(MOZ, 06.03.04, Polizeibericht) Freitagmorgen gegen 1.40 Uhr wurden Feuerwehr und Polizei ins Parkhaus am Zehmeplatz gerufen. Dort stand ein Ford Transit in Flammen. Als Halter des Fahrzeugs ermittelten die Beamten eine Frankfurter Sicherheitsfirma. Unweit des Transits wurde ein
“Bekennerschreiben” der vermutlichen Täter gefunden. Nach ersten Erkenntnissen drangen Unbekannte in das zur Nachtzeit verschlossene Parkhaus ein und zündeten den Transporter an. Er brannte völllig aus. Der Schaden wird auf 30.000 Euro geschätzt. Die Kripo ermittelt.
Autor: redax
Schillpartei löst sich auf
(MOZ, 5.3.04) Fürstenwalde (MOZ) Die zwei Abgeordneten der Partei rechtsstaatliche Offensive (Schill-Partei) in der Fürstenwalder Stadtverordnetenversammlung sind aus
ihrer Partei ausgetreten und werden sich künftig der CDU-Fraktion anschließen. Als Gründe dafür werden in einer Pressemitteilung Vorgänge und Abläufe innerhalb der rechtsstaatlichen Offensive genannt, die “für uns nicht mehr
tragbar gewesen” sind. Auf Einzelheiten gingen die beiden Abgeordneten nicht ein. Heiko Pohl, der die Schill-Partei bisher im Kreistag vertrat, wird auch dort in die Unions-Fraktion eintreten. Im Fürstenwalder Stadtparlament ändern
sich mit dem Wechsel die Mehrheitsverhältnisse. Mit zehn Sitzen wird die CDU stärkste Fraktion vor der PDS mit neun Sitzen.
Roma-Lager am Bahnhof Genshagener Heide zieht weiter, wenn das jüngste Baby aus dem Krankenhaus kommt
(MAZ, 05.03.04) LUDWIGSFELDE “Wir fahren weiter, wenn mein Baby aus dem Krankenhaus kommt”, sagt Raxi. Der Kleine ist neun Monate alt und ihr erstes Kind. Er liegt mit einer Lungenentzündung in Ludwigsfelde, erzählt die junge Frau. Sie hat braune Augen, blond gefärbte Haare. “Am Freitag oder Sonnabend”, da können sie ihn abholen, sagt sie, über die geöffnete Halbtür eines Wohnwagens hinweg. Hinter
ihr schaut ein Mädchen mit langen Locken um die Ecke, auf der Couch krabbelt ein Junge mit Windelhose um sie herum. Beide haben Nuckel im Mund, beide schauen mit großen Augen. Raxi zeigt auf die Kinder ihrer Cousine — “es wird
kalt …”, entschuldigt sie sich, zieht die Tür zu.
Raxi gehört zu einer Gruppe Roma, die vorige Woche mit zwölf Wohnwagen drei Tage auf der Rollschuhbahn Ludwigsfelde stand, die anschließend nicht auf
dem Autobahnparkplatz Rangsdorf bleiben durfte, und die von der Gemeinde Großbeeren jetzt den Platz am Bahnhof Genshagener Heide zugewiesen bekommen hatte. Strom liefern Aggregate, die zwischen den Wohnwagen stehen, Wasser holen sie sich von der Tankstelle.
Drei Monate leben sie in Straßburg, neun Monate sind sie in West€pa unterwegs, heute oder morgen verlassen sie den Bahnhofsplatz Genshagener Heide. Jungs laufen herum, rennen, schmeißen Stöckchen, versuchen die drei Hunde zu
fangen, die jeder in eine Handtasche passen würden. Die Jungs kommen näher und erzählen. Wenn sie in Frankreich sind, gehen sie in die Schule; unterwegs lernen sie “bei Mutter und Vater, alles — lesen, schreiben und rechnen. Ich
bin 6. Klasse.” Neun Klassen muss er schaffen. Und er heißt Külo. Nur Külo? “Ja, bei uns haben alle nur einen Namen.” Gegenüber kommt Raxi aus dem Wohnwagen. Sie erzählt, dass sich alle einmal im Jahr in Hamburg treffen, “im neunten
Monat, zu einer großen Mission”. Jetzt betreut sie andere Kinder aus den zwölf Wohnwagen am Bahnhof mit, “hier sind viele Kinder.” Wie viele? “Vielleicht 60.” Wovon leben sie alle? “Vom Kindergeld in Frankreich.” Sonst nichts?
“Doch, wir verkaufen.” Und was? “Teppiche.” Wer macht die Teppiche? “Die Großmutter in Straßburg.”
Nebenan in der Kleingartenanlage “Heidegrund” ist ein Ludwigsfelder zugange. Nein, seinen Namen möchte er wirklich nicht sagen. Aber nach dem Rechten sehen, das muss er ja wohl. Wo “die da” doch schon so lange hier stehen,
“die Zigeuner”. Er habe auch schon allen Nachbarn bescheid gesagt, damit die auch nach dem Rechten sehen können. Man weiß ja nie …
Aber Frank Gerhard weiß, der stellvertretende Bürgermeister von Ludwigsfelde. Er hat fünf Beschwerden auf dem Tisch, “von Leuten, die Angst haben, dass ihr Zaun eingerissen oder dass etwas geklaut wird”, wie er sagt. Drei Tage, das sei eine nirgends genau festgelegte Regelung bundesweit, so lange würden nicht sesshafte Gruppen geduldet. Einschlägige Urteile legten lediglich fest,
dass das Hausrecht einer Gemeinde gelte und dass soziale Härtefälle zu vermeiden seien.
Beschwerden liegen auch bei Polizeiwachenleiter Klaus Lichtenberg. Er ärgert sich wenn er so Dinge hört wie “Da wissen wir ja, warum jetzt wieder so viele Autos geklaut wurden.” Der Polizeihauptkomissar sagt: “Die Autodiebstähle
und ‑einbrüche haben mit dieser Truppe nichts zu tun. Wir haben da ganz andere Spuren. Voher wurde auch geklaut. Und außerdem sind die doch mit höherklassigen Fahrzeugen unterwegs als aufgebrochen und geklaut wurden.”
Lothar Schwarz, Ordnungsamtsleiter in Großbeeren, erklärt, diesmal gebe es überhaupt keine Probleme. “Das sind vernünftige Zigeuner. Da hatten wir voriges Jahr schon ganz andere, die handgreiflich wurden.” Natürlich dürfen
sie bleiben, bis das Baby aus dem Krankenhaus kommt. Den Müll “nehmen sie bestimmt mit. Wenn nicht, klären wir das mit dem Kreis oder machen es selbst”, sagt Schwarz.
Am Bahnhof Genshagener Heide fährt mal ein Volvo auf den Platz, mal ein BMW. Dann kommt ein Mercedes, ein Mann in Schwarz steigt aus. Er heißt Porado. Ob er der Chef ist? “Nein, Madame.” Er zeigt mit dem Finger senkrecht hoch.
“Unser Chef ist da oben und sieht alles, Madame. Der sieht alles und heißt Gott.” Einfach Gott? “Wir sind alle evangelisch, alle Roma. Wir sind eine freie
Kirchengemeinde. Ohne Gott könnte ich nicht leben.” Ein kleiner Junge, dem die schwarzen Haare aus einem Loch in der gestrickten Mütze quellen, tippt sich an den Kopf und sagt: “Der Gott sieht alles, auch deine Gedanken hier drin.”
Ehrung für Widerstandsgruppe
(MAZ, 05.03.04) LUCKENWALDE Eine Gedenktafel für die Widerstandsgruppe “Gemeinschaft für Frieden und Aufbau” wurde gestern auf dem Luckenwalder Bahnhofsvorplatz von
Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide eingeweiht. Geehrt werden damit jene Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges zum Widerstand gegen das Nazi-Regime aufgerufen und durch persönlichen Einsatz zahlreichen Juden das
Leben gerettet hatten.
Der Bahnhofsvorplatz wurde als Ort für die Tafel gewählt, weil sich damals dort die Wege vieler Widerstandskämpfer kreuzten. Untergetauchte Juden aus Berlin kamen am Bahnhof an und auch Flugblätter wurden dort hindurchgeschleust
und in andere Städte gebracht.
Elisabeth Herzog-von der Heide würdigte die Menschen, “die ungeachtet ihrer politischen Überzeugung oder ihrer Herkunft mit Tugenden wie Mitmenschlichkeit, Toleranz und Gerechtigkeit Zivilcourage gezeigt haben”. Neben dem Gedenken “an diese Menschen und deren große Taten” rief die Bürgermeisterin dazu auf, auch in der Gegenwart solche Tugenden “für sich als wichtig zu erachten”.
Als Zeitzeugen waren gestern auch Eugen Herman-Friede (77) und Ruth-Winkler-Kühne (73), die Tochter von Hans und Frieda Winkler, dabei. Eugen Herman-Friede hatte damals bei Familie Winkler in der Bismarck-Straße (heute Karl-Marx-Straße) in Luckenwalde untertauchen können. Zu den noch lebenden Zeitzeugen gehört auch Günter Naumann (82) aus Scharfenbück, der gestern aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein konnte.
Historikerin Barbara Schieb aus Berlin hat die Aktivitäten der Widerstandsgruppe “Gemeinschaft für Frieden und Aufbau” erforscht und mehrere Publikationen herausgegeben. Barbara Schieb führte gestern durch die anschließende Veranstaltung “Luckenwalder Stadtgeschichte(n)” im Rathaus.
Eine Frage der Lobby
(MAZ, 05.03.04) NEURUPPIN Einigermaßen beruhigt hat sich Margarete Jungblut — wirklich verstehen kann Neuruppins Sozialdezernentin den politischen Druck auf das
Jugendfreizeitzentrum (JFZ) nicht. In geheimer Abstimmung hatte der Haupt- und Finanzausschuss am Montag beschlossen, den Betriebskostenzuschuss ans JFZ ab April auf Eis zu legen — wenn der Klub bis dahin keine Sparvorschläge macht. “Wo bleibt denn da die Gleichbehandlung?”, fragt sich Margarete Jungblut. “Sind Mittendrin und IJN denn anders?”
Seit die städtischen Mittel für Betriebskostenzuschüsse jedes Jahr knapper werden, teilen JFZ, Jugendwohnprojekt Mittendrin und die Initiative Jugendarbeit (IJN) das Jahresbudget für Jugendeinrichtungen gerecht durch
drei. Zum Sparen gezwungen werde nun aber nur das JFZ, kritisiert die Vizebürgermeisterin und empfindet das wiederum als ungerecht.
Dem JFZ-Team spricht sie damit aus dem Herzen. Doch Vorstand Richie Neumann glaubt zu wissen, warum Mittendrin und IJN in der Spardiskussion ungeschoren davonkommen. “Sie haben einfach die stärkere Lobby”, sagt er. IJN-Chef
Andreas Haake sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Stadtparlament, Mittendrin-Chefin Kerstin Kroll für die PDS. Sie leitet den Haupt- und Finanzausschuss und hat
am Montag, als es um das JFZ ging, mit abgestimmt.
Der JFZ-Vorstand rüstet sich nun für die Flucht nach vorn. “Vielleicht sollten wir die Stadtverordneten einfach mal zu uns einladen”, überlegt Richie Neumann, “damit alle wissen, worüber sie reden.” Im Stadtparlament kursieren
Gerüchte, wonach das JFZ Woche für Woche immense Summen erwirtschaftet. “Der Laden macht einen Umsatz für zehn Kneipen”, glaubt beispielsweise Wolfgang Passon (Pro Ruppin).
“Wir haben unseren Wirtschaftsplan offen gelegt”, erwidert Neumann. “Den hätte jeder einsehen können.” Doch als die JFZ-Vorstände im Februar zum geforderten Prüfgespräch ins Neuruppiner Rathaus kamen, saßen ihnen lediglich drei
Abgeordnete gegenüber.
(BM, 05.03.04) Potsdam — Die Stadt Potsdam bittet um Mithilfe beim geplanten Wiederaufbau der Garnisonkirche. Gesucht werden noch erhaltene Teile des einstigen
Wahrzeichens, Fotos, Filmmaterial, schriftliche Aufzeichnungen und Reste der Architektur, um das Gotteshaus bis zum Jahr 2010 so originalgetreu wie möglich
wiedererrichten zu können. “Sicher erinnern sich noch Menschen, die nach der Kirchensprengung im Jahr 1968 den Schutt abtransportiert haben, wo er vergraben
liegt”, hofft Wieland Eschenburg, Büroleiter des Oberbürgermeisters, der die Potsdamer zu der Aktion aufrief. Es gehe nicht um die Frage, auf welchem Weg
Baudetails in die Hände der heutigen Eigentümer gelangt seien. Infos werden in der “Ausstellung zur Garnisonkirche” (Breite Straße 7, Mi.-So., 13–18 Uhr), unter Tel.: 03 31/201 18 30 oder per E‑Mail an info@garnisonkirche-potsdam.de gesammelt.
(MAZ, 04.03.04) Die Stadt wird auf Antrag der Fraktion Die Andere prüfen, ob das Asylbewerberheim in der Kirschallee verbleiben kann. Das ist das Fazit einer langen Debatte der Stadtverordneten gestern Abend.Eingangs hatte der
Vorsitzende des Ausländerbeirates, Yoham-Panton Kengum, dessen Ablehnung zum geplanten Umzug begründet. Räumlich isolierte Lage im Lerchensteig, schlechte Verkehrsanbindung, schlechte Sicherheitslage sowie die schlechte Ausstattung sprächen gegen die Verlegung der 87 betroffenen Asylbewerber in den Potsdamer Norden, so Kengum. Er bat die Stadtverordneten, den Umzugsbeschluss rückgängig zu machen. Unterstützt wurde er von Uta
Gerstäcker, einem Chormitglied aus Bornstedt. Sie verwies auf entstandene nachbarschaftliche Kontakte. Potsdam solle neben den historischen auch aktuell ein Beispiel für Toleranz bringen und “Asylbewerber als Teil unseres
Umfeldes akzeptieren”.
Lutz Boede (Die Andere) verwies darauf, dass bislang weder eine verstärkte Unterbringung von Asylbewerbern in Wohnungen noch die Verlagerung der Obdachlosen aus dem Lerchensteig erfolgt sei — beides aber Grundlage für den
einstigen Umzugsbeschluss.
Wenn heute die Diskussion über Umzug oder Verbleib der Asylbewerber sehr viel emotionsfreier geführt werden kann, so habe das auch mit dem Beschluss über die zweijährige Befristung zu tun, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs.
Man stehe im Wort; wiederholt sei er angesprochen worden, ob es beim Umzug bleibt. Es gehe um politische Glaubwürdigkeit — den Anwohnern gegenüber
ebenso wie der Awo. Diese wurde von der Stadt beauftragt, Voraussetzungen für den Umzug der Obdachlosen innerhalb des Lerchensteigs zu schaffen und “ist inzwischen finanzielle Verpflichtungen eingegangen”, so Jakobs. Auch die Betriebskosten bei einem so großen Gebäude für 87 Personen seien zu bedenken.
Es dürfe nicht als Bumerang auf die Anwohner zurückfallen, dass sie sich kooperativ verhalten haben, warnte Eberhard Kapuste. Die CDU-Fraktion stehe weiter zum Umzug. Einzig bei einem eindeutigen Votum des Souveräns — der Bornstedter Bürger — könne er sich einen Verbleib der Asylbewerber in der Kirschallee vorstellen. “Es ist legitim, sich auf die Politik zu verlassen”, sagte er. Bürger, die das tun, dürften jetzt nicht in die Spießerecke gestellt werden.
Unter Druck
NEURUPPIN In den Reihen der Stadtverordneten hat das Neuruppiner Jugendfreizeitzentrum (JFZ) keinen guten Stand. Obwohl das soziokulturelle Zentrum auf 19 269 Veranstaltungen im vergangenen Jahr verweisen kann,
wollen Abgeordnete aus den Reihen von FDP und CDU den jährlichen Betriebskostenzuschuss an das JFZ am liebsten streichen. Entsprechende Pläne werden nach MAZ-Informationen seit Wochen hinter den Kulissen geschmiedet.
In die nebulöse Diskussion platzte jetzt ein gemeinsamer Antrag von CDU, FDP und Pro Ruppin, wonach der Zuschuss gesperrt wird, wenn das JFZ keine Sparvorschläge unterbreitet. Nach dem Willen des Haupt- und
Finanzausschusses wird der monatliche Zuschuss von 1000 Euro ab Anfang April auf Eis gelegt (die MAZ berichtete). In geheimer Abstimmung votierten sechs Stadtpolitiker für die Sperrung, drei dagegen. Zwei enthielten sich.
Initiiert wurde der Antrag von Ivo Haase (23, Pro Ruppin), Michael Bülow (32, SPD) und Olaf Kamrath (35, CDU). Bülow und Haase hatten den JFZ-Vertretern bei einer Buchprüfung Anfang Februar gegenübergesessen — damals allerdings nichts bemängelt. “Wir hatten mit einer heißen Diskussion
gerechnet und erwartet, dass uns die Abgeordneten Löcher in den Bauch fragen”, erinnert sich JFZ-Vorstand Richie Neumann. Doch von Kritik keine Spur. Entsprechend “baff und geplättet” sei er wegen des plötzlichen Sinneswandels.
Michael Bülow fühlt sich falsch verstanden. Mit einer Sperrung der Mittel solle Zeit gewonnen und verhindert werden, dass der Zuschuss ganz gestrichen wird. “Das JFZ ist einer der wenigen Träger, die über Einnahmen verfügen”,
sagt Bülow. Dass der Vorstand des Jugendklubs im Wirtschaftsplan keine Sparpotenziale entdecken kann, will er nicht glauben. 11 500 Euro für eine Reinigungsfirma, 5000 Euro für Versicherungen und 2400 Euro für die
Straßenreinigung hält Bülow für überzogen. Das JFZ habe drei
Zivildienstleistende und viele Mitglieder. Sie könnten Besen und Wischmopp schwingen — so lasse sich eine Menge Geld sparen. Dass die 32 Klubmitglieder ehrenamtlich arbeiten, lässt Bülow nicht gelten.
Auch Jens-Peter Golde, Fraktionschef von Pro Ruppin, glaubt, dass mit “ein bisschen gutem Willen” alles geht. Bei 400 bis 500 Gästen pro Veranstaltung fänden sich doch sicher ein paar Freiwillige, die Schnee schieben oder
sauber machen, glaubt Golde. “Dann kriegen die als Belohnung eben Freikarten für Keimzeit.”
Durch die Sperrung des Betriebskostenzuschusses solle das JFZ “ein bisschen unter Druck geraten”, sagt der Fraktionschef. Andere Träger der Jugendarbeit
hätten schließlich auch Sparvorschläge gemacht. “Das JFZ ist ein Highlight in Neuruppin”, sagt Golde. Es sei aber “legitim, über die Notwendigkeit eines Zuschusses zu diskutieren”.
Das sehen Goldes Söhne offenbar anders. Die gehören zum Stammpublikum des JFZ und reden seit dem Antrag, den Golde unterschrieben hat, nicht mehr mit ihrem Vater. “Der Laden ist eine heilige Kuh”, sagt er. “Keiner traut sich
mehr, kritische Dinge laut und offen zu sagen.”
Die jungen Politiker lassen es nicht bei bloßer Kritik bewenden. Bei einem Gespräch Mitte März wollen Ivo Haase und Michael Bülow dem JFZ-Vorstand mögliche Wege weg vom finanziellen Tropf weisen. “Wir wollen das JFZ, das
als einziger Ostklub in einem West-Reiseführer gelandet ist, unabhängig von Zuschüssen machen”, kündigt Bülow an.
(LR, 03.03.04) Der Historische Heimatverein stellt heute Abend zwei neue Sonderhefte der «Cottbuser Blätter» vor. Die Publikation «Jüdisches Leben in der Lausitz»
ist Ergebnis des gleichnamigen Xenon-Projektes der Caritas. Unter Leitung des Historikers Roman Lange haben junge Leute eine Dokumentation des Jüdischen Friedhofs innerhalb des heutigen Südfriedhofs erarbeitet. In der zweiten Neuerscheinung stellt der Dresdner Historiker Rudolf Jenak die Zeit vor, in der der Cottbuser Kreis vom Königreich Sachsen verwaltet wurde.
Etwa hundert Grabstellen gebe es heute auf dem Jüdischen Friedhof in Cottbus, erklärt Steffen Krestin, Leiter der Stadtgeschichtlichen Sammlungen. Als erste sei dort 1916 Berta Hammerschmidt aus der bekannten Cottbuser Rechtsanwalts-Familie beigesetzt worden. Ein weiterer Prominenter ist der Kaufmann Markus Bodanski (1878 bis 1931). Krestin: «Er hatte sein Geschäft auf dem Altmarkt.» 1949 ist hier Abraham Morgenstern beerdigt worden, jener Schneider, den Erna Etis vor der Deportation durch die Nazis
bewahrt hat. Die Cottbuserin erzählt die Geschichte im Dokumentarfilm «Die Frau des letzten Juden» . Auch das Grab von Olga Schlesinger ist hier zu finden, der Frau des letzten Vorstehers der Cottbuser Synagogengemeinde, der
am 24. August 1942 ins KZ Theresienstadt verschleppt und dort ermordet wurde.
Ergänzt wird die Dokumentation durch eine Darstellung der Feierhalle und eine Abhandlung zum Thema Tod, Beerdigung und Trauer im Judentum, Informationen zum zweiten Jüdischen Friedhof an der heutigen Straße der Jugend sowie Darstellungen jüdischer Grabmalssymbole.
Zum Thema Cottbus in der Sachsenzeit habe Rudolf Jenak in Cottbus und Dresden lagernde Akten der Jahre 1806 bis 1813 gesichtet und übersetzt, so Steffen Krestin.
Die Eroberungen der französischen Truppen und die Niederlagen Preußens hätten schließlich die seit Jahrhunderten brandenburgisch-preußischen Cottbuser dem sächsischen König unterstellt. Seinen Niederschlag habe dieser Prozess in zahlreichen Akten und Dokumenten gefunden, die der Autor akribisch aufgelistet und zur Grundlage einer hervorragenden Analyse der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse der Stadt gemacht habe.
Doch die sächsische Regierungszeit bleibt nur ein Intermezzo in der Cottbuser Geschichte. «1813 wird voller Enthusiasmus und mit wahrhafter Begeisterung der preußische Adler wieder an den Toren der Stadt angebracht» , heißt es im Vorwort.
Service Neue «Cottbuser Blätter»
Die neuen «Cottbuser Blätter» zu den Themen «Jüdisches Leben in der Lausitz» und «Cottbus in der Sachsenzeit» werden heute, 19 Uhr, im Sitzungssaal der Stadtverordneten am Altmarkt 21 vorgestellt.
Beide Hefte sind für jeweils zehn Euro im Cottbuser Buchhandel zu haben.
(Tagesspiegel, 03.03.04, Frank Jansen) Neuruppin. Der Schrecken war gewaltig. Im Spätsommer kam die Polizei eher
zufällig einer Gruppe Neonazis auf die Spur, die einen Bombenanschlag auf die Baustelle des jüdischen Gemeindezentrums in München plante — und dabei womöglich bei der Grundsteinlegung Bundespräsident Johannes Rau, den
bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und andere Ehrengäste töten wollte. Am 9. November, dem Jahrestag der Pogromnacht von 1938.
Schlagartig wurde die Gefahr rechtsextremen Terrors sichtbar, Bayerns Innenminister Günther Beckstein sprach sogar von einer “Braunen Armee Fraktion”. An eine bundesweite agierende, straff organisierte Terrorgruppe
glaubt zwar kaum ein Sicherheitsexperte, doch entdeckten die Fahnder Verbindungen der potenziellen Attentäter über Bayern hinaus — bis hin nach Mecklenburg- Vorpommern, Berlin und Brandenburg. Zwei Brandenburger, die als
Sprengstofflieferanten der Terrorgruppe um Martin Wiese geholfen haben sollen, müssen sich nun vor dem Landgericht Neuruppin verantworten. Am heutigen Mittwoch beginnt der Prozess.
Angeklagt sind Marcel K. (25) und Steven Z. (24), beide stammen aus der Umgebung der uckermärkischen Kleinstadt Brüssow. Steven Z. ist verkrüppelt, er verlor 1998 bei Bastelei mit Sprengstoff eine Hand und einen Unterarm.
Generalbundesanwalt Kay Nehm hat das Verfahren gegen die beiden Männer vom Münchner Hauptkomplex abgetrennt und an die Staatsanwaltschaft Neuruppin übergeben, da Marcel K. und Steven Z. eine Kenntnis der Anschlagspläne der
Münchner Gruppe nicht nachzuweisen und damit der Terrorismusvorwurf hinfällig war. So lautet die Anklage gegen K. und Z. “nur” noch auf Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz.
Die Neuruppiner Anklagebehörde hält K. und Z. vor, sie hätten Anfang Mai 2003 nahe Ramin (Vorpommern) eine alte Panzerfaust geborgen, um an den in der Granate steckenden Sprengstoff heranzukommen. Es soll sich um eine Mischung aus TNT und Hexogen gehandelt haben, insgesamt ein Kilo. Die
Granate sei zu dem in Brüssow wartenden Neonazi-Anführer Wiese gebracht worden, heißt es in Sicherheitskreisen. Wiese und ein Kumpan hätten das Geschoss aufgesägt und den Sprengstoff herausgeholt — der vermutlich für den
geplanten Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum vorgesehen war.
Marcel K. und Steven Z. sollen an diesem Maitag auch nach Polen gefahren sein, um nahe Stettin Übungsmunition aus verrottenden Restbeständen der Armeen des früheren Warschauer Pakts aufzuklauben. Zwei Panzergranaten,
allerdings nicht explosionstauglich, hätten die Männer auch nach Brüssow transportiert, sagen Sicherheitsexperten.
Die Staatsanwaltschaft wirft Marcel K. außerdem vor, er habe vier Pistolen, Munition und Sprengstoff besessen. Die Waffen seien “Wehrmachtsschrott”, ist in Sicherheitskreisen zu hören. Den Sprengstoff habe K. ebenfalls in der
Landschaft gefunden. Die Munition soll er sich in Stettin beschafft haben.
Für den Prozess gegen K. und Z. ist nur ein Verhandlungstag vorgesehen. Die Angeklagten sind nach Informationen des Tagesspiegel teilweise geständig. Wann der Prozess gegen die Wiese-Gruppe beginnt, ist offen. Der Generalbundesanwalt wird vermutlich im Frühjahr Anklage erheben. Derzeit sitzen fünf Tatverdächtige in Haft, ermittelt wird gegen insgesamt 14 Rechtsextremisten.