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Neue linke Perspektiven in Lateinamerika?

Sem­i­nar von Fre­itag, den 16., bis Son­ntag, den 18. 

im Hochlland­haus Pots­dam, Gutenbergstr.78

Der Siegeszug des Neolib­er­al­is­mus bringt neue Brüche her­vor. Beson­ders in Lateinameri­ka, wo autoritäre Regierun­gen, Schuldenkrise, Aus­ter­ität­spoli­tik und Pri­vatisierun­gen seit 30 Jahren das Bild bestimmen,
ist die Krise nicht mehr zu überse­hen. In Argen­tinien gab es nach dem Zusam­men­bruch des Finanzsys­tems einen Volk­sauf­s­tand, in Ecuador und Bolivien stürzten über­wiegend indi­gene Bevölkerun­gen den Präsi­den­ten, in
Kolumbi­en gelingt es dem recht­en Uribe-Regime trotz des größten US-Mil­itärhil­fepakets der lateinamerikanis­chen Geschichte nicht, den Wider­stand von sozialen Bewe­gun­gen und Gueril­la zu besiegen. Und in Venezuela schließlich bildet sich – kaum beachtet von der Weltöf­fentlichkeit – ein Trans­for­ma­tion­sprozess her­aus, der viele
Par­al­le­len mit dem Chile unter Sal­vador Allende 1970–73 aufweist:

Lan­dreform, Alpha­betisierungskam­pagne, eine Re-Nation­al­isierung der
Boden­schätze, Stärkung basis­demokratis­ch­er Strukturen. 

Mit drei dieser Prozesse wollen wir uns am Seminarwochenende
auseinandersetzen. 

Pro­gramm

Das (vor­läu­fige) Pro­gramm sieht fol­gen­der­maßen aus: 

Fre­itag, den 16.1. 2004

19 Uhr Vorstel­lungsrunde; im Anschluss schauen und disku­tieren wir den
Doku­men­tarfilm „La Zona“ von dem Pots­damer Filmemach­er Peter Atanas­sow über
ein Gold­gräberge­bi­et in Nordkolumbien 

Sam­stag, den 17.1. 2004

10–11 Uhr: Soziale und poli­tis­che Verän­derun­gen in Lateinameri­ka seit 1950
und der Blick aus Europa darauf. Ein his­torisch­er Abriss mit Blick auch auf
die (manch­mal schiefe) Wahrnehmung der Sol­i­dar­itäts­be­we­gun­gen. Mit Raul
Zelik, Autor 

11 –13 Uhr: Bolivien – der Volk­sauf­s­tand gegen den Ausverkauf des Erdgases
und die neolib­erale Regierungspoli­tik. Mit dem Jour­nal­is­ten Simón Rodríguez
Voltaire, der u.a. im ak und in der Jun­gle World publiziert 

13–15 Uhr Mittagspause 

15 –18 Uhr Uhr: Venezuela – über den Charak­ter der “Boli­var­i­an­is­chen
Revolution”

Doku­men­tarfilm „Eine andere Art ist möglich“ (Ital­ien 2002), danach
Diskus­sion und aktuelle Infos zu den Aneig­nung­sprozessen von unten; mit
Raul Zelik 

Son­ntag, den 18.1.2004

10 — 13 Uhr: Kolumbi­en – Scheit­ert die Regierung Uribe? Im Okto­ber 2003
ver­liert Präsi­dent Uribe bei 15 wichti­gen Ref­er­en­den; in den Kommunalwahlen
fall­en seine Kan­di­dat­en in den wichtig­sten Städten durch. Gleichzeitig
formiert sich erst­mals seit langem eine Mitte-Links-Oppo­si­tion. Neue
Per­spek­tiv­en für einen Frieden mit sozialen Reformen?
Die Kolumbi­enkam­pagne Berlin berichtet und stellt einen praktischen
inter­na­tion­al­is­tis­chen Ansatz vor. Eine “Sol­i­dar­ität von sozialer Bewegung
zu sozialer Bewe­gung”: ein Begleit­pro­jekt für bedro­hte kolumbianische
AktivistInnen. 

13 Uhr Mit­tagessen mit klein­er Auswertung … 

Tech­nix

Anmel­dung zum Sem­i­nar per Mail beim Hochlland­haus über die Adresse hochlland@gmx.de.

Der Teil­nehmerIn­nen­preis für Unterkun­ft, Vol­lverpfle­gung und Programm
beträgt dank der Förderung durch die Bran­den­bur­gis­che Lan­deszen­trale für
poli­tis­che Bil­dung nur 25 Euro (ermäßigt 15 Euro)!

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Es war der falsche Weg”

Michael sitzt in Bran­den­burg in Haft. Der 21-Jährige war ein bru­taler Schläger in ein­er recht­sex­tremen Clique. Ein Präven­tivpro­jekt im Knast ver­sucht Jugendliche wie ihn mit poli­tis­ch­er Arbeit zu erreichen

(TAZ, 3.1., Susanne Sit­zler) Michael ist 21. Er kommt in den Raum, in Jeans und T‑Shirt, als ob es das Nor­mal­ste auf der Welt wäre, im Knast Besuch bekom­men. Sein Händ­e­druck ist
fest. Im Besuch­sz­im­mer ste­hen vier Tis­che, Nelken, ein Aschen­bech­er. Als Michel anfängt zu erzählen, begin­nt sein Fuß nervös zu zit­tern. Und er erzählt, dass er es auch früher nie bemerk­te: wie ihm die Knie zitterten,
bevor er zuschlug. 

Seit einem Jahr sitzt Michael im Gefäng­nis, in ein­er Jugend­haf­tanstalt in Bran­den­burg. Heute ist Zwei-Drit­tel-Tag, der Tag, an dem nur noch ein Drit­tel der Haft vor ihm liegt. Ab heute kön­nte Michael ent­lassen werden,
wenn das Gericht es genehmigt. Michael hat einen Antrag gestellt. Er habe viel nachgedacht und wolle ein anderes Leben führen: ohne Saufen. Ohne die Kumpels, mit denen er von Dorffest zu Dorffest zieht, stets auf der Suche
nach ein­er Schlägerei. 

Michael sieht aus wie ein harm­los­er Typ, aber er war nicht ger­ade zim­per­lich. Mit den Fäusten oder mit den Springer­stiefeln, seine Opfer schlug er kranken­haus­reif. Er sei kein Ans­tifter gewe­sen, sagt er, aber auch kein­er, der dem Stre­it aus dem Weg ging. Zu den vier Malen, die er seit 1998 erwis­cht wurde, könne man “noch 20 Mal drau­fle­gen”. Michaels Blick schweift ins Leere, er macht eine Pause und spricht dann ganz ruhig: “Ich wurde zu Recht bestraft. Es wurde Zeit, dass ich inhaftiert wurde.” 

Als Michael 16 war, fing sein Abstieg an. Der Sport, bis dahin sein größtes Hob­by, inter­essierte ihn nicht mehr. Seine Aus­bil­dung zum Met­all­bauer auch nicht. Er begann zu “gam­meln”, so nen­nt er es heute. Das Wichtig­ste für ihn
waren seine neuen Fre­unde — Kumpels aus der recht­sex­tremen Szene, die er noch von der Schule kan­nte. Michael trug Springer­stiefel und Bomber­jacke, hörte recht­sex­treme Musik, ging zu “Kam­er­ad­schaftsaben­den” und spielte in ein­er Skin­head-Band. Über­all, wo es Ärg­er geben kön­nte, war auch er. Seine Mut­ter wollte keinen Stre­it und tolerierte alles. Der Vater ver­suchte zu disku­tieren, ohne Erfolg. “Die Kumpels waren meine Familie.” 

Was für eine Art von Fam­i­lie, das begreift er erst spät. Unge­fähr vier Monate vor seinem let­zten bru­tal­en Angriff und der Inhaftierung bekommt er Zweifel an den recht­sex­tremen Parolen. “Ich war schon drei Mal in der
Türkei, da hats mir gefall­en.” Irgend­wie merkt er, dass alles nicht zusam­men­passt. Mit dem Skin­head-Dasein habe er sich in etwas “ver­ran­nt”. Michael wollte nicht rechts sein — Michael wollte zuschla­gen: “Wenn man ein paar Mal geprügelt hat, hat man Lust, das wieder zu machen.” Der Hass, den er spürte, sei in der Szene “immer mehr aufge­bauscht” wor­den in Rich­tung Fremdenfeindlichkeit.
Michael sagt heute: “Das war der falsche Weg”, aber
“wo der Hass herkommt, das weiß ich auch nicht.” 

Michaels let­zte Tat: Er war mit Kol­le­gen auf einem Lehrgang. An einem Abend, so erzählt er, habe ihm ein­er der Kol­le­gen Süßigkeit­en geklaut. Wegen dieser Lap­palie kommt es zum Stre­it. Michael wird sauer und will dem anderen “ne
Lek­tion erteilen”. Er ver­set­zt dem Jun­gen einen Schlag, der ihn lebens­ge­fährlich ver­let­zt. Wie es dazu kam, kann Michael nicht erk­lären: “Wenn ich was getrunk­en habe, bin ich nicht Herr mein­er Sinne. Das geht in Sekun­den­bruchteilen, ich weiß nicht, was ich tue. Ich bin so selb­st­gerecht, kann keine Kränkung ertra­gen. Bewusst wird es mir erst, nach­dem es passiert ist.” 

Dass Michael heute über seine Schlägerver­gan­gen­heit spricht, ver­dankt er einem Pro­jekt: dem Pro­jekt “Präven­tive Arbeit mit recht­sex­trem­istisch bee­in­flussten Jugendlichen im Strafvol­lzug des Lan­des Bran­den­burg”. Hinter
dem sper­ri­gen Titel ver­birgt sich ein bis­lang ein­ma­liger Ver­such in Deutsch­land: Jugendliche im Knast mit poli­tis­ch­er Arbeit zu erre­ichen — in allen Anstal­ten eines Bundeslandes. 

Neun Monate war Michael im geschlosse­nen Vol­lzug. “Das ist ver­lorene Zeit. Das bringt nichts, man ist ein­sam und verblödet.” Als er von dem Pro­jekt hörte, war er zunächst skep­tisch. Doch er hoffte, schneller in den offenen
Vol­lzug zu kom­men. Seine Moti­va­tion änderte sich bere­its nach dem ersten Tre­f­fen. Die bei­den Train­er waren ihm sym­pa­thisch. Also ist er dabei geblieben. 

Mit sieben anderen Häftlin­gen hat Michael an dem Kurs teilgenom­men. “Das Train­ing in der Gruppe ist die wichtig­ste Voraus­set­zung für den Erfolg”, sagt ein­er der Kursleit­er, der Sozialar­beit­er ist. Gegen­seit­iges Vertrauen
ist die Basis der Arbeit. Reden, reflek­tieren, Gehor­sam­sori­en­tierun­gen hin­ter­fra­gen, Gegen­bilder auf­bauen. Die Jugendlichen ler­nen, über sich nachzu­denken. Und sie haben eine Gruppe, die zuhört. “Das ist für viele eine
ganz neue Erfahrung”. Eines der wichtig­sten Ziele sei, Ver­ant­wor­tung zu übernehmen. Auf Sprüche wie “Wir waren halt betrunk­en” dürfe man sich nicht ein­lassen, erk­lärt der Trainer. 

Obwohl Michael in ein­er recht­sex­tremen Gruppe aktiv war, gilt er im Gefäng­nis als “Mitläufer”. Der Kurs richtet sich bewusst nicht an den organ­isierten Kern der Szene. Dieser würde, so die Befürch­tung der Ver­ant­wortlichen, die Runde eher als Plat­tform zur poli­tis­chen Agitation
missbrauchen. 

Bei Michael ste­ht die Gewalt­bere­itschaft im Vorder­grund. “Gewalt­täter sind keine Überzeu­gungstäter”, sagt sein Train­er. Deshalb sollen die Jugendlichen
ler­nen, ihre Aggres­sion in den Griff zu bekom­men. Das geschieht in erster Lin­ie durch Gespräche. Wenn die Tat in ihrer Bru­tal­ität nacherzählt wird, ist das für alle Beteiligten oft schw­er auszuhal­ten. Doch nur so könne man
klar machen: Es gibt immer eine andere Möglichkeit — Gewalt geschieht nicht zwangsläu­fig. “Wo ist der Punkt, an dem du aussteigen kön­ntest?” Das ist seine Frage. 

Auch Michael hat nachgedacht. Über sich und wie er bru­tal Men­schen zusam­men­schlug. Dass ihm jedes Mal die Knie zit­terten, das ist für ihn kein belan­glos­es Detail, son­dern ein Stro­hhalm: “Meine Kör­persig­nale sind mir nie
bewusst gewe­sen, jet­zt kann ich vielle­icht im richti­gen Moment sagen: Halt ich muss vor­sichtig sein!” 

Das let­zte Mal, als er am Woch­enende draußen war, habe es wieder irgend­wo eine Schlägerei gegeben. Er habe sich “weggestellt und auch nicht hingeguckt”. Ein klein­er Schritt in die richtige Rich­tung. Ein Anfang. Ob
Michael es auf lange Sicht schaf­fen kann, weiß er nicht. Da gibt es immer noch die alten Kumpels, da gibt es Alko­hol. Sein Train­er glaubt an ihn: “Michael hat den größten Schritt nach vorne gemacht.” Doch Michael sagt:
“Ein biss­chen Angst hab ich schon. Ich weiß nicht, ob es auf Dauer klappt.” Jeden­falls hat er bessere Chan­cen als andere. Er wird wieder in seinem Betrieb arbeit­en kön­nen. Seine Eltern ste­hen hin­ter ihm. “Wenn ich die nicht
hätte, wärs mir egal — dann hätte ich nix mehr zu verlieren.” 

Und was ist mit den Opfern? Darüber kann Michael nicht reden. Er schweigt. Mit­ge­fühl zeigen ist eine Übung, die noch vor ihm liegt. Weil die “eigene Opfer­per­spek­tive ver­drängt wird”, sagt der Sozialar­beit­er, sei es für die
Jugendlichen schwierig, “andere als Opfer zu erken­nen”. Auch nach fast einem Jahr Train­ing ist kein­er voll­ständig geläutert. Im Knast wird aufge­fan­gen, aufgear­beit­et, aufge­baut. Die echte Prü­fung ste­ht noch bevor.

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Joujou — Schwullesbische Party in Potsdam

Am 17.01.04 find­et im Spartacus/ Pots­dam zum ersten Mal eine
schwul-les­bis­che Par­ty statt, zu der wir Euch her­zlich ein­laden möcht­en, zu feiern und Spaß zu haben. 

Wir hof­fen, Euch mit Phillie Deluxe und seinem House /
Dis­co­house Set kuschlige, aber auch crazy, Musik bieten zu
kön­nen in schön­er Atmo­sphäre in unserem liebevoll
deko­ri­erten Haus. 

Beginn der Par­ty ist 23 Uhr, das Ende ist offen und es
kostet 3, Euro Ein­tritt. Ihr find­et uns im Spar­ta­cus in Pots­dam in der Schloßs­traße 13. 

Habt einen schö­nen Abend bei und mit uns (und nicht immer
nur in Berlin 😉 ) und gewin­nt 3 mal 2 Gästelisteplätze,
indem ihr zu pusack@lindenpark.de eine Mail mit dem Stich­wort “Jou­jou” im Betr­e­ff schreibt.

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Schönbohm für Videoüberwachung von Autos

Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) hat sich für eine
flächen­deck­ende Videoüberwachung von Auto-Kennze­ichen aus­ge­sprochen. “Für
mich hat der Schutz der Bürg­er Vor­rang vor dem Schutz der Datenschützer”,
sagte der Minister. 

Die Tech­nik sei effek­tiv und leis­tungs­fähig. Unter welchen Voraussetzungen
die Polizei sie ein­set­zen werde, müsse jet­zt auf Bun­de­sebene diskutiert
wer­den. Unter den Polizeigew­erkschaften des Lan­des sind solche Pläne
allerd­ings umstritten. 

Schön­bohm sagte, es dürfe nichts von vorn­here­in aus­geschlossen wer­den. “Ich
bin mir sich­er, dass eine gute Lösung gefun­den wird. Schließlich geht es um
Ver­brechens­bekämp­fung.” In mehreren Bun­deslän­dern wird derzeit der Einsatz
von Überwachungskam­eras für Autos getestet oder geprüft. Dabei wer­den die
Num­mern­schilder mit Dat­en in Fah­n­dungscom­put­ern der Polizei abgeglichen. 

Der Lan­desvor­sitzende der Polizeigew­erkschaft, Frank Doman­s­ki, sagte: “Aus
unser­er Sicht wäre das die beste Vari­ante, es würde die Polizeiar­beit sehr
vere­in­fachen.” Derzeit sucht­en die Polizis­ten nach der Nadel im Heuhaufen,
mit dem neuen Sys­tem kön­nten beispiel­sweise ban­den­mäßig organisierte
Autodiebe sehr viel leichter gefasst wer­den. Ger­ade in einem Flächen- und
Tran­sit­land wie Bran­den­burg um die Bun­de­shaupt­stadt Berlin als Brennpunkt
von Krim­i­nal­ität wäre ein solch­es Überwachungssys­tem bedeutend. 

Die Gew­erkschaft der Polizei hat dage­gen Bedenken. “Damit könnten
Bewe­gungs­bilder von jedem Aut­o­fahrer geschaf­fen wer­den”, sagte der
Bezirksvor­sitzende Andreas Schus­ter. “Das wäre ein deut­lich­er Schritt hin
zum gläser­nen Bürg­er.” Aus polizeitak­tis­ch­er Sicht wäre ein solch­es System
allerd­ings willkom­men. Damit kön­nten schneller Täter gefasst wer­den. Die
Frage sei, wie hoch man den Daten­schutz bew­erte. “Wir wür­den die
Videoüberwachung nur unter­stützen, wenn, wie bei der Telefonüberwachung,
ganz konkrete Bedin­gun­gen für Anwen­dung und Auswer­tung festgeschrieben
wer­den, damit Polizei und Jus­tiz den Bürg­er nicht abso­lut überwachen
kön­nen.” Zudem dürfte die Tech­nik nur bei schw­eren Straftat­en genutzt
wer­den, etwa bei Geisel­nah­men, nicht aber bei Autodiebstahl.

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Autokontrolle per Video

(MAZ) Pots­dam Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) und die Deutsche Polizeigew­erkschaft des Lan­des haben sich für eine flächen­deck­ende Videoüberwachung von Auto­kennze­ichen ausgesprochen. 

Schön­bohm sagte gestern: “Für mich hat der Schutz der Bürg­er Vor­rang vor dem Schutz der Daten­schützer.” Unter welchen Voraus­set­zun­gen die Polizei die Tech­nik ein­set­zen werde, müsse jet­zt auf Bun­de­sebene disku­tiert wer­den. In mehreren Bun­deslän­dern wird derzeit der Ein­satz von
Überwachungskam­eras getestet. Dabei wer­den die Num­mern­schilder mit Dat­en in Fah­n­dungscom­put­ern der Polizei abgeglichen. Der Lan­desvor­sitzende der Polizeigew­erkschaft, Frank Doman­s­ki, sagte: “Das Ver­fahren würde die
Polizeiar­beit sehr vereinfachen.” 

Fil­men zum “Schutz der Bürger”?

(MOZ) Pots­dam (dpa) Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) und die
Deutsche Polizeigew­erkschaft des Lan­des haben sich für eine flächendeckende
Videoüberwachung von Auto­kennze­ichen aus­ge­sprochen. Schön­bohm sagte am
Dien­stag: “Für mich hat der Schutz der Bürg­er Vor­rang vor dem Schutz der
Daten­schützer.” Die Tech­nik sei effek­tiv und leis­tungs­fähig. Unter welchen
Voraus­set­zun­gen die Polizei sie ein­set­zen werde, müsse auf Bundesebene
disku­tiert wer­den. In mehreren Bun­deslän­dern wird der Ein­satz von
Überwachungskam­eras getestet oder geprüft. Dabei wer­den die Nummernschilder
mit Dat­en in Fah­n­dungscom­put­ern abgeglichen. 

Laut dem Lan­desvor­sitzen­den der Polizeigew­erkschaft, Frank Doman­s­ki, wäre
“das die beste Vari­ante, es würde die Polizeiar­beit sehr vereinfachen.”
Ger­ade in einem Tran­sit­land wäre ein solch­es Überwachungssys­tem bedeutend. 

Die Gew­erkschaft der Polizei hat dage­gen Bedenken. “Damit könnten
Bewe­gungs­bilder von jedem Aut­o­fahrer geschaf­fen wer­den”, so Bezirkschef
Andreas Schus­ter. “Das wäre ein deut­lich­er Schritt hin zum gläsernen
Bürg­er.” Aus polizeitak­tis­ch­er Sicht wäre das Sys­tem aber willkom­men. Damit
kön­nten schneller Täter gefasst wer­den. “Wir wür­den die Videoüberwachung nur
unter­stützen, wenn wie bei der Tele­fonüberwachung ganz konkrete Bedingungen
für Anwen­dung und Auswer­tung fest­geschrieben wer­den, damit Polizei und
Jus­tiz den Bürg­er nicht abso­lut überwachen können.”

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Polizei geht gegen rechtsextremistische Musik vor

(BM, 29.12.03) Pots­dam — Die Polizei ist erneut gegen die Ver­bre­itung recht­sex­trem­istis­ch­er Musik vorge­gan­gen. Das Lan­deskrim­i­nalamt (LKA) hat bei der Bundesprüfstelle
für jugendge­fährdende Medi­en die Indizierung ein­er CD mit
recht­sex­trem­istis­ch­er Musik beantragt, teilte gestern das Innen­min­is­teri­um mit. Die CD “Rar­itäten” der Gruppe “Freiko­rps” enthalte unter anderem
aus­län­der­feindliche Texte und Aufrufe zum Mord an poli­tisch Andersdenkenden. 

Zudem befind­en sich darauf drei Titel, die auf ein­er anderen, bere­its auf
dem Index ste­hen­den CD enthal­ten sind. Die CD war bei einem Polizeieinsatz
in Erkn­er (Oder-Spree) beschlagnahmt worden. 

In diesem Jahr hat das LKA für 16 CDs mit recht­sex­trem­istis­ch­er Musik einen
Antrag gestellt, sie auf die Liste indiziert­er Medi­en zu set­zen. Anträge
wur­den auch für eine CD mit gewaltver­her­rlichen­der Musik, zwei CD-ROM und
ein Druck­w­erk mit recht­sex­trem­istis­chen Inhal­ten weit­ergeleit­et. Im Jahr
2002 hat­ten die Beamten die Indizierung von neun CDs in die Wege geleitet. 

Mehr Ton­träger auf dem Index

(MOZ; 30.12.03) Frank­furt (Oder) (MOZ) Das Land Bran­den­burg hat in diesem Jahr mehr
Ton­träger mit Liedern der recht­sex­tremen Szene auf jugendge­fährdende Inhalte
prüfen lassen. Nach Angaben der Bun­de­sprüf­stelle für jugendgefährdende
Medi­en wur­den 17 solch­er Anträge und Anre­gun­gen an die Bon­ner Behörde
gestellt. Das sind sechs mehr als im Vor­jahr. Mit dieser Zahl liegt das Land
bun­desweit in hin­teren Drit­tel, teilte San­dra Kerz­mann von der
Bun­de­sprüf­stelle mit. 

Bei der Behörde wer­den Ton­träger, Filme, Flug­blät­ter, aber auch Zeitungen
und Zeitschriften auf jugendge­fährdende Inhalte geprüft. Wer­den solche
Ver­stöße gefun­den, kom­men Ton­träger und Zeitschriften auf einen Index, was
für die Pro­duzen­ten zahlre­iche Fol­gen hat. So ver­hängt die Bundesprüfstelle
gegen diese Medi­en Werbe- und Ver­trieb­sein­schränkun­gen. Auch eine
Ver­bre­itung durch das Inter­net und Ver­sand­häuser wird unter­sagt. Verstöße
kön­nen mit Geld- oder Frei­heitsstrafe bis zu einem Jahr geah­n­det werden. 

Soll­ten Medi­en nicht nur jugendge­fährdende, son­dern auch straf­bare Inhalte
haben, wer­den sie gän­zlich ver­boten, sagte der Sprech­er des Potsdamer
Inne­m­i­nis­teri­ums Heiko Hom­burg. Diese Ver­fahren wer­den dann von der
zuständi­gen Staat­san­waltschaft geführt. 

Derzeit beschäftigt sich die Bun­de­sprüf­stelle in Bonn mit einem Tonträger,
der bei einem Ein­satz der Polizei in Erkn­er (Oder-Spree) ent­deckt wurde.
Dabei han­delt es sich um eine CD der Gruppe “Freikopps”. Diese Band stammt
laut Min­is­teri­umssprech­er Hom­burg nicht aus Brandenburg.

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Die tödlichen Folgen deutscher Flüchtlingspolitik

Vor beina­he drei Jahren, im Feb­ru­ar 2001, erschien auf der World Social­ist Web Site ein Artikel mit der Über­schrift “Abschiebe­poli­tik und Gren­zregime. Die tödlichen Fol­gen deutsch­er Flüchtlingspoli­tik”. Gestützt auf nach­prüf­bare und all­ge­mein zugängliche Mate­ri­alien stellte der Artikel fest, dass in sieben Jahren — von 1993 bis 2000 — min­destens 239 Flüchtlinge durch staatliche Maß­nah­men ums Leben gekom­men waren und bedeu­tend mehr noch Ver­let­zun­gen davonge­tra­gen hatten. 

Durch die Abwehr von uner­wün­scht­en Aus­län­dern an den deutschen Gren­zen sowie durch die unmen­schliche Prax­is der Abschiebe­haft und die bru­tale Durch­führung von Abschiebun­gen star­ben deut­lich mehr Men­schen als durch ras­sis­tis­che Über­griffe. Daher kam der Artikel zu dem Schluss, dass trotz der gele­gentlichen anti­ras­sis­tis­chen Lip­pen­beken­nt­nisse von führen­den deutschen Poli­tik­ern die offizielle Poli­tik let­ztlich den Neon­azis vor­ma­cht, dass das Leben eines “uner­wün­scht­en” Aus­län­ders in Deutsch­land nichts wert ist. 

Im Sep­tem­ber 2003 nahm der Ver­fas­sungss­chutz des ost­deutschen Bun­des­lan­des Bran­den­burg eine Gewalt­tätigkeit gegen die Aus­län­der­be­hörde der Stadt Frankfurt/Oder zum Anlass, um den oben erwäh­n­ten Artikel der geisti­gen Urhe­ber­schaft für die Tat zu bezichti­gen: “Mit solchen Tex­ten ist die Straße zur Straftat gepflastert.” Neben zahlre­ichen Ver­drehun­gen und schlichtweg unwahren Behaup­tun­gen, die den Inhalt des Artikels betr­e­f­fen, zweifelt der Ver­fas­sungss­chutz auf sein­er Web­site auch den Wahrheits­ge­halt der im Artikel geschilderten tödlichen Fol­gen deutsch­er Flüchtlingspoli­tik an. 

So for­muliert der Ver­fas­sungss­chutz: “Die Autorin dieses Artikels klagt die Aus­län­der­be­hör­den sowie den Bun­des­gren­zschutz und die Polizei an, men­schen­ver­ach­t­end mit Flüchtlin­gen und Aus­län­dern umzuge­hen. Das so beze­ich­nete “Gren­zregime” des Bun­des­gren­zschutzes ver­hin­dere, dass Flüchtlinge über­haupt erst nach Deutsch­land kämen. Aber auch die Prax­is der Abschiebung wird sehr kri­tisch beschrieben. Hier­bei seien Betrof­fene wieder­holt ver­let­zt wor­den (sic!) oder gar zu Tode gekom­men. Angesichts dieser “Tat­sachen” äußert die Ver­fasserin Skep­sis, ob der Kampf staatlich­er Stellen gegen Recht­sex­trem­is­mus ernst gemeint sei.” 

Was ist von ein­er staatlichen Behörde zu hal­ten, die — ihrem for­mal-offiziellen Auf­trag nach dem Schutz der Ver­fas­sung und damit auch der Men­schen­würde verpflichtet — in Frage stellt, was regelmäßig in Tageszeitun­gen berichtet und von zahlre­ichen Flüchtlingsini­tia­tiv­en doku­men­tiert wird: Dass Flüchtlinge aus aller Welt man­gels legaler Ein­reisemöglichkeit­en an den Außen­gren­zen der Europäis­chen Union in Flüssen und Meeren ertrinken und erfrieren, in Lkws erstick­en oder durch Unfälle bei der Flucht vor Gren­zschützern tragisch ums Leben kom­men und ver­let­zt wer­den; dass auf­grund ihrer hoff­nungslosen Lage, der Angst vor Abschiebung und der men­sche­nun­würdi­gen Zustände in den Asyl­sam­mel­lagern, Unterkün­ften und Abschiebege­fäng­nis­sen Selb­st­mord­ver­suche von Flüchtlin­gen eine trau­rige alltägliche Real­ität in Deutsch­land sind; und dass schließlich Abschiebun­gen von den zuständi­gen Bun­des­beamten oft­mals mit unge­heur­er Bru­tal­ität durchge­führt und ger­ade im Falle von Gegen­wehr des Flüchtlings dabei Ver­let­zun­gen in Kauf genom­men werden. 

Die Zustände, die der WSWS-Artikel von 2001 anprangerte, haben sich in der seit­dem ver­gan­genen Zeit keineswegs gebessert. Ger­ade in einem Bun­des­land wie Bran­den­burg, das an Polen gren­zt und in dem Flüchtlinge mit einem Mem­o­ran­dum auf die men­sche­nun­würdi­ge Unter­bringung und Behand­lung von Asyl­suchen­den aufmerk­sam gemacht haben, sollte dies den staatlichen Vertretern nicht unbekan­nt sein. 

Todes­fälle und Ver­let­zun­gen an den Grenzen

Es lässt sich für die ver­gan­genen Jahre kein Abriss der Entwick­lung fest­stellen, die in dem vom Ver­fas­sungss­chutz inkri­m­inierten Artikel für die Jahre 1993–2000 beschrieben wurde: Weit­er­hin ertrinken Men­schen bei dem Ver­such der ille­galen Gren­züber­schre­itung in den Flüssen Oder und Neiße, immer wieder wer­den Flüchtlinge durch Hunde des Bun­des­gren­zschutzes (BGS) aber auch durch Schuss­waf­fenge­brauch der Gren­zpolizei z.T. schw­er verletzt. 

Im Fol­gen­den nur beispiel­haft einige Fälle aus der Druck­sache des Deutschen Bun­destages 14/8432, die für den Monat Juli des Jahres 2001 doku­men­tiert wurden: 

8. Juli: Nahe der tschechisch-säch­sis­chen Gren­ze in Neuherms­dorf wird eine Per­son rumänis­ch­er Herkun­ft bei der Fes­t­nahme durch den BGS von einem Dien­sthund durch Bisse verletzt. 

16. Juli: Nördlich der bran­den­bur­gis­chen Ortschaft Man­schow an der pol­nisch-deutschen Gren­ze wird eine unbekan­nte, ver­mut­lich ertrunk­ene Per­son aus der Oder geborgen. 

22. Juli: Im Stadt­ge­bi­et von Frankfurt/Oder wird eine nicht zu iden­ti­fizierende, ertrunk­ene Per­son aus dem Gren­zfluss geborgen. 

31. Juli: Im säch­sis­chen Nieder­schlag wird eine Per­son armenis­ch­er Herkun­ft im Grenzbere­ich zur Tschechis­chen Repub­lik von einem Dien­sthund des BGS durch Bisse verletzt. 

Diese Aufzäh­lung ließe sich für die anderen Monate des Jahres 2001 prob­lem­los fortsetzen. 

Für das laufende und das ver­gan­gene Jahr liegen solche offiziellen Angaben der Bun­desregierung nicht vor — der Grund dafür ist allerd­ings weniger in ein­er geän­derten Prax­is der Gren­zsicherung zu suchen, als in der Zusam­menset­zung des Par­la­ments nach der Bun­destagswahl 2002 und dem man­gel­nden Inter­esse der darin vertre­tenden Parteien an solchen Informationen. 

Zuvor hat­te die PDS-Frak­tion durch Anfra­gen an die Regierung dafür gesorgt, dass die Ver­let­zun­gen und Todes­fälle an der Gren­ze zumin­d­est zum Teil der Öffentlichkeit bekan­nt gemacht wur­den. Die PDS genießt seit Sep­tem­ber 2002 keinen Frak­tion­ssta­tus mehr im Bun­destag und die anderen im Par­la­ment vertrete­nen Parteien — Grüne, SPD, FPD und CDU/CSU — ver­lan­gen keine Auskun­ft zu diesem Thema. 

Bun­desin­nen­min­is­ter Otto Schi­ly (SPD) stellte in seinem Bun­des­gren­zschutz-Jahres­bericht 2002 fest, dass die Zahl der “uner­laubten Ein­reisen an den Lan­des­gren­zen” sowie die “Schleusungs­fälle” gegenüber dem Vor­jahr stark zurück­ge­gan­gen seien, und führt diesen “gren­zpolizeilichen Erfolg” auf die “Ver­stärkung der Gren­züberwachung und die Verbesserung der gren­züber­schre­i­t­en­den Zusam­me­nar­beit im Rah­men des stetig fortschre­i­t­en­den €päis­chen Inte­gra­tionsprozess­es und die damit ein­herge­hende Erar­beitung und Umset­zung inter­na­tionaler Bekämp­fungsstrate­gien” zurück. 

Die Flüchtlingsab­wehr wird durch das Konzept “Gemein­same Streifen” und die Koop­er­a­tion des BGS mit den Gren­zschutzbe­hör­den von EU-Beitrittskan­di­dat­en und Drittstaat­en (Polen, Tschechien und die Ost­seean­rain­er­staat­en) effek­tiv weit­er nach Osten ver­lagert, um Asyl­suchende bere­its weit vor dem EU-Ter­ri­to­ri­um abz­u­fan­gen. So hat laut Schi­ly “die Entsendung weit­er­er gren­zpolizeilich­er Verbindungs­beamter und Doku­menten­ber­ater sowie die ver­stärkt geleis­tete bilat­erale Aus­bil­dungs- und Ausstat­tung­shil­fe für die Staat­en Mit­tel- und Ost€pas dazu beige­tra­gen, den Druck auf die Schen­gen-Außen­gren­zen abzubauen”. 

Über die Meth­o­d­en, mit denen Flüchtlinge jen­seits der EU-Außen­gren­ze abgeschreckt, aufge­grif­f­en und festgenom­men wer­den, und über die men­schlichen Kosten dieser Gren­zsicherungspoli­tik wird die Öffentlichkeit nicht informiert. 

Suizide und Selbstverletzungen

Auch die Zahl der Selb­stver­let­zun­gen, Selb­st­mord­ver­suche und Selb­st­tö­tun­gen von Flüchtlin­gen ist weit­er­hin sehr hoch. Die Gründe liegen in der verzweifel­ten Lage, in der sich viele Asyl­suchende befin
den angesichts ihrer bevorste­hen­den Abschiebung in die Län­der, aus denen sie geflo­hen sind, und angesichts der unmen­schlichen Bedin­gun­gen, denen viele Flüchtlinge in den Lagern und Abschiebege­fäng­nis­sen aus­geliefert sind. 

Die Anti­ras­sis­tis­che Ini­tia­tive Berlin doku­men­tierte für die Jahre 2001 und 2002 acht Todes­fälle, bei denen sich Men­schen angesichts ihrer dro­hen­den Abschiebung selb­st das Leben nah­men oder star­ben, als sie ver­sucht­en vor der Abschiebung zu fliehen. Im gle­ichen Zeitraum fügten sich min­destens 57 Men­schen selb­st Ver­let­zun­gen zu oder ver­sucht­en sich das Leben zu nehmen und über­lebten zum Teil schw­er ver­let­zt. Hier­von befan­den sich 28 in Abschiebehaft. 

Für das Jahr 2003 liegen noch keine entsprechen­den Zahlen vor, einzelne Fälle wur­den jedoch durch die über­re­gionale Presse der Öffentlichkeit bekannt. 

So erhängte sich im Jan­u­ar dieses Jahres der yezidis­che Flüchtling David Mame­dov nach einem Besuch in der Aus­län­der­be­hörde des Kreis­es Güter­sloh. Mame­dov war Ende 1996 mit sein­er Fam­i­lie aus Georgien nach Deutsch­land geflo­hen und war im Feb­ru­ar 1997 als Flüchtling anerkan­nt wor­den, da die yezidis­che Min­der­heit in Georgien staatlich­er und nicht-staatlich­er Ver­fol­gung aus­ge­set­zt ist. Mame­dov war in sein­er Heimat wieder­holt von Polizeibeamten mis­shan­delt wor­den, unter anderem wur­den seine Beine mit einem Bügeleisen verbrannt. 

Der Bun­des­beauf­tragte für Asylver­fahren klagte gegen die Anerken­nung von Mame­dov als Flüchtling, da sein­er Auf­fas­sung nach Über­griffe von Polizis­ten nicht dem Staat zuzuschreiben seien, und set­zte sich mit dieser Argu­men­ta­tion vor dem Oberver­wal­tungs­gericht Mün­ster durch. Kurz vor seinem Selb­st­mord war Mame­dov mit­geteilt wor­den, dass seine Abschiebung unmit­tel­bar bevorstände. Kein halbes Jahr nach dem Suizid ihres Mannes wurde die Witwe von der Aus­län­der­be­hörde aufge­fordert, unverzüglich auszureisen, da sie anson­sten mit der Abschiebung nach Georgien rech­nen müsse. 

In der­sel­ben Aus­län­der­be­hörde zün­dete sich im Juli 2003 der 33-jährige Hüseyin D. an und erlag wenig später seinen schw­eren Ver­let­zun­gen. Hüseyin D. sollte zur Aus­reise gezwun­gen wer­den, obwohl er mit ein­er Frau ver­heiratet war, die über eine Aufen­thalts­genehmi­gung ver­fügt. Die Selb­stver­bren­nung kom­men­tierte der Lan­drat des Kreis­es Güter­sloh Sven-Georg Ade­nauer mit den zynis­chen Worten: “Es ist unglaublich, mit welchen Mit­teln die Aus­reise ver­hin­dert wer­den sollte. Wir lassen uns auch kün­ftig nicht unter Druck set­zen, erst recht nicht durch solche Aktionen.” 

Am 16. August 2003 stürzte sich die 16-jährige Nur­can B. aus Angst vor der Abschiebung aus dem Fen­ster eines Haus­es in Wendlin­gen und wurde mit lebens­ge­fährlichen Ver­let­zun­gen in ein Kranken­haus ein­geliefert. Das Mäd­chen hat nahezu ihr ganzes Leben in Deutsch­land ver­bracht und sollte in ein ihr vol­lkom­men fremdes Land abgeschoben werden. 

Am 3. Okto­ber 2003 ver­bran­nte sich der 48-jährige Fam­i­lien­vater Lewon A., nach­dem sein Asy­lantrag mehrfach abgelehnt wor­den war, er daher aus aus­län­der­rechtlichen Grün­den seine Arbeit ver­loren hat­te und die Fam­i­lie trotz ein­er gemein­samen Peti­tion vom Diakonis­chen Werk, dem Kirchen­vor­stand der Gemeinde Wal­lau und Lewon A.s ehe­ma­ligem Arbeit­ge­ber beim Hes­sis­chen Land­tag akut von Abschiebung bedro­ht war. Der die Fam­i­lie betreuende Pfar­rer Christoph Schulze-Gock­el erk­lärte zu dem Suizid: “Herr A. ist ein weit­eres Opfer des deutschen Aus­län­der- und Asyl­rechts. Die Angst vor ein­er dro­hen­den Ver­fol­gung bei ein­er Rück­kehr und der seit Jahren immer nur monatsweise geduldete Aufen­thalt haben diesen Men­schen schließlich zer­mürbt.” Den Hin­terbliebe­nen dro­ht weit­er­hin die Abschiebung. 

Abschiebege­fäng­nisse und Flüchtlingslager

Was die Zustände in den Abschiebege­fäng­nis­sen und Sam­melun­terkün­ften für Flüchtlinge bet­rifft, so weisen zahlre­iche Flüchtlingsini­tia­tiv­en bere­its seit Jahren darauf hin, dass diese die Men­schen­würde der Asyl­suchen­den ver­let­zen und offen­sichtlich die Funk­tion erfüllen sollen, die Flüchtlinge zu zer­mür­ben und Deutsch­land als Fluchtort so unat­trak­tiv wie möglich erscheinen zu lassen. 

In einem offe­nen Brief hat­ten beispiel­sweise die Bewohn­er eines Flüchtling­sheims im bran­den­bur­gis­chen Rathenow über die “erniedri­gende Behand­lung” durch das Heim­per­son­al und durch den Sicher­heits­di­enst “Secu­ri­ty Zarnikow” geklagt: Die Sicher­heitsvorkehrun­gen richteten sich allein gegen die Flüchtlinge, deren pri­vat­en Post sog­ar von der Heim­leitung geöffnet und kon­trol­liert wird. Zudem stell­ten die Flüchtlinge fest, dass stadt­bekan­nte Neon­azis zum Sicher­heits­di­enst des Heims gehörten. Tat­säch­lich wurde im ver­gan­genen Win­ter bekan­nt, dass min­destens vier Mitar­beit­er des Sicher­heits­di­en­stes Mit­glieder der rech­tex­tremen Organ­i­sa­tion “Kam­er­ad­schaft Hauptvolk” waren. 

Bewohn­er ein­er Flüchtling­sun­terkun­ft im thüringis­chen Geor­gen­thal ver­fassten eine Protest­note an den Innen­min­is­ter des Bun­des­lan­des, in der sie sich über die unmen­schliche Unter­bringung und Behand­lung beschw­erten: “Die Leitung des Heimes behan­delt uns wie Tiere, Sklaven oder Gefan­gene”, heißt es darin und: “Wir wer­den mit Abschiebung bedro­ht, wenn wir gegen diese Sit­u­a­tion protestieren.” Als beson­ders belas­tend empfind­en die Flüchtlinge die unzure­ichende medi­zinis­che Ver­sorgung, die Iso­la­tion — der näch­ste kleine Ort liegt fünf, die näch­ste Stadt 25 Kilo­me­ter weit ent­fer­nt — und die Tat­sache, dass das Gelände der Unterkun­ft an der Innen­seite mit Nato-Draht umgeben ist. 

Im Berlin­er Abschiebege­fäng­nis Köpenick trat­en im Jan­u­ar dieses Jahres 68 Insassen in den Hunger­streik, um gegen inhu­mane Haftbe­din­gun­gen, unzu­mut­bare hygien­is­che Ver­hält­nisse und unver­hält­nis­mäßig lange Haftzeit­en zu protestieren. Regelmäßig kommt es im Abschiebege­fäng­nis Köpenick zu Selb­st­mord­ver­suchen und Selb­stver­let­zun­gen durch Insassen, die kein­er­lei Straftat­en began­gen haben, son­dern inhaftiert wur­den, weil die Behör­den von der Gefahr eines “Unter­tauchens” aus­ge­hen. Manche Men­schen ver­brin­gen bis zu 18 Monate in Abschiebe­haft, für jeden Tag im Abschiebege­fäng­nis Köpenick wer­den den Flüchtlin­gen 60 Euro in Rech­nung gestellt. 

In ein­er Presseerk­lärung berichteten hunger­streik­ende Abschiebe­häftlinge über die erniedri­gende Behand­lung, die sie von Seit­en des Gefäng­nis­per­son­als erfahren: “Ein Men­sch, der in Ohn­macht fällt, ruft bei ihnen über­haupt nur Lachen her­vor. […] Das Ver­hal­ten des Polizeiper­son­als läuft auf Willkür hin­aus, auf Erniedri­gung und Spott. Jegliche Bitte oder Frage führt zu offen­er Grob­heit und Mis­sach­tung von ihrer Seite.” 

Abschiebun­gen

Kommt es zur Abschiebung, wird diese oft­mals mit großer Bru­tal­ität durchge­set­zt, ins­beson­dere wenn Flüchtlinge sich dage­gen zur Wehr set­zen oder auch nur von Seit­en der Polizeibeamten mit Wider­stand gerech­net wird. Die Abzuschieben­den wer­den dann zum Teil gefes­selt und geknebelt, gegen ihren Willen mit Medika­menten ruhiggestellt oder mit vorge­hal­tener Waffe zum Ver­lassen ihrer Woh­nung oder zum Ein­stieg in das Flugzeug gezwungen. 

Beispiel­haft für dieses Vorge­hen ste­ht der Bericht über eine Abschiebung nach Nige­ria, die am 20. Novem­ber 2002 stat­tfand: In dem Flugzeug mit 21 aus Deutsch­land und 24 aus Ital­ien abgeschobe­nen Men­schen wiesen die meis­ten nach der Lan­dung frische Ver­let­zun­gen an Hand- und Fußge­lenken auf, was darauf hin­deutet, dass sie während des Flugs gefes­selt waren und erst kurz vor der Lan­dung ent­fes­selt wur­den. Die Abgeschobe­nen waren erschöpft und berichteten von schw­eren Mis­shand­lun­gen durch die deutsche und ital­ienis­che Polizei. Die nige­ri­an­is­che Ein­wan­derungs­be­hörde lehnte die Aufnah
me von zwei Men­schen ab und ließ diese nach Deutsch­land zurück­fliegen: Eine Per­son war bewusst­los und kon­nte daher das Flugzeug nicht zu Fuß ver­lassen, die zweite hat­te einen gebroch­enen Nackenwirbel. 

Seit 1993 star­ben fünf Flüchtlinge während der Abschiebung, min­destens 179 Men­schen wur­den durch Zwangs­maß­nah­men oder Mis­shand­lun­gen während der Abschiebung verletzt. 

Welch­es Schick­sal die Abgeschobe­nen in ihren Herkun­ft­slän­dern erwartet, ist weit­ge­hend unbekan­nt, da sich die deutschen Behör­den hier­für am wenig­sten inter­essieren und Flüchtling­sor­gan­i­sa­tio­nen kaum in der Lage sind, Nach­forschun­gen anzustellen. Poli­tisch Ver­fol­gte wer­den oft­mals bei Ankun­ft in ihren Heimatlän­dern noch am Flughafen ver­haftet, erlei­den erneut Folter oder “ver­schwinden” spurlos. 

So wur­den beispiel­sweise von 63 Men­schen, die im Juli 2001 in ein­er vom Bun­des­land Nor­drhein-West­falen angemieteten Char­ter­mas­chine in die Türkei abgeschoben wur­den, nach türkischen Medi­en­bericht­en 25 Per­so­n­en unmit­tel­bar am Flughafen ver­haftet, weil man ihnen Zuge­hörigkeit zur ver­bote­nen Kur­dis­chen Arbeit­er­partei (PKK) vorwarf. 

Im Jan­u­ar 2002 wurde der nach 31-tägigem Hunger­streik äußerst geschwächte Flüchtling E. nach Togo abgeschoben. Seit­dem fehlt von ihm jedes Leben­sze­ichen, obwohl er mit ein­er Flüchtlingsini­tia­tive vere­in­bart hat­te, sich tele­fonisch zu melden. Er gehörte der oppo­si­tionellen Union des Forces pour le Change­ment (UFC) an und war aus Togo geflo­hen, nach­dem sein eben­falls in der UFC aktiv­er Vater von der Mil­itär­polizei abge­holt wor­den war und ver­schwun­den blieb. 

Nach Recherchen der Anti­ras­sis­tis­chen Ini­tia­tive Berlin kamen seit 1993 min­destens 13 Men­schen nach ihrer Abschiebung in das Herkun­ft­s­land zu Tode, min­destens 307 Flüchtlinge wur­den im Herkun­ft­s­land von Polizei oder Mil­itär mis­shan­delt und gefoltert. Min­destens 47 Men­schen ver­schwan­den nach der Abschiebung spurlos. 

Aber auch abseits von poli­tis­ch­er Ver­fol­gung kön­nen Abschiebun­gen tödliche Fol­gen haben, etwa wenn Schw­erkranke in Gebi­ete und Län­der zurück­geschickt wer­den, in denen eine adäquate medi­zinis­che Ver­sorgung nicht gegeben ist. Wie im Fall der Koso­vo-Albaner­in Sikrie Dervishol­li, die am 5. Novem­ber 2002 um vier Uhr mor­gens von der Polizei aus dem Bett geholt und ins Flugzeug nach Pristi­na geset­zt wurde. 

Frau Dervishol­li litt unter amyothro­pher Lat­er­al­sklerose, ein­er Ner­ven­erkrankung, die zu schw­er­sten Läh­mungen und ohne angemessene Behand­lung zu einem fürchter­lichen Tod führt. Sämtliche Eingaben und Atteste ihrer Ärzte und ihres Anwalts kon­nten die Abschiebung nicht ver­hin­dern. Frau Dervishol­li hat­te im Koso­vo Nie­man­den und hätte die ihr verbleibende kurze Leben­szeit gerne bei ihrer Schwest­er in Deutsch­land ver­bracht. Ihr N€loge kom­men­tierte das Vorge­hen der Behör­den mit den bit­teren Worten: “Wie kann man einen Men­schen so ver­reck­en lassen.”

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Kampf gegen rechte Gewalt

(MAZ, Jan Simon) ORANIENBURG Die Lei­t­erin des Polizei-Schutzbere­ich­es Ober­hav­el blickt nach
vorne. “Ich freue mich auf die Auf­gabe in Eber­swalde.” Ute Intveen-Trepp­mann wech­selt von Oranien­burg zurück zum Lan­deskrim­i­nalamt. Dort übern­immt sie ab dem 1. Jan­u­ar die Abteilung Staatsschutz. 

Die Abor­d­nung nach Eber­swalde sei über­raschend gekom­men, sagt die 47-Jährige. “So kurz war der Aufen­thalt in Oranien­burg nicht geplant.” 18 Monate war sie nach der Polizeire­form in der Kreis­stadt. “Ich habe mich gut
ein­gelebt. Und wir haben hier eine tolle Crew”, lobt sie ihre Kol­le­gen im Schutzbereich. 

Intveen-Trepp­mann kehrt dor­thin zurück, wo sie vor ihrem Wech­sel nach Oranien­burg als stel­lvertre­tende Abteilungslei­t­erin gear­beit­et hat­te. Ihr früher­er Chef Michael Gel­len­beck wech­selt zur Fach­hochschule der Polizei
nach Bas­dorf und wird dort die Fach­gruppe Ein­satzwis­senschaften leit­en. “Die Auf­gaben sind mir somit ver­traut. Ich werde da schnell wieder reinkommen”,
sagt Intveen-Trepp­mann. Und: Es sei schon eine Her­aus­forderung, das Land Bran­den­burg in der Bun­desre­pub­lik auf dem Staatss­chutzge­bi­et zu vertreten. 

“Naht­los wird auch der Über­gang in Oranien­burg sein”, betont
Intveen-Trepp­mann. Ihr bish­eriger Stel­lvertreter Michael Scharf wird kom­mis­sarisch die Leitung des Schutzbere­ich­es übernehmen. Die Stelle wird ausgeschrieben. 

Nach den weit­eren Schw­er­punk­ten der Polizeiar­beit im Kreis Ober­hav­el befragt, nen­nt Intveen-Trepp­mann vier Bere­iche: Der “Dauer­bren­ner” bleiben die Unfälle auf der B 96. “Da wir dort bei der Überwachung sehr mas­siv vorge­gan­gen sind, hat uns dies natür­lich auch eine Menge Beschw­er­den bei der
Bevölkerung einge­bracht”, räumt Intveen-Trepp­mann ein. 

Die Krim­i­nal­itäts­bekämp­fung und den “Kampf gegen den Recht­sex­trem­is­mus” nen­nt Intveen-Trepp­mann neben den präven­tiv­en Bemühun­gen als weit­ere Schw­er­punk­te der Polizeiar­beit. Sie weist beson­ders auf die Gedenkstätte
Sach­sen­hausen hin. “Wenn dort was passiert, ist das über­all in den Schlagzeilen.” Und auch für die Stadt Oranien­burg sei das dann ein unglaublich neg­a­tives Image.

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Wasser marschiert

Kür­zlich demon­stri­erten in Cot­tbus Recht­sex­treme unter
der Leitung Chris­t­ian Worchs gegen die Ost-Erweiterung der EU. (Jun­gle World, 51/03) Dabei ging die Polizei hart gegen linke Gegen­demon­stran­ten vor. Nach Angaben der Zeitung Neues Deutsch­land forderten die Nazis »Wass­er marsch!«, und dann set­zte die Polizei den Wasser­w­er­fer ein. Die Jun­gle World befragte hierzu Sven Hoff­mann, den Press­esprech­er der Cot­tbusser Polizei. 

Warum set­zten Sie Wasser­w­er­fer gegen die Antifas ein?

Das war kein Wasser­w­er­fer­e­in­satz, das war nur eine Andro­hung. Es gab nur einen Sprüh­nebel. Das war wie ein kurz­er Regen. 

Die Fotos vom Polizeiein­satz wirken etwas anders, man sieht auf Demon­stran­ten knieende Beamte.

Das mag so wirken, in Wirk­lichkeit war es anders. Es war eine genehmigte Demon­stra­tion, die galt es zu schützen. Das hät­ten wir auch bei ein­er linken Demo gemacht. 

Chris­t­ian Worch bedank­te sich bei den »Kam­er­aden der Polizei für ihre vor­bildliche Begleitung«. Ist das nicht unangenehm?

Wieso? Wir wur­den doch für unsere Arbeit gelobt. Das hat mit dem Inhalt der Demon­stra­tion nichts zu tun.

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Siziliens Sonne

Orazio Giamblan­co wurde 1996 von einem Nazi fast tot­geprügelt. Langsam geht
es ihm bess­er. In diesem Jahr war er zu Besuch in der Heimat

(Tagesspiegel, Frank Jansen) Der Fortschritt wirkt winzig und hat doch eine enorme Wirkung. Orazio
Giamblan­co kann an seinem linken Fuß die Zehen wieder bewe­gen. Kurz vor und
zurück. Das kostet Kraft, der Ital­iener würde die Zehengym­nas­tik kaum länger
als ein, zwei Minuten durch­hal­ten. Aber nach sieben Jahren mit einem tauben,
ver­bo­ge­nen Fuß kann Giamblan­co spüren, dass seine linken Zehen ihm etwas
besseren Halt geben. Dass er mit seinen Krück­en sta­bil­er ste­ht und sicherer
im Kreb­s­gang weiterkommt. 

Giamblan­co lächelt, “geht schon bess­er”. Er sitzt auf ein­er hydraulischen
Liege im Klinikum Biele­feld, ein junger Phys­io­ther­a­peut knetet den Fuß,
drückt auf Sehnen, massiert die Fuß­sohle mit ein­er grauen, elektrischen
Gum­minop­pen­bürste. “Das ist ein Vibra­mat”, sagt Heiko Seibt, der junge, groß
gewach­sene Mann im weißen Kit­tel. Das Gerät sur­rt, scheint aber Giamblanco
nicht zu kitzeln. So weit ist der Fuß noch nicht. Doch der Ther­a­peut ist
zufrieden. “Allein das aktive Zehen­heben ist klasse.” Giamblan­co lächelt
stumm. Zum Sprechen reicht die Kraft jet­zt nicht mehr. 

Vor sieben Jahren gab es keinen Arzt oder Ther­a­peuten, der dem Italiener
“aktives Zehen­heben” oder gar einen Gang an Krück­en zuge­traut hätte. Ende
1996 war Giamblan­co weit­ge­hend gelähmt. Er kon­nte kaum reden, litt unter
Kopf­schmerzen, Alp­träu­men, Depres­sio­nen. Es war schon ein Wun­der, dass er
über­haupt noch lebte — nach­dem knapp drei Monate zuvor, am 30. Sep­tem­ber, in
der Kle­in­stadt Treb­bin ein Skin­head zugeschla­gen hat­te. Mit seiner
Base­bal­lkeule traf er Giamblan­co am Kopf. In ein­er Not­op­er­a­tion ret­teten die
Ärzte im Kranken­haus Luck­en­walde das Leben des Hil­fs­bauar­beit­ers, der erst
wenige Tage zuvor aus Biele­feld nach Bran­den­burg gereist war. Und ahnungslos
jun­gen Recht­sex­trem­is­ten in die Arme lief. 

Die spastis­che Läh­mung wird für immer bleiben. Giamblan­co, heute 62 Jahre
alt, wird auch nie wieder nor­mal sprechen kön­nen. Und er ist für den Rest
seines Lebens trau­ma­tisiert. Aber Giamblan­co hat in den sieben Jahren seinem
Kör­p­er — und der Psy­che — viele kleine Fortschritte abgerun­gen. Er kann
inzwis­chen alleine essen, die Toi­lette auf­suchen und seit 2002 mit einem
Elek­tro­roll­stuhl in der näheren Umge­bung herum­fahren. Der Tagesspiegel hat
jedes Jahr berichtet. Giamblan­cos größter Erfolg ist eine Reise in die alte,
zulet­zt in den achtziger Jahren besuchte Heimat Sizilien. Zusam­men mit
sein­er griechis­chen Lebens­ge­fährtin, der zier­lichen, 53 Jahre alten Angelica
Berdes und ihrer 29-jähri­gen Tochter Efthimia hat er sich im vergangenen
Juni diesen Traum erfüllt. Den er trotz der Behin­derung und der Skep­sis von
Ver­wandten und Bekan­nten nie aufgegeben hat. 

Schon der erste sizil­ian­is­che Luftzug beflügelt. Als Giamblan­co am Mittag
des 22. Juni aus dem Flugzeug tritt und oben von der Gang­way die Hügel rings
um Cata­nia sieht, ruckt er nach vorne. Anstatt auf einen vom Flughafen
bestell­ten Pfleger zu warten, der ihn die Treppe hin­un­ter­be­gleit­et, wagt
sich Giamblan­co selb­st an die 17 Stufen. Nein, er will keine Hil­fe; der
Protest von Angel­i­ca Berdes wird ignori­ert. Ängstlich, aber auch erstaunt
beobacht­en Berdes und ihre Tochter, wie ihr Orazio zum ersten Mal seit jenem
Sep­tem­ber 1996 aus eigen­er Kraft eine län­gere Treppe bewältigt. Unten
angekom­men, nuschelt Giamblan­co lächel­nd sein “geht schon”. Die Reise in die
Heimat hat bere­its in den Minuten nach der Ankun­ft gewirkt. 

Den Flug, das Hotel und zwei Miet­wa­gen hat ein Berlin­er organ­isiert. Der
Stahl-Man­ag­er Ulrich Siegers las im Dezem­ber 2001 eine Reportage über
Giamblan­co. Das Schluss­wort war dessen Wun­sch, noch ein­mal nach Sizilien zu
kom­men. “Da hab ich mir gedacht: Das muss ich machen”, sagt Siegers, “ich
hab die Zeit, ich hab das Geld, ich hab die Frei­flüge.” Und er hat eine
eigene lei­d­volle Erfahrung, die für Giamblan­cos Schick­sal sensibilisiert.
Siegers Frau wurde 1978 in Lon­don von einem Bus ange­fahren und ist schwer
behin­dert. Viel mehr möchte der 60-Jährige über sich und seine Fam­i­lie nicht
in der Zeitung lesen. Er hebt Giamblan­co aus dem Roll­stuhl und in den Wagen,
er hält Angel­i­ca Berdes die Tür auf, er set­zt sich ans Steuer und braust
hoch­tourig los. 

Siegers hat sich auch nicht ent­muti­gen lassen, als der erste Rei­sev­er­such im
let­zten Moment scheit­erte. Mitte März 2002 stand er schon am Flughafen
Han­nover, doch Giamblan­co kam nicht. Die gewaltige Freude auf das
Wieder­se­hen mit Sizilien brachte seine frag­ile Psy­che durcheinan­der. Auf der
Tax­i­fahrt von Biele­feld zum Flughafen musste sich Giamblan­co so oft
übergeben, dass Angel­i­ca Berdes entsch­ied: zurück. Danach lag Giamblanco
weinend im Bett, tage­lang. Die Base­bal­lkeule hat­te wieder ein­mal getroffen,
Jahre nach der Tat­nacht in Trebbin. 

Es gelingt Giamblan­co erst im Juni 2003, an den Ort zu kom­men, den er
unbe­d­ingt sehen wollte: Agi­ra, seine alte Heimat­stadt, in der auch die
Eltern begraben sind. Auf ein­er son­nen­ver­bran­nten steilen Bergkuppe kleben
die Häuser eng aneinan­der, über­ragt von ein­er wuchti­gen Kirche und einer
Burg. 

Der Fried­hof befind­et sich auf einem hügeli­gen Aus­läufer, da will Giamblanco
hin. In der Mit­tagshitze steigt er, gestützt von Angel­i­ca Berdes, die Stufen
zu dem Toten­haus hin­auf. Im Halb­dunkel sind mehr als 200 Fäch­er zu erkennen,
ver­siegelt mit Mar­mor­plat­ten. Auf ein­er ste­ht “Manet­to Fil­ip­pa”, daneben
prangt das ovale Schwarz- weiß-Foto ein­er alten Frau mit streng
zurück­gekämmten Haaren. Giamblan­co flüstert “Mam­ma”, führt langsam die
rechte Hand an die Lip­pen und drückt einen Kuss auf die Fin­ger­spitzen. Dann
streckt er den Arm aus, die Hand berührt das Foto. Links daneben liegt der
Vater Sal­va­tore. Auch sein Foto berührt Orazio Giamblan­co mit den
ange­feuchteten Fin­ger­spitzen. Angel­i­ca und Efthimia Berdes schauen zu. Und
acht­en darauf, dass Giamblan­co, der sich leicht schwank­end auf nur eine
Krücke stützt, das Gle­ichgewicht hält. 

Neben diesem Höhep­unkt hat die Reise allerd­ings auch heik­le Momente. Der
große Clan, aus dem Giamblan­co stammt, inter­essierte sich nicht allzu sehr
für das Schick­sal des Ver­wandten aus Biele­feld, obwohl auch das italienische
Fernse­hen und sizil­ian­is­che Zeitun­gen über den recht­sex­tremen Angriff von
Treb­bin berichtet hat­ten. Die Ver­wandtschaft nahm Orazio Giamblan­co übel,
dass er sich von sein­er eben­falls aus Agi­ra stam­menden Ehe­frau getren­nt und
mit ein­er Aus­län­derin, der Griechin Berdes, zusam­menge­tan hat­te. Bittere
Ironie: Das Opfer ras­sis­tis­ch­er Gewalt bekam auch in der eige­nen Familie
frem­den­feindliche Ressen­ti­ments zu spüren. 

So reagieren Giamblan­cos Brüder Francesco und Giuseppe, tief gebräunte derbe
Manns­bilder, etwas ver­legen, als sie nach vie­len Jahren Orazio wiedersehen -
mit Krück­en. Doch die Frauen des Clans und die Kinder begeg­nen Giamblanco,
Angel­i­ca Berdes und ihrer Tochter her­zlich und offen­bar ohne Vor­be­halte. In
einem schmalen Haus im engen Dör­fchen Gagliano Castel­fer­ra­to wird üppig
aufgetis­cht und stun­den­lang in einem italienisch-deutsch-griechischen
Mis­chmasch aufeinan­der ein­gere­det. Am Schluss jedoch, als Angel­i­ca und
Efthimia Berdes mit viel Geschick Giamblan­co in den Miet­wa­gen bugsieren, ist
der Clan ganz still. Im Hal­bkreis ste­hen die son­st so leb­haften Sizilianer
um das Auto herum. Die Mienen ver­rat­en eine etwas ver­schämte Bewun­derung für
die Mühe der Griechin­nen. Es scheint, als seien die bei­den jet­zt anerkannt. 

Die Reise hat auch bei Orazio Giamblan­co ein kleines Wun­der bewirkt. “Er ist
seit Sizilien viel ruhiger”, sagt Angel­i­ca Berdes im Dezem­ber in Bielefeld,
die Depres­sio­nen hät­ten nachge­lassen. Nur am Jahrestag de
s Über­falls, am 30.
Sep­tem­ber, “hat Orazio wieder geweint, egal, was man gesagt hat”. Giamblanco
hebt die rechte Hand und murmelt, “viele Tage denke ich für mich alleine,
warum ist das geschehen?” Stille. Angel­i­ca Berdes und die Tochter schauen
sich an. Sie ver­ste­hen und lei­den mit. Die Base­bal­lkeule trifft auch die
bei­den Frauen. 

Angel­i­ca Berdes hat­te nach dem “Unfall”, wie sie den Angriff nen­nt, ihren
Fab­rikjob aufgegeben. Die anstren­gende Pflege fordert einen hohen Preis -
die Griechin lei­det unter Rück­en­schmerzen und Bluthochdruck und sucht seit
Jahren regelmäßig einen Psy­chi­ater auf. Tochter Efthimia scheint robust, hat
aber auch viel ein­steck­en müssen. Sie sah sich gezwun­gen, nach dem Überfall
auf Giamblan­co ihre Lehre als Friseurin abzubrechen, weil ihr Chef kein
Ver­ständ­nis für die unver­mei­dlichen, pflegebe­d­ingten Fehlstun­den hat­te. Nach
jahre­langer Arbeit­slosigkeit hat Efthimia Berdes nun einen fes­ten Job in
ein­er Schoko­laden­fab­rik — meis­tens sieben Tage die Woche, im
Dreis­chicht­sys­tem. Die junge Griechin braucht jeden Cent, um sich die teure
Woh­nung leis­ten zu kön­nen, die sie dem hil­febedürfti­gen Giamblan­co und ihrer
oft über­forderten Mut­ter zuliebe im sel­ben Haus gemietet hat. 

Und der Täter? Jan W. ver­büßt 15 Jahre Haft. Das Landgericht Pots­dam wertete
im Prozess 1997 den Angriff auf Giamblan­co als ver­sucht­en Mord. Inzwischen
hat W. sich von der recht­en Szene getren­nt und sog­ar ein paar ehemalige
“Kam­er­aden”, die in der Tat­nacht eben­falls Ital­iener attack­iert hatten,
belastet. Die ein­sti­gen Kumpane kamen allerd­ings 2002 und in diesem Jahr mit
milden Strafen davon. Jan W., heute 29 Jahre alt, hat sich auch öffentlich
von Gewalt dis­tanziert und sein Helden­im­age in der Szene demon­tiert. Doch
das enorme Medi­en­in­ter­esse im let­zten Jahr irri­tiert ihn auch. “Ich will
nicht der Vorzeige-Aussteiger Bran­den­burgs sein”, sagt er heute und will in
keinem Film und kein­er Zeitung mehr erscheinen. Eines aber ist ihm wichtig:
“Ich hoffe, dass die Reise nach Sizilien Her­rn Giamblan­co viel Kraft gegeben
hat.” Und: “Was damals in Treb­bin passiert ist, tut mir unendlich leid.” 

Der Vibra­mat sur­rt nochmal an der Fuß­sohle ent­lang. Dann fordert der
Phys­io­ther­a­peut Giamblan­co auf, sich alleine zu erheben. Der Italiener
presst die Hände auf die Liege und winkelt die Arme an. Ächzend kommt er
hoch, der Kopf wird rot. Giamblan­co ste­ht. Nach vorne gebeugt, wacklig.
Ther­a­peut Seibt stützt ihn. Schließlich schafft es Giamblan­co, an nur einer
Krücke langsam aus dem Behand­lungsz­im­mer zu gehen, hin­aus zum
Elek­tro­roll­stuhl. Er sinkt hinein und lächelt hin­ter­gründig. “Wir fahren
nochmal nach Sizilien”, sagt Giamblan­co, als wolle er nur einen Scherz
machen. Dann nickt er. “Geht schon.”

Inforiot