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Potsdamer AStA gegen Studiengebühren

Pots­dam. Der All­ge­meine Studieren­de­nauss­chuss (AStA) der Uni­ver­sität Pots­dam hat sich gegen Stu­di­enge­bühren ausgesprochen.

„Wir hal­ten Stu­di­enge­bühren in keinem Fall für eine sin­nvolle Möglichkeit zur Hochschul­fi­nanzierung“, erk­lärte der Ref­er­ent für Hochschulpoli­tik, Malte Clausen, gestern in Pots­dam. Es beste­he die Gefahr, dass Gelder nicht in die Hochschulen, son­dern in die Staatskasse fließen oder staatliche Zuschüsse gekürzt wer­den. Zudem wür­den Stu­den­ten aus sozial schwachen Fam­i­lien benachteiligt.
Bran­den­burgs Wis­senschaftsmin­is­terin Johan­na Wan­ka (CDU) hat­te in einem Gespräch gesagt, dass Stu­di­enge­bühren in der Mark langfristig nicht auszuschließen seien. So kön­nten etwa 30 Mil­lio­nen Euro zusät­zlich in die Kassen der drei Uni­ver­sitäten, fünf Fach­hochschulen und der Hochschule für Film und Fernse­hen fließen. Für die näch­sten Jahre schloss Wan­ka die Ein­führung von Stu­di­enge­bühren allerd­ings aus. 

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Fragezeichen”-Prozess mehr als zweieinhalb Jahre nach der Tat

Am 14.Mai 2005 über­fie­len etwa 20 Per­so­n­en den Jugend­club “Frageze­ichen” in Cot­tbus-Sach­sendorf. Die Angreifer ver­let­zten mehrere Besuch­er ein­er dort stat­tfind­en­den Ver­anstal­tung und zer­störten Mobil­iar und Musikinstrumente.

Am 09.01.2008 um 9:00 wird am Landgericht Cot­tbus das Ver­fahren gegen Heiko L und Felix L. eröffnet. Den bei­den jun­gen Män­nern wird vorge­wor­fen, am Angriff beteiligt gewe­sen zu sein.

Im Jugend­club “Frageze­ichen” sollte am 14. Mai 2005 eine
Infor­ma­tionsver­anstal­tung zum The­ma Recht­sex­trem­is­mus mit
anschließ­den­dem Konz­ert stat­tfind­en. Gegen 17 Uhr ver­langten zwei bekan­nte Recht­sex­trem­is­ten Ein­lass, der ihnen ver­wehrt wurde.

Unmit­tel­bar darauf stürmten ca. 20 zum Teil ver­mummte und mit Schlagstöck­en bewaffnete Per­so­n­en den Club. Nach weni­gen Minuten flüchteten die Angreifer und hin­ter­ließen ein Bild der Ver­wüs­tung. Das ziel­gerichtete Han­deln und die Bewaffnung der Täter sprechen für einen geplanten Überfall.

Die Umstände der Tataus­führung und die Bru­tal­ität der Angreifer entset­zten damals nicht nur die anwe­senden Besuch­er des Jugend­clubs. Es wurde eine aus Staatss­chutz und Krim­i­nalpolizei beste­hende Ermit­tlungs­gruppe gebildet, die schon bald Tatverdächtige aus dem recht­en Milieu ermittelte. 

Doch erst im Jan­u­ar 2007 erhob die Staat­san­waltschaft Cot­tbus Anklage gegen 12 Per­so­n­en, denen Lands­friedens­bruch, gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung und Nöti­gung vorge­wor­fen wird. Bis die Hauptver­hand­lung am Landgericht nun eröffnet wird, ist ein weit­eres Jahr ver­gan­gen. Statt gegen 12 wird gegen lediglich zwei Per­so­n­en der Prozess eröffnet. Beide
hat­ten bei den polizeilichen Vernehmungen ihre Tat­beteili­gung gestanden.

Einem der Angeklagten wird darüber hin­aus vorge­wor­fen, wenige Tage vor dem Über­fall in einem Lin­ien­bus einen Inder ras­sis­tisch belei­digt und geschla­gen zu haben. Dies ist eben­falls Gegen­stand der Ver­hand­lung vom 09.01.2008.

Dass zwis­chen Tat und Prozesseröff­nung mehr als 2 1/2 Jahren vergin­gen, ist nicht nachvol­lziehbar. Die Betrof­fe­nen hat­ten die Hoff­nung schon fast aufgegeben, dass die Täter zu Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den. Ob sich nach so langer Zeit das Tat­geschehen zufrieden­stel­lend rekon­stru­ieren lässt, ist fraglich. Den­noch ist es wichtig, dass eine solche Tat nicht
ohne Kon­se­quen­zen bleibt. Das würde ein falsches Sig­nal sowohl an die Täter als auch an die Geschädigten senden. Wir hof­fen daher, dass sich alle am Über­fall Beteiligten noch vor Gericht ver­ant­worten müssen, nicht nur Heiko L. und Felix W., gegen die am 09.01.2008 ver­han­delt wird.

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Mutmaßliche Potsdamer Neonazis „geoutet“

(Hen­ri Kramer)

(31.12.2007)
Eine neue Inter­net­seite gegen Neon­azis aus der linken Szene Pots­dams sorgt bei Recht­sex­trem­is­mus-Experten für ern­ste Bedenken. Denn um der recht­en Szene in der Lan­deshaupt­stadt „etwas ent­ge­gen­zuset­zen“, hat eine bis­lang unbekan­nte Pro­jek­t­gruppe unter dem Namen „Out­ing Pots­dam“ eine Home­page pro­gram­miert, auf der 25 volle Namen, Wohnorte und Bilder von mut­maßlichen Szene­größen aus der Region zu find­en sind. Zu den unbear­beit­eten Bildern – vor­wiegend aufgenom­men bei recht­sex­tremen Aufmärschen – kom­men Ein­schätzun­gen wie „großmäulig und aggres­siv“ oder „mehrfach vorbe­straft wegen Gewaltdelikten“.

Trotz des offen­bar großen Rechercheaufwands find­et Wol­fram Hülse­mann die Aktion „als all­ge­mein nüt­zliche Ver­fahrensweise nicht empfehlenswert“. Hülse­mann ist Leit­er des demos-Insti­tuts für Gemein­we­sens­ber­atung, das in Bran­den­burg die Mobilen Beratung­steams gegen Recht­sex­trem­is­mus koor­diniert. Er habe großen Respekt vor dem „demokratis­chen Engage­ment“ von etwa der Pots­damer Antifa, sagt Hülse­mann. Doch würde ein Ver­fahren der „öffentlichen Zurschaustel­lung“ wie bei „Out­ing Pots­dam“ in jedem Kon­flikt genutzt, könne schnell eine „Pogrom­stim­mung“ entste­hen – auch mit gewalt­samen Fol­gen. „Es kön­nte sich eine Energie auf­schaukeln, die große Teile der Gesellschaft abschreckt und vom demokratis­chen Engage­ment gegen Recht­sex­trem­is­mus abhält“, warnt Hülsemann.

Dies sehen die Pro­gram­mier­er der neuen Seite offen­bar anders. „Mit­tels Recherc­hear­beit“ sei das Pro­jekt ins Leben gerufen wor­den, „weil wir nicht länger zuse­hen wollen, wie sich recht­sex­treme Struk­turen in unser­er Stadt und unseren Kiezen fes­ti­gen“. Ziel sei es, „mit unserem Mate­r­i­al eine Grund­lage für antifaschis­tisch inter­essierte Men­schen vor Ort zu schaf­fen und ihnen so eine inten­si­vere Arbeit zu ermöglichen.“ Eine regelmäßige Aktu­al­isierung der Seite „nach bestem Wis­sen“ wird eben­so angekündigt, dazu kommt ein Aufruf, selb­st Mate­r­i­al zu schick­en: „Werdet kreativ und zeigt den Nazis in und um Pots­dam was ihr von ihnen hal­tet! Fight Fascism!“

Nicht nur Recht­sex­trem­is­mus-Experten wie Hülse­beck war­nen vor solchen Aufrufen. Die Fol­gen solch­er Veröf­fentlichun­gen – die auch schon rechte Grup­pen gegen Linke einge­set­zt hät­ten – seien schw­er abzuschätzen, sagt Wolf­gang Brandt. Er ist Sprech­er beim Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um, das dem Ver­fas­sungss­chutz vorste­ht. So habe es in Bran­den­burg bere­its Beispiele gegeben, dass dem „Out­ing“ von Recht­sex­tremen auch Straftat­en fol­gten: Erst im Mai habe das Auto eines „Geouteten“ in Frank­furt (Oder) gebran­nt, nach­dem dieser im März in einem Online-Mag­a­zin namentlich genan­nt wurde. Allerd­ings seien Inter­net-Out­ings ohne echte Gewal­taufrufe strafrechtlich ohne Rel­e­vanz. So bleibe es den auf „Out­ing Pots­dam“ abge­bilde­ten Per­so­n­en vor­be­hal­ten, gegen die Betreiber wegen der Ver­let­zung von Per­sön­lichkeit­srecht­en zivil­rechtlich vorzuge­hen, so Brandt. Doch dazu müssten die Per­so­n­en hin­ter „Out­ing Pots­dam“ bekan­nt sein – jedoch fehlt auf der Seite jed­er Hin­weis auf eine per­sön­liche Urheberschaft.

Unmöglich ist es auch her­auszufind­en, ob alle auf „Out­ing Pots­dam“ abge­bilde­ten Per­so­n­en zum harten Kern der Pots­damer recht­en Szene gehören oder eher Mitläufer sind – oder ob die Pro­jek­t­gruppe gar Unbeteiligte abge­bildet hat. So find­en sich auf der Seite schon wegen recht­sex­tremen Über­grif­f­en bekan­nte Namen wie Tom S. oder Sebas­t­ian G. – allerd­ings auch bish­er unbekan­nte Per­so­n­en wie Dustin S. oder Julia M. Die aktuelle Zuge­hörigkeit zur Szene will das „Out­ing Potsdam“-Projekt dabei offen­bar mit Fotos aus dem Umfeld von Neon­azi-Aufmärschen im Jahr 2007 bele­gen – was aber zum Beispiel bei Dustin S. oder Julia M. nicht gelingt, weil die Auf­nah­men entwed­er älter sind als ein Jahr oder keine belas­ten­den Indizien über recht­sex­tremes Gedankengut enthal­ten. Ver­fas­sungss­chutz und Polizei wollen sich über mögliche Fehler mit Ver­weis auf den Schutz per­sön­lich­er Dat­en nicht äußern. Recht­sex­trem­is­mus-Experte Hülse­mann kri­tisiert die öffentlichen „Markierun­gen“ bei „Out­ing Pots­dam“ denn auch wegen möglich­er Unge­nauigkeit­en: „Jun­gen Men­schen, die sich gegen­wär­tig in der recht­sex­tremen Szene bewe­gen, wer­den so möglicher­weise Rück­kehrmöglichkeit­en ins demokratis­che Spek­trum verbaut.“

Dage­gen kon­tert Lutz Boede als bekan­nter Stadt­poli­tik­er der linksalter­na­tiv­en Frak­tion Die Andere: Er lehne als beken­nen­der Link­er zwar Aktio­nen ab, die mit Angst und Ein­schüchterung arbeit­eten – allerd­ings halte er das öffentliche „Out­en“ für wichtig, um das Han­deln von Recht­sex­tremen aus der Anonymität zu ziehen. Denn Neon­azis seien heute nicht mehr an Äußer­lichkeit­en erkennbar. „Doch sind sie bekan­nt, kön­nen Bekan­nte und Nach­barn sie mit ihren recht­sex­tremen Aktiv­itäten kon­fron­tieren – und wenn ich weiß, dass bei meinem Zah­narzt eine rechte Aktivistin arbeit­et und Zugang zu meinen Patien­ten­dat­en hat, kann ich mir einen neuen Dok­tor suchen.“

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Villa Wildwuchs zieht in Innenstadt

Die Straßen­sozialar­beit mit Jugendlichen in Pots­dam ste­ht vor einem der größten Umbrüche ihrer Geschichte. Die Vil­la Wild­wuchs, Heim der Sozialar­beit­er des Diakonis­chen Werks Pots­dam e.V., wird aufgegeben. Das Sozialar­beit­er-Team zieht ins Erdgeschoss der Posthof­s­traße 9. Gle­ichzeit­ig hat Wild­wuchs-Leit­er Gun­nar Schulz gekündigt, um kün­ftig von Gewalt betrof­fene Men­schen zu betreuen. Neben Schulz ver­lässt Ste­fan Dorn die Wild­wuchs-Gruppe aus famil­iären Grün­den. Für die Sozialar­beit­er gibt es bere­its Ersatz: Die neue Mitar­bei­t­erin Mareen Müller hat gestern ange­fan­gen, die neue Lei­t­erin Miri­am Kieser begin­nt im März. Dies bestätigte den PNN gestern Mar­cel Kankarow­itsch, Chef des Diakonis­chen Werks Pots­dam, das für die Straßen­sozialar­beit in der Stadt ver­ant­wortlich ist. „Auf dem Papi­er wird es keine Änderung unseres Auf­trags zur Straßen­sozialar­beit geben, jedoch wer­den neue Mitar­beit­er sich­er neue Schw­er­punk­te set­zen“, sagte Kankarow­itsch. Beson­ders der Bere­ich Erleb­nis­päd­a­gogik solle gestärkt werden.

Mit dem bis jet­zt gülti­gen Konzept arbeit­et das Wild­wuchs-Team unter dem Dach der Diakonie seit sieben Jahren. Im ver­gan­genen Jahr hat­te sich zumin­d­est der Umzug weg von der sanierungs­bedürfti­gen Vil­la Wild­wuchs am Babels­berg­er Havelufer bere­its abgeze­ich­net (PNN berichteten). „Trotz der Änderun­gen bleibt der Name gle­ich“, sagte Kankarow­itsch. Eben­so soll­ten wesentliche Neben­pro­jek­te der Wild­wüchser wie der Fan­laden des SV Babels­berg 03 in der Karl- Gruhl-Straße erhal­ten bleiben. „Über neue Pro­jek­te wird erst nach der Einar­beitungszeit entsch­ieden“, so Kankarow­itsch. Offen sei unter anderem, ob etwa die oft ver­waiste Jugen­dak­tions­fläche auf dem Bass­in­platz mit in die Arbeit ein­be­zo­gen wer­den könne.

Mit dem per­son­ellen Umbruch endet für den ehe­ma­li­gen Wild­wuchs-Chef Gun­nar Schulz eine Ära – 19 Jahre war er in der Jugend­sozialar­beit tätig. Unter anderem baute er das Jugend­haus „Oase“ auf Her­mannswerder auf. Seit 2000 war er beim Wild­wuchs-Team. „Trotz aller Erfolge haben wir auch Fehler gemacht“, so Schulz im Rück­blick. So habe Wild­wuchs für alle Jugendlichen in der Stadt gle­ichzeit­ig zuständig sein wollen – in Zukun­ft hoffe er, dass sich seine Nach­fol­ger wieder mehr auf einzelne Grup­pen konzen­tri­eren kön­nten. Als Beispiel für die Konzen­tra­tion auf einzelne Grup­pen führt er die Arbeit von Walde­mar Jung­bluth mit rus­sis­chsprachi­gen Jugendlichen an. „Er sieht die Jun­gen und Mäd­chen zum Teil fünf­mal in der Woche – so kön­nen Ver­trauen und dadurch auch Ergeb­nisse entste­hen, als wenn wir jeden Tag einzeln ver­schieden­ste Jugend­grup­pen anfahren“, so Schulz. Gle­ichzeit­ig seien die Erwartun­gen an Straßen­sozialar­beit­er stetig gestiegen, die finanziellen Abhängigkeit­en eben­so – damit sei für ihn let­ztlich die Entschei­dung zum Neube­ginn nötig geworden.

Schulz wird der sozialen Arbeit in Pots­dam allerd­ings nicht ver­loren gehen: Er arbeit­et nun in der Sel­l­ostraße 28 im Pots­damer Coach­ingzen­trum des Schweiz­er Unternehmens Brain­join, dass sich auf Stresspräven­tion und Unfal­lver­ar­beitung spezial­isiert hat. „Wir hof­fen, diese Hil­fe auch Men­schen zukom­men zu lassen, die über kein aus­re­ichen­des Einkom­men ver­fü­gen“, so Schulz. Darüber würde zurzeit mit dem Jugen­damt ver­han­delt. Das Engage­ment passt zu seinen Träu­men ein­er besseren Welt: „Eine Sehn­sucht ist noch lange nicht gestillt – die nach einem gerecht­en Miteinan­der, ein­er sol­i­darischen Gemein­schaft, in der Visio­nen und Hoff­nun­gen die Poli­tik und Gesellschaft bes­tim­men – und nicht der Druck, sich selb­st ver­wirk­lichen zu müssen.“

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Randale und “Sieg-Heil-Rufe”

Am Son­ntagabend besucht­en acht Per­so­n­en, darunter eine Frau, ein Restau­rant in der Wriezen­er Straße. Im Laufe des Abends wur­den die Gäste immer lauter, war­fen Tis­chdeko­ra­tion in einen Kamin und entk­lei­de­ten sich teil­weise kom­plett, so dass die Polizei ver­ständigt wurde. Bei deren Ein­tr­e­f­fen hat­ten sich vier Per­so­n­en bere­its ent­fer­nt. Die noch anwe­senden vier Per­so­n­en im Alter von 29 bis 40 Jahre waren erhe­blich alko­holisiert. Es erfol­gte deren vor­läu­fige Fes­t­nahme und ihre Ver­bringung in die Wache Straus­berg, wo bei den vier polizeibekan­nten Tatverdächti­gen jew­eils eine Blut­probe ent­nom­men wurde.

Nach derzeit­igem Ermit­tlungs­stand haben die Per­so­n­en mehrfach “Sieg Heil” gerufen und ange­blich von einem Handy rechts­gerichtete Musik abge­spielt. Außer­dem stell­ten die Beamten bei ein­er Per­son eine Gür­telschnalle mit einem Hak­enkreuz fest. Im Rah­men der Ermit­tlun­gen wurde weit­er­hin bekan­nt, dass ein Tatverdächtiger die Gäste belei­digt hat­te. Da ein Mann Wider­stand gegen die polizeilichen Maß­nah­men leis­tete, wurde gegen diesen eine Anzeige wegen Wider­standes gegen Voll­streck­ungs­beamte gefer­tigt. Die Krim­i­nalpolizei führt außer­dem Ermit­tlun­gen wegen des Ver­wen­dens von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen und wegen Beleidigung. 

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Der kurze Sommer der National-„Demokratie“

Noch vor knapp drei Monat­en brüstete sich der Spree­walder Ver­band der
„Jun­gen Nation­aldemokrat­en“ (JN, Jugen­dor­gan­i­sa­tion der NPD) in
diversen Foren und auf der Seite des Bun­desvor­standes der JN mit
ein­er „gut besucht­en Inter­essen­ten­ver­anstal­tung“, bei der nach
eige­nen Angaben der Ein­tritt von 16 neuen „nation­aldenk­enden
Kam­eradin­nen und Kam­er­aden“ verze­ich­net wer­den kon­nte. Seit einigen
Wochen ist die Inter­net­seite der Spree­walder JN allerd­ings aus dem
Netz genom­men. Die Domain ist nach wie vor auf
NPD-Bun­desvor­standsmit­glied Frank Schw­erdt reg­istri­ert – die
BesucherIn­nen der Web­site bekom­men abder nur eine Fehler­mel­dung zu
sehen. Wie aus inter­nen Stel­lung­nah­men, die Infori­ot vorliegen,
her­vorge­ht, hat der 18-jährige Forster Neon­azi Sebas­t­ian Sei­del, im
JN-Jar­gon „Stützpunk­tleit­er“ genan­nt, alle Funk­tio­nen in der Partei
niedergelegt. Mit Datum vom 1. Dezem­ber sei der „Stützpunkt“
aufgelöst wor­den und alle Mit­glieder aus­ge­treten. Alt gewor­den sind
die „Jun­gen Nation­aldemokrat­en“ in Süd­bran­den­burg damit nicht,
schließlich hat­te sich der „Stützpunkt“ erst im Früh­jahr 2007
gegrün­det. Die Jugen­dor­gan­i­sa­tion der NPD ver­liert mit ihr die
einzige offizielle Depen­dance in Brandenburg. 

Die Wahl von zwei Vertretern der „freien Kam­er­ad­schaften“ (Nor­man
Bor­din und Michael Schäfer) in den Bun­desvor­stand der JN im Oktober
scheint eine gewisse Rolle bei der nun erfol­gten Selb­stau­flö­sung der
Spree­walder JN gespielt zu haben. Die Spreewälder JN hat­te sich in
ihren Stel­lung­nah­men teil­weise betont von den Freien Kameradschaften
dis­tanziert. Die aufgelöste Gruppe wandte sich nicht zulet­zt gegen
die Offen­heit gegenüber Jugend- und Sub­kul­turen, wie sie NPD, JN und
„freie Kam­er­ad­schaften“ an den Tag leg­en. Das sei „mul­ti­kul­ti“ und in
ihrer Lesart nation­al­sozial­istsch­er The­o­rie nicht akzept­abel. Selbst
das Verkleben von Aufk­le­bern lehn­ten Teile der Gruppe aus dem
Bran­den­burg­er Süden ab, weil dies die Öffentlichkeit „verun­stalte“.
Schon ein­mal ist die JN in Bran­den­burg an einem ähn­lichen Punkt
zer­brochen: 2004 ver­ließ der gesamte Lan­desver­band um seinen
dama­li­gen Chef Jens Pak­lep­pa die Organ­i­sa­tion um (zusam­men mit weiten
Teilen des NPD-Lan­desver­ban­des eine neue Organ­i­sa­tion zu gründen).
Die dann gegrün­dete „Bewe­gung Neue Ord­nung“ (BNO) ist inzwischen
Geschichte. Auch sie zeich­nete eine Beto­nung völkisch­er Ele­mente in
Abgren­zung zu pop­kul­tureller Jugend­kul­tur aus. 

Nach Auflö­sung der JN Spree­wald sind die „Jun­gen Nationaldemokraten“
nur noch mit zwei Mini-Ablegern im Land präsent. Die im Herbst
gegrün­dete Oranien­burg­er Orts­gruppe, die bish­er vor allem durch die
Fes­t­nahme zweier Mit­glieder bei einem Fack­el­marsch auffiel, fällt mit ihren
drei Mit­gliedern eben­so wenig ins Gewicht, wie die ebenso
per­son­alschwache JN Oderberg. 

Es bleibt abzuwarten, ob durch den JN-Absturz die Aufwärtsbewegung
bei der Bran­den­burg­er NPD in Stock­en gerät – und ob und wie die
Spreewälder ex-JN-Aktiv­en weit­er poli­tisch aktiv bleiben.

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Ich bin eben ein Frauenheld”

Seit er von Neon­azis attack­iert wurde, ist Noël Mar­tin gelähmt. Im Juli hat­te er ster­ben wollen — doch war noch nicht bere­it. Nun wurde er Opa. 

BIRMINGHAM taz Eine wilde Jagd. Die Pferde galop­pieren über den Rasen, oben hän­gen bunt gek­lei­dete Jock­eys, het­zen fast gle­ichzeit­ig über eine Hecke. Weit­er, weit­er. Noël Mar­tin star­rt auf den Bild­schirm. “Nach Wei­h­nacht­en wollen wir mit meinem Pferd auch Sprünge pro­bieren”, sagt er. Die Tiere preschen erneut über eine Hecke. “Ich glaube, das wird ihm gefall­en. Dann kann er auch mal bei einem Hin­dernisren­nen starten. Zigarette.” 

Noël Mar­tin thront in seinem schw­eren Roll­stuhl in der Mitte des Wohnz­im­mers. Die Jock­eys fliegen die Bahn ent­lang. Er sitzt fest. Pflegerin Vanes­sa steckt ihm eine Ben­son & Hedges zwis­chen die dun­klen Lip­pen und zün­det sie an. Mar­tin atmet tief ein. Ein nor­maler Sam­sta­gnach­mit­tag im Dezem­ber. Vor dem Fen­ster fällt seit Stun­den Regen. Später will Mar­tin kochen, Hüh­nchen jamaikanisch. 

Das Tele­fon klin­gelt. Noël Mar­tin drückt seinen Schädel gegen einen Knopf am Roll­stuhl. “Hal­lo?” Es ist Negus, sein Sohn. Lange hat­te Mar­tin kaum Kon­takt zu ihm, seit einiger Zeit wohnt der 29-Jährige in Birm­ing­ham. “Wir wollen dich nach­her besuchen, damit du das Baby mal siehst”, sagt er. Noël Mar­tin gibt sich betont gelassen. “Wie ihr meint. Kommt vor­bei, wenn ihr Lust habt.” Mit ein­er Kopf­be­we­gung kappt er die Leitung.

Eigentlich wollte Noël Mar­tin längst tot sein. Er hat­te seine Selb­st­tö­tung öffentlich angekündigt. Es schien, als kehre er der Welt den Rück­en. Jet­zt hat er ein Enkelkind. Das neue Leben ist dem Tod zuvorgekommen. 

Sechs Wochen ist das Baby alt, Noël Mar­tin hebt ein wenig die Stimme. “Es ist ein Junge.” Er hat ihn noch nicht gese­hen. Und war doch am Tele­fon so kühl. “Ich will mich nicht auf­drän­gen”, erk­lärt er. Sein Blick wan­dert zurück zum Bild­schirm, immer neue Pferde drehen ihre Runden. 

Seit Noël Mar­tin als Zehn­jähriger mit sein­er Fam­i­lie aus Jamai­ka nach Birm­ing­ham kam, hat­te er einen Traum: Er wollte Ren­npferde besitzen, genau wie sein Groß­vater auf Jamai­ka. Als Bauar­beit­er ver­suchte er, das nötige Geld zu ver­di­enen. Nicht nur in Eng­land, auch in Deutsch­land. In Mahlow, einem Ort südlich von Berlin, restau­ri­erte er im Som­mer 1996 Häuser. Da geschah es. 

Noël Mar­tin ste­ht in ein­er Tele­fonzelle am Bahn­hof, als er die Rufe hört. “Nig­ger! Nig­ger!” Seine zwei schwarzen Fre­unde wer­den unruhig. “Wir ignori­eren diese Scheißk­er­le”, sagt Mar­tin. Sie steigen in seinen alten Jaguar und fahren weg. Er bemerkt, dass von hin­ten ein Wagen her­an­rast, sie über­holt. Ein Feld­stein fliegt aus dem fahren­den Auto, durch­bricht Mar­tins Scheibe. Er ver­liert die Kon­trolle über den Jaguar, der prallt gegen einen Baum. Mar­tin spürt noch den Schlag in seinen Füßen. Dann endet die Erinnerung. 

Seit diesem Tag ist Noël Mar­tin quer­schnitts­gelähmt. Er kann nur noch den Kopf, die Schul­tern und ein wenig den recht­en Arm bewe­gen. Früher war er ath­letisch, ein Typ, dem Frauen hin­ter­her­guck­en. Heute hän­gen die Schul­tern, die Brust ist einge­fall­en, unter dem gestreiften Pullover zeich­net sich ein run­der Bauch ab. Die Täter von damals sind nach fünf und acht Jahren Haft längst wieder frei. Noël Mar­tin bleibt gefan­gen. Bis zuletzt. 

Sieben Pflegerin­nen küm­mern sich um ihn. Sie wech­seln sich ab, sodass immer eine oder zwei im Haus sind. Fast alles müssen sie für ihn tun: ihn kratzen, wenn es im Gesicht juckt. Seinen Schweiß abwis­chen. “Nicht mal weinen kann ich alleine. Irgendw­er muss ja die Trä­nen weg­putzen, die bren­nen son­st”, sagt Martin. 

Immer­hin, er kon­nte in seinem Haus bleiben. Ein hüb­sches, denkmalgeschütztes Gebäude aus roten Ziegel­steinen mit weißen Fen­stern, in ein­er ruhi­gen Wohnge­gend von Birm­ing­ham. Noël Mar­tin hat es mit sein­er Frau Jacqui vor der Zeit in Deutsch­land gekauft, auf Kred­it. Finanziell ist er inzwis­chen abgesichert: Vom deutschen Staat erhält er jeden Monat eine Rente. Und die Haftpflichtver­sicherung des Autos, mit dem die Täter fuhren, musste an Mar­tin Schaden­er­satz zahlen. 200.000 Euro waren damals im Gespräch. Reicht das Geld für das Haus, die Pflege, das Pferd? “In mein­er Sit­u­a­tion ist es immer zu wenig”, sagt er. 

Die oberen Stock­w­erke hat Noël Mar­tin im vik­to­ri­an­is­chen Stil aus­bauen lassen. Er kommt zwar selb­st nicht hin­auf, der Fahrstuhl verkehrt nur zwis­chen Erdgeschoss und Keller. Doch er fühlt sich gut bei dem Gedanken, Herr eines prächti­gen Haus­es zu sein. Im Untergeschoss hat Noël Mar­tin sein Schlaf- und sein Badez­im­mer. Hier ver­bringt er viele schwere Stun­den. Nachts pla­gen ihn Krämpfe und Hus­ten, seine Beine fliegen hoch, er bekommt kaum Luft. Und vor­mit­tags stets dieselbe Proze­dur: Wenn die Pflegerin­nen das Kopfende nach unten fahren, hat er das Gefühl, seine Brust platzt. Er schre­it vor Schmerz. Sie brin­gen ihn ins Bad, sie waschen ihn, sie helfen ihm auf der Toi­lette. Sie pfle­gen auch seine wunde Stelle am Rück­en. Vier Stun­den dauert es, bis Noël Mar­tin ange­zo­gen ist. Brauchen sie länger, wird er ärg­er­lich. “Ich habe dann das Gefühl, ich ver­passe oben was.” 

Heute lief der Mor­gen glatt. Noël Mar­tin hat gute Laune. Nach­her kommt ja der Sohn mit dem Kleinen vor­bei. Vanes­sa ist in der Küche. “Babe”, ruft Noël. So nen­nt er alle Pflegerin­nen. Wenn zwei sich um ihn küm­mern, erken­nen sie an der Ton­lage, wer gemeint ist. “Mach den Ven­ti­la­tor an. Dreh ihn zu mir her.” Wer­bung flim­mert über den Bild­schirm, das Ren­nen ist vorbei. 

Den Traum vom eige­nen Pferd hat Mar­tin sich vor fünf Jahren erfüllt. “Früher hätte ich das nicht bezahlen kön­nen. Dieser Sport ist nur etwas für die Elite”, sagt er. Nun mis­cht er ganz oben mit: Sein Hengst Bad­dam hat beim Tra­di­tion­sren­nen Roy­al Ascot im ver­gan­genen Jahr gle­ich zwei Mal gewon­nen. Er, der Schwarze, hat es der englis­chen Upper­class gezeigt. “Im Juni will ich beim Epsom Der­by gewin­nen. Das ist das größte Ren­nen Europas.” Ein Foto an der Wand zeigt Bad­dam in vollem Galopp. 

Im Wohnz­im­mer ver­bringt Mar­tin die Nach­mit­tage und Abende. “Hier sitze ich und mache das Beste draus”, sagt er. Den Raum hat er prunk­voll deko­ri­eren lassen: grün gestrich­ene Wände, weiß-gold­en­er Stuck, große chi­ne­sis­che Vasen flankieren den Kamin. Darüber hängt ger­ahmt die Flagge Jamaikas. Vom Wohnz­im­mer geht der Blick hin­aus in den Garten. Ein Busch vor dem Fen­ster ist mit bun­ten Kugeln und Lichtern geschmückt. Hat er das ver­an­lasst? “Natür­lich, wer sonst.” 

Wind geht. Hin­ten im Garten erken­nt man einen halb­ho­hen Stein­block. Das Grab sein­er Frau. Jacqui hat­te nach Mar­tins Läh­mung ihren Job an der Börse aufgegeben. Sie hat­te ihn gepflegt und war dann selb­st krank gewor­den. Vor sieben Jahren starb sie an Krebs. “Jacqui ist davonge­flo­gen. Und ich sitze immer noch hier. Wie lange dauert es noch, bis meine Flügel wach­sen?” fragt Noël Mar­tin in sein­er Biographie. 

Vor anderthalb Jahren erzählte er Fernse­hjour­nal­is­ten, dass er ster­ben möchte: An seinem 48. Geburt­stag, dem 23. Juli 2007, wolle er mit Hil­fe der Schweiz­er Ster­be­hil­fe-Organ­i­sa­tion Dig­ni­tas sein Leben been­den. Eine begleit­ete Selb­st­tö­tung. Danach stand das Tele­fon nicht mehr still. Reporter reis­ten nach Birm­ing­ham, um ein let­ztes Mal mit ihm zu reden. 

Bis jet­zt ist Noël Mar­tin nicht in die Schweiz geflo­gen. Wenn man ihn auf dieses The­ma anspricht, ver­härtet sich seine Miene. Er habe noch Prob­leme mit seinen Anwäl­ten, sagt er. Die seien dabei, eine Stiftung für arme Kinder aus Afri­ka und der Karibik zu grün­den. Auch das Haus soll an diese Stiftung gehen. “Das muss noch geregelt wer­den. Es wäre son­st alles verl
oren, was Jacqui und ich aufge­baut haben.” Man hört, er hat diese Sätze schon oft gesagt. 

Ist Noël Mar­tin wirk­lich des Lebens müde? Er hat doch Pläne, so viel Energie und jet­zt auch noch einen Enkel. Seine Stimme wird lauter. “Wenn ich ein­mal etwas entsch­ieden habe, bleibe ich dabei.” Nie werde er sich daran gewöh­nen, gelähmt zu sein. Auch nicht an die Schmerzen. “Die Ster­be­hil­fe ist für mich ein Fluchtweg.” 

Dig­ni­tas hat zurzeit Prob­leme in der Schweiz. Nach Protesten von Nach­barn musste die Organ­i­sa­tion ihre Ster­be­woh­nung aufgeben. Das scheint Mar­tin aber nicht son­der­lich zu beun­ruhi­gen. “Dann muss ich eben woan­ders hin­fliegen. In den USA soll es auch einen Staat geben, wo Ster­be­hil­fe erlaubt ist.” Er drückt auf die Hupe seines Roll­stuhls. “Zigarette!”

Draußen wird es dunkel. Er schickt Vanes­sa hin­aus: “Mach die Lichter an.” Ein rot-grünes Blinken läuft über den Strauch vor dem Fen­ster. Daneben erstrahlt ein Ren­tier aus Draht. Es hebt und senkt den Kopf, es nickt. Noël Mar­tin lächelt. “So etwas haben Sie noch nicht gese­hen? Das ist ganz neu, von diesem Jahr.” Das Grab ist bei dieser Beleuch­tung nicht mehr zu erkennen. 

Es klin­gelt. Sind das die Kinder? Noël Mar­tin dreht den Kopf. Nein, ein Fre­und. “Deine Tech­nik ist nicht in Ord­nung?” fragt der. “Ja, die eine Kam­era geht nicht mehr”, antwortet Mar­tin. Der Fre­und ist Elek­trik­er. “Ich schau mal nach.” Er ver­schwindet nach draußen. 

Noël Mar­tin hat Angst. “Es wird in der Gegend viel einge­brochen”, sagt er. Neun Überwachungskam­eras hat er deshalb im und am Haus mon­tieren lassen. Ob im Schlafz­im­mer oder im Wohnz­im­mer — auf seinen Fernse­hern kann er immer kon­trol­lieren, was im Gebäude ger­ade passiert. 

Den Elek­trik­er ken­nt er noch aus der Zeit vor Mahlow. Viele alte Fre­unde haben inzwis­chen Fam­i­lie, sie kom­men sel­tener. Andere haben sich ganz abgewen­det. Neuen Bekan­nten traut Mar­tin nicht. Wenn sich jemand mit ihm anfre­un­den will, wenn es gar eine Frau ist, fragt er: Was will sie von mir? Will sie mein Geld? “Wis­sen Sie, alle Men­schen sind Egoisten.” 

Nur wenige Pflegerin­nen mag er. Den anderen dro­ht er schon mal: “Glaubt nicht, dass ihr in der Küche über mich reden kön­nt. Ihr wisst nicht, was ich für eine Tech­nik habe. Ich höre alles.” 

Nicht heute. Heute ist ein guter Tag. Noël Mar­tin redet und redet. Dabei fix­iert er mit den Augen einen Punkt im Garten. “Ich bin wie ein Kessel, der unter Druck ste­ht. Ich kann den Dampf nir­gends raus­lassen, ich spreche sog­ar im Schlaf.” Eines sein­er Lieblings­the­men ist der Ras­sis­mus. Sein Leben lang hat­te er damit zu tun. Auf Jamai­ka, in Eng­land, in Deutsch­land. Die Wut auf die Neon­azis in Bran­den­burg ist längst ver­flo­gen. Er sagt: “Die haben doch keine Ahnung. Die sind doch nur nei­disch, weil wir die län­geren Schwänze haben.” 

Wir, das sind Schwarze und Jamaikan­er. Manch­mal meint Mar­tin damit auch alle Men­schen. Denn eigentlich ist er ja der Überzeu­gung, dass es keine Unter­schiede gibt. “Das näch­ste Mal, wenn ich nach Deutsch­land komme, will ich ein Video vor­führen. Da wird bewiesen, dass Schwarze und Weiße diesel­ben Vor­fahren haben.” Und wenn er schon mal dort ist, würde er gerne auch im Fernsehstu­dio mit Neon­azis disku­tieren. “Sie has­sen mich für meine Haut­farbe, aber leg­en sich in die Sonne, um braun zu wer­den. Das ist doch verrückt.” 

Zeit zum Kochen. Noël Mar­tin hat seinen Roll­stuhl in der Küche geparkt und gibt Kom­man­dos. “Ein Hüh­nchen­teil nach dem anderen.” “Schalte den Herd etwas hoch.” “Jet­zt dreh das Huhn um.” Vanes­sa hantiert mit dem Topf. Mar­tin kann nicht hinein­se­hen, aber er riecht, ob die untere Seite des Fleis­ches kross ist. “Schalte etwas runter.” 

Die Pflegerin­nen lei­hen ihm ihre Kör­p­er. Sie führen die Bewe­gun­gen aus, die er nicht mehr machen kann. Das ist anstren­gend für bei­de Seit­en: Noël Mar­tin will, dass seine Vorstel­lun­gen genau umge­set­zt wer­den. Nur dann kann er das Ergeb­nis als seins betra­cht­en. Wenn etwas nicht klappt, wird er ärg­er­lich. “Jet­zt schütte zweiein­vier­tel Tassen Wass­er auf das Fleisch. Das ist kein Vier­tel. Zeig mir die Tasse. Okay, das ist in Ord­nung. Jet­zt rühr um.” Vanes­sa bleibt gelassen. In Flipflops läuft sie hin und her und macht alles, was Mar­tin sagt. Seit einem Jahr ist sie bei ihm. Zurzeit hat Mar­tin zu wenige Pflegerin­nen, das Job­cen­ter ver­mit­telt ihm keine mehr. “Sie sagen, es sei Diskri­m­inierung, dass ich nur Frauen will. Aber ich bin eben ein Frauen­held. Ich lasse mich nicht von Män­nern anfassen.” Vanes­sa lächelt. Alter Macho. Sie stre­icht ihm fre­undlich über die Schulter. 

Es klin­gelt. Ein junger Mann mit Base­cap kommt here­in. Negus. Vor­sichtig stellt er eine Babyschale auf den Tisch. Seine Fre­undin zieht ihren Man­tel aus, set­zt sich daneben. Noël pro­biert ger­ade die Soße, Vanes­sa hält ihm einen Löf­fel an den Mund. “Ist noch nicht fer­tig. Schalte noch mal hoch.” Die junge Mut­ter fragt er: “Geht es dir gut?” Sie nickt. 

Dann erst schaut Noël Mar­tin in die Trage. Seine Augen ruhen sekun­den­lang auf dem winzi­gen, schlafend­en Geschöpf darin. “Das ist also das kleine Ding”, sagt er. Nicht mehr. Stolz hebt Negus das Kind her­aus. Sie haben es in einen weißen Fel­lanzug gepackt, mit Ohren an der Kapuze. Ein klein­er Eis­bär mit braunem Gesicht, der leise schmatzt. Der Junge heißt Nathaniel. Ein Name mit N, wie Negus, wie Noël. Der Groß­vater nickt. 

Nathaniel kam zu früh zur Welt. “Als er geboren wurde, wog er ger­ade soviel wie zwei Päckchen Zuck­er”, erzählt die Mut­ter. Negus schält das Kind aus dem weißen Fell. “Schau mal, Noël, der sieht dir doch total ähn­lich.” Vanes­sa kommt an den Tisch, betra­chtet den Jun­gen: “Ja, natür­lich.” Aber Mar­tin gibt sich rup­pig. “Ach Quatsch. Ich wusste, dass ihr das sagen würdet.” Er dreht den Kopf zum Herd. “Umrühren.” Negus legt den Kleinen zurück in die Schale. 

Vanes­sa kocht. Noël Mar­tin und Negus führen Män­nerge­spräche. “Was macht das Pferd?” “Nach Wei­h­nacht­en wollen wir anfan­gen, über Hür­den zu sprin­gen. Umrühren.” “Guckst du dir den Boxkampf heute Nacht an?” “Nein, heute nicht.” 

Der Kleine öffnet die Augen. Die Mut­ter hebt ihn her­aus: “Schau mal, das ist dein Opa.” Nathaniel zieht eine Schnute. Noël Mar­tin wirft ihm einen kurzen, scheuen Blick zu. Dann wen­det er sich wieder Negus zu. “Hat er schon ange­fan­gen zu rauchen?” Die anderen lachen. Schweißperlen ste­hen Mar­tin auf der Stirn. Vanes­sa wis­cht sie fort. 

Das Essen ist fer­tig. Hüh­nchen, Kohl mit schwarzem Pfef­fer, Reis. Das Fleisch ist außen würzig und innen zart. Köstlich. “Es schmeckt?” Zwis­chen Noël Mar­tins vollen, dun­klen Back­en blitzen weiße Zähne, er strahlt. “Ich bin dabei, ein Kochbuch zu schreiben mit jamaikanis­chen Rezepten. Das näch­ste Mal, wenn ich nach Deutsch­land komme, werde ich es präsentieren.” 

Das Tele­fon klin­gelt. Eine Fre­undin. “Du, ich kann ger­ade nicht, ich habe viel Besuch.” Man merkt, wie aufgekratzt Noël Mar­tin ist. “Ja, mir gehts nicht schlecht. Ich melde mich morgen.” 

Am näch­sten Tag wird Noël Mar­tin sagen: “Wenn meine Zeit gekom­men ist, dann werde ich ster­ben.” Doch soweit ist es noch nicht. Noch gilt Noël Mar­tins Kampf dem Leben.

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Dort erfriert der nationale Widerstand”

Für Fre­itag den 21.12.2007 melde­ten die neon­azis­tis­chen “Freien Kräfte Pots­dam” eine Sol­i­dar­ität­skundge­bung vor dem Neu­rup­pin­er Landgericht an (Infori­ot berichtete). Gegen die rechte Aktion gab es eine Kundge­bung von über 150 Menschen.

Die recht­sex­treme Sol­i­dar­ität­skundge­bung wid­mete sich den Angeklagten Mario Schulz, Mar­tin Win­ter­lich und Maik E.. Zwei ihrer Anwälte wie auch die Staat­san­waltschaft hat­ten Revi­sion gegen das Urteil des Amts­gerichts von Per­leberg von Dezem­ber 2006 ein­gelegt, das Mario Schulz zu 14 Monat­en und Mar­tin Win­ter­lich zu 12 Monat­en auf Bewährung verurteilt hat. Gegen­stand der Ver­hand­lun­gen waren die Flug­blät­ter “Nein, Ger­ald, Du bist nicht Deutsch­land” und “Speku­lanten-ade!” des “Schutzbund Deutsch­land”. Ersteres richtet sich gegen den Schalke-Fußball­spiel­er Ger­ald Asamoah. Mit­tler­weile wird dieses nicht mehr auf Volksver­het­zung (im Gegen­satz zum anderen) son­dern auf Belei­di­gung geprüft. Während des Ver­hand­lungstages standen etwa 20 Neon­azis, darunter auch einige bekan­nte Gesichter aus Pots­dam und Umfeld, im Hof des Landgerichts. Sie hiel­ten Trans­par­ente wie “Leben heißt kämpfen! Nationaler Sozial­is­mus, jet­zt!”. Unter­malt mit Musik (u.a. auch wieder mal Ton Steine Scher­ben) und recht­en Parolen demon­stri­erten sie für “Mei­n­ungs­frei­heit für Maik E.” Laut wur­den sie jedoch von ein­er spon­ta­nen Gegenkundge­bung mit Trom­meln und Sprechchören übertönt. Diese wurde kurz vor der Ver­hand­lung angemeldet — zuvor wur­den “dem linken Spek­trum zuor­den­bare” Men­schen von der Polizei kon­trol­liert und teil­weise durch­sucht. Mehr als 100 Schüler_innen aus der Evan­ge­lis­chen Schule schlossen sich der Gegenkundge­bung an, die einen unter­richts­freien Vor­mit­tag beka­men, um gegen die Recht­en “Flagge zu zeigen.

Zweimal ver­sucht­en Neon­azis Men­schen aus der Gegenkundge­bung anzu­greifen, die Polizei ver­hin­derte dies. Desweit­eren fotografierten und filmten zwei Anti-Antifas die kom­plette Gegenkundge­bung ab. Gegen elf Uhr wurde die Gerichtsver­hand­lung been­det, eine halbe Stunde später pack­ten die Neon­azis draußen ihre Sachen. Ver­ab­schiedet wur­den sie mit dem Sprech­chor “Eure Eltern holen Euch gle­ich ab”.

Der näch­ste Ver­hand­lungstag ist am 15. Feb­ru­ar, 10 Uhr.
Weit­ere Ver­hand­lungstage find­en im zwei­wöchentlichen Takt fre­itags statt.
Weit­ere Infos gibt es hier.

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Der »Tausendsassa« war ein Faschist

Der Schrift­steller Felix Haven­stein (1893–1970) grub in Schöne­iche bei Berlin Über­reste ein­er bronzezeitlichen Sied­lung aus und präsen­tierte die Funde in seinem Haus an der Dor­faue 8. In dem von ihm ver­fassten Buch »Schulze Grätz« tauchen Gestal­ten aus dem Dorf auf. Ein »Tausend­sas­sa«, hört man, dieser Felix Haven­stein – und ein Faschist.

Seit Wochen sorgt eine am 9. Sep­tem­ber eröffnete kleine Ausstel­lung im Heimath­aus für Aufre­gung. Eine Nichte Haven­steins hat­te dem Heimatvere­in einige Dinge aus der Hin­ter­lassen­schaft des Onkels übergeben. Der Vere­in zeigte Manuskripte, Fotos und Büch­er jedoch zunächst ohne Hin­weis auf das Ver­hal­ten des Schrift­stellers ab 1933. Aus der Ortschronik und anderen Quellen ist jedoch bekan­nt, dass Haven­stein zu den nation­al­is­tisch gesin­nten Deutschen Chris­ten gehörte und am 20. April 1934 einen Vor­trag über Adolf Hitler als den Mann der kom­menden Zeit hielt.

Nach Beschw­er­den ergänzte der Heimatvere­in die Schau nur halb­herzig um zwei Blät­ter mit Infor­ma­tio­nen, die aber mit ein­er Behaup­tung Haven­steins enden, er sei nie Mit­glied der NSDAP oder ein­er anderen braunen Organ­i­sa­tion gewe­sen. Um dem Spuk ein Ende zu machen, schaute der Gemein­de­v­ertreter Artur Pech (Linkspartei) im Bun­de­sarchiv nach und fand die NSDAP-Mit­glied­skarte mit der Num­mer 2 627 489 und dem Ein­tritts­da­tum 1. Mai 1933.

Das scheint den Heimatvere­in allerd­ings nicht zu beein­druck­en. Die Frau, die gestern den Ein­ritt für das Heimath­aus kassierte und Besuch­ern die Ein­rich­tung erläuterte, zog doch tat­säch­lich den Ver­gle­ich, in der SED seien ja schließlich auch viele wegen der Kar­riere gewe­sen und nicht, weil sie die Ansicht­en der Partei teil­ten. Das Agieren Haven­steins in der Nazi-Zeit müsse erst noch erforscht werden.

»Diese Ausstel­lung sollte weg, weil am Ende immer nur eine Würdi­gung Haven­steins rauskommt«, meint Pech. Zwar sei eine kri­tis­che Auseinan­der­set­zung mit der Per­son the­o­retisch denkbar, aber das funk­tion­iere natür­lich nicht mit dem Ansatz: »Wir haben Doku­mente von den Erben, die stellen wir aus, weil sie so schön sind.« Übri­gens ent­deck­te Pech auch, dass sich Haven­stein in einem 1938 gefer­tigten Lebenslauf seines »arischen Blutes« und sein­er »Beziehun­gen zur Partei« schon vor 1933 rühmte.

Das Heimath­aus befind­et sich dort, wo Haven­stein gewohnt hat­te. Das Gebäude war baufäl­lig, bevor es von 1980 bis 1984 bis auf die Schwarze Küche abge­tra­gen und orig­i­nal­ge­treu wieder herg­erichtet wurde. Ein Foto Haven­steins soll hier noch zu Zeit­en der DDR aufge­hängt wor­den sein.

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Nazikundgebung in Neuruppin

INFORIOT Am Fre­itag­mor­gen (21.12.) wird gegen den Neon­azi Mario Schulz aus Cum­losen vor dem Neu­rup­pin­er Landgericht ver­han­delt. Mitangeklagte sind Mar­tin Win­ter­lich aus Neustadt (25) und Maik E. aus Kloster Lehnin (28). Wie jet­zt bekan­nt wurde, soll zeit­gle­ich vor dem Gerichts­ge­bäude eine recht­sex­treme Sol­i­dar­ität­skundge­bung stat­tfind­en. Die Aktion wurde im Namen der “Freien Kräfte Pots­dam” angemeldet, soll um 10 Uhr begin­nen und bis spätestens 15 Uhr andauern. Bemerkenswert
ist das Mot­to “Gerechtigkeit und Mei­n­ungs­frei­heit für Maik E.” — man kön­nte schlussfol­gern, dass sich die Sol­i­dar­ität der Neon­azis auf nur einen der drei Beschuldigten begrenzt. 

Wie aus Neu­rup­pin zu hören ist, wird es antifaschis­tis­che Protes­tak­tio­nen gegen die Neon­azi-Kundge­bung geben.

Mario Schulz, ein 41-jähriger Land­wirt, wurde bei den Kom­mu­nal­wahlen 2003 für die NPD in den Kreistag der Prig­nitz gewählt. Damals war er Lan­deschef der extrem recht­en Partei in Bran­den­burg. Er sagte sich 2004 von der NPD los um die noch offen neon­azis­tis­ch­er agierende “Bewe­gung Neue Ord­nung” und später den “Schutzbund Deutsch­land” zu grün­den. Let­zter­er wurde Mitte 2006 vom Innen­min­is­teri­um ver­boten. Schulz ist weit­er­hin Abge­ord­neter im Kreistag.

Bei Maik E. kön­nte es sich indes um Maik Eminger han­deln — dieser war presserechtlich ver­ant­wortlich für Flug­blät­ter der “Bewe­gung Neues Deutsch­land” (einem Nach­fol­ge­pro­jekt des “Schutzbun­des”, das in Erschei­n­ung trat, nach­dem dieser ver­boten wor­den war). Mar­tin Win­ter­lich wiederum war unter anderem Inhab­er der Inter­net­do­main des “Schutzbun­des”.

Der Prozess (Details hier, Presserolle Dezem­ber) ist eine Beru­fungsver­hand­lung. In erster Instanz war Schulz Ende 2006 zu 14 Monat­en auf Bewährung verurteilt wor­den. Gegen­stand des Ver­fahrens sind Flug­blät­ter des “Schutzbun­des”, in denen unter anderem der afrodeutsche Fußball­spiel­er Ger­ald Asamoah ras­sis­tisch verunglimpft wurde.

Zulet­zt gab es im Sep­tem­ber diesen Jahres eine Neon­azi­ak­tion in Neu­rup­pin.

Inforiot