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Probleme konzentriert in Nord

(MOZ) Fürsten­walde (MOZ) Eine Studie über die Sit­u­a­tion von Aussiedler- und
Aus­län­derkindern in Fürsten­walde hat die Sozial­wis­senschaft­lerin Mandy
Gar­nitz geschrieben. Ziel der Studie, die vor kurzem der Öffentlichkeit
vorgestellt wurde, ist es, eine Art Bestand­sauf­nahme vorzunehmen und daraus
resul­tierend den Hand­lungs­be­darf aufzuzeigen. 

Schon vor gut drei Jahren hat­te sich die 28-Jährige wis­senschaftlich mit
ihrer Heimat­stadt beschäftigt. Damals hat­te sie für ihre Diplo­mar­beit die
Nach­wen­deen­twick­lung von Fürsten­walde mit sozi­ol­o­gis­chen Instrumentarium
unter­sucht. Grund­lage dafür waren unter anderem Frage­bö­gen, die sie verteilt
hat­te und deren Ergeb­nisse sie analysiert hat. Das Ergeb­nis damals:
Fürsten­walde gehört zu den Wendegewinnern. 

Die neue Studie mit dem Titel “Die Sit­u­a­tion der Kinder und Jugendlichen mit
Migra­tionsh­in­ter­grund in Fürsten­walde” ist eine Auf­tragsar­beit der Caritas,
die ja in Nord mit dem Pro­jekt Pro Nord einen Schw­er­punkt in der Arbeit mit
Aussiedlern und Aus­län­dern hat. Der sozi­ol­o­gis­che Fach­be­griff Migration
bedeutet Zuwanderung. 

“Das Ziel der Studie ist ein­er­seits, Wis­sen über den Sta­tus Quo in
Fürsten­walde zu erlan­gen, ander­er­seits soll dadurch möglich wer­den, die
Migra­tionssozialar­beit in Fürsten­walde noch bess­er auf den Bedarf, die
Ressourcen und auch Defizite der Kinder und Jugendlichen abzustimmen”,
umreißt Mandy Gar­nitz die Arbeit. 

Grund­lage für die 35-seit­ige Studie, die unter anderem bei Pro Nord in der
Wolkow­straße erhältlich ist, sind unter anderem umfan­gre­ich­es Dat­en- und
Sta­tis­tik-Mate­r­i­al. Unter anderem ist nicht nur aufge­lis­tet, wieviel
aus­ländis­che und Aussiedler-Kinder in den jew­eili­gen Stadt­teilen wohnen,
son­dern auch, in welche Kitas und Schulen sie gehen und wie dort die
Verteilung ist. Darüber hin­aus hat die Sozial­wis­senschaft­lerin Inter­views in
Kitas und Schulen geführt. 

Zir­ka vier Prozent der Fürsten­walder Bevölkerung seien Aus­län­der, etwa
gle­ich groß sei der Anteil der Spä­taussiedler, schreibt Mandy Gar­nitz im
Vor­wort. Damit sei der Anteil der Migranten nicht sehr hoch. 

Ein Ergeb­nis der Studie ist sicher­lich nicht über­raschend: In Nord leben,
was den Bevölkerungsan­teil ange­ht, die meis­ten Migranten. Gle­ichzeit­ig ist
es der Stadt­teil, wo die meis­ten Sozial­hil­feempfänger leben. “In diesem
Stadt­teil leben sehr viele sozial benachteiligte Fam­i­lien” Die Konzentration
an “sozialen ‚Prob­le­men ” sei dort am höchsten. 

Viele Kinder aus Migranten­fam­i­lien gehen in Kitas. Den­noch seien die
Deutschken­nt­nisse sehr schlecht, der Ein­tritt in die Schule schwierig.
Kinder aus Aussiedler­fam­i­lien wür­den bess­er abschneiden. 

Unter anderem sieht Mandy Gar­nitz in fol­gen­den Punk­ten Handlungsbedarf:

ver­stärk­te Elternar­beit in Migranten­fam­i­lien, um mit ihnen die Kinder zu
fördern;

mehr Möglichkeit­en für Erzieherin­nen für Einzel- und Kleingruppenförderung;

fähige Migranten für Arbeit in Kitas und Schulen gewinnen;

Förderung der Mut­ter­sprache. Denn nur wer diese beherrscht, ist in der Lage,
eine Zweit­sprache zu lernen.
öffentlichen Raum ver­ant­worten müssen, fehlt bish­er noch jede Spur.

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Streit um Begriff “Befreiung”

(MAZ) KLEINMACHNOW Inner­halb des Klein­mach­now­er Heimatvere­ins ist ein heftiger
Stre­it um die Bew­er­tung des 8. Mai 1945 als “Tag der Befreiung”
aus­ge­brochen. Fred Weigert, Vor­standsmit­glied des Vere­ins und
CDU-Gemein­de­v­ertreter, beze­ich­nete den Begriff “Befreiung” im Zusammenhang
mit dem Kriegsende jüngst als “Ulbrichtsche Reminiszenz”. 

In einem der MAZ vor­liegen­den Schreiben an seinen Vor­stand­skol­le­gen Axel
Mueller, der für die Bünd­nis­grü­nen im Kreistag sitzt, äußert sich Weigert
darüber­hin­aus fol­gen­der­maßen: “Stal­ins rote Hor­den haben uns vom Faschismus
befre­it. Weiß Gott nicht! Niedergeknüp­pelt, geschun­den und jahrzehntelang
aus­ge­beutet haben sie uns. Sie haben nicht befre­it, son­dern erobert. Sie
haben eine schreck­liche Ide­olo­gie durch eine eben­so schreck­liche ersetzt.”
Die Deutschen, so Weigert, seien “im vor­let­zten Teil des Europäischen
Bürg­erkrieges tragisch gescheit­ert”. Ihre Schuld kön­nten sie nicht dadurch
able­gen, indem sie sich “als schein­bar reuige Sün­der mit ihren Eroberern
verbünden”. 

Hin­ter­grund des Schreibens vom 24. Feb­ru­ar ist offen­bar ein Gespräch des
Vere­insvor­stands mit dem Bürg­er­meis­ter der Gemeinde, in dem es um die
Inschrift für den “Ort des Erin­nerns” ging. Die Gedenkstätte soll am 8. Mai
eingewei­ht wer­den und erin­nert an ein Lager für Zwangs- und Fremdarbeiter
sowie KZ-Häftlinge, das in der Nazi-Zeit in Klein­mach­now bestand. Der
Heimatvere­in hat den Text für den Gedenko­rt erarbeitet. 

Weigert wirft nun Mueller vor, im Gespräch mit dem Bürg­er­meis­ter “immer
wieder den Begriff Befreiung gebraucht” zu haben, “wenn Sie das Kriegsende
mein­ten”. Dies sei “antiquiertes Sendungs­be­wusst­sein”. Mit ein­er derart
“ver­staubten Ide­olo­gie” würde er “dem Sozial­is­mus das Wort reden”. Wenn
Mueller für den Heimatvere­in spreche, sei aber “Über­parteilichkeit
angemessen”. 

Adres­sat Axel Mueller hat mit Empörung auf die Vor­würfe Weigerts reagiert.
Dieser habe ein “abar­tiges Geschichts­bild”, das in Klein­mach­now kaum jemand
teile. “Seine Hal­tung ist isoliert und elitär”, sagte Mueller gestern der
MAZ. Nun müsse vor allem der CDU-Gemein­de­ver­band darüber disku­tieren, welche
Hal­tung er zu diesem The­ma ein­nehmen wolle. 

Laut CDU-Ortschef Max­i­m­il­ian Tausch­er wird sich die Partei dieser Debatte
nicht entziehen. “Es ist denkbar, dass wir am 16. März öffentlich darüber
reden.” An diesem Tag hat die CDU die Ver­anstal­tung “Der missbrauchte
Antifaschis­mus — DDR-Staats­dok­trin und Lebenslüge der deutschen Linken”
ange­set­zt. Für Tausch­er brachte der 8. Mai 1945 “auch die Befreiung vom
Nazi-Ter­ror­regime”, für das Gebi­et der späteren DDR von “Befreiung” zu
sprechen, sei aber ein “Irrtum”. Der CDU-Chef kri­tisierte, dass der interne
Stre­it im Heimatvere­in öffentlich gemacht wor­den sei, bevor “man miteinander
gere­det” habe. Außer­dem hätte sich der Vere­in in den ver­gan­genen Monat­en in
ein­er Weise poli­tisch betätigt, “die ihm nicht zukommt”. 

Vere­in­schef Rudolf Mach wies diesen Vor­wurf gestern zurück, gab aber zu
bedenken, “dass The­men, mit denen sich der Heimatvere­in beschäftigt,
poli­tis­che Züge haben kön­nen”. Bei der Aus­gestal­tung der Gedenk­feiern zum 8.
Mai in der Gemeinde sei der Heimatvere­in “kein Akteur”, so Mach. Für ihn sei
es der Tag der Befreiung vom Nazi-Regime. Die Bew­er­tung dessen, “was danach
kam”, führe zu ein­er poli­tis­chen Debat­te. Hier Posi­tion zu beziehen, sei
nicht Sache des Heimatvere­ins, würde ihn vielmehr vor eine “Zer­reißprobe”
stellen.

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Vom Leben als Neugeborene

(MAZ) Vor gut hun­dert Jahren, 1909, wurde der erste Kib­buz in Palästi­na gegründet.
Auch in Pots­dam gibt es einen Kib­buz, allerd­ings keine klassenlose
Acker­bauge­mein­schaft, son­dern einen Vere­in: Das Kultur‑, Inte­gra­tions- und
Beratungszen­trum, kurz Kibuz. Betrieben von der Zen­tralen Wohlfahrtsstelle,
ist das Haus eine Art Hafen für die jüdis­chen Ein­wan­der­er aus der ehemaligen
Sow­je­tu­nion. Nicht nur aus Pots­dam kom­men die Rat­suchen­den, die sich bei
Behör­dengän­gen und Anträ­gen unter­stützen lassen, son­dern aus dem ganzen
Land. 2300 jüdis­che Zuwan­der­er leben in Brandenburg. 

Im Kibuz herrscht immer ein reges Kom­men und Gehen, sei es zu Vernissagen,
lit­er­arischen Zirkeln, den Geigen­stun­den für Kinder oder dem Beisammensein
bei koscherem Essen. Beson­deres Augen­merk liegt auf der Vermittlung
jüdis­ch­er Traditionen. 

Firuza Tal­i­bo­va kommt oft hier­her, als ehre­namtliche Helferin oder mit ihrer
84-jähri­gen Mut­ter. Seit 1997 lebt Tal­i­bo­va in Deutsch­land. “Als ich hierher
kam”, sagt die 51-Jährige, “war ich wie neuge­boren.” Über die Zeit vorher,
in der aser­baid­sch­a­nis­chen Haupt­stadt Baku, erzählt sie nur ungern. Krieg
gab es, Panz­er und Schießereien. 

“Verteilorte” in der neuen Heimat 

In ihrer neuen Heimat Bran­den­burg waren die Sta­tio­nen des “jüdis­chen
Kontin­gents­flüchtlings” Tal­i­bo­va zuerst die Zen­trale Lan­desauf­nahmestelle in
Peitz, später ein Wohn­heim und schließlich eine kleine Woh­nung in Potsdam.
Andere “Verteilorte” für die zuge­wan­derten Juden sind Cottbus,
Brandenburg/Havel, Frank­furt (Oder) sowie die Land­kreise Barn­im, Oberhavel
und Dahme-Spreewald. 

“Ich war wie neuge­boren”, wieder­holt Tal­i­bo­va, doch hat ihre Erleichterung
einen nach­den­klichen Beik­lang. Mehrmals hat die erfahrene Kinderärztin
ver­sucht, hier Beruf­sprax­is zu sam­meln. Doch statt eine der raren
Assis­ten­zstellen in ein­er Klinik zu ergat­tern, hat­te sie meist nur
befris­tete Jobs als Sozialar­bei­t­erin oder Arzthelferin. Hil­fe bei der
Ver­mit­tlung gibt es erst seit let­ztem Sep­tem­ber in der Peitzer
Lan­desauf­nahmestelle mit einem neuen Pro­jekt, dem “Inte­gra­tionsvorhaben für
zuge­wan­derte Ärzte”. Anstatt die Medi­zin­er gle­ich nach zehn Tagen in ihre
neuen Wohnorte zu brin­gen, wie son­st bei Zuwan­der­ern üblich, wer­den sie in
einem sechsmonati­gen Sprachkurs in Peitz geschult. Außer­dem erfol­gt die
Ver­mit­tlung der Ärzte in ihre neuen Wohnorte nach Medizinerbedarf.
Allerd­ings, räumt Ilona Schulz von der Lan­desauf­nahmestelle ein, “ist es für
die über 50-jähri­gen Ärzte beru­flich sehr schwierig”. 

Inner­lich hat­te sich die Ärztin Tal­i­bo­va schon früh auf Deutschland
eingestellt: “Ich habe ver­standen, dass es ein neues Land ist und ein neues
Leben — von meinem Beruf hat­te ich mich schon davor in mein­er Heimat
ver­ab­schiedet.” Bei ihrer ehre­namtlichen Arbeit im Kibuz sieht sie aber auch
oft schlimme Auswirkun­gen der Umstel­lung: Depres­sio­nen, beson­ders bei den
älteren Män­nern, die auf dem deutschen Arbeits­markt nicht mehr Fuß fassen.
“Die Frauen”, hat Tal­i­bo­va beobachtet, “kön­nen bess­er mit allem umgehen.”
Weil sie sich nicht so in den Woh­nun­gen einigeln wie die Män­ner, die früher
oft in lei­t­en­den Posi­tio­nen waren und den Bedeu­tungsver­lust schwer
verkraften. Über 80 Prozent der jüdis­chen Zuwan­der­er hat­ten in ihrer Heimat
akademis­che Berufe. Während die Jun­gen sich leicht in die deutsche
Arbeitswelt inte­gri­eren, bleiben die Älteren meist unter sich. 

Ein Phänomen, das sich in Bran­den­burg durch die Abwan­derung noch verstärkt:
Von den rund 6900 jüdis­chen Zuwan­der­ern, die zwis­chen 1991 und 2004 in
Bran­den­burg aufgenom­men wur­den, leben nur noch 2300 im Land, so die
Schätzung des Sozialmin­is­teri­ums. “Die Jun­gen sind mobil­er und gehen
dor­thin, wo es mehr Arbeit gibt”, erläutert Nadine Fügn­er vom Büro der
Aus­län­der­beauf­tragten. Fügn­er hat aber nicht nur eine Diskrepanz zwischen
Erwartung und Real­ität bei den älteren Zuwan­der­ern aus­gemacht. Auch auf
deutsch­er Seite sei man von falschen Erwartun­gen aus­ge­gan­gen: “Man hat sich
eine unprob­lema­tis­chere Inte­gra­tion vorgestellt und dass alle Zuwanderer
sich jüdis­chen Gemein­den anschließen.” 

Dabei ist ger­ade das religiöse Leben in ein­er Gemeinde meist ungekannte
Prax­is für die Juden aus der Ex-Sow­je­tu­nion: “Wenn man sich den Traditionen
wid­mete, wurde man für die Staats­führung verdächtig”, erin­nert sich
Kibuz-Leit­er Niko­lai Epchteine. Eltern lehrten ihre Kinder nicht mehr das
Jid­dis­che, Rit­uale gin­gen verloren. 

Keine Chan­cen im Beruf 

Seit 1996 lebt Epchteine in Bran­den­burg, nach­dem er jahrzehn­te­lang als
Biologe in Moskau gear­beit­et hat­te. Im Beruf, erzählt der 65-Jährige, sah er
nach der Über­sied­lung keine Chan­cen mehr. “Aber ich wollte in einem
demokratis­chen Land leben.” Und ohne die wach­sende anti­semi­tis­che Bedrohung
in Rus­s­land, mit Leuten, die in den U‑Bahnstationen agi­tieren und
Hak­enkreuz-Arm­binden tra­gen. In Pots­dam war Epchteine auch im Vor­stand der
Jüdis­chen Gemeinde. Ihr gehören längst nicht alle Zuwan­der­er an. Zum einen
wegen der Reli­gions­ferne im Herkun­ft­s­land, zum anderen wegen der
“Halachis­chen Geset­ze”: Nur wer eine jüdis­che Mut­ter hat, kann
Gemein­demit­glied wer­den. Von den 2300 Bran­den­burg­er Juden sind 1500 religiös
einge­bun­den. Wer sich hierzu­lande im Gemein­deleben engagiert, leistet
Pionierarbeit. 

So etwas wie eine Stunde Null war die Wende in der DDR, wo es offiziell nur
noch 350 Juden gab. Mitte der 80er Jahre hat­te die Staats­führung zwar die
Syn­a­goge in der Oranien­burg­er Straße in Berlin restau­ri­eren lassen. Damit
soll­ten Plus­punk­te für einen geplanten USA-Staats­be­such Honeck­ers Anfang der
90er gesam­melt wer­den. In Pots­dam lebten aber zum Beispiel nur noch zwei
Juden, von denen sich ein­er um den Jüdis­chen Fried­hof am Pfingstberg
küm­merte. Mit­tler­weile ist das Are­al mit den vie­len alten Gräbern wieder in
jüdis­chem Gemeindebesitz.

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Ruhe für die Toten

(MAZ) POTSDAM Ihre Erken­nungs­marken mussten die Sol­dat­en vor der let­zten Schlacht
noch schnell ver­graben. Befehl von ganz oben. Wer kurz vor Kriegsende im
Kessel von Halbe (Dahme-Spree­wald) sein Leben ließ, war wed­er für Freund
noch Feind iden­ti­fizier­bar. Die namen­losen Toten begruben die Einwohner,
dort wo man sie fand: in den Wäldern rund um Halbe. 

Erst 1951 wurde begonnen, die weit ver­streut liegen­den Gräber auf einem
Zen­tral­fried­hof zu vere­ini­gen. Unter Grab­plat­ten aus der Keramikwerkstatt
von Hed­wig Boll­ha­gen haben Wehrma­chtssol­dat­en und Ange­hörige des Volkssturm,
aber auch Zivilis­ten ihre let­zte Ruhe gefun­den. Ins­ge­samt zählt die Stätte
22 000 Gräber und ist damit Deutsch­lands größter Sol­daten­fried­hof. Für ihn
inter­essieren sich seit der Wende zunehmend auch Neon­azis. 1990 traf sich
die Szene erst­mals am Volk­strauertag am Fried­hof. Unter dem Mot­to “Ruhm und
Ehre dem deutschen Frontsol­dat­en und den €päis­chen Freiwilligen”
ver­sam­melten sich im ver­gan­genen Jahr dort rund 1300 Neon­azis und versetzten
Halbe in einen Aus­nah­mezu­s­tand. Die Gemeinde wurde von rund 2000 Polizisten
her­metisch abgeriegelt. 

Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) will Aufmärsche dieser Art in Halbe
kün­ftig ver­hin­dern. Neben den Gedenkstät­ten der Konzentrationslager
Sach­sen­hausen und Ravens­brück soll auch der Sol­daten­fried­hof als
Ver­samm­lung­sort für recht­sex­trem­istis­che Kundge­bun­gen nicht mehr in Frage
kom­men. Möglich wird das Ver­bot inner­halb ein­er Neuregelung des
Ver­samm­lungs­ge­set­zes, auf die sich die Bun­desspitzen von SPD und Grünen
koali­tion­sin­tern geeinigt haben. Die Union hat ihre Zus­tim­mung signalisiert.
Danach sollen die Bun­deslän­der selb­st die Orte fes­tle­gen kön­nen, an denen
Neon­azi-Tre­f­fen ver­boten werden. 

Wie Schön­bohm äußerte auch der innen­poli­tis­che Sprech­er der CDU-Fraktion,
Sven Petke, seine Zufrieden­heit über die Entschei­dung. “Die Prax­is hat
gezeigt, dass die existieren­den Regelun­gen nicht aus­re­ichend sind. Halbe ist
als Ort regelmäßig von Neon­azis miss­braucht wor­den”, sagte Petke. Sobald der
Bun­destag über die Ver­schär­fung befun­den habe, wolle man auf Lan­desebene mit
ein­er Regelung nachziehen. 

Eben­falls pos­i­tiv reagierte gestern die bran­den­bur­gis­che PDS-Frak­tion. Deren
innen­poli­tis­ch­er Sprech­er, Hans-Jür­gen Schar­fen­berg, nan­nte das Ver­bot von
Aufmärschen “die wirk­sam­ste Form” im Kampf gegen recht­sradikale Kräfte. Nach
Schar­fen­bergs Auf­fas­sung stellt die Ein­schränkung der Versammlungsfreiheit
keinen schw­er­wiegen­den Ein­griff in die demokratis­che Ord­nung dar.
“Demokratis­che Kräfte wer­den von diesem Ver­bot nicht aus­ge­bremst”, sagte
Schar­fen­berg. Er betonte jedoch, dass damit die Symp­tome, nicht aber die
Ursache von Recht­sradikalis­mus bekämpft werde. 

Zurück­hal­tend reagierte hinge­gen die in Pots­dam ansäs­sige Neue
Richter­vere­ini­gung. Es gebe Zweifel an der Ver­fas­sungsmäßigkeit eines
Ver­bots, erk­lärte die Lan­desvor­sitzende Ingrid Schott. Soll­ten die Länder
das Ver­bot rig­oros anwen­den, sieht Schott wenig Chan­cen, dass die Regelungen
bei ein­er Klage vor dem Bun­desver­fas­sungs­gericht Bestand haben. Zu groß sei
der Ein­griff in die Ver­samm­lungs­frei­heit. Laut Schott reichen die
beste­hen­den Geset­ze aus, um diese Grund­frei­heit gle­icher­maßen zu
gewährleis­ten und zu schützen.

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Bundesweites Schulprojekt gegen Antisemitismus

(Berlin­er Zeitung) POTSDAM. Ins­ge­samt elf Schulen aus Bran­den­burg, Berlin und Dres­den sind an
dem neuen, bun­desweit­en Pro­jekt “Youth Leader gegen Antisemitismus”
beteiligt — darunter die Pots­damer Rosa-Lux­em­burg-Schule. Jew­eils sechs bis
acht aus­gewählte Schüler der acht­en und neun­ten Klassen sollen dabei -
angelehnt an ver­gle­ich­baren Pro­gram­men aus den USA — in den näch­sten zwei
Jahren trainieren, wie man aktiv und selb­st­be­wusst gegen antisemitischen
Ten­den­zen auftritt. Zu den Teil­nehmern gehören auch ara­bis­chstäm­mige junge
Leute. Getra­gen wird das am Dien­stag vorgestellte Pro­jekt von der
Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Amer­i­can Jew­ish Com­mit­tee, dem Zen­trum für
Anti­semitismus­forschung und Berlins Lan­desin­sti­tut für Schule und Medien.

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Imbisse sind das Hauptangriffsziel”

(Berlin­er Zeitung) Frau Berg­er, mit Ihrer Unter­stützung wurde die Broschüre “Angriff­sziel
Imbiss” vom Vere­in Opfer­per­spek­tive her­aus­ge­bracht. Auf der Titel­seite ist
ein intak­ter Imbiss zu sehen, hin­ten ein abge­bran­nter. Kann das nicht als
zynis­che Auf­forderung an Neon­azis ver­standen wer­den, aus­ländis­che Bistros
anzustecken? 

Natür­lich soll das Heft Aufmerk­samkeit erre­gen. Aber es ist doch nicht
zynisch, die trau­rige Real­ität der recht­sex­tremen Gewalt im Land aufzuzeigen
und die Öffentlichkeit wachzurütteln. 

Ist die Broschüre dann ein Zeichen von Hil­flosigkeit gegenüber dieser Form
der Gewalt? 

Nein, es ist eine Bestand­sauf­nahme. Die Real­ität zu ver­schweigen, das wäre
Hilflosigkeit. 

Am Mon­tag wur­den zwölf junge Neon­azis aus dem Havel­land wegen Bil­dung einer
ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung verurteilt. Die hat­ten zehn Bran­dan­schläge auf
aus­ländis­che Bistros verübt. Was unter­schei­det diesen Fall von anderen? 

Seit dem Jahr 2000 gab es 63 Angriffe auf solche Imbisse, davon 32
Bran­dan­schläge. Meist waren es Einzeltäter. Doch mit der Havel­län­der Gruppe
wurde eine neue Qual­ität erre­icht: Die sys­tem­a­tis­che Zer­störung der
wirtschaftlichen Lebens­grund­lage von Aus­län­dern. Schon vor dieser Brandserie
in den Jahren 2003 und 2004 woll­ten wir reagieren. Die mas­siv­en Anschläge
haben uns darin bestärkt, eine solche Broschüre zu veröffentlichen. 

Warum greifen Neon­azis ger­ade Imbisse an? 

Anfang der 90er-Jahre richteten sich die Attack­en auf Unterkün­fte von
Aus­län­dern, nun sind deren Geschäfte und Imbisse das Hauptangriffsziel.
Ger­ade Viet­name­sen haben sich mit Imbis­sen oder kleinen Verkaufsständen
selb­st­ständig gemacht. 

In eini­gen Land­kreisen wird ein Drit­tel aller Imbisse von Ausländern
betrieben. Fördert die Broschüre und die nun geplante Flug­blat­tak­tion, mit
der aus­ländis­che Bistro­be­treiber über die Gefahren aufgek­lärt wer­den sollen,
nicht den von Neon­azis angestrebten Vertreibungseffekt? 

Nicht die Ratschläge für poten­zielle Opfer und Tipps für mögliche Hil­fe der
Kom­munen schüren die Angst. Son­dern die Anschläge. Nicht das Heft regt
Nachah­mungstäter an, son­dern vor­ange­gan­gene Angriffe. Die Broschüre soll die
Sol­darisierung mit den Opfern fördern, soll all die Bran­den­burg­er zur
Zivil­courage auf­fordern, die sich über solche Über­fälle empören. 

Klingt dies nicht sehr theoretisch? 

Nein. Wenn Aus­län­der in ein­er Kom­mune inte­gri­ert sind, fällt es den Tätern
schw­er­er, sich mit ihren Angrif­f­en gegen die Mehrheit der Bevölkerung zu
stellen. Ger­ade die Anschlagsserie im Havel­land hat doch gezeigt, wie
entschei­dend das Umfeld der Täter ist. Dort haben viele Erwach­sene, auch
Eltern, von den Tat­en gewusst, geschwiegen oder sie gar geduldet. 

Nach einem Bran­dan­schlag mussten die Opfer ihrer zer­störten Imbis­s­wa­gen auch
noch selb­st entsor­gen, obwohl sie bere­its vor dem Ruin standen. Wäre da
nicht eine generelle Kostenüber­nahme durch die Kom­munen gefragt? 

Fordern kann ich das nicht, aber auf alle Fälle wäre schnelle und
unbürokratis­che Hil­fe der Gemein­den ein Zeichen gegen die Anschläge. 

Kön­nen Sie Aus­län­dern noch empfehlen, ger­ade auf dem flachen Land in
Bran­den­burg einen Imbiss­stand zu eröffnen? 

Grund­sät­zlich wer­den sehr viele der Betreiber mit ihren Geschäften von den
Bran­den­burg­ern angenom­men. Doch es wäre unver­ant­wortlich zu behaupten, es
gäbe keine Gefahr für die Betreiber. Die Real­ität ist lei­der so. Aber
genau­so unver­ant­wortlich wäre es, zu sagen: Kommt nicht zu uns. 

Weil dann das Ziel der Recht­sex­trem­is­ten erre­icht wäre? 

Genau. Die Kom­munen und die Bevölkerung sind in der Ver­ant­wor­tung, den
Aus­län­dern zu zeigen, dass sie dazuge­hören, dass sie gern gese­hen sind und
als Bere­icherung unseres Lebens ange­se­hen werden.

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Politiker fordern neue Offensive gegen Rechtsextremismus

(Berlin­er Zeitung) BERLIN, 8. März. Nach der Verurteilung junger bran­den­bur­gis­ch­er Neonazis
wegen Bil­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung haben führende Politiker
neue Anstren­gun­gen gegen den Recht­sex­trem­is­mus gefordert. “Wir müssen eine
entschlossene, noch bre­it­er angelegte Bil­dungsar­beit betreiben”, sagte der
für den Auf­bau Ost zuständi­ge Bun­desmin­is­ter Man­fred Stolpe (SPD) der
Berlin­er Zeitung. “Schule und Gesellschaft im Osten müssen enger
zusam­me­nar­beit­en.” Umbruch und Wende seien im Osten noch nicht
abgeschlossen. “Diese soziale Unsicher­heit kann Nährbo­den sein für
Extrem­is­mus, aber daraus darf keine Entschuldigung wer­den.” Das Urteil sei
entschlossen und beson­nen, so Stolpe. 

Der Min­is­ter forderte die Bürg­er auf, wach­sam zu sein und genau hinzusehen,
was in ihrem Umfeld geschehe. Gle­ichzeit­ig warnt er vor einer
“Stig­ma­tisierung des Ostens”. Es sei lei­der so, dass es ähnliche
Vorkomm­nisse auch in Schleswig-Hol­stein oder dem Ruhrge­bi­et gebe, sagte
Stolpe. 

Das Bran­den­burg­er Ober­lan­des­gericht hat­te am Mon­tag zwölf Neon­azis wegen
Bran­dan­schlä­gen auf asi­atis­che und türkische Imbisse zu teils mehrjährigen
Jugend­strafen verurteilt. Bei elf Angeklagten sprach das Gericht von der
Bil­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vereinigung. 

Der SPD-Poli­tik­er Niels Annen warnte angesichts der Vor­fälle in Brandenburg
vor der Ver­bre­itung recht­sex­tremer Ein­stel­lun­gen in großen Teilen der
Gesellschaft. “Die große Gefahr beste­ht darin, dass wir in manchen Bereichen
die kul­turelle Auseinan­der­set­zung ver­loren haben”, sagte Annen, der im
SPD-Vor­stand die Arbeits­gruppe Recht­sex­trem­is­mus leit­et, der Berliner
Zeitung. “In vie­len Bere­ichen wird es inzwis­chen gesellschaftlich
akzep­tiert, wenn man sagt, dass die Aus­län­der uns die Arbeitsplätze
weg­nehmen und dass Deutsche Vor­rang genießen sollen. Dort gibt es so etwas
wie einen ras­sis­tis­chen Grund­kon­sens”, sagte er. Im Osten wür­den diese
Ein­stel­lun­gen offen­er gezeigt, aber sie seien in West­deutsch­land genauso
vorhanden. 

In dem Pots­damer Ver­fahren habe sich gezeigt, wie weit Ele­mente dieser
Ide­olo­gie in der deutschen Gesellschaft vor­angeschrit­ten seien. Es mache
sich eine Art “Wohl­stands­faschis­mus” bre­it. “Man kann nicht vom Geldbeutel
auf die Anfäl­ligkeit für recht­sex­treme Ide­olo­gie schließen”, sagte Annen. Er
riet dazu, den Recht­sex­tremen in aller Härte ent­ge­gen zu treten. 

Auch die CDU-Bun­destagsab­ge­ord­nete Katha­ri­na Reiche begrüßte, dass das
Gericht harte, abschreck­ende Strafen ver­hängt habe. “Es ist bekan­nt, dass
sich die Recht­sradikalen keineswegs nur aus den unteren sozialen Schichten
rekru­tieren”, sagte sie. “Die eigentliche geistige Nahrung und die harte
Ide­olo­gie stam­men aus dem bürg­er­lichen Milieu.” Es zeige sich, dass die
Aufk­lärungsar­beit auch 60 Jahre nach dem Ende der NS-Herrschaft noch
keineswegs been­det sei. Wenn die Fam­i­lien ver­sagten, müssten staatliche
Insti­tu­tio­nen wie die Schule ein­greifen. “Aus Angst oder aus
Gle­ichgültigkeit nicht zu reagieren, ist nicht akzeptabel.” 

Der Arbeitsmin­is­ter von Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Hel­mut Holter (PDS),
forderte indes stärkere Anstren­gun­gen beim Kampf gegen die
Jugen­dar­beit­slosigkeit. “Vie­len jun­gen Men­schen im Osten fehlt die
Per­spek­tive auf einen Arbeit­splatz. Das macht es recht­en Rattenfängern
leichter”, sagte Holter der Berlin­er Zeitung. Der Min­is­ter plädierte für die
Ausweitung des öffentlichen Beschäf­ti­gungssek­tors, speziell für Jugendliche
im Osten, sowie für ein über­parteilich­es Bünd­nis gegen Rechtsextremismus.
“Wir müssen die gesellschaftliche Auseinan­der­set­zung mit rechtem Gedankengut
bis in die Kom­munen tra­gen”, sagte der PDS-Politiker.

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Al Capone vom Dorf” soll Afrikaner mißhandelt haben

(BM) Brandenburg/Havel — Wegen eines ras­sis­tisch motivierten Über­falls auf einen
Asyl­be­wer­ber aus dem zen­tralafrikanis­chen Kamerun muß sich heute ein Mann
vor dem Amts­gericht in Brandenburg/Havel ver­ant­worten. Konkret wird dem
33jährigen Kör­per­ver­let­zung vorge­wor­fen. Der Angeklagte soll den Afrikaner
im Ort Rott­stock (Pots­dam-Mit­tel­mark) im Juni 2003 mehrfach in einen
Dorfte­ich gestoßen und belei­digt haben, teilte das Amts­gericht gestern mit.
Dem Angriff sei keine Auseinan­der­set­zung voraus­ge­gan­gen. Der Angeklagte soll
zur Tatzeit wegen sein­er Bru­tal­ität in der Region als “Al Capone vom Dorf”,
Inten­sivtäter und Neon­azi bekan­nt gewe­sen sein.

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Das Maß der Feigheit ist eine Schande”

Berlin­er Mor­gen­post: Herr Schön­bohm, in Bran­den­burg sind erstmals
Recht­sex­trem­is­ten in einem Ter­ror­is­mus­prozeß zu Haft­strafen verurteilt
wor­den. Hal­ten Sie die viere­in­halb Jahre Haft für den 20jährigen
Rädels­führer und die Jugend­strafen zur Bewährung für elf weit­ere Angeklagte
für ausreichend? 

Jörg Schön­bohm: Es ist ein Urteil mit Augen­maß und Per­spek­tive, von dem ein
klares Sig­nal aus­ge­ht. Der Rädels­führer erhält die höch­ste Strafe, die
anderen auf Bewährung verurteil­ten Jugendlichen bekom­men die Chance, sich in
die Gesellschaft zu inte­gri­eren. Der Rechtsstaat hat damit nicht nur Härte
gezeigt, er reicht denen die Hand, die Ein­se­hen zeigen. 

Befra­gun­gen Ihres Min­is­teri­ums ergaben, daß Mitwiss­er taten­los blieben, als
die Jugendlichen Bran­dan­schläge auf Asia-Imbisse und Döner­bu­den verübten.
Wie erk­lären Sie sich die Mauer des Schweigens? 

Die Sozialkon­trolle hat offen­sichtlich ver­sagt. Viele haben von den
recht­sex­tremen Gedanken der jun­gen Men­schen gewußt, kein­er hat etwas
unter­nom­men. Darunter ein Bürg­er­meis­ter, eine Kom­mu­nalpoli­tik­erin, eine
Lehrerin und ehe­ma­lige Mitschüler. Die Liste ließe sich fort­set­zen. Erst der
Revier­förster ist tätig gewor­den. Dieses Maß an Feigheit und
Gle­ichgültigkeit ist schock­ierend und eine Schande. Das Urteil trägt
hof­fentlich dazu bei, daß die Men­schen aufwachen. 

Nir­gend­wo in Deutsch­land ist das Risiko, Opfer ein­er rechtsextrem
motivierten Gewalt­tat zu wer­den höher als in Bran­den­burg. Weshalb greift
ihre Law-and-Order-Poli­tik nicht? 

Die Polizei ste­ht am Ende und nicht am Anfang der Entwick­lung. Nach einer
leicht­en Abnahme stieg die Zahl recht­sex­tremer Gewalt­tat­en voriges Jahr um
18 auf 105 Fälle erneut. Mit den Mit­teln des Rechtsstaates durch den Einsatz
der Polizei sind wir am Anschlag. Bran­den­burg ist mit der mobilen
Ein­satzein­heit gegen Aus­län­der­feindlichkeit vor­bildlich aufgestellt. Ein
anderes gesellschaftlich­es Kli­ma zu entwick­eln ist ein lang­wieriger Prozeß.
Wir brauchen prak­tisch eine geistige Bürg­er­wehr für Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit. 

Kein anderes Bun­des­land hat in den Kampf gegen den Recht­sex­trem­is­mus so viel
investiert wie Bran­den­burg. Ist das Konzept gescheitert? 

Nein. Ich habe aber den Ein­druck, daß wir in Bran­den­burg sehr viel über
Aus­län­der­feindlichkeit reden, aber immer noch zu wenig tun. Es gibt sehr
engagierte Bürg­er, zu viele sind jedoch mit der Ver­bre­itung von
Hochglanzbroschüren beschäftigt. In der Regierung haben wir ein abgestimmtes
Konzept, das auf­grund der Erfahrun­gen weit­er­en­twick­elt wer­den muß. 

Beste­ht nicht die Gefahr, daß der Recht­sex­trem­is­mus im Osten angesichts der
weit­er ansteigen­den Arbeit­slosigkeit zunimmt? 

Daß die Arbeit­slosigkeit den Recht­sex­trem­is­mus begün­stigt und damit auch die
Regierung Schröder indi­rekt viel Ver­ant­wor­tung trägt, ste­ht für mich fest.
Recht­sex­tremes Gedankengut darf aber nicht mit fehlen­der sozialer
Per­spek­tive entschuldigt wer­den. Wir müssen eine Brücke zu den jungen
Men­schen schla­gen. Ich höre immer wieder, mit welch­er Art und Weise in der
DDR Intol­er­anz und auch Anti­semitismus geübt wurde. Einige schreiben dies
fort. Manchen Erwach­se­nen fehlt das Unrechts­be­wußt­sein, sie sind keine
Vor­bilder. Das ist eine Erblast, mit der wir umge­hen müssen.

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Reicht das Freikorps-Urteil aus?

Ker­stin Kaiser-Nicht zum Umgang mit braunem Gedankengut — Die 44-jährige Diplom­slaw­istin ist stel­lvertre­tende Vor­sitzende der bran­den­bur­gis­chen PDS-Landtagsfraktion.

ND: Am Mon­tag wur­den in Pots­dam die Mit­glieder der Neon­azi­gruppe »Freiko­rps« als ter­ror­is­tis­che Vere­ini­gung verurteilt. Mit dem Ziel, die Region »von Aus­län­dern zu säu­bern«, hat­ten die Jugendlichen Dön­er- und Asia-Imbisse in der Region um Nauen niederge­bran­nt. Der Anführer der Gruppe erhielt eine viere­in­hal­b­jährige Haft­strafe, die elf anderen Angeklagten Bewährungsstrafen. Wie beurteilen Sie den Richter­spruch gegen das »Freiko­rps«?

Kaiser-Nicht: Das Urteil geht in die richtige Rich­tung. Es ist eine klare und notwendi­ge Reak­tion des Rechtsstaates. Jedoch bleiben etliche Fra­gen offen, was den weit­eren Umgang mit dem Recht­sex­trem­is­mus angeht. 

Wie und warum kön­nen sich solche Grup­pen bilden? Warum wird wegge­se­hen, wenn man hätte hin­se­hen müssen?

Zum Beispiel wussten nicht beteiligte Mitschüler des »Freikorps«-Anführers, dass dieser hin­ter den Anschlä­gen steckt. Offen­bar hat nie­mand etwas unter­nom­men, das Treiben der jun­gen Neon­azis wurde akzep­tiert. Die Sen­si­bil­itäts­gren­ze für Unrecht ist hier völ­lig ver­schoben. Es ist erschreck­end, was unter vie­len Bran­den­burg­er Jugendlichen als nor­mal und akzept­abel gilt. Ich füh­le mich in der Ein­schätzung bestätigt, dass Ras­sis­mus und Recht­sex­trem­is­mus keine Rand­phänomene sind, son­dern aus der Gesellschaftsmitte kom­men. Das gesellschaftliche Früh­warn­sys­tem hat in Nauen ver­sagt. Es ver­sagt auch ander­swo im Land. 

Wo sehen Sie die Gründe?

Wir müssen uns mit den Grundw­erten unser­er Gesellschaft auseinan­der set­zen. Alle sozialen Prozesse wer­den wie die Wirtschaft vom Konkur­ren­zprinzip beherrscht, was durch den Sozial­ab­bau noch ver­stärkt wird.
Da liegt es auf der Hand, dass auch Jugendliche begin­nen, um ihre Priv­i­legien und ihre Zukun­ft zu fürcht­en und als ver­meintlich Stärkere gegen ver­meintlich Schwächere vorge­hen. Hinzu kommt ein klar ras­sis­tis­ches Welt­bild, das sich aus weit ver­bre­it­eten Ressen­ti­ments nährt. Und Aus­gren­zung führt in die Katas­tro­phe. Das wurde beim »Freiko­rps« deut­lich. Zudem gehen von der Poli­tik falsche Sig­nale aus, wie in dem Hick­hack um die Ein­set­zung ein­er Härte­fal­lkom­mis­sion für abgelehnte Asyl­be­wer­ber zu sehen war. 

Ähn­lich wie Sie sagt auch Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU), dass in Nauen die Sozialkon­trolle durch Eltern, Schule und Vere­ine ver­sagt hat.

Damit hat er Recht, doch die Regierungspoli­tik, die er mit betreibt, geht in eine andere Rich­tung. Die Ver­fol­gung der Recht­sex­trem­is­ten durch Polizei und Jus­tiz ist richtig, darf aber nicht die alleinige Antwort sein. Es muss in die Infra­struk­tur im Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus investiert wer­den. Die Regierung stre­icht hinge­gen mas­siv Mit­tel. Dem Vere­in Opfer­per­spek­tive, der Betrof­fene rechter Gewalt betreut, sollen die Mit­tel gestrichen wer­den. Auch das lan­desweite Aktions­bünd­nis für ein Tol­er­antes Bran­den­burg braucht mehr poli­tis­che Unter­stützung, also auch mehr Geld. Vor allem ver­nach­läs­sigt die Regierung die Präven­tion – nötige Struk­turen, die es teils schon gab, brechen dadurch teil­weise weg. Ein Beispiel: Den Jugend­klub mein­er Heimat­stadt Straus­berg, in dem sich auch recht­sori­en­tierte Jugendliche tre­f­fen, betreuen keine Fachkräfte mehr, son­dern dafür nicht qual­i­fizierte Ein-Euro-Job­berin­nen. So kann es nicht gehen.

Inforiot