In der Zeit vom 22. bis 24. August wurden in Wriezen, Neuhardenberg und
Letschin in fünf Fällen Sachbeschädigungen an Döner- oder Asia-Imbissständen
festgestellt. Zunächst unbekannte Täter zerstörten durch Einwerfen oder
Eintreten Türen und Glasscheiben. Die Schäden belaufen sich auf über 9.000
Euro. In einem weiteren Fall wurde ein Wahlplakat mit verfassungswidrigen
Symbolen beschmiert. In der Nacht zum Freitag konnte die Polizei drei Männer
im Alter von 18 bis 19 Jahren festnehmen.
Autor: redax
Gastwirt beschimpft und beleidigt
Am Donnerstag gegen 22.00 Uhr wurde in Wittstock, Kirchgasse, der Gastwirt
eines italienischen Restaurants während seiner Arbeiten vor der Gaststätte
durch zwei junge Männer mit Ausdrücken und fremdenfeindlichen Worten
beschimpft. Die jugendlichen Täter benutzten Worte wie “Raus aus
Deutschland” und so weiter. Als sich der Wirt selbstständig in das
Restaurant zurückzog, entfernten sich die Jugendlichen in unbekannte
Richtung. Eingeleitete Fahndungsmaßnahmen verliefen ergebnislos. Durch die
Kriminalpolizei werden Ermittlungen zum Verdacht der Volksverhetzung
geführt.
Die beiden Tatverdächtigen wurden wie folgt beschreiben:
— männliche Jugendliche im Alter zwischen 16 und 18 Jahren
— zirka 165 cm bis 175 cm groß
Der vorrangig agierende Täter war mit einer blauen Jeans und einer dunklen
Jacke bekleidet. Die zweite Person trug eine helle Hose und einen dunklen
Pullover.
Die Polizei bitte um Mithilfe! Wer kann Hinweise geben, die mit der Tat in
Zusammenhang stehen? Wer hat Beobachtungen gemacht, die zur Aufklärung der
Tat führen? Wer kennt die beschriebenen Personen oder kann sie näher
beschreiben? Hinweise nimmt die Wittstocker Kriminalpolizei, unter der
Rufnummer (03394) 42 30 oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.
Gegen rechte Gewalt
(PNN, Marion Hartig) Innenstadt — Mit Sprechchören und Musik demonstrierten gestern mehr als 200 Jugendliche aus Potsdam und Umgebung gegen rechte Gewalt. Veranstalter des bis in die Gutenbergstraße hinein friedlichen Aufmarsches durch die City war die AK Antifa Potsdam, die mit antifaschistischen Gruppen aus Berlin und Brandenburg und dem Linksbündnis Potsdam kooperierte, wie Andreas Müller und Sabine Klein von der AK Antifa Potsdam am Rande der von der Polizei geführten Veranstaltung erklärten.
Mit dem Motto „We are not alone“, wir sind nicht alleine, wolle die AK Jugendliche motivieren, etwas gegen die zunehmende rechte Gewalt zu unternehmen. Es gehe darum, dass sich die Jugendlichen gegen rechte Gruppierungen verbündeten und sich bewusst werden, dass sie faschistischer Gewalt nicht hilflos ausgeliefert seien, weil antifaschistische Verbände und Opferverbände sie unterstützen.
Sie hätten mit mehr Teilnehmern gerechnet, erklärten Klein und Müller. Dass Punks und schwarz gekleidete Linke das Bild des Aufmarsches bestimmten, habe sicher abschreckende Wirkung auf „Normalos“ gehabt, dabei versuche die AK allgemein gegen Rechts zu mobilisieren. Die Demonstration sei hauptsächlich antifaschistisch und wende sich nicht gegen Deutschland und den Kapitalismus, wie es in einem Demo-Aufruf auf der Webseite des AK heißt. Es gehe vielmehr darum, die Öffentlichkeit wachzurütteln. Die Demonstration sei die erste der Potsdamer AK, die Gruppe habe sich erst vor einem halbem Jahr gegründet. Bisher bestehe sie aus zehn Jugendlichen zwischen 16 und 20 Jahren.
„Man kann das nur unterstützen, das Jugendliche gegen rechte Gewalt auf die Straße gehen, ganz gleich, ob sie rote Haare haben, ob sie Punks sind oder Linke“, meinte eine Mutter, die mit einer Eiswaffel in der Hand mit spazierte. „Man muss was dagegen tun, dass immer öfter aus faschistischen Gründen geschlagen und diskriminiert wird“, erklärte ein Paar. Viele der Jugendlichen „möchten sich nicht äußern“, warum sie hier dabei sind. Auch der Junge mit dem Schild „Wees och nicht“ kommentiert seinen Schriftzug nicht. Nur woher sie kommen verraten sie, aus Berlin, Kremnitz und Rathenow.
(Inforiot) Auf Indymedia wird von 300 TeilnehmerInnen gesprochen. Die hier zu sehenden Bilder stammen nicht aus der PNN sondern ebenfalls von Indymedia.
„Ick habe ooch ringetreten!“
Der Haupttäter Marcel B. (24) hat seine eineinhalbjährige Haftstrafe bereits abgesessen. Zwei weitere Akteure des brutalen Überfalls wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Marco K. tauchte unter, wurde per Haftbefehl gesucht und endlich auch gefunden. Über dreieinhalb Jahre, nachdem der damals 16-jährige Benjamin G. am 15. Januar 2001 von Rechtsgerichteten auf einem Hinterhof der Friedrich-Engels-Straße zusammengeschlagen und ‑getreten wurde, steht nun auch Marco K. (24) wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung vor dem Richter.
Der Kurzhaarige weiß nicht mehr viel von den Vorfällen jenes Wintervormittages. Das mag der inzwischen ins Land gegangenen Zeit geschuldet sein, aber auch dem Alkohol. Man habe sich schon in aller Frühe am Hauptbahnhof „getroffen und gesoffen“, berichtet der Arbeitslose. Dann sei man zu einem Kumpel gegangen. Dort habe es massenhaft Sangria und Bier gegeben. Ob die Vorräte zur Neige gegangen waren, als sich die Truppe gegen 11.40 Uhr zum Aufbruch entschloss, vermag Marco K. – er gründete inzwischen eine Familie – nicht mehr zu sagen. Seine Erinnerung setze erst wieder ein, als er die Polizeiwache verlassen durfte. Später habe ihm ein Kumpel erzählt, was dem alternativen Jugendlichen widerfahren sei.
„Wir waren mit einem Lehrer unterwegs. Der wollte in der Friedrich-Engels-Straße 1 etwas abgeben“, meint Benjamin G. (inzwischen 19), der im Prozess als Nebenkläger auftritt. Während sie im Hof warteten, sei aus einer gegenüberliegenden Tür ein Trupp junger, offensichtlich alkoholisierter, Männer getreten. Einer habe ihn gefragt, ob er sich nicht die Haare schneiden lassen wolle. „Ich entgegnete, nur die Seiten, und meinte damit einen Irokesenschnitt.“ Daraufhin seien ihm von eben dieser Person mehrere Faustschlag versetzt worden, so dass er zu Boden ging. Mindestens zwei weitere Rechte hätten mit Turnschuhen, dessen Abdrücke er noch zwei Wochen danach im Gesicht hatte, und Springerstiefeln auf ihn eingetreten. „Ich schrie um Hilfe, aber einer sagte nur, Halts Maul, alte Zecke“, erinnert sich Benjamin G. Als Mitschüler den Lehrer informierten und die Polizei zu Hilfe riefen, seien die Angreifer verschwunden. Ob der Angeklagte dabei waren, kann das Opfer nicht mit Sicherheit sagen. „Ich war damit beschäftigt, meinen Kopf zu schützen.“
„Wir haben ihn auf dem Hinterhof zusammengelegt“, erklärt René K. (26) lässig. Nach seiner Einschätzung habe die Prozedur vier bis fünf Minuten gedauert. „Dann hörten wir auf, weil Hilfe geholt wurde.“ Volker Wiedersberg, Rechtsbeistand des Opfers, fragt: „Sonst hätten Sie weiter gemacht?“ Die lakonische Antwort des Zeugen: „Weeß ick nich.“
„Eigentlich haben alle getreten, die auf dem Hof waren“, räumt der damalige Anführer Marcel B. (24) ein. „Ick habe ooch ringetreten.“ Ob der Angeklagte dabei war, weiß er nicht mit Sicherheit. „Ick gloobe, zu 70 Prozent nich.“
Um Marco K. zu verurteilen, hätten die Zeugen zweifelsfrei bekunden müssen, er sei vor Ort gewesen und habe kräftig mitgemischt, betont Amtsrichter Francois Eckardt. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Daher müsse er freigesprochen werden.
Eier auf Schröder und Platzeck
(NDR) Finsterwalde: Bundeskanzler Schröder ist erneut mit einem Ei beworfen worden. Der Zwischenfall in der brandenburgischen Stadt ereignete sich, als Schröder ein Volksfest eröffnete. Das Ei verfehlte jedoch sein Ziel. Bei dem Täter dürfte es sich um einen Gegner der Arbeitsmarkt-Reform Hartz IV handeln. Zuvor war bereits eine SPD-Wahlveranstaltung im brandenburgischen Senftenberg von Reformgegnern massiv gestört worden. Auch gegen Ministerpräsident Platzeck wurden Eier geschleudert. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter hat vor einer Zunahme gewalttätiger Übergriffe in Zusammenhang mit Hartz IV gewarnt. Sozial- und Arbeitsämter klagten schon seit längerem über zunehmend agressives Verhalten Betroffener, sagte der stellvertretende BDK-Vorsitzende Bernsee.
Am Vormittag des 13. August 2004 begleitete Joseph R., ein 45-jährige Asylbewerber aus Afghanistan, seinen Sohn zum Potsdamer Arbeitsamt im Horstweg. Auf der Rückfahrt nach Teltow kam es zwischen seinem 16-jährigen Sohn
und zwei Fahrkartenkontrolleuren zu einem Streit. Ein junger Mann mischte sich auf aggressive Weise ein und stieß den Vater zu Boden, der sich verletzte und heftig an der Nase zu bluten begann. Sein Sohn griff ein, es kam
zu einer Rangelei, bei der auch die Kontrolleure den Sohn schlugen. Beide, Vater und Sohn, rannten aus der Straßenbahn, verfolgt von dem jungen Mann.
Am Abend desselben Tages verstand der Vater die Welt nicht mehr. Als er kurz nach 20 Uhr vom Joggen in seine Wohnung in Teltow zurückkam, war die Tür aufgebrochen. Polizeibeamte führten eine Hausdurchsuchung durch. Einen Hausdurchsuchungs-Beschluss habe er, so Joseph R., nie zu sehen bekommen. Auf die Frage nach dem Grund hätten die Beamten gesagt: “Die Kripo darf das.” Dann wurde er auf die Polizeiwache Potsdam Mitte gebracht. Auch dort keine Erklärung, stattdessen habe er sich bis auf Unterhose und Unterhemd entkleiden müssen und sei anderthalb Stunden in eine Zelle gesperrt worden. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung sei er um Mitternacht auf
die Straße gesetzt worden.
Joseph R. kann das Verhalten der Polizei nicht verstehen. “Die Polizei hat das nur so gemacht, weil ich Ausländer bin”, so seine Vermutung. Mittlerweile hat sein Anwalt gegen die Polizei Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Freiheitsberaubung gestellt. Auch der Verein
Opferperspektive erhob eine Dienstaufsichtsbeschwerde.
Kay Wendel vom Verein Opferperspektive merkt dazu an: “Sollte sich der Verdacht erhärten, dann wäre Herr R. wie ein rechtloses Objekt polizeiliche Willkür behandelt worden. Und das, obwohl er es war, der von einem
Schläger angegriffen und verletzt wurde. Wir fordern eine umfassende und unvoreingenommene Aufklärung des ungeheuerlichen Geschehens.”
Potsdam, 26.8. — In Brandenburger Gefängnissen hat es mehrfach Übergriffe von
Justizbeamten gegeben, denen erst jetzt nachgegangen wird. Das
Justizministerium bestätigte am Mittwoch, dass derzeit 23
staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen Bedienstete von
Justizvollzugsanstalten wegen Körperverletzung im Amt oder unterlassener
Hilfeleistung laufen. Zum Teil handelt es sich dabei um ältere Fälle, die im
Rahmen einer bis 1994 zurückgehenden Überprüfung bekannt geworden sind und
jetzt neu aufgerollt werden. Insgesamt waren rund 200 frühere Strafanzeigen
von Gefangenen gegen Wärter erneut untersucht worden.
PDS-Justizsprecher Stefan Sarrach erklärte nach dem Eingeständnis des
Ministeriums, das von “Einzelfällen” spricht: “Es ist ein Skandal, wenn
Bedienstete Gewalt eskalieren lassen und die Gefängnisleitung das deckelt.”
Nun sei offenkundig, dass Justizministerin Barbara Richstein (CDU) früheren
Hinweisen auf Missstände und Übergriffe nicht nachgegangen sei.
Die Überprüfung hatte Richstein veranlasst, nachdem die
Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel im Mai bundesweit als
“Folter-Knast” in die Schlagzeilen geriet. Tatsächlich hat sich in jenen
beiden Fällen, über die das RBB-Magazin “Klartext” damals berichtet hatte,
der Verdacht gegen Bedienstete zumindest teilweise erhärtet. Zwar fanden
sich keine Anhaltspunkte, dass ein “vermummtes Prügelkommando” einen
tobenden herzkranken Häftling im Januar 2004 mit Gummiknüppeln
zusammengeschlagen haben soll. Die Ermittlungen gegen drei Bedienstete
wurden eingestellt. Doch war am Tag nach dem Vorfall bei dem Häftling, der
in der Nacht vergeblich um medizinische Hilfe gebeten hatte, ein Herzinfarkt
diagnostiziert worden. Gegen den Anstaltsarzt und einen Pfleger wird
weiterhin wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt, “weil der Verdacht
einer zögerlichen Behandlung fortbesteht”, so Justizsprecherin Dorothee
Stacke.
Noch gravierender ist nach Tagesspiegel-Recherchen der Fall D., der
ebenfalls in der JVA Brandenburg im Frühjahr 1999 mehrfach von einem Wärter
misshandelt worden sein soll. Verletzungen sollen sogar aktenkundig sein.
Gegen den Bediensteten ermittelt die Staatsanwaltschaft, nachdem ein
früheres Verfahren eingestellt wurde.
Brauner Arzt weiß gewaschen
(MAZ, Ulrich Wangemann) Sein Name steht für die finstersten Stunden der Stadt: Hans Heinze, Leiter
der Landesanstalt Görden von 1938 bis 1945. Mindestens 1200 Kinder ließ der
Arzt während seiner Amtszeit in der Anstalt als “lebensunwert” töten.
Nun ist dem schrecklichen Arzt, den ein sowjetisches Militärtribunal nach
dem Krieg zu sieben Jahren Haft verurteilt hatte, posthum eine unerwartete
Ehre zuteil geworden: Die russischen Behörden haben ihn rehabilitiert. Wie
das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” in seiner Online-Ausgabe berichtet,
stellte die Moskauer Militärstaatsanwaltschaft bereits 1998 formell die Ehre
nrechte des Massenmörders wieder her.
Deutscher Forscher gab Anstoß
Was daran besonders verstört: Es geschah auf Antrag des Historiker
Klaus-Dieter Müller, damals Mitarbeiter am renommierten Dresdener
Hannah-Ahrendt-Institut für Totalitarismusforschung — im Dienste der
Wissenschaft, sagt Müller: “Der Rehabilitierungsantrag war der einzige Weg,
an Informationen zu kommen.”
Ans Licht brachte den Fall die Berliner Historikerin Annette Weinke,
Mitarbeiterin an einem Forschungsprojekt zur Geschichte Brandenburgischer
Heil- und Pflegeanstalten. “Mich hat stutzig gemacht, dass der
wissenschaftliche Zweck die Mittel offenbar heiligt”, sagte die 41-Jährige
gestern dem Stadtkurier. Es sei “lange überfällig, dass diese Praktiken
diskutiert werden.”
Anstalts-Belegschaft ist empört
Empört reagierte auch die Landesklinik: “Wir sind überrascht und bestürzt”,
sagte Verwaltungschefin Dorit Zahn. “So weit darf ein Forscher nicht gehen.”
Es sei schlimm, dass die Sache so lange geheim geblieben sei. Die Fakten
sprächen allerdings eine klare Sprache. Der Euthanasie-Arzt sei nicht nur
für die Toten verantwortlich. “Wir wissen, dass Heinze mindestens 1900
Patienten hat zwangssterilisieren lassen”, so Zahn. Die Anstalt hat sich
intensiv mit ihrer Vergangenheit auseinander gesetzt. Im Juni eröffnete eine
Dauerausstellung zu dem Kindermord hinter den Backsteinmauern.
Forscher Müller ist selbst ein wenig erschrocken, was er ins Rollen gebracht
hat. “Es tut mit Leid, wenn ich Menschen in ihrem Ehrgefühl verletzt habe”,
sagt der Historiker, der heute bei der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten
arbeitet. “Ich hätte es vermutlich nicht getan, wenn ich geahnt hätte, dass
die Rehabilitierung durchkommt”, sagte der Historiker gestern.
Müller hat Erfahrung mit dieser besonderen Art der Recherche. Er hat
Hunderte von Rehabilitierungsanträge für andere Forscher, Privatleute und
öffentliche Institutionen gestellt. Wer beim Auswärtigen Amt eine solche
Auskunft erwirken will, wird in der Regel an den erfahrenen Forscher
verwiesen.
Im Fall Heinze habe er fest mit einer Ablehnung des
Rehabilitierungsbegehrens gerechnet — in einem solchen Fall geben die
Behörden dennoch Informationen heraus. Dass es dennoch anders gekommen sei,
bedauere er. Sarkastische Bemerkungen wie die seines Historikerkollegen Götz
Aly, nun könne man ja Straßen nach Hans Heinze benennen, empfindet Müller
als “aus der Luft gegriffen”. Das Wissen über die Verbrechen Heinzes sei
überwältigend. Auch seien allein mit der Rehabilitierungsurkunde keine
Wiedergutmachungsforderungen von Angehörigen möglich.
Ein mulmiges Gefühl hat der Streit um Heinze bei Joachim Harbrecht
hinterlassen. Der Anstaltsleiter hatte Harbrechts an Epilepsie leidende
Schwester Inge 1940 in den Gastod geschickt — sie war sechs Jahre alt. Ihr
Gehirn ließ der Doktor sezieren und schickte das Präparat zum
Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung nach Berlin. “Offenbar ist nichts
unmöglich”, sagte gestern der Rentner, der in der Nähe von Bremen wohnt.
Unlängst erst hatte er erfahren, dass das Hirnpräparat seiner Schwester 1990
in München beerdigt worden war. Gestern erst schickte Harbrecht einen Brief
nach München mit der Bitte , ihm ein Foto vom Grabstein zu schicken. “Ich
dachte, ich könnte die Akte schließen”, sagte Harbrecht. Die Vergangenheit
kommt auch nach 64 Jahren nicht zur Ruhe.
Gegen Abschiebung und Ausgrenzung.
Eisenhüttenstadt ist eine normale Stadt.
Hier im Grenzgebiet werden Menschen wegen ihrer Hautfarbe angegriffen, Flüchtlinge werden in Heimen zusammengepfercht, ihnen wird freie Bewegung versagt… Der ganz normale, alltägliche Rassismus – den man in jeder deutschen Stadt nden wird.
Eisenhüttenstadt ist keine normale Stadt! In Eisenhüttenstadt benden sich eine Außenstelle des „Bundesamts für die Anerkennung politischer Flüchtlinge“, die zentrale Erstaufnahmestelle
(ZASt) und die zentrale Abschiebehaftanstalt (ZAB)des Landes Brandenburg auf demselben Gelände. Eisenhüttenstadt ist Inbegriff des deutschen
Abschiebesystems!
Das Rassismus-Puzzle
Menschen, die Deutschland als Flüchtlinge betreten, werden in ein Geecht diskriminierender Gesetze und Institutionen
gedrängt.
Legal ist die Einreise lediglich über den Luftweg möglich, nur so gibt es überhaupt eine minimale Chance nicht sofort in einen „sicheren Drittstaat“ abgeschoben zu werden. Durch Abkommen mit Flughafenbehörden anderer Staaten schwindet auch diese geringe Chance zunehmend. Modelle für Auffanglager vor
den Grenzen Europas werden diskutiert, geprobt und schrittweise legalisiert. Das Schengener Informationssystem SIS und das €päische Fingerabdruck-Identizierungssystem EURODAC speichern biometrische Daten
von AsylbewerberInnen zentral bzw. gleichen die Datenbankbestände der EUStaaten ab. In absolut fragwürdigen
Schnellverfahren werden viele Asylanträge bereits am Flughafen abgelehnt – ausreichend rechtliche Information,
Übersetzungen und psycho-soziale Unterstützung für Traumatisierte sind meist nicht gewährleistet.
Diejenigen, die den illegalen Weg der Einreise versuchen, werden von den Grenzschutzpolizeien Europas empfangen, die mit modernster Technik ausgestattet sind.
Im Land erwarten Flüchtlinge diskriminierende Gesetze wie die Residenzpicht und ein weitgefächertes, dezentrales Internierungssystem von Erstaufnahmestellen, Flughafenknästen, Heimen verschiedenster Ausrichtung, Abschiebeknästen, Ausländerbehörden und Meldestellen.
Verdachtsunabhängigen Kontrollen durch Polizei und Grenzschutz unterworfen zu werden, gehört für (vermeintlich) Nichtdeutsche zum Alltag.
Die deutsche Öffentlichkeit und ihre selektive Wahrnehmung
Die Debatten um die Toten an der
Mauer, die durch DDR-Grenzsoldaten starben,
schlugen einstmals hohe Wellen.
Um die Fluchttoten der Gegenwart legt
sich allgemeines Schweigen. An den EUAußengrenzen
sind in den letzten zehn
Jahren allein im Mittelmeer nach ofziellen
Angaben rund 1000 Flüchtlinge ertrunken,
Pro Asyl schätzt die Zahl auf 5000. An der
Oder-Neiße-Grenze allein starben mehrere
hundert.
In der Öffentlichkeit wird die Einwanderung
von Flüchtlingen vor allem als kriminelles
Phänomen verhandelt. Organisierte Fluchthelfer
werden generell als „Schlepperbanden“
denunziert, die individuellen Gründe
zu iehen, werden als „Wirtschaftsucht“
delegitimiert.
Der in den Institutionen xierte Rassismus
harmoniert mit dem des alltäglichen
Lebens und er befördert ihn. Der Tritt des
Nazistiefels, der Hass auf der Straße gegen
das vermeintlich Fremde und Andere, die
Einigkeit einer Möchtegern-Weltoffenen-
Neu-Friedlich-und-Wir-sind-wieder-wer-
Nation, haben etwas gemeinsam: sie
können ungesteuerte Einwanderung nicht
ertragen.
Die unterste Klasse…Rassismus und
Ökonomie
Das weltweite Geldtransferunternehmen
Western Union wirbt in großen Plakatkampagnen
mit MigrantInnen, die aus den
Industrieländern Geld zu ihren Familien
schicken. Gezeigt wird, was der Werbeagentur
selbstverständlich erscheint. Die
Zielgruppe der Werbung soll wissen:
„Ich bin hier, um Geld nach Hause zu
schicken.“ Ein neuer Lebensmittelpunkt soll
in Deutschland nicht gefunden werden.
Die Aussage der Werbung negiert die
Realität, in der es für fast alle Nichtdeutschen
unmöglich ist, einen Job zu nden
und unter derartig guten Bedingungen zu
leben, dass Geld „nach Hause“ geschickt
werden könnte.
Aus den weltweiten Wohlstandsgefällen in
Folge des Kolonialismus, aus Migration
und Flucht lässt sich Kapital schlagen.
Gleichzeitig aber wird die sogenannte
Wirtschaftsucht als eine niederträchtige
Handlung dargestellt. Das Verlassen des
Landes, weil es einem woanders besser
geht, sei unsolidarisch gegenüber der „Heimatnation“,
egoistisch und geradezu luxusversessen.
Dass der/die Durchschnitts€päerIn permanent
aus Spaß und Freude an Exotik
Urlaub macht, wo es ihm oder ihr
beliebt, dass die €päische Wirtschafts-
ucht bzw. die Suche nach dem besseren
Leben – das sogenannte Auswandern bzw.
Aussteigen — nach Kanada, Australien oder
Südafrika oder wohin auch immer Dauerbrenner
sind, kommt dabei niemandem in
den Sinn.
Auch das Abschiebesystem selbst ist ein
Geschäft — im privaten wie im öffentlichen
Sektor. Wohlfahrtsverbände, Sicherheitsdienste
und Fluggesellschaften verdienen
daran. Andererseits wendet der Staat
extrem viele nanzielle sowie organisatorische
Mittel auf, um die gesamte Struktur,
die eine ausgegrenzte Unterschicht von
Rechtlosen produziert, am Leben zu erhalten.
Flüchtlingen wird das Recht, sich zu bilden
oder zu arbeiten, versagt. Sie werden in
die Illegalität getrieben und zugleich Opfer
im Kampf gegen sogenannte „Schwarzarbeit“.
Selten interessieren
sich Gewerkschaften
dafür, wenn sie nicht
sogar wie im Fall der
IG Bau in Hetzkampagnen
gegen illegale
Beschäftigung mit einstimmen.
Die Bewerbungsmechanismen
bei den
Behörden, um einer
legalen, bezahlten
Tätigkeit nachgehen zu dürfen, sind langwierig
und demütigend — die Maxime ist,
dass der Flüchtling ganz unten steht: nur
Jobs, die kein Deutscher, kein EU-Bürger
machen will, dürfen an Flüchtlinge vergeben
werden.
Das Internierungslager verdammt zu
Lethargie und Untätigkeit – auch selbstorganisiertes
Arbeiten, politisches Engagement
werden mißtrauisch beäugt,
denunziert und systematisch
verunmöglicht.
Arbeit zu suchen oder zu arbeiten bedeutet
für Flüchtlinge das Risiko ihrer Abschiebung
zu erhöhen.
Die Fixierung der Machtlosigkeit von
Papierlosen, sogenannten Nicht-Deutschen,
Nicht-EU-Bürgern, die Erhaltung
dieser Klasse der Rechtlosen ist eines der
Ziele der Abschiebe- und Internierungsmaschinerie.
Die Schikanierung, Isolation und
permanente Demütigung bricht Unzählige
auf immer psychisch, gekoppelt mit der
Gefahr, dass am Ende die Abschiebung
stehen könnte.
SCHLUSS DAMIT – IN EISENHUETTENSTADT
UND ÜBERALL –
Vom 2. bis 5. September wollen wir
im Rahmen der Anti-Lager-Tour in
Eisenhüttenstadt gegen die Einsperrung
und Ausgrenzung von Flüchtlingen protestieren.
Die Tour wird Station an diversen Orten
der Internierung in der ganzen Bundesrepublik
machen. Der Name der Tour richtet
sich gegen „Lager“ – gemeint ist jenes
bereits beschriebene dezentrale System
aus verschiedensten geschlossenen (z.
B. Abschiebeknäste) sowie halboffenen
Internierungseinrichtungen wie Einreise‑,
Ausreisezentren und Heimen. Die Beschreibung dieser Struktur als „Lager“ ist innerhalb
des Vorbereitungsbündnisses nicht
unumstritten. Jener Begriff spielt, gewollt
oder ungewollt, immer mit der Assoziation
an die Lager der NS-Zeit und legt Gleichsetzung
nahe, dort, wo Differenzierung an
erster Stelle stehen müsste.
Der deutsche Begriff des Lagers öffnet Tore
für die Relativierung von Geschichte. Es
soll daher festgehalten werden, dass es
nicht darum geht, eine solche Gleichsetzung
zu betreiben.
Die Repressionen und die Unmenschlichkeit
des Systems der Ausgrenzung
und Abschiebung sprechen eine deutliche
Sprache. Unsere Kritik muss die bestehenden
Verhältnisse anprangern, ohne
denen zuzuarbeiten, die die Singularität
des nationalsozialistischen Vernichtungsprogrammes
zu leugnen versuchen.
Wir sind die Guten?
Es ist nicht der erste Versuch einer bundesweiten
Mobilisierung gegen die bundesdeutschen
Zustände. Seit 1998 gab
es jedes Jahr große No-Border-Camps in
Deutschland, die von breiten Bündnissen
organisiert wurden. Dabei hat sich gezeigt,
dass auch der Protest gegen Rassismus
von Ereignissen begleitet wurde, die sich
nicht wiederholen dürfen. Es ließ sich in
den letzten Jahren immer wieder beobachten,
wie unter den Protestierenden
unsägliche rassistische, sexistische sowie
antisemitische Äußerungen auftraten,
wobei letztere zum Beispiel auf einem
Workshop zum Nahostkonikt mit mit
körperlichen Angriffen einhergingen. So
sollten sexistische Übergriffe, die
Verdrängung eigener Rassismen sowie der
Versuch, etwa in Strasbourg 2002 eine
jüdische Synagoge zu beschmieren, Anlass
genug sein, die Wiederholung von Derartigem
zu verhindern. Auf dem Camp in
Eisenhüttenstadt ist kein Platz für Sexismus,
Rassismus und Antisemitismus!
Eisenhuettenstadt — ein Musterbeispiel
deutscher Internierung
Die ehemalige Industriestadt
Eisenhüttenstadt wurde Anfang der 50er
als Arbeiterstadt des Eisenhüttenkombinats
Ost gegründet – damals noch als Stalin
stadt. Auf einem ehemaligen NVA-Gelände
entstanden seit 1990 mehrere Einrichtungen
des beschriebenen Internierungssystems.
Zum einen dient die Zentrale
Erstaufnahmestelle (ZASt) als erzwungener
erster Anlaufpunkt für Asylbewerberinnen
in Brandenburg, zum anderen bendet
sich direkt daneben die Zentrale Abschiebehaftanstalt
des Landes. Ferner bendet
sich dort eine Außenstelle des „Bundesamts
für die ‚Anerkennung’ politischer
Flüchtlinge“. Einzigartig in Deutschland
sind diese Einrichtungen des dezentralen
Lagersystems auf einem Fleck.
Einem Fleck mit einer traurigen
Geschichte: 1992 eskalierte wie in vielen
anderen deutschen Städten pogromartig
die Gewalt gegen die Menschen in der
ZASt. Brandsätze wurden von Nazis auf
die Gebäude geworfen. Seitdem sind auch
in den späteren Jahren immer wieder
gewalttätige Übergriffe auf AsylbewerberInnen
dokumentiert worden.
Allein in den Jahren 1996 – 2002 zählte
der Verein Opferperspektive 46 Übergriffe,
die in der Presse bekannt wurden. Die
Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein.
Im Jahre 2000 gab es einen weiteren
Skandal. Das Europäische Antifolterkomitee
forderte die Entfernung von vier in den
Boden eingelassenen Metallringen, die zur
Fesselung von Flüchtlingen im Neubau der
Abschiebehaftanstalt angebracht worden
waren. Noch heute werden Inhaftierte mit
„besonders hohem Aggressionspotential“
dort teilweise über mehrere Tage gefesselt
– nur jetzt mit einem Gurtsystem der
Firma Segux.
Menschen werden vor ihrer Abschiebung
in Abschiebknästen maximal bis zu anderthalb
Jahren festgehalten. Ihr einziges Verbrechen
ist, dass die Ausländerbehörde
vermutet, sie könnten untertauchen.
Auch die Zustände in der Erstaufnahmestelle
sind schlecht. Es gibt nur einen veralteten
Rechtsberatungslm, der Menschen
angeboten wird, die in einer völlig neuen
Situation, möglicherweise traumatisiert, oft
hilos und nicht mit ihren Rechten vertraut
sind. Angebote verschiedener Organisationen,
wie des Deutschen Anwaltsvereins,
Beratungsgespräche vor Ort anzubieten
oder Schautafeln mit rechtlichen Hinweisen
für die Flüchtlinge aufzustellen, wurden
vom Innenministerium immer wieder abgelehnt.
Für die Stadt ist all das ofziell weder
ein Thema, noch ein Problem. Seit 2003
bemüht man sich mit dem Standort-Projekt
„Eisenhüttenstadt 2030“ um die Behebung
der Probleme von Abwanderung und
Überalterung der Bevölkerung. Probleme
mit Rassismus gibt es ofziell nicht –
immerhin hat man sich im Zuge des
Aufstands der Anständigen im März des
Jahres 2000 um Lippenbekenntnisse
gegen Rassismus bemüht. Die Stadtverordnetenversammlung
beschloss mit
Zweidrittelmehrheit die Ergreifung „aller
erforderlichen Maßnahmen, um jeder
Art von Diskriminierung in der Stadt
Eisenhüttenstadt entgegenzuwirken“. Übrig
geblieben ist von alldem die Aktion Courage,
die sich momentan vor allem mit
sich selbst beschäftigt. Die Flüchtlinge in
Eisenhüttenstadt leben dort weiter isoliert.
Besuche im Abschiebeknast nden vorrangig
von Berlin oder Frankfurt/Oder aus
statt.
Wir kommen nicht, um uns zu
beschweren!
Gerade weil die Verhältnisse zum Verzweifeln
sind, wollen wir genau dies nicht tun.
In den vier Tagen in Eisenhüttenstadt gilt
es den Verantwortlichen in der Abschiebehaftanstalt
und bei der Ausländerbehörde
zu zeigen, dass sie nicht unbeobachtet
handeln.
Wir wollen Kontakte zu denen herstellen,
die in Eisenhüttenstadt eingesperrt sind. Es
lohnt, sich zu wehren und es lohnt sich,
die Erfahrungen, die anderswo gemacht
wurden, weiterzugeben.
Auch in Eisenhüttenstadt gibt es Einzelne,
die sich mit den Verhältnissen nicht abnden
wollen. Zusammen mit ihnen wollen
wir versuchen, Diskussionen in der Stadt
anzustoßen.
Für die Abschaffung der
Residenzpicht! Schluss mit Abschiebungen! Jeder Mensch hat das Recht, zu leben, wo er will. Für Bewegungsfreiheit.
Anti-Lager-action-Tour:
Gegen Abschiebung und Ausgrenzung,
2. bis 5. September 2004 in Eisenhüttenstadt.
Eier-Würfe auf den Kanzler
Kein freundlicher Empfang für Kanzler Schröder in Wittenberge — “Wir sind das Volk” riefen die DemonstrantInnen, die gegen Hartz IV protestierten
(INFORIOT, 24.8.) Als Bundeskanzler Gerhard Schröder am Montag den sanierten Bahnhof in Wittenberge einweihte, wurde er von wütenden DemonstrantInnen empfangen. Die rund 600 Protestierenden machten ihrem Ärger über den Hartz-IV-Sozialabbau unter anderem mit Eierwürfen auf den Kanzler Luft. Die Eier verfehlten ihr Ziel und trafen Journalisten und einen Polizisten. Angeblich habe es auch einen Steinwurf auf die Regierungs-Limousinen gegeben. Die DemonstratInnen reifen nach Presseberichten “Wir wollen Arbeit” und “Wir sind das Volk”. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck wurde ausgepfiffen, als er sich bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Fürstenwalde Hartz-IV-GegnerInnen gegenüber sah.
Generall lässt sich festhalten, dass sich im Vergleich zur Vorwoche die Montagsproteste im Land Brandenburg stabilsiert haben. Gingen am 16. August rund 10.000 in 17 Städten auf die Straße so waren es diesmal mindestens 12.000 in 21 Städten. Bundesweit stiegen die Zahlen laut der Netzplatform Indymedia auf 120.000 in 140 Städten.
Zur “Ersten Eberswalder Montagsdemo” in Eberswalde hatten unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Volkssolidarität und Attac aufgerufen. Unter dem Motto “Hartz IV muss weg” forderten 1000 TeilnehmerInnen die Rücknahme von Hartz IV und eine sozial gerechte Politik. “Hartz IV ist ein Irrweg. Die Gesetze sind unsozial und menschenfeindlich”, sagte einer der Redner. In Kyritz, wo ebenfalls erstmals demonstriert wurde, wurde darauf hingewiesen, dass allein im Landkreis Ostprignitz-Ruppin zirka 10.000 BürgerInnen von Hartz IV betroffen sein werden — weil sie zu lange arbeitlos sind und Sozialhilfe beziehen. “Wir werden hier politisch verarscht”, sagte Andreas Kahnert von der IG Metall in Königs Wusterhausen. “Das ist keine Reform, das ist Sozialabbau in allen Klassen der Republik”, rief er unter dem Beifall der Zuhörer. Eine weitere Rednerin erklärte, Hartz IV beweise, dass “den Parteien die Bevölkerung offenbar gleichgültig geworden ist.” Ralf Schulz von Attac warnte, Hartz IV sei “erst der Anfang” und forderte zum Widerstand gegen “diese Politik” auf. “Sie haben unser Land verkauft und unsere Ehre. Wir sind Menschen!”, so Schulz. In Potsdam kamen mit 700 Leuten etwas mehr Menschen zusammen als in der Vorwoche. Die VeranstalterInnn kündigten an, in der kommenden Woche vor die SPD-Zentrale zu ziehen, In den Wochen geht es dann zu den Zentralen von CDU und den Grünen.
Konkret liegen folgende Zahlen für Brandenburger Orte vor: Brandenburg/Havel (400 TeilnehmerInnen), Eisenhüttenstadt (600), Gransee (300), Königs Wusterhausen (350), Kyritz (300), Neuruppin (180), Oranienburg (700), Perleberg (100), Potsdam (700), Pritzwalk (500), Senftenberg (2000), Spremberg (1000), Teltow (100), Wittenberge (600), Wittstock (300), Jüterbog (200), Eberswalde (1000), Frankfurt/Oder (1200), Finsterwalde (300), Forst (600), Cottbus (2000). Bislang ist wie in der Vorwoche nichts über die Teilnahme von organisierten Rechtsextremen bei den Protesten im Land bekannt geworden. In Oranienburg war vergangenen Montag jedoch die Schillpartei vertreten. Übrigens fällt auf, dass in einigen Städten die TeilnehmerInnen-Zahlen eher rückläufig scheinen — die höhere Gesamtsumme kommt durch die neu dazugekommenen Proteste in anderen Orten zustande.
Update 25.8.:
Auch in Bernau gab es eine Demonstration gegen Hartz IV. Nach Angaben lokaler Antifas beteiligten sich an der schlecht besuchten Aktion neben der Schillpartei auch stadtbekannte Neonazis. Am Protest in Fürstenwalde nahmen ebenfalls Neonazis teil, traten aber nicht offen als solche in Erscheinung. So ist es jedenfalls auf rechten Webseiten zu lesen.
Proteste gegen Hartz IV jetzt in 25 Orten
Mehr Demonstranten in Brandenburg
(Berliner Zeitung, 25.8.) POTSDAM. In 25 brandenburgischen Orten sind am Montag insgesamt 17 000 Menschen gegen die Hartz IV-Arbeitsmarktreform auf die Straße gegangen, teilte die Polizei am Dienstag mit. Im Gegensatz zum Bundestrend stieg damit in Brandenburg die Zahl der Demonstranten im Vergleich zur Vorwoche noch einmal um rund 7 000 Personen an. Die größte Demonstration fand mit 2 500 Teilnehmern wieder in Senftenberg statt. In Potsdam fanden sich 700 Menschen ein, in Brandenburg/Havel 400 Personen, und in Königs Wusterhausen waren 350 Demonstranten unterwegs. Eine Hochburg der Anti-Hartz-Proteste war schon vor dem Kanzlerbesuch in Wittenberge die strukturschwache Prignitz. Dort folgten in mehreren Städten insgesamt 1 500 Teilnehmer den Aufrufen. Vertreter der Familienpartei, die die Demonstration in Potsdam angemeldet hatten, kündigten für den nächsten Montag einen Protestmarsch zur SPD-Landeszentrale in der Friedrich-Ebert-Straße an.
Der Potsdamer Verfassungsschutz warnte jetzt davor, dass Rechtsextremisten die Proteststimmung ausnutzen, um fremdenfeindliche Parolen zu verbreiten. So hatte auch die rechtsextreme DVU zur Montagsdemonstration in Senftenberg aufgerufen. Resonanz fand sie aber offenbar nicht.