Strausberg (MOZ) Die Abgeordneten der Stadt Strausberg (Märkisch-Oderland) haben sich nicht gegen gentechnisch veränderte Pflanzen auf kommunalen Feldern ausgesprochen. Solch einen Beschluss hatte Uwe Kunath (Alternative Jugend) auf der jüngsten Sitzung des Parlaments gefordert. Demnach sollte die Stadt Pächter von stadteigenen — eher bedeutungslosen — Flächen verpflichten, auf Gentechnik zu verzichten. Nach heftiger Debatte musste Kunath einräumen, dass die so genannte freiwillige Feldbefreiung der Initiative “Gendreck weg” sowohl Sympathisanten als auch die zuvor sichere Mehrheit gegen Gentechnik gekostet habe.
Autor: redax
„Toleranz regt mich auf“
Susanne Havemann ist Mutter dreier farbiger Kinder. Sie will akzeptiert sein, und dass die Politik ein multikulturelles Klima schafft.
(Nicola Klusemann, PNN) Eigentlich wollte sie keine Kinder. Und nach der Geburt ihres Sohnes auf keinen Fall ein weiteres. Inzwischen hat Susanne Havemann vier Kinder und ihre Einstellung grundlegend geändert.
„Was habe ich von Luxus – großen Reisen, dicken Autos – wenn ich einsam sterbe, nichts mitnehmen kann und nichts von mir zurücklasse?“ Die 33-Jährige hat sich entschieden, der Nachwelt ihre Nachkommen zu hinterlassen. „Das ist mein Beitrag zum multikulturellen Zusammenleben.“ Ihre drei Töchter Adina (8 Jahre), Naome (6) und Aicha Johanna (4 Monate) sind farbig, ihre Väter Afrikaner. Das sei nicht immer leicht. Oft genug fange sie sich böse Sprüche ein, Leute starrten sie und ihren Freund aus Mali an. Dass sich Potsdam als tolerante Stadt verstehe, macht sie wütend. „Der Begriff Toleranz regt mich auf. Toleranz ist der Ignoranz ähnlich. Wer toleriert, beachtet nicht“, sagt Susanne Havemann, die einfach mit Mann und Kindern leben will und sich wünscht, dass die Menschen das akzeptierten. „Ich möchte angenommen sein.“
Ihr Luxus ist der Kinderreichtum. Die kleine Familie bewohnt eine MasoinetteWohnung in der Innenstadt. Auf dem blitzblanken Holztisch stehen gelbe Kerzen. Durch weiße Leinenvorhänge scheint die Augustsonne. Das ebenso weiße Sofa geht über Eck, ein niedrig angebrachtes schlichtes Regal schließt sich an, auf dem gerahmte Fotos stehen. Im Hintergrund surrt die Spülmaschine, das durch den Wasserstrahl bewegte Geschirr klappert rhythmisch beruhigend wie ein Metronom. Die ausgebildete Anstreicherin und umgeschulte Fremdsprachensekretärin lebt heute von Arbeitslosengeld II, Erziehungs- und Kindergeld. Sie hat gelernt, ihren Lebensstandard herunterzuschrauben. Über die Sozialreformen könne sie nicht meckern. Die kämen ihr zugute. Wenn man allerdings seinen Kindern ein bisschen was Besonderes bieten wolle, werde es knapp. Ihre ältere Tochter lerne zum Beispiel Akkordeon und Naome habe gerade mit Ballett angefangen. Neben den monatlichen Beiträgen kämen dann noch die Instrumenten-Ausleihe und das Tutu für die Prima Ballerina dazu. Da müsse man schon ganz schön rechnen, sagt Susanne Havemann, die sich wünscht, dass solche Sachen kostengünstig auch von städtischen Institutionen und nicht nur privat angeboten würden. Ähnlich heftig schlügen auch Ausflüge in die Hauptstadt zu Buche. „Selbst wenn Museumsbesuche manchmal kostenlos angeboten werden, kommt allein durch den Ticketkauf für die öffentlichen Verkehrsmitteln eine Summe zusammen, mit der ich einen Wochenendeinkauf bestreite.“ Die Tarife könnten schon familienfreundlicher gestaltet werden, findet die Hausfrau.
Grundsätzlich aber meint sie, dass Rot-Grün das Beste aus dem gemacht habe, was die Kohl-Regierung an „Bruchwerk“ hinterlassen habe. Auch fand sie die Haltung gut, die SPD und Bündnis 90/Grüne während des Irak-Krieges eingenommen hätten. Es sei richtig gewesen, keine deutschen Soldaten an den Kampfhandlungen zu beteiligen und sich nicht den Amerikanern unterzuordnen. Weil die Regierung so besonnen reagiert habe, könnten wir uns jetzt sicherer fühlen. „Wer weiß schon, ob die Bundesrepublik nicht anderenfalls schon ähnlich wie in London Ziel von Al Qaida-Anschlägen geworden wäre“, sagt die junge Frau.
Susanne Havemann bekennt klar Farbe. Am 18. September bekäme die SPD ihre Stimme, damit sie weitermachen könne. Sie wolle ein CDU-regiertes Land „mit der Merkel oben drauf“ aktiv verhindern.
Die allein erziehende Mutter wiegt ihr Jüngstes, die viermonatige Aicha, im Arm. Der Säugling ist nach einer kleinen Zwischenmahlzeit eingeschlafen. Dass sie auch nach der Erziehungszeit keine Arbeit finden wird, schätzt die 33-Jährige realistisch ein. Mit drei Kindern – ihr elfjähriger Sohn Carl-David lebt beim Vater – sei man einfach eine schwierige Arbeitnehmerin, die jederzeit ausfallen könnte. Dass aber ihr Freund keinen Job bekommt, trotz Jura-Studium und dreijähriger Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland, liege sicher auch an seiner Hautfarbe. „Es ist schade, dass viele immer noch so denken.“
Das Miteinander könnte leicht sein, wenn die Vorurteile nicht wären. Susanne Havemann hat deshalb einen ganz patenten Vorschlag: Statt nur Fremdsprachen in der Schule zu unterrichten, sollte man beispielsweise einen Besuch im Asylbewerberheim als Pflichtprogramm mit in die Schulstunde aufnehmen. „Nur wenn man sich mit den Fremden beschäftigt, lösen sich die Vorbehalte auf.“ Allgemein wünsche sich die Multikulti-Verfechterin von der großen Politik ein besseres Klima für ausländische Mitbürger. Die Bundesrepublik schmücke sich mit internationalen Beziehungen und bezeuge diese medienwirksam. Weltweit gebe es Spendenaktionen und Benefizkonzerte für hungernde Menschen in Afrika. Und wenn hier ein Afrikaner zu Gast sei, sei er nicht willkommen. „Das passt doch nicht zusammen.“ Ausländer, die ehrlich versuchten, hier in Deutschland etwas zu schaffen, sollten eine Chance bekommen. Das würde auch das Leben von Susanne Havemann erleichtern. Findet ihr Freund keine Beschäftigung, werde er womöglich zurück nach Mali gehen und ihre Familie werde auseinander gerissen. „Das kann doch keiner wollen.“
“Rosa Listen” auch in Brandenburg
Der Skandal um “Rosa Listen” bei der Polizei weitet sich aus. Auch die
Polizei in Brandenburg erfasst die sexuelle Orientierung von Personen in
ihrer Software, berichtet das Online-Magazin Queer.de. Das
Innenministerium will jetzt allerdings eine Sperrung der entsprechenden
Katalogsoptionen veranlasst haben.
Zur Erfassung von Strafanzeigen und Verkehrstraftaten wird in
Brandenburg das Polizeiliche Auskunftssystem Straftaten (PASS) genutzt,
das nach Angaben des Innenministeriums 1998 von Sachsen übernommen
wurde. “Das System PASS ist eine ausschließlich polizeiinterne
recherchefähige Anwendung mit Angaben zu Tatverdächtigen, zur Tat sowie
in Ausnahmefällen zu Opfern. Angaben zu Zeugen oder Unbeteiligten werden
nicht erfasst”, erklärte am Freitag Dorothée Stacke, Pressesprecherin
des Ministeriums, gegenüber Queer.de.
Im Bereich der “Opfercharakteristik” ließen sich Personaldaten mit den
Katalogwerten “Homosexueller”, “Strichjunge” und “Transvestit” versehen.
“Darüber hinaus ist für die Erfassung der Tat ein Eingabefeld mit dem
Hinweis auf Homosexualität, die mit der Tat in Verbindung stehen könnte,
vorhanden. Der Eintrag in den jeweiligen Katalogfelder[n] ist nicht
obligatorisch als Pflichtfeld vorgegeben”, so Stacke. Eine Recherche im
System für den Zeitraum 1995 bis jetzt habe 15 Einträge mit dem Vermerk
“Homosexueller” und einen Eintrag mit dem Vermerk “Transvestit” ergeben.
Die Entwicklung des Systems sei unter dem Gesichtspunkt geschehen, “über
Besonderheiten der Opfercharakteristik bzw. der Tat kriminalistisch
relevante Informationen zur Ermittlung von Tatverdächtigen zu erlangen,
die wiederkehrend spezielle Tatbegehungsweisen verfolgen bzw. Opfer auf
Grund besonderer Neigungen oder Besonderheiten aussuchen”, so die
Pressesprecherin. “Im Zusammenhang mit der nunmehr erfolgten Prüfung
wurde festgestellt, dass diese Daten bisher jedoch keine Relevanz in der
Ermittlungstätigkeit erlangt haben. Durch MI BB wurde daher die Sperrung
des Katalogfeldes veranlasst.” Eine Löschung der erfolgten Einträge
werde derzeit geprüft.
Hintergrund: In den letzten Monaten war bekannt geworden, dass in der
Software IGVP, die von der Polizei in Bayern, Thüringen und in NRW
eingesetzt wird, ein “Aufenthalt von Homosexuellen” vermerkt werden
kann. Im Schreibprogramm zu IGVP lässt sich zudem “Homosexueller” unter
Tätergruppe elektronisch ankreuzen. Eine Umfrage der queer.de-Redaktion
an alle Innenministerien hatte später ergeben, dass auch in Sachsen
Datenmerkmale über Homosexualität erfasst werden (s. a.
hier). Alle übrigen
Bundesländer erfassen solche Daten laut eigenen Angaben nicht, aus
Berlin fehlt jedoch noch immer eine Antwort an die Redaktion. Auch das
Bundesinnenministerium hat noch nicht auf Fragen der Redaktion
geantwortet, nachdem das Innenministerium in Sachsen geantwortet hatte,
im bundesweiten System “Inpol” lasse sich die sexuelle Orientierung von
Tatopfern erfassen.
„Empört wie kleine Kinder“
DDR-Forscher Klaus Schroeder über Schönbohms Thesen und die Reaktion
der Ostdeutschen
Wie erklären Sie sich den kollektiven Aufschrei der Ostdeutschen über
die Äußerungen von Schönbohm und Stoiber?
Es gibt ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Ostdeutschen. Offenbar eine
Nachwirkung des Kollektiv-Lebens in der DDR, aber auch eine Folge des
Zusammenrückens nach der Vereinigung. Viele Ostdeutsche, selbst jenseits
der PDS, glauben heute: Wer schlecht über die DDR redet, will sie
persönlich herabwürdigen. Man fühlt sich immer gleich kollektiv
angegriffen.
Aus mangelnder Souveränität?
Ja, es fehlt den Ostdeutschen offenbar immer noch an Selbstbewusstsein,
aber auch an Differenzierungsvermögen. Das merkt man auch am Verhältnis
zur Linkspartei: Eigentlich ist die ostdeutsche Gesellschaft längst viel
differenzierter, haben etwa Unionswähler mit der Linkspartei nichts am
Hut. Trotzdem wird die Linkspartei über ihre eigene Anhängerschaft
hinaus in Schutz genommen. Nach dem Motto: Das sind auch unsere Leute.
Hat Jörg Schönbohm mit seiner Proletarisierungs-These diesen Reflex
verstärkt?
Herr Schönbohm hat ein wichtiges Thema angesprochen, aber leider falsch
begründet. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Erziehung in der DDR
und Gewaltexzessen oder gar Kindesmorden. Wo er Recht hat: Es gibt in
Ostdeutschland eine Kultur des Wegschauens und mehr alltägliche Gewalt
als im Westen. Gründe dafür liegen sowohl in Nachwirkungen aus der
DDR-Zeit als auch in den Erfahrungen mit der Einheit.
Was meinen Sie konkret?
Früher sorgte der Staat für alles, die Kinder und Jugendlichen wurden
betreut. Die Eltern brauchten sich kaum zu kümmern. Aber nach 1990
mussten sie das plötzlich. Man war gar nicht gewohnt, mit Kindern so
viel Zeit zu verbringen. Und die Kinder und Jugendlichen, die gemerkt
haben, wie stark der soziale Umbruch die Eltern, die Erwachsenen
verunsichert hat, sind in dieses Vakuum hineingestoßen. Das erklärt das
deutlich höhere Ausmaß an Jugendgewalt, an rechtsextremistischem Denken
im Osten, wobei es nicht verfestigt ist. Es sind meist Provokationsrituale.
Warum ragt Brandenburg bei der Gewaltkriminalität in Ostdeutschland
besonders heraus?
Das hängt vermutlich mit Traditionen dieses Landstrichs zusammen. Schon
vor der DDR war Brandenburg, ja, der ganze Nordosten Deutschlands in der
Kriminalitätsstatistik auffällig. Das hat sich in der DDR fortgesetzt,
offenbar bis heute. Hier scheint es eine Nord-Süd-Achse zu geben,
übrigens auch im Westen.
Auch im Westen?
Es gibt Indizien dafür. Wir haben eine Studie zu Jugendgewalt und
Rechtsextremismus gemacht. Das Ergebnis: Jugendliche in norddeutschen
Städten – ob West oder Ost – waren stärker gewaltbereit, hatten häufiger
rechtsextreme Einstellungen als im Süden. In Bayern und Thüringen waren
die Jugendlichen toleranter und weniger gewaltbereit.
Stimmt die These von der „geistigen Deformierung“ im Osten durch die SED?
Ob man diesen Negativ-Begriff verwendet, ist eine Frage des
Standpunktes. Aber es ist eine Tatsache, dass die Sozialisation, die
Erfahrungen in der DDR nachwirken, die Menschen prägen. Und zwar
unabhängig davon, wie sie zur SED-Diktatur standen. So haben ja selbst
ehemalige Bürgerrechtler teilweise DDR-typische Verhaltensweisen. Viel
erstaunlicher ist aber, dass die alten Milieus selbst bei den Jungen
nachwirken, was am Einfluss der Erwachsenen, der Eltern und Lehrer
liegen muss.
Führt das zur Verklärung der DDR?
Ja, gerade bei jungen Leuten im Osten. Viele halten die DDR für ein
soziales System, wo jeder Arbeit hatte, wo es soziale Geborgenheit,
Solidarität gab. Kritisches wie fehlende Demokratie und Reisefreiheit
sieht man zwar auch. Aber das Soziale wird überhöht. Ausgeblendet wird,
dass das auch zu Unselbstständigkeit des Einzelnen, zu Entmündigung
geführt hat.
Die Identifikation der Ostdeutschen mit der DDR ist heute also größer
als vor 1989?
Auf jeden Fall: Weil es heute um eine idealisierte DDR geht, nicht mehr
um die reale. Die reale DDR wollen inzwischen wirklich nur noch ein paar
ideologische Betonbauer zurück, wahrscheinlich nicht einmal zehn Prozent
der Ostdeutschen.
Inwiefern „ticken“ Ostdeutsche anders als Westdeutsche?
Man merkt es zum Beispiel am verbreiteten Glauben, dass der Staat alles
richten muss, an der Mentalität, dass es möglichst keinen Streit geben
darf. Dazu passt, dass sich Ostdeutsche häufig persönlich angegriffen
fühlen, selbst wenn es um sachliche Differenzen geht. Man sieht es aber
auch an der geringeren Bereitschaft, sich zu engagieren. Da ist vieles
kaputt gegangen nach 1990. Freiwilliges ehrenamtliches Engagement ist im
Osten, seit der Druck weg ist, wesentlich geringer ausgeprägt als im
Westen.
Dauert es wegen der mentalen Unterschiede so lange bis zur „inneren
Einheit“?
Ja, denn Menschen verändern sich nicht auf Knopfdruck. Der Wechsel von
Systemen, von Institutionen dauert immer lange. Man kann das bis in den
Alltag hinein beobachten: Viele Fahrzeuge mit ostdeutschen Kennzeichen
fahren immer noch auf der linken Spur. Früher fuhr man links, weil die
linke Spur besser war. Ganz viele Angewohnheiten sitzen eben tief, nicht
nur im Osten, auch im Westen.
Was hat Politik nach 1990 falsch gemacht?
Man hat naiv geglaubt, dass sich mit der Übernahme der bundesdeutschen
Institutionen, der D‑Mark alles von selbst regelt. Man hat kulturelle,
mentale Prägungen unterschätzt. Man hat die Vereinigung über Geld und
Institutionen, nicht über gemeinsame Werte vermittelt. Das war der
zentrale Fehler. Und: Man hat die Ostdeutschen, ähnlich wie die SED, oft
wie kleine Kinder behandelt.
Gibt es die von Jörg Schönbohm beklagte „Verproletarisierung“ durch die
SED?
Richtig ist, dass man die bürgerlichen Schichten, die Bildungselite, die
ökonomische Elite, Künstler vertrieben hat – und das über die ganze Zeit
der DDR. Das hat natürlich Folgen, bis heute. Der Begriff
Proletarisierung trifft aber nicht den Kern. Die SED hat zwar den
Proletarier als kulturelles Leitbild auserkoren, aber das war nicht der
von Marx und Engels. Es war der SED-Proletarier, wozu auch die Leute in
der NVA oder beim MfS zählten. Es war also im Grunde keine
Proletarisierung, sondern eine Verformung der Gesellschaft nach einem
ideologischen Bild vom Arbeiter: Walter Ulbricht und Erich Honecker als
oberste Proletarier.
Dabei war die DDR ein zutiefst kleinbürgerlicher Staat.
Es war jedenfalls ein spießiger, biederer Staat. Aber es war auch ein
Staat der kleinen Leute, der armen Schweine. Der SED ist es ja nicht
gelungen, den neuen Menschen zu konstruieren. Gott sei Dank lassen sich
Menschen nicht beliebig formen. Sonst wäre die DDR nicht untergegangen.
Stehen die so lange nachwirkenden alten Denkmuster nicht im Widerspruch
dazu?
Überhaupt nicht, die Leute haben damals vielleicht noch stärker gespürt,
dass die Indoktrination nicht mit der Lebensrealität übereinstimmt. Aber
trotzdem blieb offenbar etwas hängen. Man merkt es am alten
Freund-Feind-Denken. In der DDR wurde schon in der Schule zum
Klassenhass erzogen, was damals viele gar nicht wahrhaben wollten. Heute
aber bricht das bisweilen durch, wie sich auch an Hass-Reaktionen auf
Schönbohm und Stoiber zeigt. Warum soll ein frustrierter Herr Stoiber
nicht sagen dürfen, dass er die Wähler der Linkspartei für frustriert
hält? Warum mü
;ssen dann die Nicht-Frustrierten in Ostdeutschland die
Frustrierten verteidigen? Die Folgen der DDR werden wohl erst überwunden
sein, wenn die Ostdeutschen auf kritische Äußerungen souverän reagieren
und nicht empört wie kleine Kinder. Wäre für diesen Mentalitätswechsel
in Ostdeutschland eine ostdeutsche Kanzlerin womöglich hilfreich?
Das sollte man keinesfalls unterschätzen. Selbst wenn Angela Merkel von
einer Mehrheit der Ostdeutschen nicht gewählt wird, hätte eine
ostdeutsche Bundeskanzlerin natürlich Auswirkungen auf die
Befindlichkeiten im Osten, aber nicht nur dort. Eine Bundeskanzlerin aus
dem Osten würde lieb gewonnene Vorstellungen und Hierarchien in
Deutschland gehörig durcheinander wirbeln.
Rechtsradikale am Schultor
(BM, 20.8.) Potsdam — Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat vor einem
Wahlkampf rechtsextremer Parteien mit Musik-CDs an Schulen und
Freizeiteinrichtungen gewarnt. Lehrer, Erzieher und Eltern dürften solche
Aktionen keinesfalls tolerieren, forderte Schönbohm gestern in Potsdam. Die
NPD plane im September die Verteilung einer eigens produzierten Musik-CD.
Auch in Brandenburg sei damit zu rechnen, daß NPD, DVU und Anhänger dieser
Parteien entsprechende CDs verteilen und so auf Stimmenfang bei Erst- und
Jungwählern zu gehen, sagte Schönbohm. Kinder und Jugendliche hätten über
diese Musik häufig die ersten Kontakte mit rechtsextremistischer Propaganda.
Die sogenannte Skinheadmusik öffne den Zugang zu diesem Gedankengut über ein
Medium, das sich bei Kindern und Jugendlichen größter Beliebtheit erfreue.
Ausländerhaß und Volksverhetzung würden von Rechtsextremen in allen nur
denkbaren jugendtypischen Musikrichtungen vertextet. Beispiel hierfür ist
nach Angaben des Ministers die sogenannte Schulhof-CD, deren Verteilung in
Brandenburg verhindert wurde. Am 9. August hatte die Polizei in Strausberg
(Märkisch-Oderland) im Kofferraum eines VWS Golf unverpackte 671 CDs mit
rechtsextremer Musik beschlagnahmt. Es handelte sich um den größten Fund
seit Bestehen des Landes, wie Schönbohm sagte. Er soll Teil eines Postens
von insgesamt 50 000 CD gewesen sein, die in Sachsen hergestellt worden sind
und bundesweit bei der sogenannten Aktion Schulhof verteilt werden sollten.
Brandenburg ist nach Darstellung des Innenministeriums in Potsdam führend
bei der Bekämpfung rechtsextremistischer und gewaltverherrlichender Musik.
Fast zwei Drittel aller bundesweiten Anträge auf Indizierung solcher Werke
stammten von hier. Das Landeskriminalamt stellte im vergangenen Jahr 79 der
Anträge; darunter waren 77 zu Musik-CDs. Auch in diesem Jahr wurden den
Angaben zufolge schon mehrere Indizierungsanträge gestellt.
Die Verbreitung rechtsextremistischer Musik bereitet auch Brandenburgs
oberster Verfassungsschützerin Winfriede Schreiber große Sorgen. Bei Razzien
gegen Neonazis in Brandenburg werden immer wieder rechte Musik-CDs gefunden.
Die Verfassungsschutzchefin sagt: “Musik ist das Transportmittel, das
neonazistisches und nationalsozialistisches Gedankengut in die Köpfe der
Jugend transportiert.”
Neun Parteien treten zur Wahl an
(MAZ, 20.8.) POTSDAM/BERLIN Die Linkspartei.PDS darf am 18. September in Brandenburg zur
Bundestagswahl antreten. Acht weitere Parteien ließ der Landeswahlausschuss
auf seiner Sitzung am gestrigen Freitag in Potsdam zu. Sechs Parteien wurden
wegen Formfehlern abgelehnt. Zuvor hatten Verfassungsrechtler Zweifel an der
Zulässigkeit der Listenverbindung der Linkspartei mit der WASG angemeldet.
Insgesamt 15 Parteien hätten zuvor fristgemäß ihre Kandidatenlisten
eingereicht, sagte Landeswahlleiter Peter Kirmße. Davon wurden SPD, CDU,
Linkspartei.PDS, die FDP, Bündnis 90/Die Grünen, die NPD, Die Grauen — Graue
Panther, 50 Plus-Bürger- und Wählerinitiative für Brandenburg sowie die
Marxistisch-Leninistische Partei Deuschlands (MLPD) zur Wahl zugelassen.
Sechs Parteien wurden wegen Formfehlern vom Ausschuss abgelehnt und dürfen
sich damit nicht an der Bundestagswahl beteiligen. Das sind die
Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD), die Partei Rechtsstaatliche
Offensive (Offensive D), Pro Deutsche Mitte — Initiative Pro D‑Mark (Pro
DM), die Allianz für Gesundheit, Frieden und soziale Gerechtigkeit (AGFG),
die Familien-Partei Deutschlands (Familie) sowie die Wendische Volkspartei
(SLS).
Zwar hätten auch diese ihre Unterlagen termingerecht eingereicht, doch die
so genannten Unterstützungsunterschriften seien nicht ausreichend gewesen,
sagte Kirmße. Die meisten brachten lediglich knapp über 100 zusammen. 2000
sind jedoch für alle Parteien erforderlich, die bisher noch nicht im
Bundestag oder in den Parlamenten der Länder vertreten waren.
Die Landesliste der Wendischen Volkspartei (SLS) wurde zudem vom
Landeswahlausschuss nicht zugelassen, da der Bundeswahlausschuss in seiner
Sitzung am 12. August die Vereinigung als nicht berechtigt für einen
Vorschlag zur Wahl anerkannt hatte. Für die Zulassung der rechtsextremen NPD
votierten nur drei Mitglieder des Landeswahlausschusses, während sich fünf
der Stimme enthielten. Da es keine Gegenstimmen gab, kann die Partei dennoch
antreten.
In Berlin treten 14 Parteien zur Bundestagswahl an. Der Landeswahlausschuss
ließ dort nur eine Partei nicht zu: Die Allianz für Gesundheit, Frieden und
soziale Gerechtigkeit hatte nicht genügend Unterstützungs-Unterschriften
eingereicht.
Drohende Abschiebung
(MAZ, 20.8.) NEURUPPIN Der kurdischen Familie Kutlu in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin)
droht die Abschiebung. Nach neun Jahren in Deutschland hat die
Ausländerbehörde Celal Kutlu, seine Frau Fatma und seine beiden Söhne Mehmet
und Mamut aufgefordert, bis Ende des Monats auszureisen. Verlassen die
Kutlus nicht freiwillig Deutschland, droht ihnen die Abschiebung. Der
Asylantrag der Familie wurde abgelehnt. Auch die Härtefallkommission des
Landes keine Ausnahmegenehmigung beantragt. Mehr als 1800 Neuruppiner haben
inzwischen ihren Namen auf die Unterschriftenliste gesetzt, die eine Gruppe
von Unterstützern initiiert hat. Die Gruppe hofft noch immer, dass die
Abschiebung aufgehoben wird, weil die Ausreise in die Türkei für die Familie
eine unzumutbare Härte wäre. Ein Grund sei, so die Unterstützer, dass Fatma
Kutlu psychisch krank ist, traumatisiert und depressiv. Das Berliner
Behandlungszentrum für Folteropfer erstellt derzeit ein Gutachten zur Fatma
Kutlus Gesundheitszustand.
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm ruft vor allem Lehrer, Erzieher und Eltern auf, Verteilaktionen von CDs mit rechtsextremistischem Inhalt insbesondere im Bereich von Schulen und Freizeiteinrichtungen nicht zu tolerieren. Schönbohm: „Kinder und Jugendliche haben über einschlägige Musik häufig die ersten Kontakte mit rechtsextremistischer Propaganda und Hassideologie. Die so genannte. Skinheadmusik öffnet den Zugang zu rechtsextremistischem Gedankengut über ein Medium, das sich bei Kindern und Jugendlichen nach wie vor größter Beliebtheit erfreut. Ausländerhass und Volksverhetzung werden von Rechtsextremen in allen nur denkbaren jugendtypischen Musikrichtungen vertextet.“
Beispiel hierfür ist zum einen die so genannte „Schulhof-CD”, deren Verteilung in Brandenburg durch die erfolgreiche Beschlagnahme von 671 Exemplaren unterbunden werden konnte. Zum anderen plant die NPD im Rahmen des bereits angelaufenen Wahlkampfes zu den Budestagswahlen im September die Verteilung einer eigenen, nach dem Muster der „Schulhof-CD“ produzierten Musik-CD.
Die beiden genannten Aktionen zeigen, dass Rechtsextremisten um die besondere Wirkung von Musik als Medium für Botschaften, insbesondere mit politischen Inhalten, wissen und dies für ihre Zwecke zu nutzen versuchen.
Auch in Brandenburg ist damit zu rechnen, dass NPD, DVU und Anhänger dieser Parteien mit der Verteilung von rechtsextremistischen CDs versuchen, auf Stimmenfang bei Erst- und Jungwählern zu gehen.
Für Fragen und weitere Informationen zur Aufklärung über dieses Thema steht Ihnen der Brandenburgische Verfassungsschutz mit dem Referat „Verfassungsschutz durch Aufklärung“ unter der Rufnummer (0331) 866‑2509 oder –2500 zur Verfügung.
(migrationsrecht.net, 18.8.) BERLIN/BRANDENBURG AN DER HAVEL – Der Bundestagswahlkampf fördert bezeichnende Personalia zutage: Nachdem rechtsextremistische Parteien ihre Sympathisanten schon frühzeitig zur Unterwanderung der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) aufgefordert hatten, betrieb in Brandenburg an der Havel bis vergangenen Freitag ein Ex-DVU-Funktionär für das Bündnis von WASG und PDS Wahlkampf. Die DVU ist mit sechs Abgeordneten im Brandenburgischen Landtag (88 Sitze) vertreten, wird aber vom Verfassungsschutz zugleich als rechtsextremistisch eingestuft.
Bei der umstrittenen Person handelte es sich um den früheren DVU-Kreisvorsitzende Manfred Friedrich. Zunächst versuchte die Kreischefin der PDS, Petra Faderl, die Deutungshoheit über den Vorfall an sich zu bringen und sprach von einer “Jugendsünde” Friedrichs. Dies überzeugte angesichts dessen Alter von 58 Jahren noch nicht einmal die eigenen Reihen. Solange Friedrich keine rechtsextremen Inhalte verbreite, könne sie mit dessen Vergangenheit umgehen, sagte Faderl weiter. Der Vorsitzende der PDS-Fraktion in der Brandenburger Stadtverordnetenversammlung, Alfredo Förster, bezichtigte Faderl der “mangelnden politischen Sensibilität”: “Wer als Kreisvorsitzender der DVU an der Verbreitung rechtsextremer Ideologie beteiligt war, kann nicht Wahlkampf für die PDS machen.”
Die WASG sieht das anders. WASG-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Rettig erklärt die DVU-Mitgliedschaft seines Parteikollegen mit dessen damaliger “Frusthaltung”. “Gefallen hat es mir nicht, aber solange er nicht in der NPD war, konnte ich es akzeptieren.”
Der Chef der PDS auf Bundesebene Lothar Bisky zeigte sich ebenfalls alarmiert und verwarf indirekt auch Faderls Erklärungsversuche: Er warnte seine Genossen, es gebe eine Grenze bei Leuten, “die jahrelang Fremdenfeindlichkeit vertreten haben”. Er wolle nicht mit solchen Leuten zusammenarbeiten, sagte er den Potsdamer Neuesten Nachrichten.
SPD und CDU empörten sich über den Vorfall: “Es ist bezeichnend, dass die PDS jetzt sogar mit Ex-Nazi-Funktionären kooperiert”, sagte der Landesgeschäftsführer der Brandenburgischen SPD Klaus Ness und spielte damit auf die “Fremdarbeiter”-Äußerung Oskar Lafontaines an. Nach Ansicht Sven Petkes, Generalsekretär der CDU und Mitglied des Brandenburgischen Landtages, ist die Linkspartei/PDS “auf dem rechten Auge blind”.
Friedrich selbst konnte sich die Aufregung nicht erklären. Solange es staatliche Aussteigerprogramme für Rechtsextremisten gebe, sei es inkonsequent, Aussteiger auszugrenzen.
In den Umfragen verliert die Linkspartei/PDS unterdessen an Bedeutung. Nach dem DeutschlandTrend der ARD vom 17. August 2005 liegt sie bundesweit noch bei neun Prozent (minus ein Prozent). Der Chef-Demoskop der ARD, Jörg Schönenborn, erklärt sich das so: das linke Wahlbündnis verliere derzeit vor allem deswegen in der Wählergunst, weil es stark davon abhängig sei, in den Medien präsent zu sein. “Die besten Werte hat die Linkspartei in der Zeit gehabt, als sie gegründet wurde”, sagte Schönenborn. Je mehr aber sich die Menschen nun mit Sachfragen beschäftigten, desto weniger könne die Linkspartei Aufmerksamkeit erregen.
CDU und SPD in Brandenburg haben sich nach längerem Streit bereits am Mittwoch auf eine gemeinsame Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag am Soldatenfriedhof in Halbe (Dahme-Spreewald) geeinigt. Dies sei bei einem Treffen der Parteispitzen geschehen, teilte CDU-Generalsekretär Sven Petke mit.
Die Veranstaltung ist am 12. November geplant, einen Tag vor dem Volkstrauertag. Im November vorigen Jahres war eine unerwartet schwache Beteiligung an einer Demonstration gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Halbe kritisiert worden.
Gegen die rund 1300 Rechtsextremisten vor dem Soldatenfriedhof hatten nur einige hundert Menschen protestiert. Der Linkspartei-Innenexperte Hans-Jürgen Scharfenberg hatte damals zu einer Initiative gegen Rechtsextremismus aufgerufen.
Anders als die SPD hatte die CDU nicht zur Gegenveranstaltung aufrufen. Die CDU argumentierte damals, eine solche Demonstration verschaffe den Rechtsextremisten ein unangemessenes Medienecho. In Halbe liegt der bundesweit größte deutsche Soldatenfriedhof, auf dem rund 23.000 Kriegstote begraben sind.