Am 8. Januar wird vor dem Landgericht in Neuruppin das Strafverfahren gegen fünf Männer aus Wittstock und Heiligengrabe beginnen. Sie sind angeklagt, im Mai in Alt Daber den jungen Aussiedler Batesov mit einem Feldstein erschlagen zu haben. Bei zwei der Angeklagten, 20 und 21 Jahre alt, könnte das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen, wie der Sprecher des Landgerichtes, Frank Jüttner, gestern sagte. Einer der beiden könnte vermindert schuldfähig sein. Im Falle einer Verurteilung müssen sie mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen. Von den drei Erwachsenen sind zwei wegen Totschlages angeklagt. Ihnen drohen bei einer Verurteilung Freiheitsstrafen von fünf bis 15 Jahren. Dem dritten Erwachsene wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er kann mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis 15 Jahren rechnen. Für das Verfahren sind zunächst zehn Verhandlungstage angesetzt.
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In Gedenken an den küzlich aufgedeckten Mord dreier Nazis an dem 16-jährigen Schüler Marinus Schöberl demonstrierten am Sonnabend rund 150 AntifaschistInnen in Potzlow. EinwohnerInnen beteiligten sich an der Aktion nicht — Zuvor hatten viele von ihnen geäußert, unbedingt keine Antifademo in ihrem Ort haben zu wollen. Eine immer wieder auftauchende Begründung lautete: “Wir haben kein Problem mit Rechts. Die sind ja alle im Knast.”
In einem Redebeitrag äußerte unter anderem eine Sprecherin der Antifa Uckermark Kritik an der akzeptierenden, offenbar konzeptlosen Jugendarbeit im nur wenige hundert Meter entfernten Strehlow. Dort verkehrten auch die Mörder. Auch die Antifa Aktion Berlin hielt einen Redebeitrag gegen akzetierende Jugendarbeit mit Rechten. Nach Strehlow ging dann auch die Antifademo, nach einer Abschlußkundgebung am örtlichen Jugendklub machten die Antifas sich auf, um (im 10 Kilometer entfernten) Prenzlau erneut zu demonstrieren.
Durch viele hinzukommende einheimische Jugendliche verdoppelte sich die Anzahl der DemonstrantInnen auf rund 300. Gerüchteweise versuchten einige Nazis die Demo zu fotografieren, zu größeren Zwischenfällen kam es jedoch nicht. Eine Rednerin der Brandenburger Flüchtlingsinitiative erklärte auf englisch, dass Flüchtlinge im Land Brandenburg ständig rassistischer Diskriminierung und faschistischer Gewalt ausgesetzt seien. Sie wüssten, dass die Gründe dafür, die dahinterstehenden Ideen, diesselben seien, die auch die Mörder von Marinus Schöberl zu ihrem Handeln motivierten. Auf der Bahnfahrt zur Demo waren die Brandenburger Flüchtlinge übrigens rassistischen Beschimpfungen von einigen Nazis ausgesetzt.
Auffallend war, dass unter den Demonstrations-TeilnehmerInnen unterschiedliche Standpunkte zum Verhältnis zur Bevölkerung auszumachen waren. Einige sprachen von einer “Odyssee in eine trostlose, braune Gegend” in der nichts zu erreichen sei, andere riefen PassantInnen Parolen zu, wie zum Beispiel “Leute, lasst das glotzen sein, reiht euch in die Demo ein”. Das Verhältnis von angereisten Antifas zu denen, die aus der Uckermark kommen lag schätzungsweise bei 50:50.
Ein umfangreicherer Bericht sowie Fotos zu den Demos folgen in den nächsten Tagen auf dieser Seite.
Der Mord an dem 16-jährigen Schüler Marinus S. ging durch die Schlagzeilen und die Gesellschaft zeigt ihre übliche Hilflosigkeit in puncto Rechtsextremismus.
In den Schlagzeilen der seriösen und der weniger seriösen Presse war das Tatmotiv scheinbar klar. Marinus wurde ermordet, weil seine Täter aus dem rechtsextremen Spektrum in ihm einen Hip-Hopper sahen. Also einen Repräsentanten einer Jugendkultur, die sich als eine der wenigen Subkulturen bisher weitestgehend immun gegen rechtsextreme Vereinnahmungen erwiesen hat. Damit war den drei direkt an der Tat Beteiligten ihr Opfer ein vermeintlicher Linker. In der Regel bezeichnen Rechte solche Jugendlichen herabwürdigend als “Zecke”.
Nur am Rande werden aber die Worte gemeldet, die im Vorfeld des Mordes fielen: “Er sähe aus wie ein Jude”, so sinngemäß.
Aber genau mit dieser Zuschreibung, im Kontext der Situation durchaus antisemitisch konnotiert, stellten sich die Täter selbst den Freibrief zu einem Mord, der in seiner Durchführung nicht nur grausam, sondern unmenschlich war. Mit der Stigmatisierung als “Jude” sprachen die Neo-Nazis ihrem jugendlichen Opfer, dass ihnen durchaus kein Fremder war, das Lebensrecht ab. Hier äußert sich ein Antisemitismus, der mörderischer nicht sein kann und der die realen Juden nicht benötigt. Den Tätern reicht das Phantasma, die Wahnvorstellung.
Der jugendliche Hip-Hopper galt seinen Mördern als “undeutsch” und was gilt nazistischen Antisemiten als weniger “deutsch” als ein Jude? Der antisemitische Wahn braucht die Wirklichkeit nicht so wie sie ist. Er lebt geradezu von deren Verzerrung. Die pathische Projektion (Adorno), also eine Projektion, die jeder Möglichkeit zu Selbstreflexion und Wirklichkeitsüberprüfung beraubt ist und deren Opfer Marinus S. geworden ist, ist kein Problem psychopathischer Einzelfälle.
Sie verweist auf eine Gesellschaft, die den Antisemitismus strukturell immer wieder aufs Neue hervorbringt. Daher rührt denn auch die zwangsläufige Hilflosigkeit in der Bekämpfung des Phänomens. Solange die Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft, beziehungsweise hier der deutschen Nation, essentialisiert werden und nicht zur Disposition stehen, solange bleibt der Antisemitismus zwangsläufig virulent.
Alle, selbstverständlich notwendigen, Aktionen zu dessen Bekämpfung können so bestenfalls Atempausen verschaffen. Die Duldung der Möllemannschen Ausfälle seitens der FDP, oder die autoritäre Rebellion eines gutbürgerlichen Mobs in Berlin während einer Straßenrückbenennung in Jüdenstraße, zeigen die Verortung des Antisemitismus in der gesellschaftlichen Mitte.
Potzlow (ddp-lbg)
Unter dem Motto «Potzlow ist überall — dem rechten Konsens entgegentreten» haben linksgerichtete Gruppen aus Berlin und Brandenburg am Samstag im uckermärkischen Potzlow gegen Rechtsextremismus in der Region demonstriert. Die Kundgebung verlief friedlich, die Polizei sprach allerdings gegen zwei ortsbekannte Rechte Platzverweise aus.
Hintergrund für Demonstration und Kundgebung ist der Mord an dem Jugendlichen Marinus Schöberl, dessen Leiche Mitte November in einer Güllegrube in Potzlow gefunden worden war. Die rund 150 Demonstranten kritisierten mit ihrer Aktion außerdem die ihrer Ansicht nach Rechtsextremisten-freundliche örtliche Jugendarbeit. Zudem gebe es in der Uckermark Diskriminierung von Flüchtlingen, Obdachlosen und Aussiedlern sowie «linker Jugendlicher». Am späten Nachmittag sollte es eine weitere Demonstration gegen Rechts im uckermärkischen Prenzlau geben.
Das Jugendzentrum im Potzlower Nachbardorf Strehlow toleriert nach Ansicht der «Antifa Aktion Berlin» Rechtsradikale und ist inzwischen zum Anlaufpunkt für Neonazis aus der gesamten Region geworden. Auch zwei der mutmaßlichen Mörder seien dort häufig gewesen, heißt es im Demonstrationsaufruf. Der Leiter des Mobilen Beratungsteams Brandenburg, Wolfram Hülsemann, verteidigte hingegen die Arbeit des Jugendzentrums. Es sei zwar «offen für alle, die sich den Regeln des Hauses stellten, aber keine Anlaufstelle für rechtsextreme Jugendliche». In dem Haus hörten Jugendliche keine rechtsextrem Musik und trügen auch keine Kleidung mit verfassungsfeindlichen Symbolen. Die Mitarbeiter wahrten und gestalteten in «qualifizierter Weise» die demokratischen Werte.
Nazi-CDs in Trebbin sichergestellt
Am Freitag wurde die Polizei wegen Ruhestörung aus einer Wohnung in Trebbin gerufen. In der Wohnung trafen die Beamten vier alkoholisierte Männer an. Die Polizei stellte 17 MCs und 3 CDs. Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich vorwiegend um indiziertes Liedgut der Gruppen “Störkraft”, “Landsturm” und “Screwdriver”, an den Wänden befanden sich u.a. Hakenkreuze. Anzeigen wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wurden aufgenommen
POTSDAM Rolf Wischnath scheint seinen Frieden mit Jörg Schönbohm gemacht zu haben — zumindest vorerst. Prägte gegenseitige Ablehnung das Verhältnis beider, scheint sich das geändert zu haben, trotz aller bestehenden politischen Gegensätze. Der Cottbuser Generalsuperintendent Wischnath jedenfalls, der auch Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ist, lobt den Innenminister und seinen Kampf gegen den Rechtsextremismus.
Schwierigkeiten hat Wischnath, der sich selbst einen “demokratischen Linken” nennt, nur, wenn Schönbohm seine Auffassungen in der rechtskonservativen “Jungen Freiheit” verbreitet. Das sei für ihn “nicht nachvollziehbar”. Damit habe Schönbohm geschickt, wie Wischnath wiederum glaubt, von Misserfolgen wie dem Fürniß-Rücktritt ablenken können.
Um dem Rechtsextremismus wirkungsvoll zu begegnen, ist aus seiner Sicht weiterhin ein “Dreiklang aus Prävention, Intervention und Repression” aller staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte notwendig, sagte Wischnath gestern vor Journalisten. Er beklagte “Alltagsrassismus” im Land. Pöbeleien, Beleidigungen, ständige Diskriminierungen und Übergriffe seien “fast normal”. Den Rechtsextremismus habe man noch nicht im Griff.
Er warnte davor, den Mord an einem Schüler im uckermärkischen Potzlow politisch zu instrumentalisieren. Sowohl seelische Verwahrlosung der Täter als auch deren rechtsextreme Gesinnung hätten zu dem Verbrechen geführt. Er reagierte damit auf Äußerungen von CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger, die für den vermutlichen Haupttäter von Potzlow einen rechtsextremistischen Hintergrund bestritten und die familiären Verhältnisse verantwortlich gemacht hat.
In Potzlow wiesen klare Indizien darauf hin, dass der Mord rechtsextremistisch begründet war. “Ein Verfall der Werte ist überall erkennbar”, meinte Wischnath. Am häufigsten werde Gewalt in Familien angewandt. “Menschliche Beziehungen scheinen immer häufiger durch Macht und Gewalt und nicht durch Liebe und Zuneigung geprägt zu sein.”
Kritisch äußerte sich Wischnath über das gegenwärtige “Nebeneinander” der bestehenden Initiativen wie Aktionsbündnis und Handlungskonzept “Tolerantes Brandenburg”, das beim Bildungsministerium angesiedelt ist. Das müsse überdacht werden, forderte er. Schon im kommenden Jahr sollte es zu effizienteren Strukturen kommen. Wischnath kündigte an, im Mai 2004 nicht noch einmal für den Vorsitz des Aktionsbündnisses zu kandidieren.
Nach fünf Jahren an der Spitze des Bündnisses könne er darauf verweisen, dass sich etwas in der Gesellschaft getan habe, betonte er. Die Stimmung habe sich verändert. Menschen, die offen gegen Diskriminierungen auftreten, könnten inzwischen eher hoffen, Unterstützung zu finden und nicht nur betretenes Wegsehen.
Wischnath hat auch einen Vorschlag, wer den neuen Verdienstorden des Landes Brandenburg als Erster bekommen sollte: der Pfarrer Hans Siebmann aus Köln. Der 71-Jährige habe sich schon zu DDR-Zeiten Verdienste um die Unterstützung des Kirchenkreises Finsterwalde erworben. Als noch die Mauer stand, habe er sogar Geld in seiner Unterhose in die DDR geschmuggelt, erzählte Wischnath.
Nach Potzlow
„Wir werden von unserem Weg, dass Politik außer im Fach Politische Bildung, nichts in der Schule zu suchen hat, nicht abgehen.“ Steht in der Märkischen Oderzeitung vom 28.11.2002. Gesagt hat dies Herr Bretsch, Schulleiter der E. Welk- Gesamtschule Angermünde in Reaktion auf erneute rechtsextreme Schmierereien an seiner Schule am letzten Wochenende.
Herr Bretsch hat allerdings noch weitere Funktionen: er sitzt als SPD- Mitglied im Kreistag und ist seit Jahren Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses. Seine Aussage ist deshalb nicht nur Ausdruck eines Klimas von Demokratiefeindlichkeit, Entpolitisierung, Unmündigkeit und Anpassung an vielen Schulen in der Uckermark, sondern symbolisiert ein wichtiges Prinzip von Jugendpolitik hier.
Wer aber ernsthaft nach den Ursachen für die schreckliche Tat in Potzlow suchen will, kann nicht bei allgemeinen Statements über die gesellschaftliche Verantwortung bei der Erziehung und Wertebildung von Jugendlichen stehenbleiben. Hier in der Uckermark kann jeder, der sehen will, einen Standpunkt zur Rolle von Schule und Jugendpolitik bei der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus formulieren. Wir tun dies hiermit:
Sie haben versagt!
Auch wenn Herr Bretsch schon deutlich genug geworden ist, wollen wir unsere Analyse mit weiteren konkreten Fakten untersetzen:
1. In der Uckermark finden in den allermeisten Projekten der Jugendarbeit keine Auseinandersetzungen mit Rechtsextremismus und Rassismus statt. Antirassistische Bildungsarbeit taucht weder in der Jugendhilfeplanung, noch in den Förderrichtlinien des Landkreises auf. Bildungsarbeit mit Jugendlichen macht gerade mal 1% des Fördervolumens aus. Im Rahmen des Landesprogramms „Tolerantes Brandenburg“ geförderte Projekte sind zu oft einmalige Veranstaltungen (fast immer Feste oder Sport), denen mit der Teilnahme schnell heran geholter Asylbewerber das Prädikat „Tolerant und Weltoffen“ umgehängt wird. Sind solche Veranstaltungen wirklich dazu geeignet, bewußt in die gesellschaftliche Diskussion zu Rechtsextremismus einzugreifen, Position zu beziehen, den Betroffenen, die Möglichkeit zu geben, ihre Probleme selbst darzustellen und langfristig Wirkungen in Richtung Selbstorganisation der gesellschaftlichen Akteure zu erzielen? Aber Politik soll ja nicht rein.
2. Engagement von nicht- rechten Jugendlichen wird nicht ernst genommen, nicht selten kriminalisiert und ist schon gar nicht förderwürdig. Einrichtungen der Jugendarbeit werden nur bei fest angestellten Personal finanziell unterstützt, Projekte der Jugendarbeit erhielten 2002 überhaupt keine Zuschüsse durch den Landkreis mehr. Der Ansatz, Interessen, Selbstbestimmung und Engagement gegen Vorurteile, Fremdenangst und Intoleranz von jungen Menschen zu unterstützen, ist weder konzeptionell, noch real im Alltag der Uckermark zu finden. Hauptsache sie fallen nicht auf, konsumieren schön weiter und halten ihren Mund.
3. Statt dessen ist Jugendarbeit in der Uckermark fast ausschließlich konzeptionslos und wertfrei darauf ausgerichtet, Jugendliche zu betreuen. Je nach Ausstattung und Alter der SozialarbeiterInnen bestehen solche Angebote zum Beispiel aus Dart, Billiard, Bar, Kinderdisko, Seidenmalerei oder Töpferkurs. „Offene Jugendarbeit“ heißt das Prinzip, wo alle kommen können, aber trotzdem eine Gruppe dominiert, wo alle akzeptiert werden, auch Nazis und Rassisten und wo die höchste Form der Wertebildung ein Besuch beim BGS ist, wo man dann lernen kann wie man am effektivsten Ausländer jagt.
4. Personalstellen vergibt der Landkreis nur an Sozialarbeiterprojekte nach dem Notnagelprinzip: Hauptsache der Klub bleibt offen und für die ganz großen Problemfälle gibt es einen Sozialarbeiter. Fachliche Standards wie Teamarbeit, Evaluation und Konzeptentwicklung bleiben meist auf der Strecke. Stellen für die Förderung und Begleitung emanzipatorischer und antirassistischer Jugendarbeit gibt es nicht.
5. Die oben genannten Stellen werden mehrheitlich über das 610- Stellen des Landes finanziert. Andere Stellen fördert der Landkreis nicht. Ausdruck der aktuellen Situation ist, dass nicht einmal alle dieser der Uckermark zustehenden Stellen besetzt sind. Weder Landkreis, noch Kommunen oder gar freie Träger sind bereit oder in der Lage diese sowieso schon völlig unzureichende Personaldecke zu verstärken. Irgendwann vor zwei Jahren gab es mal den Vorschlag aus der Kreisverwaltung, die Förderung der Jugendarbeit auf 0 zu setzen. Vielleicht wäre dieser Schritt ehrlicher als das jetzige Notprinzip, dass eine fachliche Arbeit eigentlich unmöglich macht.
6. In Zeiten, wo sich rechtsextreme Orientierungen von Jugendlichen gar zu öffentlich zeigten, probierten sich viele Träger und Projekte in der Uckermark an akzeptierender Jugendarbeit aus. Ohne ausreichendes Fachpersonal, ohne Hintergrundwissen zu rechtsextremen Strukturen und Erscheinungsformen und ohne eigene politische Standpunkte verkehrten sich nicht wenige solcher Projekte in ihr Gegenteil: Sie förderten erst die kulturelle Dominanz rechtsextremer Jugendlicher. Und selbst da, wo eine hervorragende Arbeit dies verhinderte wie in Milmersdorf, konnte akzeptierende Jugendarbeit nicht erfolgreich sein. Denn, wenn das Ziel dieses Ansatzes ist, Jugendliche zurück zu holen in die Gesellschaft, so wäre die Grundvoraussetzung ein gesellschaftliches Klima von Weltoffenheit, Demokratie und Toleranz und das findet man bis heute weder in Milmersdorf und schon gar nicht in Potzlow, Strehlow, Pinnow, Blankenburg oder sonstwo. Die Jugendlichen kamen selbst bei guter Arbeit vom Regen in die Traufe, sprich in ein Klima von Frust, Demokratiefeindlichkeit, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit.
7. Die Situation in Potzlow und im Jugendzentrum in Strehlow unterscheidet sich nicht wesentlich von der eben beschriebenen: Der Versuch akzeptierender Jugendsozialarbeit einschließlich der Einstellung eines rechten Sozialarbeiters, die lange währende kulturelle Dominanz der rechten Szene im Klub, die fehlende Auseinandersetzung mit ihnen und ihren Werten, die finanziellen und fachlichen Probleme und die nicht geförderte Emanzipation nicht- rechter Jugendlicher. Mit welcher Naivität die MitarbeiterInnen dort ganz offensichtlich die Werteentwicklung ihrer Jugendlicher beobachten, haben sie in Interviews selbst dargestellt: „Niemand hätte dem 17- jährigen (Haupttäter) diese brutale Tat zugetraut. Rechtsextreme Vorwürfe rufen nur Kopfschütteln hervor. Er habe nie „Sieg Heil“ gerufen.“ (MOZ vom 20.11.2002) Dann ist ja alles klar. Das sich rechtsextreme Einstellungen schon einige Zeit nicht mehr ausschließlich in äußeren Symbolen dokumentieren, scheint den MitarbeiterInnen völlig entgangen zu sein. Und woher soll sich ein solcher Wertewandel auch kommen, wenn Schule und Jugendarbeit der Meinung sind, Politik gehöre da nicht hin und Erziehung sei etwas wertfreies.
Das sich heute Jugendliche in der Uckermark trotzdem gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren und dies auch nach außen zeigen passiert nicht wegen, sondern trotz der Jugendpolitik hier!
Antifa Uckermark, 28.11.2002
Linke Gruppen rufen zu Demonstrationen in Potzlow und Prenzlau auf
Potzlow (ddp-lbg). Linke Gruppen aus der Uckermark und aus Berlin rufen für Samstag zu Demonstrationen in Potzlow und Prenzlau auf. Unter dem Motto «Potzlow ist überall — dem rechten Konsens entgegentreten» wollen sie gegen Rechtsextremismus in der Region auf die Straße gehen. Hintergrund ist der Mord an dem 17-jährigen Marinus Schöberl, dessen Leiche Mitte November in einer Jauchegrube in Potzlow gefunden worden war.
Die Protestkundgebungen richten sich zudem gegen die Jugendarbeit vor Ort. Das Jugendzentrum im Potzlower Nachbardorf Strehlow toleriere Rechtsradikale und sei inzwischen zum Anlaufpunkt für Neonazis aus der gesamten Region geworden, heißt es in dem Aufruf der «Antifa Aktion Berlin». Auch zwei der mutmaßlichen Mörder seien dort häufig gewesen.
Das Bildungsministerium wies diese Darstellung entschieden zurück. Es lägen keine Informationen vor, die Zweifel an der fachlichen Qualität der Arbeit in dem Jugendclub rechtfertigen würden, teilte ein Sprecher in Potsdam mit.
Das Mobile Beratungsteam Tolerantes Brandenburg erklärte, das Jugendhaus in Strehlow arbeite mit professioneller Fachlichkeit und «geradezu beispiellosem Engagement» (siehe hierzu: Erklärung der Antifa Uckermark). Eine Demonstration gegen dieses Haus käme einer Demonstration «gegen einen Hort demokratischer und selbstbestimmter Jugendarbeit» gleich.
Marinus Schöberl war am 12. Juli in Potzlow brutal misshandelt und ermordet worden. Die Täter vergruben den Toten in einer ehemaligen Jauchegrube auf einem früheren LPG-Gelände. Jugendliche aus Potzlow entdeckten dort vor knapp zwei Wochen Leichenteile. Als mutmaßliche Täter wurden zwei 17-Jährige und ein 23-Jähriger festgenommen. Die beiden Jüngeren legten ein Geständnis ab.
Kommentar: Die Potzlower sind am Zug
(Andreas Wetzel) Die Stimmung ist aufgeheizt. Antifaschistische Gruppen aus Berlin und Prenzlau trommeln für eine Demo an diesem Sonnabend in Potzlow, dem Ort des schrecklichen Verbrechens an Marinus Schöberl.
In den Demo-Aufrufen wird Potzlow wie die ganze Uckermark als brauner Sumpf dargestellt. Da stellt sich sogar die brandenburgische PDS — gewiss nicht im Verdacht, mit Rechten zu sympathisieren — gegen die Berliner Genossen, die die Aktion mit organisiert haben. Verhindern wird das den Aufmarsch nicht, der auch zum Jugendzentrum in Strehlow führen soll, in dem Opfer wie Täter verkehrt haben sollen. Das wird in Internetforen der linken Szene bereits als “Hitlerjugend-Zentrum” bezeichnet. Hoffentlich eskaliert die Lage dort nicht.
Und die Potzlower? Sie müssen aufpassen, dass ihr Entsetzen über die Tat nicht von anderen politisch ausgeschlachtet wird. Dazu gehört allerdings auch, dass sie künftig nicht mehr als normal hinnehmen, wenn ihre Dorfjugend kahlgeschoren und in Springerstiefeln fremdenfeindliche Parolen von sich gibt. Den Mord an Marinus müssen die Menschen in Potzlow in erster Linie allein verarbeiten.
Wischnath: Fremdenfeindlichkeit ist im Land “fast normal” — Und die meisten Menschen schauen weg
Potsdam (ddp-lbg). Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind in Brandenburg nach Ansicht des Generalsuperintendenten Rolf Wischnath weiterhin an der Tagesordnung. Pöbeleien, Beleidigungen, permanente Diskriminierung und tätliche Übergriffe seien in den Städten und Dörfern «fast normal», kritisierte der Vorsitzende des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit am Freitag in Potsdam. Brandenburg habe die Situation noch nicht im Griff. Zudem würden die meisten Menschen wegsehen und schweigen.
Je mehr sich rechtsextreme Ideologien in den Köpfen festsetzten, desto größer werde «die Gefahr der brutalen Ausgrenzung derjenigen, die da nicht hineinpassen». Dies habe der Mord an Marinus Schöberl in Potzlow gezeigt. Zwischen den Mördern des 17-Jährigen und der NPD gebe es eine «Schnittmenge», den Rechtsextremismus mit seiner Ablehnung des Fremden und seiner Ideologie von der Ungleichwertigkeit der Menschen, betonte Wischnath.
Es wäre allerdings zu kurz gesprungen, den Mord in Potzlow nur unter dem Aspekt des Rechtsextremismus zu sehen. Ebenso spiele seelische Verwahrlosung der Täter eine Rolle. Ein Verfall der Werte sei überall in Europa erkennbar, betonte Wischnath. Konflikte würden «mit größter Selbstverständlichkeit» mit Gewalt gelöst. Am häufigsten komme Gewalt in Familien vor. Menschliche Beziehungen schienen immer häufiger durch Macht und Gewalt statt Liebe und Zuneigung geprägt zu sein.
Das Problem Rechtsextremismus dürfe nicht auf gewaltbereite Jugendliche reduziert werden, forderte Wischnath. Die Beschränkung auf diese Gruppe führe dazu, dass sich die meisten Bürger zurücklehnten und glaubten, damit nichts zu tun zu haben. Der Ausgangspunkt liege jedoch nicht bei den jungen Straftätern, sondern komme aus der Mitte der Gesellschaft.
Die Stimmung in Brandenburg habe sich in den vergangenen Jahren allerdings verändert, betonte Wischnath. Wer offensiv gegen Diskriminierungen von Mitmenschen auftrete, könne inzwischen auf Unterstützung hoffen und erlebe nicht mehr nur betretenes Wegsehen oder heimliche Schadenfreude. In den Kommunen gebe es inzwischen rund 150 Koordinatoren gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. Zudem hätten sich lokale Initiativen gebildet.
Rechte Parolen an der Schulwand
Angermünde (os) Mit Hakenkreuzen und rechten Parolen wurde am vergangenen Wochenende die Gesamtschule “Ehm Welk” in Angermünde beschmiert. In der Nacht von Sonnabend zu Sonntag hatte der Wachschutz die großflächigen Symbole und “Heil-Hitler”-Schriftzüge entdeckt und die Polizei alarmiert.
Die Täter waren mit Bauschaum vorgegangen und besprühten damit vor allem die Türen des Schulgebäudes. Außerdem verklebten sie auf gleiche Weise absichtlich die Schlösser des Hauses. Auch an einem in der Nähe parkenden Pkw von Anwohnern wurden Beschädigungen festgestellt. Die Polizei nahm noch in der Nacht die Ermittlungen wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole auf. Nach Angaben von Polizeisprecher Burkhard Heise laufen die Untersuchungen des Kommissariats für besondere Delikte auf Hochtouren. Ein
Tatverdächtiger steht noch nicht fest. “Der Hauptansatz ist wahrscheinlich im Schulbereich zu suchen”, so Burkhard Heise. “Es könnte sich durchaus um einen Racheakt oder ähnliches handeln.” Das vermutet auch Schulleiter Frank Bretsch, der noch in der Nacht gemeinsam mit dem Hausmeister versuchte, die Türen zu reinigen. “Ich denke, dass es sich bei den üblen Schmierereien um eine Reaktion auf schulinterne
Festlegungen und Gesetzlichkeiten handelt, die alles, was mit rechts- oder linksextremen Einstellungen zu tun hat, unterbinden sollen.” So sei beispielsweise das Tragen von Armeekleidung und Springerstiefeln generell verboten. In diesem Jahr habe es noch keine Auseinandersetzungen
diesbezüglich gegeben. Der Vorfall wurde bereits unter den Lehrern ausgewertet. “Wir werden von unserem Weg, dass Politik außer im Fach politische Bildung, nichts in der
Schule zu suchen hat, nicht abgehen”, so Frank Bretsch. Auch mit den Schülern wolle man bei Bedarf sprechen.
In der Nacht von Montag zu Dienstag tauchten in der Seelenbinderstraße in Angermünde an einer Hauswand ebenfalls zwei mit Kreide angebrachte Hakenkreuze auf. Ob ein Zusammenhang zwischen beiden Straftaten besteht, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesagt werden. Die Polizei bittet eventuelle Zeugen, sich auf der Angermünder Wache zu melden.
Potzlow ist überall!
Dem rechten Konsens entgegentreten!
Mit großer Trauer haben wir vom grausamen Tod des 16- jährigen M.S. aus Gerswalde erfahren müssen. Unsere Anteilnahme gilt den Freunden und Angehörigen.
In unsere Trauer mischt sich aber auch Wut!
Wut über eine erneute rechtsextreme Gewalttat in der Uckermark. Es hätte jeden treffen können und es hat schon viel zu viele getroffen, die nicht in das Weltbild der selbsternannten Herrenmenschen passen.
Wir sind wütend darüber wie wenig in der Uckermark bis heute die Normalität rechtsextremer Dominanz wahrgenommen, geschweige denn in Frage gestellt wird. Eigentlich sind die Orte beliebig auswechselbar: Dedelow, Warnitz, Gollmitz, Grünow, Pinnow, Brüssow, … Potzlow. Es wundert uns auch nicht, das wieder einmal ein Dorffest Ausgangspunkt der schrecklichen Gewalttat war. Solche Dorf- und Stadtfeste sind in der Uckermark fast überall “No go areas” für Fremde, Flüchtlinge oder linke Jugendliche, ohne das dies die Verantwortlichen interessiert.
Es macht uns wütend, wenn in der gleichen Woche, in der diese Tat bekannt wurde, der Innenminister des Landes Brandenburg, Schönbohm, in einem Interview mit der rechtsextremen “Jungen Freiheit” von einem Zusammenhang zwischen “Dem Kampf gegen Rechts” und der Zahl rechtsextremer Gewalttaten faselt- Engagement gegen Rechtsextremismus befördert also solche Taten!? Es ist dieses gesellschaftliche Klima von Ignoranz, Verharmlosung, Intoleranz und Rassismus, in dem immer neue Tätergenerationen überall in der Uckermark aufwachsen und sich als Teil des gesellschaftlichen Konsens fühlen können.
Nicht zuletzt fragen wir uns, was noch passieren soll, damit Jugendpolitik in der Uckermark endlich aufhört, “die Jungs von der Strasse holen zu wollen” und sie zu akzeptieren, statt sich mit ihnen auseinanderzusetzen und jugendkulturelle Alternativen zu fördern.
Wir wollen Trauer, Entsetzen und Wut Raum geben und laden deshalb alle AntifaschistInnen der Region ein
Samstag, 30.11.2002
13.00 Uhr Kundgebungen in Potzlow und Strehlow (Treffpunkt in Potzlow)
15.00 Uhr Demonstration in Prenzlau (Treffpunkt am Bahnhof)
Dem rechten Konsens entgegentreten! Für eine antifaschistische Jugendkultur!
Anreise von Berlin aus