vok Waltersdorf — Vier offenbar illegal eingereiste Ausländer hat die Polizei gestern Morgen in einem Gewerbegebiet in Waltersdorf (Dahme-Spreewald) aufgegriffen. Bei den drei Männern und einem Kind handelt es sich nach eigenen Angaben um Armenier. Papiere hatten die vier nicht dabei. Die Arbeitsgruppe «Schleuser» des Potsdamer Polizeipräsidiums hat die Ermittlungen aufgenommen.
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berliner morgenpost:
Kreuze zum Gedenken an Rassismusopfer
dpa Potsdam — Anlässlich des Internationalen Anti-Rassismus-Tages hat der Brandenburger Flüchtlingsrat gestern zehn Kreuze vom Potsdamer Hauptbahnhof zur Nikolaikirche getragen. Damit sollte symbolisch an die rund 100 Opfer rechter Gewalt in Deutschland seit 1990 erinnert werden, sagte Geschäftsführerin Judith Gleitze. Zahlreiche Potsdamer begleiteten die Aktion des Flüchtlingsrates und des Lübbener Forums.
Auf den Treppen der Nikolaikirche lagen 97 Holzkreuze mit Namen. Sie standen für die Opfer rechter Gewalt, die von der Bundesregierung offiziell anerkannt wurden, sagte die Sprecherin des Lübbener Forums, Ilka Gelhaar-Heider. Ihrer Ansicht nach zählen jedoch mindestens 51 weitere Menschen zu den Todesopfern von Rechtsextremen in Deutschland. Für sie wurden stellvertretend einige unbeschriftete Kreuze niedergelegt.
Nach Angaben des Flüchtlingsrates starben 20 der 97 anerkannten Opfer bei rechtsextremen Übergriffen in Brandenburg. Dabei richtete sich die Gewalt nicht ausschließlich gegen Ausländer.
berliner zeitung:
Kreuze erinnern an Gewaltopfer
Aktion des Flüchtlingsrates
dpa
POTSDAM. Anlässlich des Internationalen Anti-Rassismus-Tages hat der Brandenburger Flüchtlingsrat am Donnerstag zehn Kreuze vom Potsdamer Hauptbahnhof zur Nikolaikirche getragen. Damit sollte symbolisch an die rund 100 Opfer rechter Gewalt in Deutschland seit 1990 erinnert werden, sagte Geschäftsführerin Judith Gleitze. Zahlreiche Potsdamer begleiteten die Aktion des Flüchtlingrates und des von engierten Bürgern gegründeten Lübbener Forums.
Auf den Treppen der Nikolaikirche lagen 97 Holzkreuze, die mit Namen versehen waren. Sie standen für die Opfer rechter Gewalt, die als solche von der Bundesregierung offiziell anerkannt wurden, sagte die Sprecherin des Lübbener Forums, Ilka Gelhaar-Heider. Aus ihrer Sicht nach zählen jedoch mindestens 51 weitere Menschen zu den Todesopfern von Rechtsextremen in Deutschland. Angaben des Flüchtlingrates zufolge starben 20 der offiziell 97 Opfer bei rechtsextremen Übergriffen in Brandenburg. Dabei richtete sich die Gewalt nicht nur gegen Ausländer.
Joachim K. Bekou aus Togo, Pastor der Pentecostal Movement Church in Babelsberg, warnte auf der Gedenkveranstaltung vor wachsender Gewalt gegen Ausländer in den Potsdamer Wohngebieten Am Stern und Am Schlaatz.
Potsdam — Die jeweilige Parteibasis von SPD, CDU und PDS schaut heute gebannt auf die beiden führenden Repräsentanten der Mark, SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe und seinen CDU-Vize Jörg Schönbohm. Ihr Verhalten in der Zuwanderungsfrage bestimmt über das Fortbestehen der großen Koalition. «Hebt nur Stolpe die Hand, ist der Frieden dahin und mit ihm Brandenburgs Regierungsbündnis», sagt Dieter Dombrowski, Kreisvorsitzender der CDU im Havelland.
Zweimal, so seine havelländischen Parteifreunde, hätte die CDU schon klein beigegeben. Bei der Abstimmung zur Riesterrente und bei der Steuerreform. «Ein drittes Mal wird es nicht geben», so Dombrowski. Vertrag sei eben Vertrag, «und wird er nicht eingehalten, verlassen wir die Koalition, basta».
Dombrowski will mit CDU-Freunden im Falle des Bruches der Koalition Neuwahlen und daher in der kommenden Woche einen Antrag zur Auflösung des Parlaments im Landtag einbringen. «Dann sollen die Bürger entscheiden, wer künftig die Regierung stellen soll.»
Gleiche Töne gibt es bei der PDS, die eigentlich nur darauf lauert, dass sich SPD und CDU beim Zuwanderungsgesetz zerfleischen. Steffen Friedrich, PDS-Mitglied in Hennigsdorf und im Kommunalpolitischen Forum tätig, ist, wie viele andere PDS-Mitglieder auch, hin- und hergerissen. Zum einen sei ein Zuwanderungsgesetz dringend nötig, andererseits findet er den Entwurf für nicht zustimmungsfähig. Wenigstens in den Vermittlungsausschuss gehöre der Text noch einmal. Bislang sei Stolpe aber gegenüber Schönbohm immer eingeknickt. «Dividieren die sich aber auseinander, darf die PDS nicht der Lückenfüller für den Rest der Legislaturperiode bis 2004 werden.» Eine Tolerierung wie in Sachsen-Anhalt lehne die PDS-Basis sowieso ab. «Für uns gibt es dann nur eines: Neuwahlen», sagt Friedrich.
Die Sozialdemokraten hingegen folgen dem Kurs ihrer Führungsriege. Der Chef des Unterbezirkes Spree-Neiße, Ulrich Freese, ist überzeugt, das die CDU nicht aufgibt, was sie sich in zweieinhalb Jahren Regierung geschaffen hat.
Und vorgezogene Neuwahlen? Da könne er nur lachen. «Es gibt nicht ein einziges sachliches Argument für vorgezogene Wahlen», sagt Freese. Wenn die PDS und die CDU das wollten, würden sie sich über das Ergebnis sehr wundern. Der einzige Gewinner sei dann die SPD. Im Übrigen glaube er mit Brandenburgs Sozialdemokraten auch daran, dass es noch klarstellende Erläuterungen durch den Bundeskanzler gebe, mit denen die Bedenken Schönbohms und der CDU ausgeräumt werden könnten. Eine rot-rote Koalition lehne die Mehrheit seiner Genossen aber ab. «Mit der PDS ist kein Blumentopf zu gewinnen, auch wenn mittlerweile die PDS ministeriable Personen wie den Landeschef Ralf Christoffers aufweisen kann.»
Altlandsberg — Vor der Entscheidung des Bundesrates will Ravrindra Gujjula gemeinsam mit Jusos aus Berlin und Brandenburg heute vor dem Preußischen Landtag noch einmal die Werbetrommel für das Zuwanderungsgesetz rühren. Der Altlandsberger Bürgermeister baut auf dieses Gesetz. Ließe sich mit dessen Hilfe doch der nun schon elf Jahre währende Kampf um ein Bleiberecht für die Familie Nguyen beenden. Denn dem aus Vietnam stammenden Ehepaar und seinen Kindern droht im Sommer die Abschiebung.
In den zurückliegenden Jahren haben die Nguyens eine wahre Odyssee durch das Land Brandenburg hinter sich bringen müssen, immer im bangen Warten zwischen befristeter Duldung und Kirchenasyl. «Das Gesetz sieht eine Härtefallregel vor, nach der Familien, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, aus humanitären Gründen hier bleiben können», so Gujjula. Ba Tan Nguyen kam vor etwa 24 Jahren nach Deutschland. Seit gut einem Jahr lebt er mit seiner Familie in Altlandsberg. Im Februar war sein Widerspruch gegen die Befristung der Duldung in Deutschland abgelehnt worden. Während sich die Hoffnungen der Familie und ihrer Mitstreiter jetzt auf das Zuwanderungsgesetz richten, bereitet man sich in Altlandsberg gleichzeitig darauf vor, den Nguyens wie in Guben und Dolgelin auch hier noch einmal Asyl in der Kirche zu gewähren. Es wäre menschlich schlimm, so Gujjula, wenn das der Familie noch einmal zugemutet werden müsste. Die Eltern würden dann ihre Arbeit verlieren, die Kinder könnten weder Schule noch Kita besuchen.
Etwa 1000 Altlandsberger haben in den zurückliegenden Wochen mit ihren Unterschriften ein Bleiberecht für die vietnamesische Familie eingefordert. Unverständnis zeigt der Bürgermeister der Kleinstadt im Kreis Märkisch-Oderland für die harte Haltung seines Parteigenossen, Landrat Jürgen Reinking (SPD). In einem flammenden Appell hatte sich Gujjula erst kürzlich vor dem Kreistag noch einmal an Reinking gewandt und ihn aufgefordert, sich für ein Bleiberecht der Nguyens einzusetzen. Es läge im Bereich seiner Möglichkeiten, hier eine humanitäre Einzelfallprüfung herbeizuführen.
Der Landrat, der unterdessen wegen seiner starren Haltung auch vom Flüchtlingsrat kritisiert wurde, hatte in der jüngsten Vergangenheit immer wieder auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts verwiesen. Darin war im Mai 2000 die Abschiebung der Familie angeordnet worden. Die gelockerte Altfallregelung für Asylbewerber kann nach Einschätzung von Reinking in diesem Fall nicht angewandt werden.
BASDORF — Die Rollläden ihres Reihenhauses zieht die Familie Canaydin nicht mehr hoch. Spielen vor der Haustür ist für die Kinder tabu. Und die Mutter wagt sich nur noch zum Einkaufen hinaus. Die deutsch-türkische Familie lebt mitten in Deutschland im Ausnahmezustand. Seit sie vor neun Monaten von Berlin nach Basdorf (Landkreis Barnim) zog, wurde sie immer wieder Ziel ausländerfeindlicher Attacken.
Zuletzt seien binnen 30 Minuten zuerst ein Auto- und dann ein Motorradfahrer mitten auf dem Marktplatz auf sie zu gefahren, berichtet die 39-jährige Martina Canaydin. Mit einem Sprung zur Seite konnte sie sich retten. Die Fahrer wurden ermittelt. Die Polizei hat die Familie nun unter Schutz gestellt und eine Ermittlungsgruppe gegründet.
In Berlin habe sie sich wie im Ghetto gefühlt, berichtet die Hausfrau, die in ihrem auch tagsüber dunklen Wohnzimmer auf der Couch sitzt. Die Canaydins wohnen jetzt in einem Reihenhaus am Waldrand. Auf den ersten Blick ein idyllischer Ort. “Aber es war nur in den ersten sechs Wochen gemütlich”, berichtet die Frau. Dann hätten mehrere Jugendliche gebrüllt, sie würden das Haus anzünden. Wenige Tage später war das Auto eines Freundes der Familie mit Hakenkreuzen beschmiert.
Binnen fünf Wochen erstattete die Familie im Herbst vergangenen Jahres fünf Anzeigen wegen Bedrohung, Beleidigung, Sachbeschädigung. “Haut ab, ihr habt in Basdorf nichts zu suchen, Muftifamilie”, hieß es in einem Drohbrief. Eine Einwohnerversammlung wurde einberufen. Es kamen die Direktorinnen der beiden Schulen, die Bürgermeisterin der 4000-Einwohner-Gemeinde, Vertreter der Polizei, Schüler, Lehrer, Eltern — und die Betroffenen. Doch wenig später folgten weitere Attacken.
“Es gibt hier keine Ausländerfeindlichkeit”, ist sich dagegen ein 62-jähriger Basdorfer sicher, der im Döner-Imbiss ein Bier trinkt. In seiner Straße wohne auch eine deutsch-türkische Familie. “Sie ist hilfsbereit und fleißig und sehr glücklich hier”, meint er. “Ich hab hier keine Probleme”, sagt auch der türkische Chef des Ladens. Allerdings arbeite er erst seit vier Monaten in der beschaulichen Gemeinde, die bis vor kurzem Hochburg der Polizei war. Landeskriminalamt und Polizei-Fachhochschule hatten hier ihren Sitz. “Uns wurde gesagt, wir sollen dafür büßen, dass die Polizeischule in ein Asylantenheim umgebaut wird”, berichtet Martina Canaydin. Sie, ihr 43 Jahre alter Mann und die 10 bis 18 Jahre alten Kinder wollen sich nicht vertreiben lassen. Stündlich kommt eine Polizeistreife an ihrem Haus vorbei. “Die Polizei sehe ich als absolute Hilfe an, die stehen 100-prozentig hinter uns”, sagt die Hausfrau.
“Die Streife kann keine Lösung sein”, meint dagegen der Sprecher des Polizeipräsidiums Eberswalde, Toralf Reinhardt. “Es kann nicht sein, dass die Polizei die Familie schützen muss, nur weil die Bevölkerung nicht mit ihr leben kann.” Zudem ist die Strafverfolgung problematisch. Manche der meist jungen Täter sind noch strafunmündig, anderen kann nichts nachgewiesen werden. Kaum einer hat eine lange kriminelle Karriere hinter sich.
Im Fall der beiden Attacken auf dem Marktplatz will die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) allerdings hart durchgreifen. Sie plant schnelle Prozesse gegen den 22-jährigen Autofahrer und den 17- jährigen Motorradfahrer. “Es gibt nichts Wirksameres als eine Strafe, die der Tat auf den Fuß folgt”, sagt Staatsanwalt Michael Neff. Und in Basdorf ist wieder eine Einwohnerversammlung geplant.
KÖNIGS WUSTERHAUSEN Der Einsatz der Sonderkommission Tomeg in Königs Wusterhausen gegen rechte Straftäter hat Wirkung gezeigt. “Die Lage hat sich absolut beruhigt”, sagte der zuständige Dezernatsleiter im Potsdamer Polizeipräsidium, Reiner Köpping, der MAZ.
Gut ein Jahr nach dem Beginn des Tomeg-Einsatzes könne man Königs Wusterhausen “nicht mehr in die Kategorie Angstraum einbeziehen.” Fremdenfeindliche- und Propagandastraftaten seien deutlich zurückgegangen. Im Visier der “täterorientierten” Sonderkommission sind laut Köpping rund 20 Personen aus der rechten Szene, die “vorbeugend betreut” werden. Erstmals waren im Februar zur Verhinderung von Straftaten auch Wohnungen von Männern im Alter von 17 bis 21 Jahren durchsucht worden (MAZ berichtete). Bei dem Großeinsatz mit 100 Beamten wurden Propagandamaterial und Waffen sichergestellt. Seitdem sei von den beobachteten Personen keine derartige Straftat mehr ausgegangen. Die rechte Szene sei durch die Razzia “stark verunsichert” worden. Trotzdem sei sie weiter aktiv und habe teilweise Verbindungen zu rassistischen Vereinigungen wie dem Ku-Klux-Klan in den USA. Köpping räumte ein, dass der harte Kern der Szene von der Tomeg nicht erreicht werde und seine Aktivitäten verlagert: “Die Hardliner tauchen ab und ändern ihre Methoden.” Doch auf die Masse der Jugendlichen wirke sich der “Verfolgungsdruck” aus. Als Grund für den Erfolg sieht er auch die gute Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und Kommunalpolitikern. Köpping kündigte an, dass die Tomeg und auch die Sondereinsatzgruppe Mega dauerhaft in Königs Wusterhausen bleiben werden. Sie würden in die Jugendkommissariate eingegliedert, die mit der Polizeireform in allen Schutzbereichen entstehen sollen. Köpping: “Es wäre ein Fehler, wenn wir die Maßnahmen jetzt abbrechen und erst dann wieder anfangen, wenn etwas passiert.”
Jugendpreis gegen Gewalt
POTSDAM. Der Landespräventionsrat hat am Mittwoch zum zweiten Mal einen landesweiten Jugendwettbewerb ausgeschrieben. Bis zum 30. Juni können Jugendliche Beiträge zum Thema “Miteinander leben” einreichen. Nach Angaben von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) würden Projekte, Initiativen, Aktionen, Ideen oder Konzepte gesucht, die Jugendliche für ein “harmonisches, gewaltfreies und respektvolles Miteinander sensibilisieren und zu einem fairen Umgang mit dem anderen befähigen”. Beteiligen können sich Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 18 Jahren, auch in Gruppen oder als ganze Schulklassen. Die besten Beiträge werden mit insgesamt 10 000 Euro prämiert.
Der auf Beschluss der Landesregierung im Juni 2000 gegründete Präventionsrat “Sicherheitsoffensive Brandenburg” soll Ursachen von Gewalt und Kriminalität sowie Wege zu ihrer Bekämpfung aufzeigen. Beim ersten Jugendwettbewerb im vergangenen Jahr wurden 32 Projekte eingereicht, die sich mit dem Thema “Gemeinsam Eigentum achten” beschäftigten. “Die Palette der Arbeiten war sehr weit gefächert”, sagte Innenministeriumssprecher Heiko Homburg. Die Schüler schrieben Hörspiele und Theaterstücke, drehten Videos und gestalteten Plakate oder Internet-Seiten. Den ersten Preis gewann das Theaterstück “Nur ne CD” einer fünften Klasse der Gesamtschule Finowfurth (Barnim), das sich mit dem Problem des Ladendiebstahls beschäftigte. Ausgezeichnet wurde ebenfalls ein “Sicherheitsdienst”, mit dem Jugendliche einen Cottbuser Spielplatz gegen die regelmäßige Zerstörung schützen.
Informationen erteilt der Präventionsrat unter 0331/866 24 89 oder ‑24 69.
Haupttätern droht lebenslänglich
POTSDAM. Die fünf jungen Männer, die im August vergangenen Jahres den Obdachlosen Dieter Manzke in Dahlewitz zu Tode prügelten, hatten offenbar einen Anführer: den 21-jährigen Dirk R. Dies ergibt sich aus dem psychiatrischen Gutachten über den mutmaßlichen Haupttäter, das am Mittwoch im Mordprozess vor dem Potsdamer Landgericht vorgestellt wurde. Gutachter Alexander Böhle bescheinigte dem Angeklagten einen starken Hang zur Aggressivität. Seine zahlreichen Gewalterfahrungen — er wurde bereits mehrmals wegen Körperverletzung angezeigt — hätten die Gruppe offenbar fasziniert. “Sein Selbstgefühl war an die Fäuste gebunden”, sagte der Psychiater. Gewalt spiele eine zentrale Rolle in seinem Weltbild.
Laut Gutachten ist Dirk R. aber auch psychisch krank. Er fühle sich oft von allen Seiten angegriffen, leide unter Verfolgungswahn, hieß es. Der 21-Jährige habe eine “tiefe Persönlichkeitsstörung” nah an der Psychose, sagte Gutachter Böhle. Dies äußere sich nicht nur in der Gewaltneigung, sondern auch in starken Stimmungsschwankungen und dem Alkoholmissbrauch kurz vor der Abhängigkeit.
Ob diese Diagnose allerdings Folgen für das zu erwartende Urteil hat, blieb am Mittwoch offen. Dirk R. droht, ebenso wie dem 22-jährigen Mitangeklagten Dirk B., im Höchstfall eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes. Gutachter Böhle bezweifelte dabei, dass Dirk R. nicht zurechnungsfähig gewesen sei. Die festgestellte “schwere seelische Abartigkeit” sei für die eigentliche Tat, den brutalen Überfall auf Dieter Manzke, nicht unbedingt von erheblicher Bedeutung, argumentierte der Psychiater. Schließlich habe Dirk R. durchaus überlegt gehandelt, indem er etwa plante, noch eine zweites Opfer zu suchen und zusammenzuschlagen. Dies hatte der Angeklagte sogar selbst vor Gericht eingeräumt.
Starke Gruppendynamik
Die anderen Angeklagten seien dagegen leicht beeinflussbar gewesen, sagte der Gutachter: “Die Gruppendynamik spielt bei dieser Tat sicher eine große Rolle.” Die “starke charismatische Wirkung” von Dirk R. habe vor allem bei den drei jüngeren Tätern Begeisterung ausgelöst — während der Älteste, Dirk B., mit seinem 21-jährigen Rivalen konkurrierte und dadurch auch bei Gewalttaten mithalten wollte. Das entspricht auch den Ermittlungen. So hatte der Jüngste, der 17-jährige Uwe R., nach eigenen Angaben erst dann das wehrlose Opfer traktiert, als Dirk R. ihm dies mit den Worten anbot: “Du kannst ihn ruhig schlagen, der tut nichts mehr.” Und Dirk B., der Älteste, der eher als ängstlich galt, habe nach der Tat gesagt: “Jetzt haben wir endlich mal jemanden zusammengeschlagen.”
Die Jugendgerichtshilfe empfahl am Mittwoch bei den drei jüngeren Tätern eine Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht. Die Höchststrafe wären in diesem Fall zehn Jahre Gefängnis. Das Urteil soll am 3. April fallen.
NEURUPPIN Der Staatsanwalt ist sehr dafür, den Liedtext öffentlich vorzulesen. Und zwar nicht irgendeinen Text, sondern “Herrenrasse” von der Gruppe “Macht und Ehre”. Solche Musik wird nur in bestimmten Kreisen gehört. Kreise, zu denen die vier Angeklagten gehören sollen.
Wegen gefährlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung müssen sich Sven K., Daniel und Dennis E. sowie Karsten S. seit dem 5. März vor dem Neuruppiner Amtsgericht verantworten.
Die Staatsanwaltschaft hat diesen Sachverhalt ermittelt: Am 20. Mai des vergangenen Jahres hatten sich mehrere junge Männer, darunter die Angeklagten, in der Wohnung von Dennis E. in der Wittstocker Papenbrucher Chaussee getroffen. Es wurde Bier getrunken und rechts orientierte Musik gehört. “Arier, wir sind die Herrenrasse. Nur korrekt, nicht gelb, schwarz, braun gefleckt.” Und da fiel den Feiernden Manuel G. ein.
Der farbige Deutsche war häufig Gast bei Daniel A., der im selben Haus wie Dennis E. wohnte. Die Idee, dem “Neger eins auf die Fresse zu hauen”, kam auf. Sofort rannten sie in die vierte Etage. Der bereits zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilte Dennis Sch. war der Vorreiter. Er stürmte als Erster nach oben. Manuel G. rettete sich durch einen Sprung vom Balkon. Daniel A. wurde auf sein Bett gestoßen und von einem der ungebetenen Besucher mehrfach ins Gesicht geschlagen. Das hatte der junge Mann am vergangenen Verhandlungstag ausgesagt.
Die CD hätte nichts mit der Sache zu tun. Diese Auffassung vertrat einer der Verteidiger. Das sah der Staatsanwalt anders. Natürlich sei diese Musik ein Indiz für Fremdenfeindlichkeit. Das hatte auch der Jugendrichter bei der Verurteilung von Dennis Sch. als Motivation für die Tat strafschärfend gewürdigt.
Die Angeklagten, zwischen 21 und 23 Jahren alt, äußern sich nicht. Mit kurz geschorenen Köpfen sitzen sie in einer Reihe hinter ihren Verteidigern. Sehr interessiert an ihrer eigenen Verhandlung scheinen zumindest zwei von ihnen nicht zu sein. Sie beschäftigen sich lieber mit ihren Handys. Dabei haben alle vier schon Erfahrung mit dem Gericht. Gesessen hat Sven K. jedoch als Einziger: drei Jahre wegen Brandstiftung.
Viel zur Aufklärung der Tat konnten die Zeugen gestern nicht beitragen. Der taubstumme Michael O. war an jenem Abend auch in der Wohnung von Dennis E. Er habe alles vergessen, ließ Michael O. dem Gericht durch den Gebärdendolmetscher sagen. Er wusste nur noch, dass er mit nach oben gerannt war. Und dann nur zuschaute, wie Dennis E. mit der Faust eine Türscheibe durchschlug und Dennis Sch. den Wohnungsinhaber verprügelte.
Da die Anwälte der beiden Opfer gestern verhindert waren, soll am kommenden Montag plädiert und ein Urteil verkündet werden.
ZEHDENICK — Die Kamera schweift über die Zehdenicker Schleuse. Sonnenschein. Der Kommentator beginnt mit den Worten: “Zehdenick, eine ganz normale Kleinstadt mit allen Schwächen und Stärken. Eine große Schweinerei ist dort geschehen.” Die Zehdenickerin Christa-Maria Rahner bringt es auf den Punkt: “Wie gehen die Zehdenicker mit ihrer Geschichte um.” Eine Arbeiterstadt mit ihrer Nazi-Vergangenheit. Und plötzlich Zeitlupenbilder von Grabsteinen, der jüdische Friedhof. Nazis demolieren am 12./13. Februar 2001 die rekonstruierte Gedenkstätte, sagt der Kommentator. Und eine Stadt hüllt sich in Schweigen.
Dienstagabend hatte der Dokumentarfilm “Zehdenick — Schöne Stadt mit Nazis” Premiere in der Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam. Hans-Dieter Rutsch hat in einer aufwändigen Recherche versucht, die Hintergründe dieses Ereignisses zu ergründen. Es kommen Polizeibeamte zu Wort, der Bürgermeister, ein Schuldirektor, eine örtliche Journalistin, eine Sozialarbeiterin, das Ehepaar Rahner sowie der 16-jährige Schüler Christian Ahlrep. Sie alle versuchen im Film, die Ereignisse zu erklären, jeder auf seine Weise, mit seiner Sicht. Ein differenziertes Bild entsteht dabei. Und es bleiben Fragen, die nicht geklärt werden. Bürgermeister Werner Witte kommt im Film die Rolle des Relativierers zu, des Entschärfers und meistens sogar des Verharmlosers.
In der Diskussion nach der Vorführung fragen sich deshalb die meisten der etwa 60 Gäste, warum in Zehdenick eine solche Angst herrscht, sich klar zu äußern. Diesen Eindruck vermittelt zunächst etwa die Befragung des Bürgermeisters. Doch es wird vielen der Anwesenden erst im Gespräch klar, wie die Stimmung in Zehdenick ist. Es ist nicht unbedingt die Angst vor einer Horde Skinheads, die einige nur zögerlich antworten lässt, sondern schlicht Unsensibilität, Desinteresse gegenüber der eigenen Geschichte.
Wilfried Rahner beschreibt die Stille während einer Stadtverordnetenversammlung, als er den Vorschlag macht, dass die Stadt mit einer Kundgebung Stellung beziehen müsse. “Keine Reaktion.” Schlimm auch das Feilschen um Worte bei der Resolution. Auf die Frage, warum die politischen Spitzen nur zögerlich Stellung beziehen, gibt Christa-Maria Rahner eine Antwort, die viele verblüfft: Es sei ständig die Angst vorhanden, Investoren zu verprellen. Das Erscheinungsbild des Ortes soll in der Öffentlichkeit nicht beschmutzt werden.
Der Film soll auch in Zehdenick gezeigt werden. Er ist, so die Meinung vieler Premierengäste, eine gelungene Darstellung der vielerorts herrschenden Verharmlosung rechtsextremer Gewalt. Eine Dokumentation des Alltags.