Weitere CDs mit rechtsextremistischem Inhalt stehen auf der Verbotsliste.
Die 7 Scheiben mit Titeln wie “Rachefeldzug” und “Radio Wolfsschanze” dürfen
nicht mehr an Kinder und Jugendliche verkauft werden, teilte das Potsdamer
Innenministerium mit. Damit habe Brandenburg 2004 die Indizierung von bisher
66 CDs und 2 DVDs bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
beantragt. Unterdessen wurde bekannt, dass die Neonazi-Gruppe Märkischer
Heimatschutz (MHS) am Wochenende eine Berliner Sektion gegründet hat. Der
MHS sei nach der NPD die zweitstärkste rechtsextremistische Organisation in
der Mark, berichtete die Berliner Zeitung. In Berlin gebe es 2.400
Rechtsextreme. Sie seien aber anders als Brandenburg nicht straff
organisiert.
Kategorie: Uncategorized
Rechtsextreme Länderfusion
(Tagesspiegel, Jörn Hasselmann) Berliner und Brandenburger Rechtsextremisten wollen enger zusammenarbeiten. Der „Märkische Heimatschutz“ (MHS), eine 2001 in der Uckermark gegründete Gruppe, vermeldet im Internet, am vergangenen Wochenende eine „Berliner Sektion“ gegründet zu haben. Nach eigenen Angaben will der MHS in Berlin massiv plakatieren und Flugblätter verteilen, aber auch „Jugendarbeit in den Kiezen“ betreiben. Nach Angaben des Berliner Verfassungsschutzes wollen die Berliner Rechten von der guten Logistik und Organisation des MHS profitieren – und die Brandenburger treibe es einfach in die Hauptstadt, hieß es. Neu ist die Kooperation nicht, so ist der MHS kürzlich mit der Berliner Gruppe „Alternative Südost“, eine der beiden aktivsten Neonazi-Organisationen der Stadt, in Oranienburg aufgetreten. Auch bei der letztlich verbotenen NPD-Demo im Wedding wollte der Märkische Heimatschutz teilnehmen, die gute Zusammenarbeit zwischen MHS und NPD ist bekannt.
Wie viele Rechtsextremisten die Berliner MHS-Sektion bilden, konnte der Verfassungsschutz nicht sagen, in ganz Brandenburg sollen es nur 35 Mitglieder sein. Als Kopf der Gruppe gilt Gordon R. aus Eberswalde. Die Polizei hatte 1999 und im Oktober 2003 die Wohnung des Mannes durchsucht und seinen Computer beschlagnahmt. Ihm wurde vorgeworfen, Daten von Polizisten und Journalisten gesammelt zu haben. Das Brandenburger Landeskriminalamt konnte gestern auf Anfrage nichts zum Stand der Ermittlungen sagen.
In den 90er Jahren hatte sich Gordon R. im Streit von der Berliner NPD getrennt und war später ausgeschlossen worden. Deshalb hieß es gestern auch beim Verfassungsschutz: „Mal sehen, wie lange die neue Einigkeit besteht.“
Neues gibt es auch bei der Berliner NPD. Wie gestern in einem Teil der Auflage berichtet, ist der bekannte Neonazi Michael Regener, Sänger der Band Landser, im Berliner NPD-Landesverband als Mitglied aufgenommen worden. Regener, in der rechten Szene als „Luni“ bekannt, genießt geradezu Kultstatus wegen seiner volksverhetzenden Texte. Die Berliner Polizei hatte einen angekündigten Auftritt Regeners bei der NPD-Demo in Wedding als Argument benutzt, die Kundgebung zu verbieten. Bislang soll Regener nur einfaches Mitglied des mit 150 recht schwachen Landesverbandes der NPD zu sein.
Im Dezember 2003 war Regener vom Berliner Kammergericht zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden, das Gericht hatte „Landser“ als kriminelle Vereinigung eingestuft und Regener als ihren Rädelsführer. Doch er ist weiterhin auf freiem Fuß: Regener hatte Revision eingelegt. Das Urteil ist deshalb nicht rechtskräftig.
Potsdam (dpa) Erneut sind CDs mit rechtsextremistischem Inhalt auf Antrag
aus Brandenburg auf die Verbotsliste gesetzt worden. Die sieben Scheiben mit
Titeln wie “Rachefeldzug” und “Radio Wolfsschanze” dürfen nicht mehr an
Kinder und Jugendliche verkauft werden, wie das Potsdamer Innenministerium
am Donnerstag mitteilte. Damit habe Brandenburg in diesem Jahr die
Indizierung von insgesamt 66 CDs und 2 DVDs bei der Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Medien beantragt.
“Die Rechtsextremisten bedienen sich zunehmend der Musik, um junge Leute
anzulocken”, warnte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Die vom
Landeskriminalamt entdeckten CDs stammen nicht alle aus Brandenburg, sondern
wurden beispielsweise im Internet gefunden.
Bei den aufgespürten CDs lasse sich nicht immer feststellen, wo eine CD
entstanden ist, sagte ein Ministeriumssprecher. “Der größte Teil dürfte aber
zumindest von der Idee her deutscher Provenienz sein.” Oft würden die
Scheiben im Ausland gepresst. Die Ermittler des Landeskriminalamts seien bei
Einsätzen in Brandenburg und bei Nachforschungen im Internet auf die
rechtsextreme Musik gestoßen.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Neonazi-Gruppe Märkischer Heimatschutz
(MHS) am Wochenende eine Berliner Sektion gegründet hat. Der MHS sei nach
der NPD die zweitstärkste rechtsextremistische Organisation in der Mark,
berichtete die “Berliner Zeitung”. In der Hauptstadt gebe es 2400
Rechtsextreme. Sie seien aber im Gegensatz zu Brandenburg nicht straff
organisiert.
Hinter Gittern sitzt seit gestern ein 19-Jähriger Cottbuser: Der Rechtsextremist hatte gemeinsam mit zwei anderen Tätern am vergangenen Wochenende im
Stadtzentrum einen 16-Jährigen überfallen (die RUNDSCHAU berichtete). Gegen
einen weiteren Mann, 20 Jahre alt, wurde ebenfalls Haftbefehl erlassen. Auf
Weisung der Staatsanwaltschaft wurde ein Dritter wegen geringer
Tatbeteiligung vorläufig aus dem Polizeigewahrsam entlassen.
Nach Auskunft von Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Rupieper erging der
Haftbefehl wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung. Der
gestern inhaftierte Mann sei im Februar schon einmal verurteilt worden. Zur
Tatzeit am Sonnabend habe er unter Alkoholeinfluss gestanden. «Ihn erwartet
eine Haftstrafe im Rahmen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.» Der
zweite Beteiligte, gegen den die Staatsanwaltschaft Haftbefehl beantragte,
halte sich derzeit an unbekanntem Ort auf — die Polizei sucht nach ihm. Der
Dritte habe das Opfer nur einmal angerempelt, sei deshalb von der Polizei
vorläufig entlassen worden.
Für Polizeisprecher Berndt Fleischer ist der Vorfall ein Beispiel «für die
zunehmende Verrohung unter Jugendlichen» : Die Täter, junge Männer aus der
rechtsradikalen Szene, hatten den Jugendlichen geschlagen, getreten und
schließlich auf ihn uriniert, als er am Boden lag. Zehn weitere Jugendliche
schauten unbeteiligt zu, nur ein Mädchen erklärte sich später zur
Zeugenaussage bereit — für Fleischer eine schockierende Tatsache. «Heute hat
doch fast jeder Jugendliche ein Mobiltelefon, mit dem er kostenfrei den
Polizeinotruf alarmieren kann. Das wäre auch in diesem Fall richtig
gewesen.»
Als Indiz für das Erstarken der Rechtsextremen wertet Martina Münch vom
Cottbuser Aufbruch den Überfall. «Das ist sicher keine Einzeltat.» Zwar sei
das dreiste Vorgehen der Schläger, ihr Opfer am helllichten Tag und vor
Zeugen zu verprügeln, ungewöhnlich. Drohungen und Rempeleien rechtsradikaler
Täter seien aber permanent zu beobachten. Bedenklich findet Münch das
Verhalten der umstehenden Jugendlichen, die dem Opfer weder halfen noch die
Polizei riefen. «Die Jugendlichen verhalten sich nicht anders als der Rest
der Gesellschaft.» Die meisten Leute würden wegsehen, wenn in ihrer Umgebung
jemand Opfer von Gewalttaten wird. «Wir hatten nach den letzten Fällen in
Cottbus gehofft, dass ein Stimmungswandel eingetreten sei» , sagt Münch
bedauernd. Um so wichtiger sei es nun, dem Opfer und anderen Jugendlichen zu
zeigen, dass sie nicht allein sind. Der Cottbuser Aufbruch wolle zur Familie
des 16-Jährigen in den nächsten Tagen Kontakt aufnehmen, um ihr Mut zu
machen. Dazu müsse aber auch eine wirkungsvolle Verfolgung der Täter
einsetzen. «Verschweigen bringt solche Vorfälle nicht aus der Welt.»
Es geschehe immer wieder, dass Zeugen eingeschüchtert werden — diese
Beobachtung macht Amtsgerichts-Direktor Wolfgang Rupieper. Oft passiere es,
dass eine Aussage zurückgezogen werde, weil die Zeugen Drohanrufe erhielten
oder zerstochene Reifen an Auto oder Fahrrad vorfänden. Viele Jugendliche
hätten Angst und würden Plätze meiden, an denen sich rechte Schläger
treffen. «Für uns ist es dann schwer, die Taten nachzuweisen» , sagt
Rupieper. «Ohne Zeugen lässt sich eine Tat vor Gericht nicht
rekonstruieren.» Aussage stehe so gegen Aussage — der Täter werde
schließlich auf freien Fuß gesetzt. «Diese Gruppen schaffen sich einen
rechtsfreien Raum» , befürchtet der Amtsgerichts-Direktor. «Wir sind auf
Zeugen angewiesen.» Um Aussagewillige vor Verfolgung durch den rechten Mob
zu schützen, könnten die Strafverfolger Zeugen eine gewisse Anonymität
zusichern.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg veranstaltete bereits im Mai dieses Jahres ein Informationsseminar für afghanische Flüchtlinge in Brandenburg. Bei dem Seminar haben sich einige Teilnehmenden entschieden, auch weiterhin zusammenzuarbeiten und ein Informationspool für afghanische (Flüchtlings-) Politik zu schaffen und die Interessen afghanischer Flüchtlinge an die Öffentlichkeit zu bringen.
Anfang des Monats hat sich eine kleine Gruppe zusammengefunden, um eine zweite Veranstaltung für Afghanen zu organisieren. Am 23. Oktober um 15:00 Uhr im „Haus der Begegnung“ in der Gutenbergstr. 100, in Potsdam gibt es ein zweites Brandenburger Treffen von afghanischen Flüchtlingen, wozu Sie alle herzlich eingeladen sind.
Die Vorbereitungsgruppe, die sich Anfang des Monats traf, würde gerne dieses Treffen nutzen, eine afghanische Flüchtlingsinitiative zu gründen. Dazu sollten sich möglichst aus allen Regionen Brandenburgs Vertreter finden, die für die Informationsverteilung in den eigenen Landkreisen verantwortlich wären.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg und die Teilnehmenden der ersten Vorbereitungsrunde würden sich sehr freuen, wenn Sie zahlreich zu dem Treffen am 23. Oktober erscheinen können. Diese Einladung ist ausdrücklich auch an die afghanischen Frauen gerichtet, die bei der Gründung einer afghanischen Flüchtlingsinitiative nicht fehlen dürfen.
Moderation: Simone Tetzlaff, Netti Omorodion
Ort: Haus der Begegnung, Gutenbergstr. 100,
14467 Potsdam
Datum: Samstag, den 23.10.2004, 15 Uhr
Ermittlungen nach Skinheadparty
Sicherheitsdirektor: “Ich schicke meine Leute nicht in eine Schlacht, von der feststeht, dass ich sie verlier.”
(Der Standard) Krumbach/Feldkirchen – Ungestört von der überraschten Exekutive konnten sich vergangenen Samstag in Krumbach/Bregenzerwald 450 Skinheads bei einem entlegenen Ferienheim zu einem Konzert treffen. Bei der Veranstaltung, die der Gemeinde nicht angezeigt wurde, kam, wie berichtet, eine 23-jährige Frau aus München ums Leben. Sie stürzte über eine ungesicherte Böschung in einen Bach und ertrank. Nun wird gegen Vermieter und Veranstalter ermittelt.
“Solche Leute wollen wir nicht”
Bürgermeister Arnold Hirschbühl ist entsetzt, dass sein Dorf zum Glatzentreff wurde. Nie hätte er die Veranstaltung genehmigt, sagte er zum STANDARD: “Wir hätten Auflagen gemacht, das Konzert hätte nicht stattfinden können.” Nachsatz: “Solche Leute wollen wir nicht im Dorf.” Hirschbühl kann freilich nicht ausschließen, dass der Ferienheimvermieter “eine etwas andere Meinung hat”.
Gendarmerie zahlenmäßig unterlegen
Die Gendarmerie hatte “keine Rechtsmittel einzugreifen”, sagt Sicherheitsdirektor Marent. Und war der rechten Invasion auch zahlenmäßig unterlegen. Marent: “Ich schicke meine Leute nicht in eine Schlacht, von der feststeht, dass ich sie verlier.”
Aufregung um eine Veranstaltung mit rechtsextremen Hintergrund herrscht auch in Kärnten. In Feldkirchen hält die Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) dieses Wochenende ein Treffen ab, das für Demonstrationen sorgt. Die laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) als “rechtsextremistisch” bezeichnete AFP hält ihre jährliche Politische Akademie bereits zum zweiten Mal in der lange freiheitlich und jetzt wieder rot konvertierten Bezirksstadt ab.
Rechte “Kaliber”
Dem DÖW zufolge sollen einige “starke Kaliber” des deutsche Rechtsextremismus auf dieser geschlossenen Veranstaltung im Hotel German referieren. Darunter etwa der Vorsitzende des Märkischen Heimatschutzes (MHS), Gordon Reinholz, der samt seinen Vorstandsmitgliedern unter besonderer Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes steht. Dieser hatte bei mehreren Hausdurchsuchungen bei Vorstandsmitgliedern 2002 sogar Waffen, Bombenanleitungen sowie “Umsturzpläne” gefunden.
Mit dabei als Vortragende sind unter anderem auch der berüchtigte “Führer” der rumänischen Neofaschisten “Claudiu Mihutiu” sowie Proponenten des deutschen Rechtsextremismus wie Carsten Beck, Günter Decker oder der Österreicher Herbert Schweiger, “graue Eminenz” des österreichisch-deutschen Rechtsextremismus.
Trotz heftiger Proteste von Grünen und Teilen der Kärntner SPÖ konnte die Veranstaltung nicht verhindert werden. “Es gibt laut Versammlungsgesetz keine Möglichkeit eines Verbots”, bedauert der Feldkirchner Bezirkshauptmann Dietmar Stückler. Laut Kärntner Sicherheitsdirektion, Verfassungsschutz und Innenministerium gäbe es keine Überschreitung des Verbotsgesetzes. Grüne und Junge SPÖ wollen in Feldkirchen nun friedlich dagegen protestieren.
“Märkischer Heimatschutz” schickt Personal, Geld und Aufkleber
Die offizielle Politik kommt mit der geplanten Länderfusion Berlin-Brandenburg nicht voran. Die Neonazis sind da schon weiter. Die zersplitterte rechte Szene Berlins will sich künftig aus Brandenburg helfen lassen. Davon gehen Beobachter aus. Denn der so genannte Märkische Heimatschutz (MHS) hat am vergangenen Wochenende eine Berliner Sektion gebildet. Der vor drei Jahren gegründete MHS ist in Brandenburg neben der NPD die zweitstärkste Organisation von Rechtsextremisten. Die Polizei beobachtet diese Entwicklung nach eigenen Angaben “mit Argusaugen”. Der Verfassungsschutz wertet dies als Versuch der Brandenburger rechten Szene, mehr Einfluss auf die Berliner Kameradschaften zu erlangen.
Tatsächlich, heißt es in den Reihen des MHS, solle “ein fester Kern von Aktiven geformt und langsam erweitert” werden. Berlin solle demnächst mit Propaganda-Material “zugepflastert” werden. Zudem wolle sich die Berliner Sektion verstärkt der Jugendarbeit in den Kiezen widmen. “Unseren Kameraden in Berlin steht jetzt das volle Volumen des Märkischen Heimatschutzes zur Verfügung”, sagt der aus Eberswalde stammende MHS-Chef Gordon Reinholz.
Die Sicherheitsbehörden nehmen diese Ankündigungen ernst. Im Vergleich zu Berliner Kameradschaften sind die Brandenburger nämlich straff organisiert. “Der MHS betreibt eine breite Öffentlichkeitsarbeit, um seine Vorstellungen von einem nationalen Sozialismus zu propagieren”, heißt es im Brandenburger Verfassungsschutzbericht. Die Brandenburger verfügen über mehr Geld als die Berliner und haben sogar eine eigene Druckerei. So soll das Hetzblättchen “Märkischer Bote” nun auch als “Berliner Bote” in einer Auflage von mehreren tausend Exemplaren alle zwei Monate verteilt werden. “Jetzt können wir schnell mal tausende Aufkleber herstellen lassen. Eine kleine Kameradschaft muss für 500 Stück lange sparen”, sagt ein Berliner, der sich am Aufbau der MHS-Strukturen beteiligt.
Klaus Gäth vom polizeilichen Staatsschutz sieht der Entwicklung dennoch “relativ ruhig” entgegen. “Wir wissen, was die machen”, sagt er. “In Berlin kann die Polizei außerdem ganz anders agieren als im Flächenstaat Brandenburg.” Nach seinen Worten arbeiten Berliner und Brandenburger Neonazis schon länger zusammen.
Bisher waren in Berlin vor allem die Lichtenberger Kameradschaft Tor und die Berliner Alternative Südost aktiv, die sich auf Treptow konzentriert. Andere Kameradschaften existieren nicht mehr, etwa die ebenfalls kiezbezogene Kameradschaft Reinickendorf. Dass die Berliner Neonaziszene insgesamt zwar unkoordinierter ist, bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht dreister geworden ist — vor allem in den vergangenen Monaten: Im August marschierten Rechte, von der Polizei unbehelligt, durch das Brandenburger Tor. Auch damals waren MHS-Mitglieder dabei. Einige Tage später veranstalteten die Neonazis — wieder gemeinsam mit MHS-Leuten — in Spandau unter freiem Himmel eine Gedenkveranstaltung für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß. Der wegen Volksverhetzung verurteilte Sänger der Band Landser produzierte mit anderen Bands nun sogar eine Sampler-CD, auf der ein Berliner Polizeiführer als “Nazijäger” verspottet wird.
(LR) Drei junge Männer aus der rechtsradikalen Szene überfallen einen 16-jährigen
Cottbuser, werfen ihn zu Boden, treten auf ihn ein, einer von ihnen uriniert
auf den Körper des Opfers. Zehn weitere Jugendliche schauen zu, ohne
einzugreifen oder die Polizei zu alarmieren. Tatort: die Stadtpromenade, am
vergangenen Sonnabend um 17 Uhr.
Er erweckt den Eindruck, als könnte er immer noch nicht fassen, was ihm
passiert ist. Marcel L. steht am Spielplatz hinter der Hochhausscheibe an
der Stadtpromenade. Mit einem Arm zeigt er ins Gebüsch. “Hier ist es
geschehen.”
Die Vorgeschichte: Bereits am Dienstag traf er an diesem Platz einen der
späteren Täter und sagte zu ihm: “Verpiss dich.” Der junge Mann gehöre
nämlich zur rechtsradikalen Cottbuser Szene, und mit Rechten, sagt Marcel
L., wolle er nichts zu tun haben. Dieses “Verpiss dich” brachte sein
Gegenüber offenbar in Rage. Am Sonnabendnachmittag saß Marcel L. mit zehn
weiteren Jugendlichen auf dem Spielplatz, als der andere wieder aufkreuzte -
dieses Mal mit zwei Begleitern. “Sie sagten zu mir, ich solle mitkommen.”
Der 16-Jährige erklärt, vier Meter von der Bank am Spielplatz entfernt habe
ihm einer der Männer ins Gesicht geschlagen. Sie hätten ihm die Jacke
ausgezogen, ihn gegen einen Baum gestoßen und gerufen: “Knie nieder.” Einer
der Täter habe ihn daraufhin mit seinen Stiefeln zu Boden gedrückt und auf
ihn eingetreten, ein zweiter habe seine Hose geöffnet und auf den am Boden
Liegenden uriniert. “Als ich wieder aufstehen sollte, rannte ich einfach
davon, nach Hause” , sagt Marcel L. Als er am gleichen Abend ins Krankenhaus
kam, stellten die Ärzte bei ihm Prellungen am Schädel, am Knie und an den
Unterschenkeln fest.
Niemand rief die Polizei
Andere Jugendliche, die am Spielplatz saßen, bestätigen seinen Bericht. Doch
niemand von ihnen half ihm, niemand holte die Polizei, niemand will seinen
Namen nennen. Nur ein Mädchen kam als Zeugin mit zur Erstattung einer
Anzeige. Warum schritt keiner ein” “Ich werde mich nicht dazwischenhängen” ,
sagt ein 17-Jähriger, der die Tat beobachtete, gegenüber der RUNDSCHAU, “ich
mische mich nicht in Sachen ein, die mich nichts angehen.” Warum rief keiner
die Polizei” “Wenn man die anruft” , erklärt ein Mädchen, “kriegt man von
diesen Leuten selbst eins auf die Schnauze.”
Die Mutter des Opfers, eine 36-jährige Hausfrau, hatte davor offenbar keine
Angst. Sie fuhr noch am Sonnabend zur Stadtpromenade, kurz nach dem
Überfall, um die Täter zur Rede zu stellen. “Zuerst haben sie gelacht und
gesagt, sie hätten mit dem Überfall nichts zu tun. Als ich ihnen sagte, dass
wir Anzeige erstattet haben, rief einer: ‚Dann gehe ich eben noch mal in den
Knast, aber wenn ich wieder rauskomme, könnt ihr was erwarten.′”
Politischer Hintergrund
Gestern ermittelte die Cottbuser Kriminalpolizei die drei Tatverdächtigen:
einer 22 Jahre alt, die anderen 19 Jahre. Der Staatsanwalt prüft, ob er
einen Haftantrag stellen wird. Polizeisprecher Berndt Fleischer sagt: “Alle
drei sind uns von vorherigen Straftaten bekannt. Sie bezeichnen sich selbst
als rechts, sind geständig und bestätigen, die Tat habe einen politischen
Hintergrund.” Marcel L. wiederum sagt von sich: “Ich bin weder rechts noch
links. Ich will mich bloß von solchen Typen fernhalten.” Die Jugendlichen,
mit denen er an diesem Sonnabend am Spielplatz saß, sieht er inzwischen in
einem anderen Licht als früher: “Einige von ihnen stammen aus meiner Schule.
Freunde sind das nicht.”
“Die Stadt und das Lager”
(MAZ, Jan Simon) ORANIENBURG Die Häftlinge waren in der Stadt präsent, die Häftlingstransporte führten ab
1936 zunächst mitten durch Oranienburg, später vom Bahnhof Sachsenhausen aus
durch die SS-Siedlungen und Wohngebiete. Was wussten die Menschen vor Ort?
Wie haben sie sich dazu verhalten? Gab es in der Diktatur Spielräume? Wie
sahen sie aus, wie wurden sie genutzt? “Die Stadt und das Lager, Oranienburg
und das KZ Sachsenhausen” heißt die neue Dauerausstellung, die am 23.
Oktober im Turm E der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen eröffnet
wird.
Das Thema bewegt sich zwischen zwei extremen Positionen. Die eine Seite:
“Wir wussten nichts, konnten nichts wissen. Da waren Mauern.” Es ist das
Verstecken hinter der Propaganda der SS, die Häftlinge seien doch alle
Schwerverbrecher gewesen.
Die andere Seite: “Das muss man doch gesehen haben.” Oder die Frage, die ein
niederländischer Besucher in das Besucherbuch der Gedenkstätte schrieb:
“Schlief Europa?”
Beide Positionen kommen der Wirklichkeit nicht nah, sagt Horst Seferens,
Sprecher der Gedenkstätte. Auch die Ausstellung liefert 60 Jahre danach
keine eindeutigen Antworten. Es werden Verhaltensweisen, aber auch
Spielräume aufgezeigt, wo mit Zivilcourage sehr mutig auch gegen den Strom
gehandelt wurde.
Die Historikerin Andrea Riedle, die zwei Jahre als wissenschaftliche
Volontärin in der Gedenkstätte arbeitete, hat die Ausstellung vorbereitet.
Aus vielen Zeitzeugengesprächen hat sie zehn Interviews zu Hörspielen mit
filmischen Sequenzen zusammengestellt. In acht Hör- und Sehräumen, die im
Turm E durch eine Treppe miteinander verbunden sind, werden diese Filme zu
sehen sein. Hinzu kommen einige wenige Exponate. Wie ein Holzspielzeug, das
vermutlich russische Häftlinge einer Oranienburgerin für ihren Sohn
zugeworfen hatten — als Dank für heimlich zugesteckte Lebensmittel. Oder ein
Landschaftsgemälde eines französischen Häftlings im Außenlager Heinkel aus
Flugzeuglack, das dieser einem Zivilarbeiter aus Dank für dessen heimliche
Hilfe übergab.
Die Besucher sollen nach Möglichkeit einzeln die “Hörspiele” auf sich wirken
lassen. Und so Antworten auf die Frage suchen: Wie hätte ich mich verhalten?
Es seien die drei Themen “Abgrenzung”, “Überschneidung”, “Verschmelzung”,
die aufgearbeitet werden, erklärt Riedle weiter den Ausstellungsansatz.
Abgrenzung durch die Propaganda. Die SS versucht zunehmend das Lager von der
Stadt abzugrenzen. 1937/38 werden Mauern gebaut. Ab 1938 ist dort, wo das
Lager ist, auf dem Stadtplan nur noch Wald eingezeichnet. Die Abgrenzung ist
jedoch brüchig, auch von der nahen Wohnsiedlung aus eröffnet sich weiter der
Blick auf den Appellplatz.
Die Berührungspunkte sind die Gefangenentransporte. Die Zwangsarbeiter sind
in der Stadt präsent, ab 1938 im Kanalisationsbau, dann in der
Rüstungsindustrie, unter anderem bei Auer und Heinkel.
Verschmelzung beschreibt Riedle am Beispiel der Oranienburger
Standesbeamten. Bis 1942 verwalten sie den Tod in dem Lager mit. Sie
registrieren bis zu 900 Todesfälle mit fingierten Todesursachen. Dann wird
in dem Lager ein eigenes Standesamt eingerichtet. Von 1936 bis 1945 gab es
in Sachsenhausen insgesamt 200 000 Häftlinge. Die höchste Belegungsphase im
Hauptlager zum Schluss: 35 000 Menschen sind es.
Ende des Antifaschismus?
Die neue Ausgabe der ravensbrückblätter befaßt sich mit der Zukunft der Mahn- und Gedenkstätte
(jW, Cristina Fischer) Die geplante Umgehungsstraße um Fürstenberg wird nicht über das Gelände des ehemaligen Frauen- KZ Ravensbrück oder am Jugendlager Uckermark vorbei geführt, berichten die von der Lagergemeinschaft Ravensbrück/ Freundeskreis e.V. herausgegebenen ravensbrückblätter in ihrer Herbstausgabe. Die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr wird von der Lagergemeinschaft, die seit Jahren gegen entsprechende Pläne der Kommune gekämpft hat, begrüßt.
Zur Zukunft der Gedenkstätte befragte die Redaktion überlebende Ravensbrückerinnen wie Esther Bejarano, Lisl Jäger, Charlotte Kroll, Elisabeth Kunesch und Annette Chalut (Frankreich). Im Gegensatz zur Gedenkstättenleitung hofft Lisl Jäger, »daß die von den Nationen gestalteten Gedenkräume im Zellenbau erhalten bleiben«. Barbara Reimann fürchtet um den Bestand der zum Teil aus DDR-Zeiten stammenden Ausstellungen. Sie meint, diese würden »nur so lange noch bestehen« bleiben, »wie wir noch leben«. Von mehreren Zeitzeuginnen wird der von den Verantwortlichen ebenfalls abgelehnte Wiederaufbau einer KZ-Baracke gefordert, um Besuchern die Lebensbedingungen der Inhaftierten zu veranschaulichen.
Zur Entwicklung der Gedenkstätte seit 1992 und zukünftigen Planungen äußert sich die derzeitige Direktorin Sigrid Jacobeit, wobei sie den Eindruck vermittelt, als habe die Arbeit der Gedenkstätte erst nach dem Ende der DDR begonnen. Nicht erwähnt wird, daß die neue Gedenkstättenkonzeption eine harsche ideologische Abrechnung mit der DDR-Geschichte und dem »verordneten Antifaschismus« beinhaltet. Jacobeits Statements lassen auf eine geplante Entpolitisierung der Gedenkstätte schließen. Psychologisierende Ansätze sollen offenbar in der Auseinandersetzung mit dem Faschismus breiten Raum erhalten: »Das Handeln hier mit seinen Spielräumen ist mehr als gut und böse, mehr als Mensch und Unmensch.« Der Mensch werde »mit seinen lustvoll ausgeübten Unzulänglichkeiten bis zu den kannibalischen Anlagen auf der einen Seite und den vielfältigen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschlichseins (…) auf der anderen Seite« vorgestellt. Das empathische Nachdenken über dieses Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Syndrom solle »Bestandteil eines Konzepts der Menschenrechtsbildung/ Menschenrechtserziehung« in Ravensbrück werden, so Jacobeit. In diesem Sinn sei die Kooperation mit dem Berliner Institut für Menschenrechte geplant. Die zukünftige Konzeption der Gedenkstätte enthält offensichtlich nicht einmal mehr das Wort Antifaschismus: Es gehe darum, »daß Menschenwürde und Menschenrechte als Grundwerte des Zusammenlebens im €päischen Deutschland vermittelt und geachtet werden«.
Weitere Beiträge erinnern an den 60. Todestag der in Ravensbrück ermordeten kommunistischen Widerstandskämpferin Katja Niederkirchner und stellen die in Berlin lebende österreichische Antifaschistin Lisl Jäger vor, die dieser Tage 80 Jahre alt geworden ist.
ravensbrückblätter Nr. 120 (Sept. 2004) zu beziehen über Lagergemeinschaft Ravensbrück, Postfach 360349, 10973 Berlin, bzw. per E‑Mail.