Für AktivistInnen von auswärts, die sich an den Antifaaktionen gegen die Nazidemo am kommenden Samstag beteiligen wollen, ist inzwischen ein Schlafplatzbörse eingerichtet worden. Am Vortag, also Freitag, dem 20.12., können sich Interessierte ab 20 Uhr in der Zeppelinstraße 26 Übernachtungsmöglichkeiten vermitteln lassen. Ab 22 Uhr findet an gleicher Stelle eine Veranstaltung mit letzten Infos, Filmen und einer Besprechung der Strategie für die Antifaaktionen statt.
Autor: redax
Strategische Anmerkungen zu Potsdam
Für den 21. Dezember sind zwei Handlungskonzepte vorgesehen:
Einerseits wird eine Bündnisdemonstration in der Potsdamer Innenstadt — 10.00 Uhr,
Alter Markt — stattfinden.
Andererseits soll versucht werden, direkt an dem Ort, wo sich die Nazis treffen, mit allen Mitteln und auf allen Ebenen zu verhindern, dass die Nazis marschieren. Falls
dies nicht gelingen sollte, jedenfalls dafür zu sorgen, dass sie nicht weit kommen!
Allerdings lassen die Erfahrungen aus den beiden letzten NPD Veranstaltungen (vgl. entspr. Berichte auf www.inforiot.de) den Schluss zu, dass sich die beiden
Handlungskonzepte räumlich und zeitlich nicht kombinieren lassen. Zudem gehen wir davon aus, dass wir im Vorfeld keine konkreten Informationen darüber haben werden,
wann und wo sich die Nazis treffen bzw. wie ihre Route verlaufen wird.
Deshalb ist es unbedingt erforderlich, das Infotelefon unter 0177.876.79.69 zu kontaktieren, um die Treffpunkte der Nazis zu erfahren. Ebenso werden auch neuste
Infos auf der Sonderseite bei Inforiot veröffentlicht.
Entgegen vorherigen Ankündigungen verunmöglichte die Polizei am Samstag einen effektiven Protest gegen die NPD-Demo in Neuruppin. Dennoch waren insgesamt rund 60 BürgerInnen und Antifas in der Stadt unterwegs, als knapp 35 Nazis marschierten. Vom Bahnhof Rheinsberger Tor aus liefen die NPDler zum Braschplatz, hielten eine Kundgebung ab, dann ging es zurück zum Bahnhof. Nach einer Stunde war der Spuk vorbei. Das Motto der Nazis war “Todesstrafe für Kinderschänder” in Bezugnahme auf die Verurteilung Frank Schmökels am Mittwoch in Neuruppin. Der Prignitzer NPD-Funktionär Peter Börs Schulz hielt auf der Kundgebung eine — von PassantInnen durchweg ignorierte — Rede. Die meisten Nazis kamen übrigens aus
der Wittstocker Region. Nur wenige Neuruppiner waren dabei, wie zum Beispiel der ehemalige NPD-Bundestagskandidat Renald Christopeit.
Eine von den Jusos angemeldete Gegendemonstration auf der gleichen Strecke wurde von der Polizei auf mehrere hundert Meter Abstand gehalten. Zuvor hatte die — zahlenmäßig übrigens schwach präsente — Polizei zugesagt, Protest in unmittelbarer Nähe der Nazis zuzulassen. Nur an wenigen Punkten gelang es einzelnen Antifas, den Faschisten Parolen entgegen zu rufen. Die Naziroute führte unter anderem am Alternativcafé Mittendrin vorbei — aus den Fenstern wurden die NPDler dort mit lautem Deutschpunk beschallt. Auf der antifaschistischen Demo waren unter anderem Bürgermeister Otto Theel (PDS) und der bündnisgrüne Bundestagskandidat Wolfgang Freese zugegen. Zahlenmäßig am besten vertreten: Jugendliche Antifas mit Transparenten wie “NPD zerskaten” und “Hepatitis C für die NPD”. Schon in den Vortagen hatten Antifas mehrere tausend Flugblätter gegen die Naziaktion verteilt.
Nur 30 Nazis in Teupitz
Bei der etwa gleichzeitig stattfindenen Kameradschaftsdemo in Teupitz (nahe Königs Wusterhausen und Halbe) nahmen lediglich rund 30 Faschisten teil. Das Frontransparent “Der Friedhof gehört dem Volk” trugen die Nazis schweigend einmal quer durch das Örtchen, flankiert von einem enormen Polizeiaufgebot. Direkt an der Demoroute protestierten etwa 20 AntifaschistInnen mit einem antirassistischen Infostand gegen die Nazis um Christian Worch, Lars Jacobs und Oliver Schweigert. Am Ende gab es eine Kundgebung vor der Amtsverwaltung. Inhaltlich wendete sich der Aufmarsch gegen den lokalen Amtsdirektor Reiner Oncken, da dieser mitverantwortlich für das letzendliche Demoverbot für die Nazis in Halbe gewesen sein soll. Lars Jacobs war damals,
für den 17. November, der Anmelder gewesen. Kommenden Samstag, am 21. Dezember, wollen die Kameradschaften — ebenfalls wegen Halbe — gegen Innenminister Jörg Schönbohm in Potsdam marschieren. Die NPD hat sich von dieser Demo distanziert. Es wird größere Gegenaktionen geben.
NEURUPPIN Die Männer in Grün bibberten schon, bevor es richtig losging. Stunden vor der angekündigten Demonstration der NPD durch Neuruppin hatte sich die Polizei am Sonnabend am Rheinsberger Tor versammelt. Ihre Aufgabe: Die Demonstranten der NPD und die Gegendemonstranten von Jusos, Antifa und anderen Gruppen so weit auseinander zu halten, dass es zu keiner Eskalation kommen konnte. Das schafften die 130 Beamten ohne Probleme.
Ganze 38 NPD-Anhänger waren zusammengekommen, als sich der kleine Zug schließlich in bewegung setzte. Ihr Motto: ”Schützt die Kinder in diesem Land. Stellt die Mörder an die Wand”. Beachtet wurde der Protestzug von nahezu niemanden entlang der Strecke durch die Innenstadt. In Ermangelung anderer Zuhörer richtete sich der Prignitzer NPD-Funktionär Peter Börs mit seiner kurzen Ansprache am Braschplatz dann auch an die mitgelaufenen Anhänger.
Unterdessen zog die knapp 50 Mann starke Gegen-Demo hinter den NPD´lern hinterher. Auch Bürgermeister Otto Theel und mehrere Abgeordnete hatten sich diesem Umzug angeschlossen. Theel wollte ien Zeichen setzen: “Solche Leute dürfen nicht glauben, dass sie hier in Neuruppin ein leichtes Spiel haben.”
Kurz vor 13 Uhr waren die Kundgebungen beendet.
Kommentar von Reyk Grunow
Die NPD zog durch Neuruppin und kaum jemand hat etwas gemerkt. Die knapp 40 Anhänger der rechtsextremistischen Partei weckten mit ihren lautstarken Rufen bestenfalls ein paar schlafende Anwohner, als sie durch die Neuruppiner Innenstadt zogen. Auf der Straße drehte sich so gut wie niemand nach ihnen um. Die Springerstiefelträger blieben unter sich.
Dabei war das Thema nicht schlecht gewählt: Das Verbot der Todesstrafe ist — ob man es gutheißt oder nicht — bei vielen Menschen umstritten. Trotzdem scherte sich niemand in Neuruppin um die NPD. Vielleicht lag das ja nur am klirrenden Frost. Vielleicht aber lag es daran , dass Neuruppin Rechtsextremisten keinen Boden mehr bietet. Dass polemische Parolen nicht ziehen, ist ein gutes Zeichen. Aber natürlich ist das kein Grund auszuruhen. Erfahrungen hat Neuruppin genug gemacht. Im Jugendtreff Bunker hat sich einigen Jahren gezeigt, wie schnell und unbemerkt sich Rechtsextreme etablieren können. Insofern hatte Bürgermeister Otto Theel recht: Recht zu ignorieren reicht nicht aus, was zählt, ist sich zu bekennen. Theel nahm an der Gegendemonstration teil, wenn auch nur kurz. Viele andere taten das nicht.
Bürger mit Distanz zur NPD
Rechtsradikale blieben unter sich
NEURUPPIN Mit einer Gegendemonstration reagierten 47 Neuruppiner am Sonnabend auf einen Umzug der rechtseradikalen NPD.
Zum Protest gegen den NPD-Aufmarsch aufgerufen ahtten dei Jungsozialisten (Jusos) und die AG Innenstadt.
Der Umzug der NPD, bei dem die “Todesstrafe für Kinderschänder” gefordert wurde, begann um 11.40 Uhr am Rheinsberger Tor und führte zum Braschplatz. Dort hielt der NPD-Funktionär Peter Börs, von der Bevölkerung unbeachtet, über Megaphon ein kurze Ansprache. Börs forderte eine Volksabstimmung über die Einführung der Todesstrafe. Nach Polizeiangaben waren 38 NPD-Leute auf der Straße.
Die Gegendemonstranten, zu denen auch Bürgermeister Otto Theel (PDS) gehörte, folgten dem NPD-Aufzug im Absatnd von einigen Hundert Metern.
Auf einem Flugblatt wurde daran erinnert, dass die Nazis in den Jahren ihrer Herrschaft über eine Million vorwiegend jüdischer Kinder ermordeten. Sie hätten damit das Recht verwirkt, über andere Kriminelle zu urteilen, hieß es im Flugblatt.
Die Polizei hatte etwa 130 Beamte in Uniform und Zivil aufgeboten, um den friedlichen Ablauf zu gewährleisten.
Theel: Kein leichtes Spiel für Nazis
NPD-Aktivisten blieben gegenüber Gegendemonstranten und Polizisten in der Minderheit
NEURUPPIN Am Rheinsberger Tor in Neruruppin versammelten sich am Sonnabendvormittag laut Polizei 38 Aktivisten der rechtsradikalen NPD. Sie wollten für die Einführung der “Todesstrafe für Kinderschänder” demonstrieren.
Zur gleiche Zeit trafen sich beim DRK-Zentrum in der Straße des Friedens Gegendemonstranten. Die Jungsozialisten (Jusos) und die AG Innenstadt hatten dazu aufgerufen, die Straßen Neuruppins nicht den Rechtsradikalen zu überlassen. Eine Schülerin des Evangelischen Gymnasiums sagte: “Ich finde die rechte Einstellung Schwachsinn. Bei unserer Vergangenheit sollte es sich niemand leisten, so rumzulaufen und das Maul aufzureißen.”
Unter Anspielung auf den Schmökel-Prozess in Neuruppin meinte ein Mitarbeiter der Ruppiner Kliniken, er finde es bedrückend, das die Nazis sich jedes halbwegs offentlich wirksames Thema bedienen, um auf sich aufmerksam zu machen. Das entschlossene auftreten der Antifaschisten habe in der Vergangenheit dafür gesorgt, Neuruppin einigermaßen sauber zu kriegen.
Auch der Neuruppiner Bürgermeister Otto Theel (PDS) reihte sich in den Zug der Gegendemonstranten ein. “Die Nazis sollen nicht glauben, dass sie leichtes Spiel haben werden. Die kriegen in unsere Stadt nicht den Fuß rein”, meinte Theel.
Um 11.40 Uhr setzte sich der Demonstrationszug der NPD vom Rheisnberger Tor, eskortiert von den Einsatzkräften der Polizei, in Bewegeung. Er führte durch die August-Bebel- und Rudolph-Breitscheid-Straße zum Braschplatz. NPD-Leute trugen ihrem Demonstrationszug ein Transparent voran, auf dem in runenschrift zu lesen stand: “Schützt die Kinder in unserem Land — stellt die Täter an die Wand!” Auf einem weiteren Transparent hieß es, Mörder könnten aks Organspender Leben retten.
Auf einem von den Antifaschisten verteilten Flugblatt, dass sich direkt an die Neonazis richtete, wurde an den millionenfachen Mord der Nazis an insbesondere jüdischen Kindern erinnert. “Ihr habt damit für alle Zeiten das Recht verwirkt, über andere Kriminelle zu urteilen. Kehrt vor eurer eigenen Tür, damit werdet ihr in tausend Jahren nicht fertig sein”, hieß es im Flugblatt.
Am Braschplatz angekommen, stellten sich die NPD-Aktivisten im Halbkreis auf. Der NPD-Funktionär Peter Börs hielt über Megaphon eine Ansprache an die “lieben Neuruppiner”. Da sich jedoch niemand zu der Kundgebung eingefunden hatte, sprach Börs zu den eigenen Anhängern, den Polizisten und der Presse.
Der NPD-Funktionär forderte eine Volksabstimmug darüber, ob in Deutschland die Todesstrafe eingeführt werden soll. Er beklagte das “Theater in Fragen der Justiz.” Mit Blick auf die Todesstrafe fragte Börs: “Warum machen wir es Amerika nicht gleich, das sit doch schließlich auch ein demokratisches Land?” Lob spendete der NPD-Funktionär dabei auch dem kommunistischen China. Börs: “Da werden Verbrecher mit Genickschuss getötet und hinterher werden sie ausgenommen.” Seine Gefolgsleute quittierten die Rede mit Beifall.
Vom Braschplatz zog die NPD dann über die Friedrich-Engels-Straße zum Rheinsberger Tor zurück. Einigen Neuruppinern, die aus dem fenster blickten, teilten die Demonstraten in Sprechchören mit: “Hier marschiert der nationale Widerstand.”
Die Gegendemonstration bewegte sich zeitlich versetzt auf der selben Route ebenfalls zum Braschplatz. die rund 50 Antifaschisten forderten auf Transparenten, die NPD zu zerschlagen. Partick Grabowsky, Stellvertretender Juso-Unterbeziksvorsitzender, mei
nte in Anbetracht der klirrenden Kälte sei er zufrieden, dass sich so viele Gegendemonstranten einfanden.
Gegen 13 Uhr lösten sich beide Demonstrationen ohne Zwischenfälle auf.
FRANKFURT (ODER) — Kann man rechte Schläger einschüchtern, wenn man etwa vor dem Bahnhof eine Videokamera aufstellt? Werden Sympathisanten bekehrt, wenn man ein Verbot gegen die NPD ausspricht? Solche Fragen beschäftigen den an der Frankfurter Viadrina tätigen Sozialforscher Michael Minkenberg schon lange. Der Herausgeber des Bandes “Neue Radikale Rechte im Vergleich” möchte sich nicht mehr mit reiner Ursachenforschung begnügen. “Mich interessiert mehr die Frage: Wie geht die Gesellschaft mit dem Phänomen Rechts und rechter Gewalt um?”, sagt er.
Als ihm der Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld am Rande einer Tagung im Sommer 2001 anbot, in einem Verbundprojekt über Desintegrationsprozesse in modernen Gesellschaften mitzuarbeiten, ergriff Minkenberg die Gelegenheit beim Schopfe. Seit September fördert nun das Bundesbildungsministerium seine Forschungsgruppe über die Wirkung von Repression auf rechtsradikale Gruppen. Minkenbergs Projekt ist eines von 17 in dem vom Bielefelder Heitmeyer geleiteten Verbund über die “Stärkung von Integrationspotenzialen einer modernen Gesellschaft”.
“Unsere Arbeitshypothese ist klar”, erklärt Minkenberg: “Staatliche Repression wie Parteienverbot oder erhöhte Polizeipräsenz führt in der Regel zu ideologischen und organisatorischen Verhärtungen.” Zwar könnten am Rande des rechten Spektrums Mitläufer abgeschreckt werden, doch der harte Kern werde bei steigendem Druck meistens noch mehr radikalisiert. So hätten sich Mitglieder der in den 90er Jahren verbotenen Nationalen Offensive zum Teil wieder in Kameradschaften organisiert, wo sie wieder gewalttätig wurden. Bisher gebe es aber nur Fallbeispiele und keine systematische Forschung. Allerdings hat Friedhelm Neidhardt für linke Gruppen seine These von der “S‑Kurve” vorgelegt. Sie beschreibt linke Aktivitäten und Gewalt in Abhängigkeit von staatlicher Repression als liegendes S. Zu Beginn schreckt der Druck ab. Wird er stärker, kommt es zu Gegenreaktionen, die schließlich in Radikalismen enden. Erst wenn der Staat so stark wird, dass von Freiheit keine Rede mehr sein kann, wird die Gewalt zurückgedrängt. “Wir haben dies bewusst als Hypothese gesetzt”, sagt Minkenberg, “sind aber für jedes Ergebnis offen.”
Zur Forschung gehöre auch die Untersuchung existierender Gruppen in deutschen Städten mit sozialen Brennpunkten. “Wir versuchen, bestehende Kontakte zu benutzen.” Minkenbergs Mitarbeiter, der Antisemitismusforscher Rainer Erb, hat bereits früher Gespräche mit Mitgliedern über ihre Beweggründe geführt. Feste Fragebögen gebe es nicht, wohl aber einige Grundfragen, etwa die, ob Polizeitaktiken innerhalb rechter Gruppen diskutiert würden und wie sie auf jene reagierten. Erste Ergebnisse glaubt Minkenberg schon in einem Jahr vorlegen zu können. Diese sollen auch praktische Folgen haben: “Wir wollen Workshops für Polizisten und Sozialarbeiter organisieren.” Minkenberg könnte sich vorstellen, dass die Studie später in einen Ländervergleich mündet. Interessant fände er den Umgang mit Rassismus in Frankreich: “Auch dort gibt es eine Verbotsdiskussion.”
Lächerlicher Aufmarsch in Teupitz
TEUPITZ — Reiner Oncken war nicht da. Was hätte den schenkenländischen Amtsdirektor Samstag in sein Büro ziehen sollen? Vielleicht aufzuarbeitende Akten. Wohl kaum die kleine Demonstration und das große Polizei-Aufgebot.
Nur 38 Neonazis protestierten gegen Oncken, weil der ihnen am Volkstrauertag den “Heldenaufmarsch” auf dem Halber Waldfriedhof verwehrte. Mindestens 200 Demonstranten hatte der Hamburger Rechtsextremist Christian Worch angemeldet. Etwa so stark war das Polizeiaufgebot in und um Teupitz.
“Eigentlich hatten wir auf Glatteis gehofft”, so Bürgermeister Karsten Kuhl. Dann hätten sich noch weniger Demonstranten auf dem Marktplatz gesammelt. “Normalerweise ist hier samstags bis elf, zwölf Uhr noch viel Betrieb”, sagte Kuhl. Diesmal kamen kaum Kunden in die kleinen Geschäfte. Sowohl die Jalousien der Eisdiele als auch der Apotheke waren runtergelassen. “Die Leute treffen auch selbst Sicherheitsvorkehrungen”, meinte Kuhl und ging in Richtung “Bohrs Brücke” hinunter zum Teupitzer See.
Auf dem zugefrorenen Gewässer zogen Schlittschuhläufer ihre Kreise. Zur Mittagsstunde läuteten die Glocken der Heilig-Geist-Kirche. Eine halbe Stunde später rissen zwei aufgeschreckte Marktanwohner ihre Fenster auf: Lautsprecherlaut verlas Worch seinen Getreuen die Auflagen der Polizei: Weder Gleichschritt noch Uniformteile waren erlaubt. Folglich durfte niemand Springerstiefel tragen. Also setzte sich der Zug lautlos auf der genau vorgeschriebenen Strecke in Bewegung. Bis zur Sporthalle und nicht weiter. Hier stand eine Polizeikette. Dahinter demonstrierten rund 20 PDS-Anhänger und ‑Sympathisanten. Aus Schöneiche war Tobias Dreher (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) gekommen, “um diesem lächerlichen Aufmarsch was entgegenzusetzen”. Froh darüber, dass es so erbärmlich abgelaufen sei, zeigte sich die PDS-Kreisvorsitzende Karin Weber. Schlimm sei, dass Neonazis zu solchen Aktionen gegen eine Person aufrufen dürfen. Da fehle nicht mehr viel, “und sie schmeißen Andersdenkenden die Scheiben ein.”
Als Worch am Markt zur Abschlussrede ansetzte, war auch Karsten Kuhl wieder da. Neben ihm stand der Groß Köriser Bürgermeister Detlef Roggan, um seinem “Kollegen moralischen Beistand zu leisten.” Erstaunt vernahmen beide Worchs Ankündigung, nächstes Jahr um die gleiche Zeit erneut gegen den Amtsdirektor demonstrieren zu wollen. Dann wird Oncken, der am 30. April 2003 in den Ruhestand geht, wieder nicht da sein.
Der Rückzug von Uta Leichsenring aus der Leitung der »Koordinierungsstelle gegen Extremismus« schlägt Wellen. Die PDS wehrte sich gestern dagegen, dass Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) aus diesem Fall Kapital schlägt. Zuvor hatte die CDU vorgeschlagen, sämtliche Foren und Bünde gegen Extremismus unter der Herrschaft des Innenministers zusammenzufassen. »Dieses Manöver ist durchsichtig und wird von uns entschieden abgelehnt«, sagte PDS-Fraktionschef Lothar Bisky. Er sprach von einer »Wende im Kampf gegen den Rechtsextremismus«, die »dann vollzogen wäre«, und warnte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), »die Zügel nicht endgültig entgleiten zu lassen«. Schönbohm sei ein Rechtspopulist und durchaus imstande, »die Grenze nach rechts zu überschreiten«. Der Minister selbst habe die Zersplitterung des Kampfes gegen Rechtsextremisten betrieben, indem er gegen begründeten Widerstand seinen Präventionsrat installierte, argumentierte Bisky. Doch habe sich einzig das Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus als wirksame Form durchgesetzt, weil es vor Ort eingreife. In der großen Koalition steht man der vorgeschlagenen Zusammenlegung aller Gremien gegen Extremismus indes offen gegenüber. »Wenn Innenminister Schönbohm diesen Vorschlag unterbreitet, bin ich bereit, darüber zu reden«, sagte Bildungsminister Steffen Reiche gestern. Am Vortag war in der CDU-Fraktion der Vorschlag aufgetaucht, das Aktionsbündnis gegen Fremdenfeindlichkeit, die Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und den Landes-Präventionsrat zu vereinen. Bedingung für diese Zusammenlegung ist aus Reiches Sicht, dass der neue Dachverband beim Bildungsministerium angesiedelt bleibt. Als Vorstufe werde erwogen, eine gemeinsame Geschäftsstelle für Aktionsbündnis und Koordinierungsstelle beim Ministerium zu bilden.
NEURUPPIN Die antifaschistische Jugend der Stadt ruft zur Demonstration gegen einen für morgen geplanten NPD-Aufmarsch in Neuruppin auf. “Faschismus in keine Meinung, sondern ein Verbrechen”, heißt es in einem gestern in Umlauf gebrachten Flugblatt mit der Überschrift “Maulkorb für Nazis”. Einen Aufmarsch der Neonazis dürfe die Bevölkerung nicht tatenlos hinnehmen, fordert die Neuruppiner Antifa.
Die NPD hatte zuvor eine Demonstration unter dem Titel “Todesstrafe für Kinderschänder” angemeldet. Die Pressestelle der Neuruppiner Polizeiwache bestätigte auf Anfrage, dass die vom NPD-Kreisvorsitzenden Mario Schulz angemeldete Demonstration zugelassen sei und wie üblich von der Polizei begleitet werde. Mitglieder und Sympathisanten der Partei treffen sich nach Polizeiangaben morgen ab 10.30 Uhr am Bahnhof Rheinsberger Tor. Gegen 11 Uhr wollen sie von dort aus durch die Innenstadt ziehen.
Mit ihrer Forderung nach der “Todesstrafe für Kinderschänder” beziehen sich dei NPD-Kader offenbar auf das am Mittwoch gesprochene Urteil gegen den Gewaltverbrecher Frank Schmökel. Der 41-Jährige war vor dem Landgericht Neuruppin zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt worden, nachdem er bei seiner letzten Flucht aus dem Maßregelvollzug einen Rentner erschlagen und drei Menschen teilweise lebensgefährlich verletzt hatte.
Gerüchte, wonach dei NPD-Demonstration zunächst unter dem Titel “Todesstrafe für Frank Schmökel” angemeldet worden sein soll, wies eine Polizeisprecherin zurück. Im Internet seien solche Slogans zwar aufgetaucht, gestern aber korrigiert worden.
TEUPITZ Neonazis aus ganz Deutschland marschieren am Samstag in Teupitz vor der Amtsverwaltung gegen Schenkenländchens Amtsdirektor Reiner Oncken auf. Das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) hat die Veranstaltung genehmigt, sagte einer der Initiatoren der MAZ.
Sie fordern Onckens Absetzung, weil er ihren “Heldenmarsch” zum Volkstrauertag auf dem Soldatenfriedhof Halbe abgelehnt hatte. Onckens Entscheidung war später vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden, ebenso wie das Verbot des Polizeipräsidiums, das sich auf das Feiertagsgesetz berief. Die Neonazis bezeichnen das als “Willkür”. In Teupitz wollen sie unter dem Motto demonstrieren: Der Soldatenfriedhof gehört dem Volk — setzt Amtsdirektor Oncken ab. Nach Auskunft von Mitveranstalter Lars Jakobs aus Hamburg werden 150 bis 200 Personen erwartet, vor allem aus Norddeutschland und aus der Region. Beginn ist um 12 Uhr auf dem Marktplatz. Von dort marschieren die Neonazis auf einer von der Polizei festgelegten Route durch die Stadt und kehren zum Markt zurück. Um 15 Uhr soll die Veranstaltung beendet sein.
Antifa-Gruppen aus Berlin und aus Königs Wusterhausen haben ihre Anhänger aufgerufen, am Samstag nach Teupitz zu kommen. Eine Gegendemonstration sei aber nicht angemeldet, sagte ein Polizeisprecher. Die PDS ist mit einem Infostand vor Ort, an ihm werden die Neonazis nach der jetzigen Routenplanung vorbeiziehen.
Amtsdirektor Reiner Oncken selbst wird am Samstag nicht in der Stadt sein. Er wolle den Rechtsextremen nicht ein zusätzliches Podium für ihre Aktivitäten bieten, sagte er. Aus diesem Grund haben auch 14 hauptamtliche Bürgermeister und Amtsdirektoren ihr Kommen abgesagt. Sie hatten sich diese Woche in einer gemeinsamen Erklärung mit Oncken solidarisiert und angeboten, ihm am Samstag zur Seite zu stehen. “Das ist nun nicht mehr notwendig. Die Absage hat nichts mit Kneifen zu tun”, sagte Schulzendorfs Bürgermeister Herbert Burmeister.
Der Bürgermeister von Teupitz, Karsten Kuhl, kritisierte unterdessen die Entscheidung des Polizeipräsidiums, den Aufmarsch zu genehmigen. “Das ist keine politische Kundgebung, sondern ein Angriff auf eine Person”, sagte Kuhl. Er sieht “Grundrechte Dritter” gefährdet. Es hätte genug Gründe gegeben, den Aufmarsch nicht zu genehmigen, so das Stadtoberhaupt. In einem Brief an Polizeipräsidentin Winfriede Schreiber hatte er “erhebliche Bedenken” angemeldet, unter anderem wegen der Zufahrten zur Notfall-Klinik und zur Rettungswache. “Ich hoffe, die Polizei weiß was sie tut und trifft Maßnahmen, damit die Sache schnell und geräuschlos vorbei ist”, erklärte Kuhl.
Die Bundeswehr muss nach Ansicht von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) auch zur Gewährleistung der inneren Sicherheit herangezogen werden. Dafür denkbare Bereiche seien Objektschutz, Verkehrsführung oder ABC-Dienst, sagte Schönbohm am Dienstagabend in Lenzen beim Landesreservistentag. Den Bürgern sei nicht zu vermitteln, dass Soldaten nicht eingesetzt werden können, wenn Not am Mann ist. Beim Sturm im Raum Berlin vor wenigen Wochen habe die Bundeswehr wegen fehlenden Katastrophenalarms trotz Anfrage nicht helfen können. Die grüne Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm entgegnete dem Minister, dass ein erweiterter Einsatz der Bundeswehr nicht notwendig sei. Um sie bei katastrophenähnlichen Situationen einsetzen zu können, dafür würden schon heute die Bestimmungen ausreichen.