Frankfurt (Oder) (ddp-lbg). Die Europa-Universität Frankfurt (Oder) startet ein Forschungsprojekt zur rechtsextremen Szene. In dem zum Semesterbeginn beginnenden dreijährigen Vorhaben wird untersucht, wie rechtsradikale Gruppen auf staatliche Repression reagieren, kündigte die Viadrina an. Die Ursachen für die Entstehung rechtsradikaler Bewegungen und Parteien in westlichen Ländern seien inzwischen vielfältig erforscht, sagte Politik-Professor Michael Minkenberg. Dagegen seien die Wirkungen des Drucks auf diese Gruppen bisher kaum untersucht worden.Die zentrale Frage des Projekts sei, wie Rechtsradikale auf Repression reagieren, erläuterte der Professor. Es sei zu erforschen, ob es in der Szene «Lernerfolge» oder aber andere Effekte gibt, die die Wirkungen von Repressionen zunichte machen oder gar umkehren. Die Wissenschaftler wollen dazu rechtsradikale Gruppen in ost- und westdeutschen Städten unter die Lupe nehmen sowie statistisches Material zur Entwicklung von Gewalt und Militanz nach Vereinsverboten in den 90er Jahren auswerten.Das Vorhaben ist eines von 17 Einzelprojekten in einem bundesweiten Uni-Forschungsverbund, der sich mit der «Stärkung von Integrationspotenzialen einer modernen Gesellschaft» befasst. Das Bundesbildungsministerium unterstützt das Projekt mit 220 000 Euro.
Autor: redax
Magdeburg.
Die PDS verlangt eine weitere Aufklärung darüber, wie ein interner Vermerk des Landeskriminalamtes auf eine rechtsextremistische Internetseite gelangen konnte. Die Antwort von Innenminister Klaus Jeziorsky (CDU) auf eine parlamentarische Anfrage sei unzureichend, sagte PDS-Innenexperte Matthias Gärtner gestern in Magdeburg. “Die Geschichte ist damit nicht vom Tisch”. Die PDS werde im Innenausschuss des Landtages weiter umfassende Aufklärung fordern. In der schriftlichen Antwort auf die PDS-Anfrage erklärte Jeziorsky, der fragliche Vermerk beziehe sich auf ein schwebendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Halle. Diese ermittelt gegen mehrere Dutzend mutmaßliche Neonazis wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz. “Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt auch soweit die Veröffentlichung im Internet betroffen ist , wird durch die Landesregierung keine weitere Stellungnahme abgegeben.” In dem Vermerk ist unter anderem erwähnt, dass ein Brandenburger Neonazi als Informant des Brandenburger Landeskriminalamtes tätig gewesen sein soll. Der Mann soll auch nach dem Verbot der Neonazi-Organisation “Blood &Honour (“Blut und Ehre”) für diese aktiv gewesen sein, weshalb er zu dem Personenkreis gehört, gegen den die Staatsanwaltschaft Halle seit längerem ermittelt. In seiner Antwort auf die Anfrage ergänzte Innenminister Jeziorsky, die Landesregierung könne ausschließen, dass in Sachsen-Anhalt V‑Leute des Landeskriminalamtes in der Neonazi-Szene selbst Straftaten begehen oder zu solchen aufrufen.
SchülerInnen vertreten, Demokratie erkämpfen!
25. — 27. 10. 2002
Demokratie in der Schule? Meistens Fehlanzeige! Wie sich SchülerInnen
dennoch Freiräume erkämpfen können, wollen wir in diesem Seminar klären. Wie
man die SV als politisches Streitinstrument nutzt statt Sandkastendemokratie
zu spielen soll anhand rechtlicher Möglichkeiten, Tipps zu Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit, Rhetorik, Aktionsformen und ihrer Organisation, sowie
anhand konkreter Themen wie Notendruck, Gleichberechtigung von Mädchen und
Jungen, Schulsponsoring und Repression aufgezeigt werden. Dazu werden wir
Euch zahlreiche Beispiele erfolgreicher SV-Arbeit vorstellen. Neben
grundsätzlicher Kritik an der Schule im Kapitalismus wollen wir aber auch
über Utopien und Forderungen fü r eine radikaldemokratische,
emanzipatorische Schule diskutieren. Also raus aus dem SV-Alltag, kommt zum
Seminar und legt danach mit frischer Motivation und nützlichen Tricks wieder
richtig los!
Pop-Pop-Populärkultur- Seminar zu Popkultur und Politik
25. — 27. 10. 2002 (neuer Termin!)
Pop ist das, was alle sind und machen und wollen, weichgewaschen und doch
hip. Pop ist gesellschaftsfähig und bekömmlich. Harmlos, unextrem und
unpolitisch? Teil der Normalisierung und Harmonisierung des Extremen? MTV
sendet jugendliche Popkultur in Reinformat. Popkultur ist nicht Subkultur,
aber Subkultur wird stets Popkultur. Ist Popkultur nicht eigentlich eine
kapitalistische Erscheinung? Kann alles zu Popkultur werden — der
Nazi-Kleidungsstil so wie Che Guevara? Kann, was Pop ist, politisch sein?
Wir wollen uns die Geschichte von Popkultur ein wenig genauer ansehen,
ebenso wie Musikvideo und mediale Inszenierungen, die derzeitige
Popgeschichte schreiben. Wir wollen prüfen, ob es im Alltagsbrei der
Modeerscheinungen Chancen für das Aufbrechen von Normen und emanzipatorische
Tendenzen gibt oder ob Popkultur nur immer ein Spiegel des
gesellschaftlichen Mainstreams bleibt. Warum aber benutzt man ihn dann so
gern, um emanzipatorische Inhalte auf Flyern, Plakaten oder ähnlichem
möglichst hip zu vermitteln? Um konsumierbar zu werden und damit schon
wieder angepasst?
Anmeldung zu den Seminaren
Die Veranstaltungsorte für die Seminare stehen noch nicht fest. Bei der Anmeldung bekommt ihr dann Bescheid. Anmeldung und noch mehr Infos im Web oder über:
JungdemokratInnen/Junge Linke Brandenburg
Rosa Luxemburg Strasse 19
10178 Berlin
(tel) 030.247.297.47
Newsletter erschienen
Ein neuer Newsletter der Roten Hilfe Brandenburg ist erschienen. Das 26-seitige Heft enthält Artikel zu Themen aus den letzten Monaten wie zum Beispiel:
— der Verfassungsschutz in Brandenburg
— Das demokratische Versammlungsrecht und dessen repressive Verfolgung
— Rasterfahndung des Brandenburgischen LKA
— Bullenübergriff auf ein Potsdamer
— Dienstaufsichtsbeschwerde nach Naziattacke
— sinnlose Videoüberwachung
— Abschiebeknast Eisenhüttenstadt: in rassistisches bundesweites Knastregime–Konzept eingebunden
— Rechtshilfe-Tipps für Graffiti-SprayerInnen
Die Broschüre kannst Du dir hier herunterladen: Download (pdf-Dokument, 650 KB).
Nur der Schock bleibt
In der vorigen Woche wurde das Urteil revidiert. Die Gubener Hetzjagd gilt nun als »versuchte Körperverletzung mit Todesfolge«. von mariella schwertmüller
Feixende Naziskins blieben ihnen zwar erspart. Doch dafür trafen die Brüder Malik und Kamel Guendoul auf die Anwälte jener Neonazis, die ihren Bruder Farid am 13. Februar 1999 in Guben in den Tod hetzten. Als der fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshofs am Donnerstag der vorigen Woche in Leipzig über die Revision im so genannten Gubener Hetzjagd-Verfahren entschied, ließen die Verteidiger nichts unversucht, dem Opfer die Verantwortung für die Tat ihrer Mandanten in die Schuhe zu schieben.
Auch die Argumentation der Anwälte war stellenweise kaum von den rechtsextremem Propagandalügen über die Vorfälle in Guben zu unterscheiden. So behauptete der Verteidiger des Haupttäters Alexander Bode, sein Mandant habe lediglich aus »Gruppenzwang« und »im Selbstfindungsprozess« Farid Guendoul in den Tod gejagt. Und der Neonazianwalt Wolfram Nahrath vertrat die Ansicht, Farid Guendoul und seine Begleiter hätten sich lediglich ordentlich verhalten müssen, als die Naziskins auf sie zustürmten, dann wäre ihnen auch nichts passiert. Denn es sei schließlich darum gegangen, einen »Schwarzen zu stellen«, sagte Nahrath und betonte, dass er nicht verstehe, warum der Begriff »Neger« vom Gericht missbilligt worden sei.
Die Strategie der Verteidiger nützte nichts. Am Ende der Verhandlung stand ein Schuldspruch, der dem Revisionsantrag der Nebenkläger folgte. Sowohl die Familie Guendoul, die als Nebenklägerin auftrat, als auch die Verteidiger der neun Angeklagten hatten gegen das Urteil des Cottbusser Landgerichts vom November 2000 Revision eingelegt. Den Anwältinnen der Guendouls, Regina Götz und Christina Klemm, ging es vor allem darum, den Schuldspruch der »fahrlässigen Tötung« aus der Welt zu schaffen, mit dem das Gericht den Tod des 27jährigen algerischen Asylsuchenden quasi als Unfall klassifizierte.
Denn »die Angeklagten nahmen den tödlichen Ausgang der Hetzjagd bewusst in Kauf«, sagte Götz. »Sie handelten vorsätzlich.« Deshalb strebten die Anwältinnen »eine Verurteilung wegen Totschlags oder wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge« an. Den Verteidigern ging es hingegen darum, die ohnehin niedrigen Strafen noch weiter zu reduzieren.
Nach dem Richterspruch vom Donnerstag gilt der Tod von Farid Guendoul zwar offiziell als »versuchte Körperverletzung mit Todesfolge«. Auch stellte das Gericht fest, dass alle neun Angeklagten das gleiche Maß an Verantwortung trügen. Doch das Strafmaß wurde nicht mehr geändert.
Während der kurzen mündlichen Verhandlung wurden die Jagdszenen in jener Februarnacht noch einmal geschildert. In den frühen Morgenstunden provozierten Naziskinheads einen Streit mit ausländischen Besuchern einer Diskothek. Es kam zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf ein schwarzer Kubaner erst zu seiner Verteidigung ein Metallstück zückte und schließlich vor dem Mob floh. Die herbeigerufenen Polizeibeamten ließen den Neonazis bei ihrem Versuch, den Schwarzen »zu stellen«, freie Hand. Elf Rechte drängten sich in drei Autos und patroullierten systematisch durch die Straßen, auf der Suche nach Opfern.
Zunächst bekam eine deutsche Frau, die Kontakte zu Migranten unterhält, den Hass der Neonazis zu spüren. Dann bemerkten die jungen Männer Farid Guendoul, der mit zwei anderen Asylsuchenden, Issaka Kaba und Khaled Bensaha, unterwegs war. Einige Verfolger schnitten den drei Asylbewerbern mit ihren Autos den Fluchtweg ab. Die anderen verfolgten sie zu Fuß.
Kaba gelang es, in eine Gaststätte zu flüchten. Bensaha und Guendoul liefen in panischer Angst davon. Ihre Verfolger riefen: »Wir haben euch was mitgebracht, Hass, Hass, Hass! Ausländer raus!« Es war diese Angst, die Guendoul dazu trieb, die gläserne Eingangstür eines Plattenbaus einzutreten. Dabei wurde seine Hauptschlagader verletzt. Nur wenig später verblutete der Algerier im Treppenhaus.
Gutachter stellten fest, dass er wegen der Flucht eine erhöhte Pulsfrequenz hatte, die das Blut stärker durch die Adern pulsieren ließ. Für den Bundesgerichtshof war diese Tatsache der Grund dafür, eine vorsätzliche Tat zu erkennen. Von den Angeklagten sei eine klare Gefahr ausgegangen, und die Reaktion des Opfers sei verständlich. »Dieses Hals-über-Kopf-Verhalten entspricht dem elementaren Selbsterhaltungstrieb des Menschen«, so die vorsitzende Richterin Monika Harms.
Eine neue Verhandlung über die Hetzjagd von Guben wird es dennoch nicht geben. »Der Senat schließt aus, dass heute eine andere Strafe bei einem anderen Richter herauskäme.« Zur Begründung führte Harms einen »erheblichen Zeitablauf« seit der Tat an, der bei Jugendlichen und Heranwachsenden besonders zu beachten sei und in der Regel zu einer milderen Strafe führe.
Keiner der Angeklagten hat bisher wegen des Todes von Farid Guendoul in Haft gesessen, zwei Täter erhielten lediglich Arbeitsstunden als Strafe, andere kamen mit Jugendstrafen auf Bewährung davon. Nur Alexander Bode und Steffen Henze wurden unter Einbeziehung anderer Delikte zu Jugendhaftstrafen verurteilt. So ist es kaum verwunderlich, dass die meisten Angeklagten in den letzten Jahren ihre rechten Schlägerkarrieren fortsetzten.
Bode sitzt derzeit wegen Körperverletzung in Untersuchungshaft. Er bedrohte zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres einen Menschen in Guben mit einer Schreckschusspistole, gegen ihn wird nun wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Er war auch dabei, als Neonazis aus Guben zum wiederholten Mal den Gedenkstein für Farid Guendoul schändeten.
Malik und Kamel Guendoul zeigten am Ende des Prozesses in Leipzig nur Unverständnis für das Urteil. Sie berichten, dass die Eltern der Familie seit dem Tod des Sohnes wie gelähmt seien. »Der Schock hört nicht auf«, sagt Malik leise. Auch Farid Guendouls Begleiter haben immer noch mit dem Trauma jener Nacht zu kämpfen. Hinzu kommt die ständige Ungewissheit darüber, wie lange der Aufenthaltsstatus in Deutschland noch gesichert ist. Und das Gefühl, sich nie wieder sicher auf der Straße bewegen zu können.
opferperspektive
Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt Frankfurt
(Oder)
Opferperspektive e.V., Potsdam
Pressemitteilung vom 17.10.2002
Der Tod des Eberswalder Punks Falko Lüdtke wird erneut verhandelt
Nach beinahe zwei Jahren wird das Verfahren um den Tod von Falko Lüdtke
erneut aufgerollt. Falko Lüdtke war im am 31. Mai 2000 während einer
Auseinandersetzung von dem der rechten Szene angehörenden Mike B. vor ein
Taxi gestoßen worden und verstarb kurze Zeit später an seinen
Verletzungen.
Im Dezember 2000 verurteilte das Landgericht Frankfurt (Oder) den Täter zu
einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, u.a. wegen
Körperverletzung mit Todesfolge. Dieses Urteil wurde auf die Revision der
Verteidigung aufgehoben und in seinem Schuldausspruch geändert. Nach
Auffassung des Bundesgerichtshof (BGH) hatte, dass Landgericht Frankfurt
(Oder) in seinem Urteil nicht ausreichend darlegen können, dass
tatsächlich
eine Körperverletzung vorlag. Der BGH wertete die Tat demgegenüber als
fahrlässige Tötung. Das Landgericht Cottbus nunmehr erneut über das
Strafmaß
entscheiden.
Verhandlungstermin:
Dienstag, 22.10.2002
10.30 Uhr
Landgericht Cottbus, Saal 100
Gerichtsstraße 3–4
Hintergrundinformationen:
Der Tod von Falko Lüdtke: Argumente statt Gerüchte
(www.kamalatta.de/opferperspektive)
Neue Ungereimtheiten um Toni S.
In der Affäre um den aus Cottbus stammenden V‑Mann Toni S. gibt es nach RUNDSCHAU-Recherchen neue Hinweise darauf, dass er aus Geheimdienstkreisen vor Ermittlungen der Cottbuser Staatsanwaltschaft gewarnt wurde.
Ein vom Verfassungsschutz für S. bereitgestellter Computer, der bei einer Durchsuchung im März beschlagnahmt worden war, wies nach RUNDSCHAU-Informationen keinerlei Benutzerspuren auf, obwohl er sich seit Monaten im Besitz des V‑Manns befunden haben soll.
Der Cottbuser hatte nach seiner Festnahme durch die Berliner Polizei im Juli ausgesagt, dass sein V‑Mann-Führer ihn vor Ermittlungen gewarnt habe. Wegen seiner Mitwirkung an Herstellung und Vertrieb einer Neonazi-CD ist Toni S. inzwischen in Berlin angeklagt.
Potsdam — In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend nahm die Polizei zwei tatverdächtige Potsdamer vorläufig fest, die in einem Nachtbus drei ausländische Bürger beschimpft, geschlagen und beraubt haben. Die beiden alkoholisierten Männer (31; 39) sind der Polizei einschlägig bekannt. Sie wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Potsdam am Sonntag dem Haftrichter vorgeführt, der ihre Entlassung aus dem Polizeigewahrsam anordnete. Im Nachtbus der Linie N 17 war es in der Nacht zum Samstag gegen Mitternacht zu einer Auseinandersetzung zwischen den Potsdamern und drei Jugendlichen aus Kenia, Brasilien und Turkmenistan, die alle drei in Potsdam bzw. im Landkreis Potsdam-Mittelmark wohnen, gekommen. Nach ersten Erkenntnissen beschimpften die beiden Potsdamer den Keniaten (17) und den Brasilianer (15) ausländerfeindlich und stießen den 15-Jährigen an der
Haltestelle Schlegelstraße aus dem stehenden Bus. Anschließend schlug der 31-Jährige mit Fäusten auf den Brasilianer ein, woraufhin dieser zu Boden ging und von den Tätern mehrmals getreten wurde. Nachdem sie von ihrem Opfer abgelassen hatten, flüchteten die beiden Potsdamer mit dem Rucksack des Keniaten.
Polizeibeamte konnten die beiden Täter in Tatortnähe stellen. Ein Atemalkoholtest ergab bei dem Jüngeren einen Wert von 2,02, bei dem Älteren 2,21 Promille. Bei den Tätern befand sich der geraubte Rucksack, der dem Besitzer zurückgegeben werden konnte.
ZEHDENICK — “Das Einstiegsalter in die rechte Szene liegt bei elf bis zwölf Jahren”, sagt Margitta Fahr. Die Diplomethnologin und Historikerin weiß, wovon sie spricht. Als wissenschaftliche Begleitung des mobilen Beratungsteams “Tolerantes Brandenburg” steckt sie in der Materie, hat sich jahrelang mit der Szene nicht nur in Brandenburg, sondern weltweit beschäftigt. Sie wird die Elternschule “Gegen Rechts” am Mittwoch, 23. Oktober, von 18.30 bis 21.30 Uhr im Zehdenicker Jugendklub “Bumerang” moderieren. Bei der Veranstaltung geht es vor allem um “Codes” Rechtsradikaler, die so verschlüsselt sind, dass sie nur geschulten Augen auffallen.
So laufen Jugendliche häufig mit der augenscheinlich harmlosen T‑Shirt-Aufschrift “I believe in 14 words” herum oder einfach nur mit einer 14 als Aufdruck. Allerdings haben die 14 Worte eine rechtsextreme Bedeutung. Im englischen Original stammen sie vom amerikanischen Rechtsextremisten David Lane und bedeuten: “Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder sicherstellen.” Ähnlich verhält es sich mit der Ziffer “88” auf Shirts. Der achte Buchstabe des Alphabets ist ein H. Die Doppelacht steht für “HH”, was allgemein für “Heil Hitler” steht. So gibt es weitere Zeichen und Symbole, die nur in der Szene oder von szenekundigen Leuten entschlüsselt werden können.
Mit der Elternschule soll Erwachsenen das Wissen um rechtsextremistische “Codes” vermitteln. Der Jugendklub will versuchen, Mitmenschen dort zu sensibilisieren, wo noch weithin Unwissenheit herrscht. Nicht zuletzt wendet sich das Angebot an Eltern, die mehr über Fallstricke wissen wollen, über die ihre Kinder stolpern könnten.
RATHENOW Schon die Beweisaufnahme war nicht alltäglich. Im Gerichtssaal war ein Fernsehapparat aufgestellt worden. Auf Weisung der Vorsitzenden eines Jugendschöffengerichts, der Amtsgerichtsdirektorin van Lessen, wurden Videoaufnahmen gezeigt, die von einem Polizeikommando in der Silvesternacht des Jahres 2000/2001 aufgenommen worden waren.
Auf dem Monitor war der Kreuzungsbereich Berliner Straße/Brandenburger Straße in Rathenow in nächtlicher Straßenbeleuchtung erkennbar. Deutlich hörbar und zu sehen war eine Gruppe von Menschen, die lautstark “Deutschland den Deutschen, Ausländer raus” grölten.
Die Gruppe bewegte sich recht ungeordnet Richtung Brandenburger Straße, die Parole wurde mehrfach gebrüllt. Dann waren Bilder mehrerer Polizei-Einsatzwagen zu sehen. Die Gruppe wurde gestoppt, die Namen und Adressen der Beteiligten von den Ordnungshütern erfasst.
Polizeivideo als Beweismaterial
Als Resultat der Auswertung dieser Aufnahmen kam es zur Klageerhebung. Der Staatsanwalt beschuldigte den 17-jährigen G., den 19-jährigen D., den 21-jährigen K. und den 19-jährigen S., durch ihr Verhalten in dieser Silvesternacht, Volksverhetzung begangen zu haben.
Unstrittig war bereits vor der Beweisaufnahme, dass aus dieser Gruppe, zu der alle Beschuldigten gehörten, diese Parole gebrüllt worden war. In der Verhandlung gab allerdings nur S. zu, an dem Gebrüll beteiligt gewesen zu sein.
Kamera war ab 18 Uhr in Betrieb
Der Angeklagte D. schwieg zu den Tatvorwürfen, die beiden anderen Angeklagten bestritten, diese Parole geschrieen zu haben.
Gestützt wurde der Tatvorwurf indes durch die Aussage der Zeugin B. Sie führte aus, dass sie als Polizeiangehörige in einer Gruppe mit der Aufgabe betraut war, den Kreuzungsbereich in der Silvesternacht durchgehend ab 18Uhr mit der Videokamera zu überwachen. Dies geschah aus einer leer stehenden Wohnung im 3.Stock eines Wohnhauses in diesem Bereich.
Gegen 1 Uhr des neuen Jahres seien aus einer Menschenansammlung die besagten Parolen gebrüllt worden. Daraufhin habe sie diese Gruppe mit der Videokamera gefilmt. Die Aufnahmen wurden dann als Beweismittel dem Gericht übergeben. Die Polizistin ließ keinen Zweifel daran, dass alle vier Angeklagten zu der Gruppe gehörten, aus der die Parolen skandiert worden waren.
Freiheitsstrafen beantragt
In seinem Schlussplädoyer beantragte der Staatsanwalt, alle Beschuldigten wegen bewiesener Volksverhetzung zu verurteilen. Dafür möge das Gericht für D., K. und S. Freiheitsstrafen zwischen zwei bis vier Monaten und einem Jahr aussprechen. Für den Angeklagten G. hielt er eine Geldstrafe von 200Euro für angemessen. Der Verteidiger dieses Beschuldigten hatte für seinen Mandanten Freispruch beantragt.
Sehr gründlich setzte sich das Gericht in seiner Urteilsbegründung mit den Wirkungen der Parole “Deutschland den Deutschen, Ausländer raus” auseinander. Es befand, dass diese Parole Ausdruck einer feindlichen Haltung gegen eine freiheitliche Gesellschaft sei. Besonders die Forderung “Ausländer raus” ziele darauf ab, andere Menschen zu beeinflussen und zu entsprechendem Handeln zu animieren.
In Rathenow besonders schwer
Das Gericht hob hervor, dass es gerade in Rathenow in der Vergangenheit wegen einer latenten Ausländerfeindlichkeit des Öfteren zu zahlreichen kleineren und größeren Übergriffen gekommen sei. Vor diesem Hintergrund wiege die Tat um so schwerer.
Unter Berücksichtigung recht unterschiedlicher Vorstrafen der Beschuldigten und ihres Lebenswandels seit dieser Straftat erging folgendes Urteil: Alle Angeklagten sind der Volksverhetzung schuldig. G. wird verwarnt. Er hat eine Geldstrafe von 200Euro zu zahlen. D. wird gleichfalls verwarnt. Ihm wird auferlegt, 60 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Mit dem gleiche Strafmaß wurde K. bedacht. S. erhielt unter Einbeziehung von zwei ergangenen Urteilen aus den Jahren 2001 und 2002 eine Jugendstrafe von acht Monaten. Der Vollzug ist auf Bewährung ausgesetzt.