ere Ver­anstal­tun­gen statt. Sowohl Frauenselb­stor­gan­i­sa­tio­nen, Jugend­grup­pen als auch Kul­turschaf­fende und poli­tis­che Organ­i­sa­tio­nen haben sich zusam­mengeschlossen. Sie gestal­ten zusam­men mit ein­ge­lade­nen Ref­er­entin­nen durch Vorträge und
Diskus­sion­srun­den einen Überblick zu aktuellen Diskursen. Neben der inhaltlichen Auseinan­der­set­zung wird auch Raum für Ver­net­zung und Selb­stor­gan­i­sa­tion geschaf­fen. “Wir wollen durch ver­schiedene Ange­bote die Möglichkeit geben, sich mit Fem­i­nis­mus und Gle­ich­berech­ti­gung auseinan­der zu set­zten,” erk­lärt Lotte Dobrint vom Bünd­nis, “dabei war uns wichtig ein möglichst bre­ites The­men­feld zu bedi­enen, welch­es ver­schiedene Men­schen anspricht.”

Weit­ere Infor­ma­tio­nen sind auf Face­book zu finden:
https://www.facebook.com/events/322379268626058/ oder unter frauenkollektiv_cottbus@riseup.net

Anbei eine Über­sicht der geplanten Veranstaltungen:

Dien­stag 05.03.19 — 19 Uhr

Vor­trag “Frauenkampf heißt Klassenkampf”
Qua­si Mono
Erich-Wein­ert-Str. 2
03046 Cottbus

Fre­itag 08.03.19 — 15 Uhr

Kundge­bung “Wenn wir die Arbeit nieder­legen, ste­ht die Welt still”
Heron­platz / Stadtbrunnen
03046 Cottbus

Sam­stag 09.03.19 — 20 Uhr

Female Front­ed Hard­core Show
Muggefug
Papitzer Straße 4
03046 Cottbus

Mittwoch 06.03.19 — 17 Uhr

Frauen­café im Sandowkahn
Sandowkahn
Elis­a­beth-Wolf-Str. 40A
03042 Cottbus

Fre­itag 08.03.19 — 22 Uhr

Female Fri­day Party
Chekov
Strom­str. 14
03046 Cottbus

Mon­tag 11.03.19 — 19 Uhr

Vor­trag “Tox­is­che Männlichkeit in Brandenburg”
Zelle79
Parzel­len­straße 79
03046 Cottbus

Mittwoch 06.03.19 — 19 Uhr

Vor­trag “Nie mehr Pocahontas…”
Sandowkahn
Elis­a­beth-Wolf-Str. 40A
03042 Cottbus

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Gender & Sexualität

Wir fordern ein menschenwürdiges Leben für alle!”

Noch immer erfahren Frauen* in ihrem All­t­ag sex­uelle Über­griffe, sie wer­den über­durch­schnit­tlich oft Opfer von häus­lich­er Gewalt, sehen sich absur­den Schön­heit­side­alen aus­ge­set­zt und dür­fen nicht selb­st über ihre Sex­u­al­ität und ihren Kör­p­er entschei­den. Mit dem gesamt­ge­sellschaftlichen Recht­sruck und ein­er antifem­i­nis­tis­chen AfD in den Par­la­menten bre­it­en sich reak­tionäre Geschlechter- und Fam­i­lien­bilder aus und schränken Frauen* und Mäd­chen* in ihrer Lebens­gestal­tung ein. Sor­gende und schlecht bzw. gar nicht bezahlte Tätigkeit­en wie kochen, putzen und pfle­gen gel­ten auch 2019 noch als typ­is­che Frauen*arbeiten und erfahren wenig gesellschaftliche Wertschätzung. Wie das Sta­tis­tis­che Bun­de­samt in ihrer Zeitver­wen­dungser­he­bung 2012/2013 ermit­telte, leis­ten Frauen zwei Drit­tel ihrer Arbeit unbezahlt, Män­ner weniger als die Hälfte.

Wir sol­i­darisieren uns mit der fem­i­nis­tis­chen Streik­be­we­gung, die in den let­zten Jahren unter anderem in Argen­tinien, dem Iran und Spanien auf sex­is­tis­che Ver­hält­nisse aufmerk­sam gemacht hat. Das bun­desweite Frauen*streikbündnis in Deutsch­land ruft alle Frauen dazu auf, am 08.03. alle bezahlte und unbezahlte Arbeit niederzule­gen. Mit dem Mit­tel des poli­tis­chen Streiks wollen Frauen* in ganz Deutsch­land für eine Über­win­dung der Arbeits- und Lebensver­hält­nisse stre­it­en, welche die Grund­lage für die Unter­drück­ung von Frauen* bieten. Es geht also nicht nur um eine Tar­i­fau­seinan­der­set­zung mit den eige­nen Arbeitgeber*innen. Stattdessen soll an diesem Tag für die Über­win­dung der patri­ar­chalen und kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft gestrit­ten werden.

Es geht deshalb nicht nur darum, im Kleinen zu entschei­den, wer den Abwasch macht, son­dern darum, zu debat­tieren, wie die gesellschaftlich notwendi­ge Arbeit geregelt wer­den soll. Und es geht uns auch nicht darum, dass Frauen* weniger Hausar­beit leis­ten müssen, um endlich auch lohnar­beit­en gehen zu können.

Wir fordern eine radikale Arbeit­szeitverkürzung! Wir fordern eine grundle­gende Umverteilung von Haus- und Sorgear­beit! Wir fordern ein men­schen­würdi­ges Leben für alle!

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Antifaschismus

Hakenkreuz-Schmierereien am Chekov in Cottbus

In der Nacht vom 21. auf den 22. Feb­ru­ar 2019 wurde das Cot­tbuser Chekov ein­mal mehr das Ziel von Schmier­ereien mit offenkundig nation­al­sozial­is­tis­chem Bezug. Dabei wurde das Gebäude des Vere­ins an mehreren Stellen mit Hak­enkreuzen besprüht, darunter etwa an der Ein­gangstür im abges­per­rten Vorhof des Clubs und am Dachaufbau.
Auch ein Graf­fi­ti, das als Mah­n­mal gegen den Holo­caust, Krieg und Faschis­mus fungiert, wurde auf der Seite zum Strom­badgelände hin verun­stal­tet. Die Polizei war vor Ort und es wurde Anzeige gegen Unbekan­nt erstattet.
Die Mit­glieder des Vere­ins zeigen sich entrüstet über diesen böswilli­gen Akt des Van­dal­is­mus und lassen sich nach wie vor von der­ar­ti­gen Attack­en nicht einschüchtern.
„Das Chekov ist und bleibt ein friedlich­er Ort der Zusam­menkun­ft für alle Men­schen, die für Vielfältigkeit und ein wohlwol­len­des Miteinad­er ein­ste­hen. Umso trau­riger stimmt es, dass rechts­gerichtete Anfein­dun­gen dieser Art immer wieder das gemein­nützige Ansin­nen des Clubs angreifen und auch all­ge­mein ein zunehmend gesellschaftlich­es Prob­lem darstellen.“, so der Press­esprech­er des Vere­ins, Sebas­t­ian Fuchs.
Das Chekov war bere­its des Öfteren Ziel rechts-motiviert­er Angriffe, die auch schon gewalt­tätige Aus­maße annah­men. So wurde etwa im Sep­tem­ber 2016 eine pri­vate Abschlusspar­ty von Schülern der medi­zinis­chen Fach­schule durch eine Gruppe von poli­tisch motivierten Schlägern über­fall­en und es kam zu Per­so­n­en­schä­den sowie Sachbeschädigungen.

Über das Chekov:
Direkt am Strom­bad an der Spree gele­gen befind­et sich das Chekov – Mit­ten im Grü­nen, fernab vom Großs­tadt­getüm­mel der Cot­tbuser City. Egal ob als Ver­anstal­tung­sort für coole Konz­erte und Par­tys, inter­es­sante Work­shops und Vorträge oder ein­fach nur als beliebte Begeg­nungsstätte für Jugendliche und
Jungge­bliebene hat der Club im let­zten vier­tel Jahrhun­dert einen wichti­gen Platz in der Cot­tbuser Kul­turszene eingenommen.
Ehre­namtlich und gemein­nützig betrieben vom Vere­in zur Förderung sub­kul­tureller Aktiv­itäten e.V. hat sich das Chekov dabei seit sein­er Grün­dung im Mai 1994 ein möglichst vielfältiges Ange­bot aus Unter­hal­tung, Kun­st und Bil­dung auf die Fahne geschrieben.

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Arbeit & Soziales Flucht & Migration

Menschen brauchen sichere Perspektiven

Das Geset­zge­bungsver­fahren zum Fachkräf­teein­wan­derungs­ge­setz und zur Aus­bil­dungs- und Beschäf­ti­gungs­dul­dung ste­ht kurz vor dem Abschluss. Im März wird im Bun­destag voraus­sichtlich die erste Lesung stat­tfind­en, der Bun­desrat hat Empfehlun­gen aus­ge­sprochen. „Wir stellen bedauer­licher­weise fest, dass sich das herrschende Abwehrdenken der Asylpoli­tik im derzeit­i­gen Entwurf durch­set­zt. Statt klar­er Per­spek­tiv­en für alle Arbeits­mark­t­beteiligten schafft das Gesetz neue Hür­den zum Arbeits­mark­tzu­gang von Geflüchteten“ kom­men­tiert P.V. Sonkeng Tegouf­fo vom Flüchtlingsrat Brandenburg.

Zwar sieht eine neu einge­führte Dul­dung vor, dass die Abschiebung zum Zweck der Beschäf­ti­gung aus­ge­set­zt wird. Doch greift das neue Instru­ment nur für eine geringe Anzahl von sehr leis­tungs­fähi­gen, jedoch vol­lziehbar aus­reisepflichti­gen Men­schen. Kaum eine Per­son wird es schaf­fen, 18 Monate vor der Erteilung beschäftigt gewe­sen zu sein und ein Jahr den Leben­sun­ter­halt voll­ständig gesichert zu haben. „Aus der Prax­is erfahren wir eine sehr restrik­tive Hal­tung der Aus­län­der­be­hör­den bei der Erteilung ein­er Beschäf­ti­gungser­laub­nis. Anträge von abgelehn­ten Schutz­suchen­den sind in eini­gen Land­kreisen de fac­to aus­sich­st­los“, berichtet Sonkeng Tegouf­fo. „Von daher ist die Forderung ein­er Leben­sun­ter­haltssicherung von min­destens 12 Monat­en vor Erteilung ein­er Beschäf­ti­gungs­dul­dung real­itäts­fern und verken­nt die Tat­sache, dass nicht jede Beschäf­ti­gung leben­sun­ter­haltssich­ernd ist.“

Beschäftigte, für die der Geset­zge­ber eine Aufen­thaltssicherung ver­weigert, dro­hen ihre Arbeit zu ver­lieren, da den Unternehmen die Sit­u­a­tion ohne die verbindliche Zusage ein­er Aufen­thaltsper­spek­tive zu unsich­er ist. Das ist das Gegen­teil von Beschäf­ti­gungssicherung und Poten­tia­lent­fal­tung. In Bran­den­burg lässt Min­is­ter­präsi­dent Woid­ke ver­laut­en: „Auf kein Fall abschieben, wenn jemand eine feste Arbeitsstelle hat“. Doch das Gegen­teil ist der Fall: Immer wieder wird Geflüchteten die Beschäf­ti­gungser­laub­nis auch nach jahre­langer Tätigkeit ent­zo­gen mit dem Hin­weis auf ihre ver­meintliche Aus­reisepflicht. Zunehmend fordern aber auch zivilge­sellschaftliche Kräfte in den Kom­munen Bran­den­burgs Bleiberecht für Geflüchtete in Arbeit und Aus­bil­dung. Dies bleibt bis jet­zt von der Lan­despoli­tik unbeachtet.

Einem unkom­plizierten Arbeits­mark­tzu­gang ste­hen auch die neuen Erteilungsvo­raus­set­zun­gen für die Aus­bil­dungs­dul­dung ent­ge­gen. Unter anderem müssen vol­lziehbar Aus­reisepflichtige bere­its sechs Monate geduldet sein, bevor sie die Aus­bil­dungs­dul­dung beanspruchen kön­nen. „Das heißt im Klar­text käme erst nach ein­er sechsmonati­gen Peri­ode gescheit­ert­er Abschiebev­er­suche eine Aus­bil­dungs­dul­dung in Frage“, so der Flüchtlingsrat Bran­den­burg. „Es ist höch­ste Zeit, Ver­säum­nisse der let­zten Jahrzehnte auszuräu­men und Auszu­bilden­den und Betrieben Pla­nungssicher­heit anzubieten.“

Es ist zudem nicht nachvol­lziehbar, warum der Geset­zge­ber auf ein­er voll­ständi­gen Iden­tität­sklärung behar­ren sollte. Geflüchtete, die ihr Herkun­ft­s­land über­stürzt ver­lassen haben und auf gefahrvollen Wegen nach Deutsch­land geflo­hen sind, haben oft ein großes Prob­lem, wenn es darum geht, einen neuen Pass zu besor­gen. „Es ist völ­lig absurd bei Bemühun­gen zur Iden­tität­sklärung von Men­schen mehr zu ver­lan­gen als das Zumut­bare. Insofern müssen Nach­weise über ergrif­f­ene Maß­nahme aus­re­ichend sein“, fordert der Flüchtlingsrat. Rechtlich frag­würdig ist zudem die geplante Regelung, dass kün­ftig inner­halb von sechs Monat­en nach der Ein­reise die Iden­tität gek­lärt sein muss, um eine Aus­bil­dungs- oder Beschäf­ti­gungs­dul­dung erhal­ten zu kön­nen. Während des Asylver­fahrens darf von den Betrof­fe­nen keine Kon­tak­tauf­nahme mit den Heimat­be­hör­den ver­langt wer­den und nicht wenige Asylver­fahren dauern länger als sechs Monate.

Bere­its im Novem­ber 2018 veröf­fentlicht­en neun Lan­des­flüchtlingsräte, der Par­itätis­che Wohlfahrtsver­band — Gesamtver­band, PRO ASYL, Teile des Bun­desvor­stands des DGB und weit­ere Ver­bän­den und Vere­inen eine umfassende Stellungnahmen.

Inforiot