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Einzelne Mandate für DVU und NPD

(Ver­fas­sungss­chutz Bran­den­burg, 26.10.) Unter den Parteien, Wäh­ler­grup­pen und Vere­inen, die in großer Zahl zur bran­den­bur­gis­chen Kom­mu­nal­wahl antrat­en, waren auch vier extrem­istis­che Organ­i­sa­tio­nen: die recht­sex­trem­istis­chen Parteien “Deutsche Volk­sunion” (DVU), “Nation­aldemokratis­che Partei Deutsch­lands” (NPD) und “Die Repub­likan­er” (REP) sowie die link­sex­trem­istis­che “Deutsche Kom­mu­nis­tis­che Partei” (DKP).

Kon­nten sie von der niedri­gen Wahlbeteili­gung (46 %) und der ver­bre­it­eten Poli­tikver­drossen­heit prof­i­tieren, wie son­st in ver­gle­ich­baren Sit­u­a­tio­nen? Nur in geringem Maße. Im Lan­des­durch­schnitt erre­icht­en sie lediglich Werte zwis­chen 1,0 % (so die DVU) und 0,01 % (so die DKP). Aber da sie über­haupt nur in einzel­nen Wahlge­bi­eten kan­di­dierten, waren die Ergeb­nisse vor Ort jew­eils deut­lich höher. Immer­hin errang die DVU ins­ge­samt 8 Sitze in 6 Kreista­gen und 1 Sitz in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung der kre­is­freien Stadt Pots­dam, die NPD 4 Sitze in 3 Kreistagen. 

Sehr all­ge­meine Wahlkampfparolen

Von ein­er kom­mu­nalen Ver­ankerung der extrem­istis­chen Parteien kann keine Rede sein. An den Wahlen zu Gemein­de­v­ertre­tun­gen und zu Stadtverord­neten­ver­samm­lun­gen kreisange­höriger Städte beteiligten sie sich dieses Mal nur punk­tuell — so etwa die NPD, die sich um Man­date auch in Witt­stock bewarb. Nur hier wurde ihre Wahl­pro­pa­gan­da ein wenig konkreter: Die NPD erk­lärte, sich für die Förderung des Touris­mus und gegen das so genan­nte “Bom­bo­drom” einzuset­zen. Ihr Kan­di­dat Math­ias Wirth — gegen ihn läuft, weil er an gewalt­täti­gen Auss­chre­itun­gen im Okto­ber 2001 in Witt­stock beteiligt war, derzeit ein Ver­fahren wegen Land­friedens­bruchs und ander­er Delik­te — wird in die Stadtverord­neten­ver­samm­lung einziehen. 

Anson­sten blieb die Wahlwer­bung dieser und der anderen extrem­istis­chen Parteien sehr all­ge­mein. Konkrete, real­isier­bare Poli­tikange­bote sind bei ihnen regelmäßig Man­gel­ware. Vielmehr neigen sie dazu, das poli­tis­che Sys­tem generell zu ver­dammen und es für alle Übel in der Welt ver­ant­wortlich zu machen. Entsprechend fie­len schon die weni­gen NPD- und REP-Vertreter in den bran­den­bur­gis­chen Kom­mu­nalvertre­tun­gen der ver­gan­genen Wahlpe­ri­ode vor allem durch Desin­ter­esse und Schweigsamkeit auf, denn zu den konkreten Prob­le­men vor Ort hat­ten sie meist keine Meinung. 

So ver­stand sich die NPD im Wahlkampf wieder mit großtö­nen­dem Anspruch “als das Sprachrohr der Mil­lio­nen, die sich von den Volksvertretern der etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen”. Sie forderte “Arbeit­splätze statt Glob­al­isierung” und verkün­dete ein “Nein zur Oster­weiterung!”, sprach also The­men an, die auf kom­mu­naler Ebene ohnedies nicht entsch­ieden wer­den können. 

In den Wahlpa­pieren der DVU herrscht­en die bekan­nten pop­ulis­tis­chen Losun­gen vor. Oft ver­wies man schlicht auf die “Mut­ter­partei” und somit auf den DVU-Vor­sitzen­den, Dr. Ger­hard Frey. Immer­hin ver­sprach die DVU den Kom­munen freige­big finanzielle Ent­las­tun­gen, doch erschöpften sich die Vorschläge zur Gegen­fi­nanzierung in dem­a­gogis­chen Ankla­gen gegen “Poli­tik­erge­häl­ter”, “Mah­n­male”, “Asyl­be­trüger” usw. 

Die DKP begrün­dete mit ihrem the­o­retis­chen Instru­men­tar­i­um, dass umstürzende Verän­derun­gen in der Welt auf der kom­mu­nalen Ebene begin­nen müssten. In ihrem Wahl­pro­gramm hieß es: “Der Wider­stand gegen eine Poli­tik der Hochrüs­tung, des Sozial­ab­baus und der Umverteilung von unten nach oben begin­nt in der Kom­mune. Hier sollen Ini­tia­tiv­en und Aktiv­itäten dage­gen durchge­set­zt werden.” 

Absicht­en und Wünsche

Die Beweg­gründe, an Wahlen teilzunehmen, sind bei extrem­istis­chen Parteien recht unterschiedlich. 

Bemerkenswert ist, dass sich über­haupt erst­mals DVU-Kan­di­dat­en um kom­mu­nalpoli­tis­che Man­date in Bran­den­burg bemüht­en. Denn gemein­hin ist die DVU kaum an dieser Ebene der Poli­tikgestal­tung inter­essiert, son­dern konzen­tri­ert sich auf Wahlkämpfe, die mehr Schlagzeilen ver­sprechen. Doch ihr Erfolg bei der Wahl in Bre­mer­haven am 28. Sep­tem­ber — sie erhielt einen Stim­menan­teil von 8,1 % — und die Vorauss­chau auf die bran­den­bur­gis­che Land­tagswahl im näch­sten Jahr waren der DVU wohl Ans­porn genug, sich auch bei den Kom­mu­nal­wahlen in Erin­nerung zu rufen. Eine lokalpoli­tis­che Bindung der DVU-Bewer­ber ließ sich jedoch nicht erkennen. 

Die NPD hinge­gen wollte offen­sichtlich auch diese Wahlen benutzen, um ihre Anhänger­schaft — die über den Kreis der Mit­glieder hin­aus vor allem in die neon­azis­tisch geprägte oder angetönte Jugend­szene reicht — zu motivieren und zu mobil­isieren. Sie set­zte dabei auf die Zugkraft von Kan­di­dat­en, die in ein­schlägi­gen Kreisen, aber auch in ihrem Leben­sum­feld recht gut bekan­nt sind. 

Die Bilanz

So gewann der NPD-Lan­desvor­sitzende Mario Schulz in sein­er Prig­nitzer Heimat­ge­meinde Cum­losen 6,4 % der Stim­men. Ins­ge­samt bekam die NPD im Land­kreis Prig­nitz 2,8 %. In den Land­kreisen Oder-Spree und Ober­hav­el gewann sie 2,9 % bzw. 2,7 %. Diese Ergeb­nisse sind für die bei Wahlen oft sehr schwach abschnei­dende Partei noch beachtlich. 

Übertrof­fen wurde sie von der DVU. Ihr bestes Kreis­ergeb­nis erzielte diese mit 4,3 % im Land­kreis Ober­spree­wald-Lausitz, das zweitbeste mit 3,7 % im Land­kreis Elbe-Elster; hier wie dort gewann sie je 2 Kreistags­man­date. Damit bestätigt sich ein weit­eres Mal, dass die DVU vor allem im Süden Bran­den­burgs gewisse Wäh­ler­schicht­en anspricht. Schwäch­er zeigte sie sich in den Land­kreisen Märkisch-Oderland
(2,4 %), Pots­dam-Mit­tel­mark (2,1 %), Tel­tow-Fläming (1,4 %) und Oder-Spree (1,0 %) sowie in Pots­dam (1,5 %), doch reichte das noch für je ein Man­dat. Allein im Land­kreis Oder-Spree konkur­ri­erten mit der DVU nicht nur die NPD, son­dern auch die REP. Die Let­zteren beka­men nur
0,6 %. Da die REP son­st nir­gend­wo für Kreistage kan­di­diert hat­ten, blieben sie lan­desweit ohne ein entsprechen­des Mandat. 

Die DKP war allein in Pots­dam ange­treten. Sollte sie gehofft haben, hier genü­gend stramme Kom­mu­nis­ten von einst zu find­en oder poli­tisch Unzufriedene aus dem städtis­chen und stu­den­tis­chen Milieu inter­essieren zu kön­nen, so wurde sie bit­ter ent­täuscht: Sie erre­ichte nicht ein­mal 0,3 % der Stimmen. 

Men­schen, die mit den etablierten Parteien unzufrieden sind, gab es am Wahlt­ag nicht wenige. Doch die meis­ten von ihnen entsch­ieden sich, sofern sie über­haupt wählen gin­gen, nicht etwa für eine extrem­istis­che Partei, son­dern eher für eine der vie­len Wäh­lerge­mein­schaften und
‑ini­tia­tiv­en. Deren Stim­menan­teil stieg deut­lich an. Hinge­gen bleiben die Extrem­is­ten, jeden­falls gemessen an den Wahlergeb­nis­sen, ein Randphänomen.

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Gegen Antisemitismus, deutschen Großmachtwahn und Opfermythos

Aufruf zur Kundge­bung in Erkn­er am 65. Jahrestag der Reichspogromnacht

Son­ntag, 9.11., ab 11 Uhr

Denkmal gegenüber dem Gym­na­si­um (Erkn­er)

Am 9. Novem­ber 1938 wur­den in Erkn­er und Umge­bung, wie im gesamten Deutschen Reich jüdis­che Ein­rich­tun­gen wie Syn­a­gogen, Woh­nun­gen und Geschäfte von SS, SA, Schutzpolizei und „nor­malen“ Deutschen ange­grif­f­en, ver­wüstet und zum Teil niederge­bran­nt. Fast 100 Jüdin­nen und Juden star­ben in der Reich­s­pogrom­nacht, 30.000 wur­den ver­haftet und in KZs ver­schleppt, in denen die meis­ten von ihnen starben. 

Dieses Pogrom war ein Wen­depunkt ein­er Poli­tik, an deren Ende sechs Mil­lio­nen €päis­che Juden ver­nichtet waren. Mil­lio­nen von Deutschen ließen es geschehen oder beteiligten sich daran. Nach der Reich­s­pogrom­nacht kon­nte nie­mand mehr behaupten von nichts gewusst zu haben.
Nach der Befreiung vom Nation­al­sozial­is­mus durch die Alli­ierten, die von den meis­ten Deutschen als Nieder­lage emp­fun­den wurde, erk­lärten sie sich in DDR und BRD zu Opfern Hitlers und sein­er Hand­langer, von denen sie ange­blich ver­führt wor­den seien. Sie ver­weigerten sich kollek­tiv der Reflex­ion der eige­nen Mit­täter­schaft und gin­gen zum All­t­ag über. 

Keine Rede mehr von Mil­lio­nen begeis­tert­er Deutschen die lau­thals „Ja“ zum total­en Krieg und zur total­en Ver­nich­tung schrieen und von denen nur ein lächer­lich geringer Teil Wider­stand leis­tete. Wer hielt denn die Mord­maschiner­ie am Laufen? Es waren eben nicht die hohen Funk­tionäre in Partei und Staat, son­dern die soge­nan­nten „kleinen Leute“, die ohne ein Wort des Wider­spruchs die Züge voller Men­schen in die Ver­nich­tungslager fuhren, an Massen­er­schießun­gen teil­nah­men, die Woh­nun­gen von deportierten Juden aus­räumten oder die For­mu­la­re über den kor­rek­ten Abtrans­port bearbeiteten. 

Die (Nicht-)Wahrnehmung bzw. Ver­leug­nung der eige­nen Schuld drück­te sich in den weit ver­bre­it­eten Floskeln „man kon­nte ja nichts machen“ und „Wir haben von nichts gewusst“ aus. Mit diesen und ähn­lichen Sätzen legte sich die Täter­gen­er­a­tion die indi­vidu­elle Lebenslüge zurecht und sprach sich von eigen­er Ver­ant­wor­tung frei oder bekan­nte sich dazu. Nach­dem die eigene Biogra­phie zurecht­ge­bo­gen und –gel­o­gen war, kon­nte sich der Blick von nun an auf das selb­st erlit­tene „Leid“ richten. 

Dieses Leid, z.B. die soge­nan­nte „Vertrei­bung“ (in Wahrheit Umsied­lung), wurde mit dem eige­nen Ver­brechen — dem organ­isierten Massen­mord an den €päis­chen Juden — gle­ichge­set­zt und damit ver­harm­lost. Nach der Eigen­wahrnehmung viel­er Deutsch­er sind sie die wahren Opfer des von ihnen begonnenen Krieges und so bauen sie Denkmäler für die (deutschen) Gefal­l­enen des Zweit­en Weltkrieges, wie z.B. in Mark­graf­pieske bei Fürsten­walde. Die Selb­st­stil­isierung als Opfer kann nur als zynisch beze­ich­net wer­den, wenn man bedenkt, das die wirk­lichen Opfer wie z.B. ehe­ma­lige Zwangsar­bei­t­erIn­nen bis heute noch nicht in vollem Umfang entschädigt wor­den sind. Stattdessen nimmt das Selb­st­mitleid immer größere Aus­maße an. So wird vom „Bund der Ver­triebe­nen“ (BdV) gefordert in Berlin für 80 Mil­lio­nen Euro ein „Zen­trum gegen Vertrei­bun­gen“ (ZgV) zu erricht­en, um der Welt die Lei­den der Deutschen vor Augen zu führen. Dies ist pure Ide­olo­gie, denn für die größten Vertrei­bun­gen während des Zweit­en Weltkrieges sind immer noch die Deutschen ver­ant­wortlich, die Mil­lio­nen Men­schen in Polen, Tschechien, Sow­je­tu­nion, etc. ver­trieben, ver­sklavten und ermorde­ten. Die Umsied­lung von mehren Mil­lio­nen Deutschen aus dem Osten Europas war lediglich die Reak­tion auf deren Kol­lab­o­ra­tion mit dem NS. Umge­siedelt wur­den alle Deutschen, die sich dem NS nicht wider­set­zten — Wider­stand­skämpferIn­nen und AntifaschistIn­nen waren, bis auf Aus­nah­men, hier­von nicht betrof­fen. Der Mythos von den Deutschen als „wahre“ Opfer des NS dient nur der Revi­sion der Ergeb­nisse des Zweit­en Weltkrieges und damit dem neuer­stark­enden deutschen Großmachtwahn. 

Auch der Anti­semitismus ist wieder da, nicht so offen, aber genau­so weit ver­bre­it­et. So stim­men wieder 40% der Deutschen der Aus­sage zu „Die Juden hät­ten zu viel Ein­fluss auf das Welt­geschehen“ (Die Tageszeitung vom 26.09.2003). Auch die Zahl anti­semi­tis­ch­er Gewalt­tat­en ver­dop­pelte sich nach Angaben des Ver­fas­sungss­chutzes in der let­zten Zeit. 65 Jahren nach der Reich­s­pogrom­nacht erdreis­tet sich der ehe­ma­lige FDP-Spitzen­poli­tik­er Jür­gen W. Mölle­mann zu behaupten, die Juden seien am Anti­semitismus selb­st schuld und find­et damit große Zus­tim­mung in Deutschland. 

Diesem Denken gilt es entgegenzutreten.

Wir fordern euch auf zur Kundge­bung am 9. Novem­ber zu kom­men und mit uns zusam­men gegen Anti­semitismus, deutschen Groß­macht­wahn und Opfermythos zu demonstrieren! 

Antifa Erkn­er // Okto­ber 2003

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Ein Tag vor der Abschiebung: Cikajs hoffen auf einen Anruf

Mor­gen wird sich das Leben der Fam­i­lie Cikaj radikal verän­dern. Sie muss um 10.30 Uhr in Berlin in ein Flugzeug nach Prizti­na steigen. Sie reist in ein kriegsz­er­störtes Land, das die Kinder nicht ken­nen und mit dem die Eltern
die schlimm­sten Erin­nerun­gen verbinden. Der Win­ter naht, und sie haben wed­er Unterkun­ft noch Geld. Vor zehn Jahren flüchteten die Koso­vo-Albaner vor dem Krieg nach Deutsch­land, ihr jüng­ster Sohn wurde in Berlin geboren. Die vier Kinder gehen in Forst zur Schule. Ein Anruf — das ist die let­zte Hoff­nung für Fam­i­lie Cikaj. 

Mut­ter Dusha (40) hat das Taschen­tuch immer griff­bere­it. Trä­nen ste­hen ihr in den Augen, sie ringt nach Fas­sung. «Das ist eine Katas­tro­phe» , murmelt sie immer wieder, leise, damit die Kinder es nicht hören. Doch Jet­mir (6) und Rex­he (11) brauchen ihre Mut­ter nur anzuse­hen, um zu wis­sen, wie ernst die Lage ist. Tochter Mir­lin­da (14) nimmt kein Blatt vor den Mund, sie kämpft für ihre Fam­i­lie: «Ich finde es unglaublich, wie die Ausländerbehörde
mit uns umge­ht. Sie sagen ein­fach, im Koso­vo gibt es keinen Krieg mehr, also kön­nen wir auch wieder zurück. Dabei haben sie keine Vorstel­lung wie es dort wirk­lich ist und es inter­essiert sie nicht, wie es uns geht.» 

Die größte Angst hat Mir­lin­da um ihre Eltern: «Sie sind bei­de so krank. Ich habe das Gefühl, sie wer­den dort ster­ben.» Auch Sozialar­beit­er Ingolf Pilz macht sich Sor­gen: «Eine richtige medi­zinis­che Ver­sorgung gibt es im Koso­vo nicht.» Doch die brauchen Vater Iljaz (42) und Mut­ter Dusha unbe­d­ingt. Bei­de haben psy­chis­che und kör­per­liche Prob­leme, sind auf ärztliche Dauer­be­hand­lung angewiesen. Die Mut­ter hat­te mit anse­hen müssen, wie ihr
Brud­er auf sein­er Hochzeit von ser­bis­chen Sol­dat­en zusam­mengeschla­gen wurde. Seit diesem drama­tis­chen Erleb­nis ist sie nervlich angeschla­gen, kann sich kaum etwas merken, hat ständig Kopf­schmerzen und erdrück­ende Äng­ste. «Meine
Eltern brauchen Medika­mente, wir haben kein Geld, wie sollen wir das nur schaf­fen» , fragt sich Mir­lin­da immer wieder. Ges­partes gibt es nicht, ihr altes Haus in Prizren ist zerbombt. 

Kom­men sie nach Pristi­na, haben die Cika­js nicht mehr, als sie in Kof­fern mit nehmen dür­fen. Für jede Per­son sind für den Reise vom Flughafen Berlin-Schöne­feld 25 Kilo­gramm Gepäck erlaubt. «Man ste­ht vor dem Schrank und weiß nicht, was man ein­pack­en soll» , erzählt Mir­lin­da. Für Spielsachen
ist da kein Platz. Rex­he bedauert am meis­ten, dass er seinen Fußball hier lassen muss. Er spielt bei Rot-Weiß Forst. Seine Fre­unde Steve und Paul holen ihn zum Train­ing ab, sie gehen mit ihm in die Klasse 5a der Grund­schule Mitte. Als bei­de ihre Abschieds­geschenke aus­pack­en, fließen die Trä­nen bei Rex­he: Erin­nerungs­fo­tos, Brief­pa­pi­er, ein Adress­büch­lein und einen kleinen Plüschhund mit der Auf­schrift «Ich denk an dich» haben die
Jun­gen mit­ge­bracht. Rex­h­es Gedanken wan­dern in den Koso­vo: «Ich kann Alban­isch nicht lesen oder schreiben. Und hier bin ich in der Schule ger­ade so gut gewor­den und habe viele Fre­unde gefun­den.» Den anderen Fam­i­lienkindern geht es nicht anders: Der kleine Brud­er Jet­mir wurde erst in
diesem Jahr eingeschult, Mir­lin­da geht in die 8. Klasse der Realschule. 

Trotzig meint sie: «Dort will ich über­haupt nicht in die Schule gehen.» Einzig Brud­er Jeton (18) hat seinen Schu­la­b­schluss in Forst machen kön­nen. Angesichts der drama­tis­chen Lage der Fam­i­lie ver­ste­ht Sozialar­beit­er Ingolf
Pilz die Entschei­dung der Aus­län­der­be­hörde des Land­kreis­es nicht, dass Fam­i­lie Cikaj in den Koso­vo abgeschoben wer­den soll. «Die Behörde hält sich an die Geset­ze. Aber sie hat auch einen Spiel­raum. Aber mein­er Erfahrung nach, stellt sich die Forster Aus­län­der­be­hörde im Ver­gle­ich zu anderen
Bun­deslän­dern meist stur, lässt die men­schliche Ein­schätzung außer Acht.» 

Mor­gen müssen sich Iljaz, Dusha, Jeton, Mir­lin­da, Rex­he und Jet­mir um 4.30 Uhr mit Gepäck bei der Aus­län­der­be­hörde melden. Von dort wer­den sie nach Berlin gefahren.

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Neuruppin: Verkleidet als Ku-Klux-Klan — Staatsanwaltschaft ermittelt

Acht ver­mut­lich rechts gesin­nte Jugendliche haben die Umzüge zu Hal­loween genutzt und sind am Fre­itagabend in Ku-Klux-Klan-Klei­dung durch den Neu­rup­pin­er Ort­steil Treskow gezo­gen. Das bestätigte die Polizei gestern auf MAZ-Nach­frage. Dem­nach war die Polizei am Fre­itag gegen 19.20 Uhr informiert wor­den. Sie beschlagnahmte eine Ku-Klux-Klan-Fahne, sprach gegen die Jugendlichen einen Platzver­weis aus und erstat­tete Anzeige wegen des Ver­dachts der Bil­dung ein­er krim­inellen Vere­ini­gung. Die Staat­san­waltschaft befind­et heute (4.11.03) über den Fall. Der Ku-Klux-Klan war 1865 in Ten­nessee (USA) gegrün­det wor­den und verübte unzäh­lige Mas­sak­er gegen Far­bige sowie Atten­tate gegen Intellek­tuelle, Gew­erkschafter und Poli­tik­er. Der Klan unter­hält seit langem Beziehun­gen zur deutschen Neonazi-Szene. 

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Ku-Klux-Klan-Anhänger zogen durch Neuruppin

NEURUPPIN. Rund zehn als Anhänger der ras­sis­tis­chen Organ­i­sa­tion Ku-Klux-Klan (KKK) verklei­dete Jugendliche sind am Fre­itagabend durch den Neu­rup­pin­er Stadt­teil Treskow gezo­gen. Nach Infor­ma­tio­nen der linken Inter­net­seite infori­ot zogen die Jugendlichen zu Hal­loween mit ein­er KKK-Fahne und einem Holzkreuz von Haus zu Haus und ver­langten Süßigkeit­en. Andern­falls dro­ht­en sie, bren­nende Holzkreuze in die Vorgärten zu stellen. Die Polizei in Neu­rup­pin bestätigte am Mon­tag den Vor­fall. Es seien die Per­son­alien von acht Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren fest­gestellt und Platzver­weise aus­ge­sprochen wor­den, sagte Polizeis­precherin Beat­rix Kühn. Derzeit werde geprüft, ob die Jugendlichen wegen der Bil­dung ein­er krim­inellen Vere­ini­gung zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den kön­nen. (kbi.)

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Antifa-Gedenken in Halbe verboten

(„Ini­tia­tive gegen Heldenge­denken in Halbe”, Pressemit­teilung 3.11.) Das zuständi­ge Ord­nungsamt des Lan­des Schenken­länd­chen hat die geplante Mahn- und Gedenkver­anstal­tung zu Ehren der ukrainis­chen Zwangsar­beit­erlnnen am 15. Novem­ber 2003 auf dem Wald­fried­hof in Halbe verboten. 

In der Begrün­dung heißt es, die Ver­anstal­tung zum Gedenken an die Zwangsar­bei­t­erIn­nen sei eine poli­tis­che Ver­anstal­tung und somit „nicht mit dem Ziel und Zweck des Fried­hofs vere­in­bar, im Gegen­teil, sie laufe diesem ger­adezu zuwider”. 

Die Exis­tenz von Gräbern ukrainis­ch­er Zwangsar­bei­t­erIn­nen auf dem Wald­fried­hof in Halbe ist das Ergeb­nis von Poli­tik, und zwar deutsch­er Poli­tik während der NS-Zeit. Und somit muss das Gedenken an die Opfer des deutschen Faschis­mus zwangsläu­fig poli­tisch sein. 

Den Hin­weis in der Ablehnungs­be­grün­dung des Ord­nungsamts „… Weit­ere Besuch­er des Fried­hofs wären an diesem Tag durch diese Ver­anstal­tung in ihrer Trauer und in ihrem stillen Gedenken an die Toten gestört …“, hal­ten wir für sehr mak­aber, da sich ger­ade Alt- und Neon­azis für diesen Tag als Besuch­er ankündi­gen, um die gefal­l­enen SS-Divi­sio­nen, die bei der Kesselschlacht von Halbe umgekom­men sind, zu ehren. 

Alt- und Neon­azis wollen am 15. Novem­ber an das nation­al­sozial­is­tis­che „Heldenge­denken” zwis­chen 1933 bis 1945 anknüpfen. Neben den 57 als Deser­teure verurteilte und hin­gerichtete Sol­dat­en und ukrainis­che Zwangsar­bei­t­erIn­nen, die während des Krieges in den umliegen­den Gemein­den und Fir­men aus­ge­beutet wur­den und an den Fol­gen von Hunger und Entkräf­tung star­ben liegen auf dem Fried­hof haupt­säch­lich im Krieg gefal­l­ene deutsche Wehrmachtsoldaten. 

Zu dem geplanten Auf­marsch und Heldenge­denken rufen ein­schlägige recht­ster­ror­is­tis­che Grup­pierun­gen aus dem Kam­er­ad­schaftsspek­trum der Freien Nation­al­is­ten sowie der „Fre­un­deskreis Halbe e. V.” und das „Ehrenkomi­tee 8. Mai” unter dem Mot­to „Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsol­dat­en“ auf. Mit dieser revi­sion­is­tis­che Parole ver­her­rlichen sie ein­deutig die Ver­brechen der Wehrma­cht und des Nationalsozialismus. 

Ein Bünd­nis von Antifaschis­tis­chen Grup­pen aus Berlin/Brandenburg und VVN-BdA Berlin rufen zur massen­haften Beteili­gung an den antifaschis­tis­chen Gegen­ver­anstal­tun­gen in Halbe am 15.11.2003 ab 11°° Uhr am Wald­fried­hof Halbe und zur Mahn- und Gedenkver­anstal­tung zu Ehren der ukrainis­chen Zwangsar­bei­t­erIn­nen ab 12°° Uhr auf dem Wald­fried­hof auf. 

Es ist eine Brüskierung der Opfer, wenn auf dem Fried­hof in Halbe Neon­azis im Angesicht der
Gräber der Opfer ein „Heldenge­denken” für die deutschen Täter durch­führen wollen. Dies gilt es am
15.11.2003 zu ver­hin­dern. Die größte Ehrung der Opfer des deutschen Faschis­mus ist die
Bekämp­fung von Neon­azis und deren Aufmärsche.
Weit­ere Infor­ma­tio­nen unter: 

Mehr Infos auf der Infori­ot-Son­der­seite und unter www.redhalbe.de.vu.

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Nazis spuken an Halloween durch Neuruppin

Am Abend des 31. Okto­ber zogen ca. 10 als KuK­luxK­lan- Anhänger verklei­dete Glatzen durch den Neu­rup­pin­er Ort­steil Treskow ( Vorort- Sied­lung). Mit KKK- Fahne und Holzkreuz bewaffnet zogen die Nach­wuch­snazis von Haus zu Haus und ver­langten nach Süßigkeit­en. Wer nichts geben wollte, bekam die Dro­hung dann später ein bren­nen­des Holzkreuz im Vor­garten zu finden.
Ca. zwei Stun­den kon­nten sie ungestört durch den besagten Ort­steil ziehen, bevor sie sich ver­mut­lich zum Weit­er­feiern in eine Bun­ga­low- Sied­lung zurückzogen. 

 

Eben­so wider­liche Dinge spiel­ten sich in der sel­ben Nacht am Boll­w­erk ( seit langem beliebter Naz­itr­e­ff­punkt am Rup­pin­er See/ Nähe Innen­stadt) ab. Mehrere Betrunk­en „Volk­shelden“ standen am dor­ti­gen Spielplatz. Schein­bar war die Gruppe dabei sich aufzulösen, als in mil­itärischem Ton „ Stillge­s­tanden! Und Abtreten mit eine Sieg Heil…“ gebrüllt wurde. Daraufhin riefen mehrere Per­so­n­en laut­stark ein paar Mal hin­tere­inan­der „Sieg Heil“ und zeigten den Hitlergruß.
Erst als Men­sch auf­forderte das Maul zu hal­ten und andro­hte die Polizei zu rufen, liefen sie eiligst davon.
Pas­san­ten die sich eben­falls am Boll­w­erk aufhiel­ten, reagierten darauf gar nicht. 

 

Bei bei­den Vor­fällen han­delte es sich um 14- 17-jährige Jugendliche mit diversen äußer­lich erkennbaren Nazi- Sym­bol­en („White- Pow­er“- Aufnäher, Fascho- Skin­head- Outfit). 

 

Hal­tet die Augen offen! Ver­hin­dert faschis­tis­che und ras­sis­tis­che Übergriffe!!!
Kein Fußbre­it den Faschis­ten!!! Schlagt zu wo ihr sie trefft!!! 

 

Auch vor dein­er Haustür!

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«Das ist wie ein plötzlicher Tod in der Familie»

(LR, 01.11.) Die seit Jahren in Deutsch­land lebende Fam­i­lie Cikaj aus dem Koso­vo wird am
5. Novem­ber defin­i­tiv nach Pristi­na abgeschoben. Das hat die
Aus­län­der­be­hörde des Land­kreis­es Spree-Neiße der im Forster Asylbewerberheim
unterge­bracht­en Fam­i­lie am Don­ner­stag mit­geteilt. Der Ter­min war seit
Sep­tem­ber mehrfach ver­schoben wor­den. Cika­js müssen nun zurück in ein Land,
das die Kinder kaum kennen. 

Vater Iljaz Cikaj (42) floh vor zehn Jahren vor dem Krieg auf dem Balkan.
Drei Jahre später fol­gten ihm Ehe­frau Dusha (40) mit ihren damals drei
Kindern Jeton (18), Mir­lin­da (14) und Rexh (10) nach Berlin. In der
Haupt­stadt kam Jet­mir (6) zur Welt. Seit gut zwei Jahren lebt die
sech­sköp­fige Fam­i­lie in Forst. Die drei jün­geren Kinder besuchen die Schule.
Der 18-Jährige hat in diesem Jahr die 10. Klasse abgeschlossen. 

«Zur Aus­reise ab Berlin-Schöne­feld» habe sich die Fam­i­lie am 5. Novem­ber um
7 Uhr «mit Reisegepäck» in der Aus­län­der­be­hörde einzufind­en, wurde Cikajs
vorgestern erk­lärt. Ein Dien­st­fahrzeug des Land­kreis­es werde sie zum
Flughafen bringen. 

«Wir kön­nen es nicht fassen» , ringt der älteste Sohn nach Worten. Doch er
weiß: «Alle rechtlichen Mit­tel sind aus­geschöpft.» Das Verwaltungsgericht
sieht keinen Anspruch auf Dul­dung der Fam­i­lie in Deutsch­land. Auch ein neues
psy­chol­o­gis­ches Gutacht­en änderte nichts an der Auf­fas­sung des Gerichts. 

«Für uns ist das eine Katas­tro­phe» , sagt Jeton Cikaj. «Das ist wie ein
plöt­zlich­er Tod in der Fam­i­lie, den kein­er begreifen kann.» Wed­er seine
Fre­unde und Sportkam­er­aden im Forster Fußbal­lvere­in noch die Mitschüler
sein­er Geschwis­ter wür­den die Entschei­dung ver­ste­hen. Wenn Jeton mit seinen
Eltern und Geschwis­tern näch­sten Mittwoch in Pristi­na lan­den wird, «dann
ste­hen wir vor dem Nichts» , fürchtet der 18-Jährige. «Wir wis­sen nicht,
wohin es ab Pristi­na geht, ob wir eine Unterkun­ft erhal­ten.» Dies sei mit
Blick auf den nahen­den Win­ter beson­ders erschüt­ternd. Die Fam­i­lie habe auch
nicht das nötige Geld für einen Neuan­fang. «In Forst lebten wir von
Gutscheinen.» Und dass er im Koso­vo arbeit­en gehen kann, glaubt der junge
Mann auch nicht. «Die Arbeit­slosigkeit ist dort sehr hoch.» 

«Unsere Kinder ken­nen ihren Geburt­sort nicht. Für sie ist Forst der zweite
Geburt­sort» , sagt Vater Iljaz. «Meine Heimat ist hier» , ergänzt die
14-jährige Realschü­lerin (Durch­schnitt 2,3) Mirlinda. 

«Ich muss es erst ein­mal ver­dauen» , meint auch Heim­leit­er Andreas Halla.
«Ich habe nicht damit gerech­net, dass die Abschiebung so schnell vollzogen
wird.» Er müsse die Entschei­dung jedoch akzep­tieren, wen­ngle­ich es «von der
men­schlichen Seite» nicht nachvol­lziehbar sei. Die Dra­matik beste­he darin,
dass die Fam­i­lie im Koso­vo kaum eine Grund­lage für den Auf­bau ein­er Existenz
habe, so Hal­la. Die hier ange­wandte «beson­ders große Härte» stelle im
Ver­gle­ich zu anderen Fam­i­lien eine «ungerecht­fer­tigte Behand­lung» dar. 

Ursprünglich soll­ten Cika­js schon vor einem Jahr abgeschoben wer­den, nachdem
das Bun­de­samt für die Anerken­nung aus­ländis­ch­er Flüchtlinge den Asylantrag
abgelehnt hat­te. Sie kon­nten zunächst bleiben, um dem ältesten Sohn den
Schu­la­b­schluss zu ermöglichen. Seit August 2003 erhiel­ten Cika­js insgesamt
vier­mal eine kurzfristige Ver­längerung ihrer «Gren­züber­tritts­bescheini­gung»
. Auch dies­mal suchen sie «krampfhaft nach einem Ausweg» , so Heimleiter
Hal­la. «Aber den wird es wohl nicht geben.»

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Der Feind wird gemacht

Im Prozess um die Ermor­dung von Mar­i­nus Schöberl in Pot­zlow sind die Urteile gesprochen. Die Täter sind »ganz nor­male« Rechtsextremisten.

(Jun­gle World, 45/2003, Jens Thomas) Sebas­t­ian F. hat gut lachen. Mit ein­er Plas­tik­tüte in der einen Hand und ein­er Zigarette in der anderen ver­lässt er grin­send den Gerichtssaal. Der 18jährige muss wegen sein­er Beteili­gung an der Ermor­dung des 16jährigen Mar­i­nus Schöberl im ver­gan­genen Jahr im bran­den­bur­gis­chen Pot­zlow nur für zwei Jahre nach dem Jugend­strafrecht hin­ter Git­ter, die Haft kann er später antreten. Das Gericht wirft ihm lediglich »gefährliche Kör­per­ver­let­zung« und »Nöti­gung« vor. 

Seinen Mit­tätern dage­gen ist das Lachen ver­gan­gen. Regungs­los nah­men Mar­cel S. und sein Brud­er Mar­co S. ihre Urteile ent­ge­gen. Der Haup­tangeklagte Mar­cel S., wie Sebas­t­ian F. heute 18 Jahre alt und zum Tatzeit­punkt noch min­der­jährig, wird für acht Jahre und sechs Monate wegen »Mordes« und »schw­er­er Kör­per­ver­let­zung« in Haft müssen, sein 24jähriger Brud­er Mar­co S. wegen »ver­sucht­en Mordes« und »schw­er­er Kör­per­ver­let­zung« für 15 Jahre. 

Die Urteile im Pot­zlow-Prozess sind am ver­gan­genen Fre­itag vor dem Landgericht Neu­rup­pin ver­hängt wor­den. Bis zu dem Mord war das kleine Dorf Pot­zlow in der Uck­er­mark ein unbekan­nter Fleck auf der Land­karte. Das änderte sich, als Mar­i­nus Schöberl tot in ein­er Jauchegrube aufge­fun­den wurde. In der Nacht zum 13. Juli 2002 bracht­en die drei nun verurteil­ten jun­gen Män­ner den 16jährigen auf bes­tialis­che Weise um. Sie schlu­gen ihn, sie urinierten auf ihn, und sie zwan­gen den Jun­gen, sich als Juden zu beze­ich­nen. Mar­cel S. sprang ihm beim »Bor­d­stein­kick« auf den Kopf und warf anschließend zweimal einen Stein auf den Schw­erver­let­zten, bis er tot war. 

Im Mai dieses Jahres begann der Prozess gegen die drei Angeklagten. Seit­dem ver­sucht­en ihre Anwälte stets, das Straf­maß zugun­sten der Täter zu min­dern. Immer wieder wurde behauptet, die Tat sei nicht poli­tisch motiviert gewe­sen, von Anti­semitismus könne keine Rede sein, Alko­hol sei im Spiel gewe­sen. Der Anwalt des Haup­tangeklagten Mar­cel S. forderte darum max­i­mal acht Jahre, sein Brud­er Mar­co solle mit ein­er Haft »deut­lich unter zehn Jahren« bestraft wer­den. Sebas­t­ian F.s Anwalt wollte gar, dass auf eine Haft­strafe für seinen Man­dan­ten gän­zlich verzichtet werde. Stattdessen sollte es lediglich eine »Verurteilung zu Erziehungs­maß­nah­men« geben. 

Dabei ste­ht fest, dass alle drei Täter Mar­i­nus Schöberl als »Juden« beschimpften, ihn als »Unter­men­schen« und als »nicht lebenswert« ver­achteten. Denn er stot­terte, trug HipHop-Hosen und hat­te blondierte Haare. Mar­co S., der Älteste der drei, war ein stadt­bekan­nter Neon­azi, er schlug nur kurze Zeit nach dem Mord einen Mann aus Sier­ra Leone bru­tal zusam­men. Sebas­t­ian F. besaß Nazide­vo­tion­alien und recht­sex­treme CDs. Die Liste ließe sich fortsetzen. 

Trotz­dem soll die Tat in den Augen der Anwälte und auch der meis­ten Dorf­be­wohn­er nicht poli­tisch rechts motiviert gewe­sen sein. Ein­er der Anwälte erk­lärte, Mar­cel S. habe aus einem »Reflex« gehan­delt. Obwohl das Opfer stun­den­lang gequält wurde. Wie lange soll ein »Reflex« dem­nach dauern dürfen? 

Trotz sein­er außergewöhn­lichen Grausamkeit ist vieles an dem Mord von Pot­zlow typ­isch für das Ver­hal­ten recht­sex­tremer Täter heutzu­tage. Charak­ter­is­tisch ist zum Beispiel, dass sie eher als »lose Gesel­lun­gen« agieren, wie es der Recht­sex­trem­is­mus­forsch­er Richard Stöss nen­nt, mit teil­weise dif­fusen, nicht immer klas­sisch recht­sex­tremen Welt­bildern. Sie sind kaum noch organ­isiert, vielmehr han­deln sie in grup­pen­dy­namis­chen Prozessen, meist unter Alko­hole­in­fluss. In über 80 Prozent der recht­en Über­griffe spielt Alko­hol eine große Rolle, fand der Tri­er­er Sozi­ologe Hel­mut Willems in ein­er Studie her­aus. Und 90 Prozent der ras­sis­tis­chen Tat­en wer­den auf­grund spon­tan­er Entschlüsse began­gen; eine unge­plante Sit­u­a­tion eskaliert, oder organ­isierte Recht­sex­trem­is­ten stiften andere an, ohne dass man sie später als Täter iden­ti­fizieren kann. 

Die Rich­terin Ria Bech­er hat­te Recht, als sie in der Begrün­dung des Urteilsspruchs sagte, die recht­sex­treme Ein­stel­lung der Jugendlichen sei ein Tat­mo­tiv gewe­sen, sie hät­ten darum aus »niederen Beweg­grün­den« gehan­delt. Zu »niederen Beweg­grün­den« zählen eben­so beispiel­sweise Rach­sucht oder Eifersucht. 

Der Begriff der »recht­sex­tremen Tat« ist in jedem Fall irreführend. »Recht­sex­trem­is­mus« ist ein intern­er Arbeits­be­griff der Ver­fas­sungss­chutzämter, kein Rechts­be­griff, und er ist in der Wis­senschaft nicht ein­heitlich definiert. Meist wird er jedoch in Anlehnung an den Ver­fas­sungss­chutz benutzt, der ihn seit 1974 verwendet. 

Dadurch beschränkt sich die Sichtweise meist zu sehr auf den Nach­weis der Mit­glied­schaft eines Täters in ein­er recht­sex­tremen Partei oder Organ­i­sa­tion. Ein Ver­di­enst des Biele­felder Erziehungswis­senschaftlers Wil­helm Heit­mey­er ist es – trotz aller berechtigter Kri­tik an seinen Stu­di­en –, den Blick auf rechte Täter deut­lich erweit­ert zu haben. Heit­mey­er spricht bere­its von ein­er recht­sex­tremen Ori­en­tierung, wenn eine »Ide­olo­gie der Ungle­ich­heit, Gewal­takzep­tanz und Gewal­tan­wen­dung« vorhan­den ist. 

Der Über­gang vom »nor­malen« Dor­fju­gendlichen zum Recht­sex­trem­is­ten ist heute oft­mals fließend. Darum ist die Argu­men­ta­tion, ins­beson­dere viel­er Pot­zlow­er Dorf­be­wohn­er, es han­dle sich bei den Verurteil­ten doch um ganz nor­male Jugendliche, nicht außergewöhnlich. 

In einem Punkt aber hat­ten die Anwälte der drei Angeklagten Recht: Die Beweg­gründe seien nicht auf eine poli­tis­che Tat zu reduzieren, son­dern die Ursachen lägen tiefer. Dage­gen ist nichts einzuwen­den. Auch bei ein­er Verge­wal­ti­gung oder einem Amok­lauf spie­len immer mehrere Ein­flüsse eine Rolle. Das hil­ft allen­falls, eine Tat zu erk­lären, entschuldigt aber gar nichts. 

Der Mord in Pot­zlow war ein­er der grausam­sten recht­sex­tremen Morde seit der Wende. Beson­ders grausam auch deshalb, weil die Täter sich ihr Opfer gewis­ser­maßen selb­st gestal­teten. Mar­i­nus Schöberl war ein guter Bekan­nter der Mörder, und wenn die Feind­bilder, die von der Gesellschaft mit­pro­duziert wer­den, fehlen – in Pot­zlow gibt es so gut wie keine Migranten –, dann schafft man sich eben eigene. Mar­i­nus Schöberl wurde das zum Verhängnis. 

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my Brandenburg — ein Steppenland?

www.mybrandenburg.net

“Bran­den­burg, Bauen, Fontane …” sind die ersten Key­words, mit denen das Land Bran­den­burg die Seit­en, die sie die offizielle Inter­net­präsenz des Lan­des Bran­den­burg nen­nen (brandenburg.de), beschreiben. Joachim Kaiser, Seniorkri­tik­er der “Süd­deutschen Zeitung”, wählt die Head­line “Das ist doch alles Cot­tbus” für seinen Artikel im Spiegel (14/2001), der über das intellek­tuelle Niveau der Berlin­er Repub­lik berichtet. Offen­sichtlich betra­chtet er Cot­tbus als das Syn­onym für Prov­inzial­ität. Gle­ichzeit­ig warnte die AWO Berlin im Jahr 2001 vor Fahrten ins grüne Bran­den­burg für Men­schen, die keine weiße Haut­farbe haben. 

Was ist denn nun eigentlich dieses Bran­den­burg? Wie sieht es in diesem Land aus? Wie sehen Leute, die hier tagtäglich wohnen, ihren Alltag? 

Gemein­sam mit anderen Men­schen aus Bran­den­burg entste­ht hier ein Reise­führer, der Bran­den­burg so vorstellt, wie wir es ken­nen. Wir, das sind junge engagierte Men­schen, die in Bran­den­burg wohnen oder wohn­ten, die sich in diesem Land für Gle­ich­berech­ti­gung und Emanzi­pa­tion, gegen Ras­sis­mus und Recht­sex­trem­is­mus ein­set­zen. Gle­ichzeit­ig wollen wir keinen abgeschlosse­nen Reise­führer ein­er kleinen redak­tionellen Gruppe erstellen, son­dern diese Seite ist für alle da, die wie wir auch etwas zu diesem Land zu sagen haben. Denn uns geht es näm­lich nicht nur um eine — unsere — Sicht auf das Land, son­dern um eine Kom­mu­nika­tion über unser alltäglich­es Leben und das, was uns umgibt. 

Uns inter­essieren hier Sehenswürdigkeit­en, die wir für sehenswürdig hal­ten, und die Geschicht­en, die wir mit ihnen verbinden. Gle­ichzeit­ig geht es uns aber auch um den Ver­such, über die Entwick­lun­gen, die seit der so genan­nten Wende in den Städten, in denen wir wohnen, vor sich gegan­gen sind, zu reflektieren. 

My Bran­den­burg — ein Steppenland?

Vielerorts gab es in diesem Som­mer in Bran­den­burg Empörung, weil erneut das schlechte Image Bran­den­burgs in den Fokus der Diskus­sion gerückt wurde: Erst warn­ten Wis­senschaftler, dass das Land in weit­en Teilen zu verö­den und zu ver­step­pen dro­ht (wegen der Bevölkerungs­flucht aus den Ran­dre­gio­nen und geringer wer­den­der Nieder­schläge), und kurz darauf erken­nen wiederum andere Wis­senschaftler die Gefahr der „Verblö­dung“ Bran­den­burgs, wie Prof. Ulf Matthiesen vom Insti­tut für Regiona­len­twick­lung und Struk­tur­pla­nung (IRS) in Erkn­er. Auch uns sind bere­its an vie­len Orten Phänomene von Verö­dung, aber vor allem kul­tureller Ver­step­pung aufge­fall­en, und so nah­men wir diese Diskus­sion zum Anlass, um uns zu fra­gen: Ist Bran­den­burg bere­its ein Step­pen­land? Mit diesem Reise­führer wollen wir auf die Spur gehen und Ver­step­pungs­fak­toren vor Ort aus­find­ig machen, aber auch den kreativ­en Poten­zialen der Regio­nen nach­spüren und ein Forum bieten. 

Dieser Reise­führer wird ein Buch über Land und Leute, über Sehenswürdigkeit­en und Sehen­sun­würdigkeit­en, über Orte, die fre­undlich sind, und jene, an denen man sich lieber nicht blick­en lässt. Wir pla­nen zunächst eine Online-Ver­sion, aus der später, wenn genü­gend Mate­r­i­al zusam­menge­sam­m­melt ist, ein Buch entste­hen soll. 

Ein­ge­laden zur Mitar­beit sind all jene, die Lust haben, anderen ihre Sicht auf ihre Stadt oder Gemeinde oder Region mitzuteilen. All diejeni­gen, die span­nende Geschicht­en zu bericht­en haben — egal, ob basierend auf einem his­torischen oder aktuell poli­tis­chen Hin­ter­grund oder ein­fach aus per­sön­lichen Erfahrun­gen. Mit­machen kön­nt ihr unter www.mybrandenburg.net — hier kön­nt ihr ein­fach nur Eure Ein­drücke nieder­schreiben, aber auch mit uns in Kon­takt treten und diskutieren. 

Wir inter­essieren uns bish­er vor allem für: 

+ eine Kurzbeschrei­bung dein­er Stadt;

+ die Stadtgeschichte/ ‑entwick­lung;

+ einen Stadtrundgang und/oder eine Stadtreportage;

+ Sehenswürdigkeiten/ SehensUNwürdigkeiten;

+ alter­na­tive Jugendzentren/ ‑pro­jek­ten;

+ Kulturelles;

+ Restaurants;

+ Übernachtungsmöglichkeiten;

+ Kuriositäten / Anek­doten und

+ lokale Besonderheiten

Mit­machen heisst auch Fotografieren, die Idee des Pro­jek­tes weit­er­erzählen oder Leute suchen, die Inter­es­santes bericht­en kön­nen. Meldet Euch, wenn ihr Lust habt unter info@djb-ev.de oder macht ein­fach auf dieser Seite mit. Reg­istri­ert Euch mit Eur­er E‑mail Adresse, und schon kön­nt Ihr Eure Reiseno­ti­zen und ‑ein­drücke veröffentlichen. 

Demokratis­ches Jugend­fo­rum Bran­den­burg e.V.

Inforiot