(21.03.05) (MAZ) Werneuchen — In der Nacht zu Samstag wurde die Kirche in Werneuchen mit mehreren
Hakenkreuzen und anderen Symbolen sowie Graffiti beschmiert. Die
Schmierereien bedeckten das gesamte zweiflüglige Eingangstor, den
Schaukasten und die Grundmauern des Gebäudes. Nach der Spurensicherung am
Tatort wurde eine Firma aus Eberswalde mit der Beseitigung der Schmierereien
beauftragt. Durch die sofort eingeleiteten Ermittlungen gelang es der
Kriminalpolizei noch am Samstag drei jugendliche Tatverdächtige bekannt zu
machen. Die Ermittlungen dauern derzeit noch an. Der entstandene Schaden
wird derzeit auf ca. 1.500 Euro beziffert.
NEURUPPIN/TARMOW „Er ist rausgekommen. Da haben wir ihn geschnappt, ihm eine gescheuert und wieder losgelassen.“ Ähnlich wie der während der Gerichtsverhandlung zumeist grinsende Hans Erich S. sah in der gestrigen Verhandlung vor der Jugendschöffenkammer des Neuruppiner Amtsgerichts auch Nico N. das, was sich an einem Abend im Oktober 2003 in Tarmow zugetragen hat: „Ich habe ihn geschubst.“ Franco P., der Dritte im rechtsextremen Bunde, erinnerte sich daran, dem Schüler André M. „eine geknallt zu haben. Vielleicht habe ich ihn auch ein bisschen gestupst.“ Das Stupsen erfolgte, wie sich später herausstellte, mit Stahlkappen bewehrten Springerstiefeln. Das Trio tischte dem Gericht weitere Lügen auf. Man wollte André M. bestrafen, weil dieser Kinder im Dorf geohrfeigt habe.
Richter Veith Burghardt hörte sich die beschönigenden Reden der Angeklagten ein Weilchen an. Dann verordnete er fünf Minuten Pause. Nicht zur Erholung, sondern zum Nachdenken: „Ich habe mir ihre Märchenstunde etwas gemütlich angehört. Jetzt ist es mit der Gemütlichkeit vorbei. Sie haben noch einmal die Möglichkeit, mit einem Geständnis eine Menge zu reißen. Ansonsten ziehe ich alle Register.“ Die Anwälte nutzten die Chance, ihren Mandanten ins Gewissen zu reden. Und so kamen die drei jungen Männer mit ihren folgenden Aussagen der Wahrheit und damit der Anklageschrift deutlich näher.
An jenem Oktoberabend langweilte man sich in der Bushaltestelle. Gegenüber dieser, dass wussten die Jugendlichen, wohnte André M. Was sie auch meinten zu wissen: Da dieser eine Punkfrisur trug und damit als links galt, passte er nicht in das Weltbild der drei, die ihre Zimmer mit Aschenbecher schmückten, auf denen Hakenkreuze und Hitler-Konterfeis zu sehen waren. Ein zufällig an der Haltestelle vorbeikommender Junge wurde angewiesen, den Punk aus dem Haus zu locken. Aus einem Hinterhalt heraus griffen ihn Erich S., Franco P. und Nico N. an, stießen ihn nieder und traten ihn mit Springerstiefeln und Stahlkappenschuhen, bis sich ihr Opfer in Sicherheit bringen konnte. Sie verfolgten ihn bis zu dessen Wohnhaus und beschimpften ihn sowie seine Mutter als Judenschweine, die aus Tarmow zu verschwinden hätten. Richter Burghardt ging mit den Rechtsradikalen hart ins Gericht: „Drei Glatzen glauben, jemanden vorschreiben zu dürfen, wie er sich zu verhalten und wo er sich aufzuhalten hat.“ Nur Nico N., der einst zum Einflusskreis des sogenannten Opa Lange, einem Neuruppiner Rechtsradikalen, gehörte, hat sich für das Gericht glaubhaft von dieser Szene getrennt.
Nico N. und Franco P. kamen zudem an einem weiteren Oktoberabend 2003 „irgendwie auf die Idee“, den Jüdischen Friedhof in Fehrbellin mit Nazi-Parolen zu schänden. Hans Erich S. will dabei nur rumgestanden haben. „Ich muss das wohl aus meiner Gesinnung heraus gemacht haben“, verkündete Franco P. Diese Gesinnung die er nach eigenem Bekunden bis heute nicht abgelegt hat, ließ ihn im März 2004 mit anderen Tätern nochmals nach Fehrbellin kommen, um wiederum den Jüdischen Friedhof zu besudeln. Die gesondert verfolgten Mittäter sollen anschließend nach Neuruppin gefahren sein, um den dortigen Jerusalemhain ebenfalls mit Nazi-Parolen zu schänden. Was die Nazis einst über die Tore von Konzentrationslagern schrieben, sprühte das Duo ans Jerusalem-Denkmal: „Arbeit macht frei“ und „Jedem das Seine“.
Richter Burghardt statuierte gestern ein Exempel. Statt der vom Staatsanwalt geforderten Verwarnungen und Arbeitsstunden sowie für Franco P. zwei Wochen Jugendarrest, verhängte er Bewährungsstrafen zwischen sechs und neun Monaten. Burghardts Schlusswort: „Es liegt an Ihnen, wie Sie Ihre Zukunft gestalten. Das war´s.“
140 Demonstranten in Oranienburg
ORANIENBURG Viele waren es nicht, die am Sonnabend in Oranienburg gegen Rassismus
demonstrierten. Nach Polizei-Angaben kamen etwa 140 Teilnehmer zur vom Forum gegen
Rassismus veranstalteten Demonstration.
“Ich glaube, die Leute sind nur noch mit sich selbst beschäftigt. In der Stadt
herrscht eine depressive Stimmung”, kommentierte Minette von Krosigk vom Forum. “Ich
bin enttäuscht, dass so wenige gekommen sind”, sagte Oranienburgs Bürgermeister
Hans-Joachim Laesicke.
In der Gedenkstätte Sachsenhausen legten die Demonstranten Rosen in Gedenken an die
Opfer des Konzentrationslagers nieder und zogen dann zur Abschlusskundgebung vor die
Nicolaikirche. In der Gedenkstätte sprach Karl Stenzel, der von 1941 bis 1945 im
Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert war. “Nach der Befreiung haben wir uns
geschworen, dass es nie wieder Faschismus geben wird”, sagte Stenzel. “Meine
Generation hat dieses Versprechen gebrochen.” Umso wichtiger seien Demonstrationen
wie die des Forums, sagte der ehemalige Häftling.
Am Rande der Veranstaltung sprachen Polizeibeamte gegen 18 Personen mutmaßlich aus
der rechten Szene Platzverweise aus. Drei von ihnen, die der Anweisung nicht Folge
leisteten, wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen; darunter ein angetrunkener
16-Jähriger, bei dem die Beamten 1,46 Promille feststellten.
Thomas, ein Student aus Oranienburg, wollte seinen Nachnamen nicht nennen, weil
Rechtsextreme ihn lesen könnten. “Es gibt in Oranienburg viele organisierte Nazis”,
sagte Thomas. “Da ist es wichtig, auf die Straße zu gehen.”
Ihn ärgerte, dass “zu wenige Jugendliche mobilisiert worden sind”. Ralph Gabriel vom
Forum gegen Rassismus sagte, im vergangenen Jahr habe man mehr Jugendliche für die
Demonstration gewinnen können. Mit dabei waren diesmal jedenfalls Auszubildende des
VHS-Bildungswerks und eine Trommlergruppe des Rungegymnasiums.
Vor der Nicolaikirche appelierte der ehemalige Bildungsminister von Brandenburg,
Steffen Reiche, man müsse gemeinsam mit Ausländern neue Lebenschancen schaffen.
“Immer wenn sich Brandenburg Zuwanderern geöffnet hat, ging es den Menschen gut. Es
muss wieder Menschenrecht statt Faustrecht gelten”, sagte der SPD-Politiker.
Das Forum gegen Rassismus trifft sich an jedem dritten Donnerstag in der ehemaligen
Kita Kunterbunt, Lindenring 20a, in Oranienburg ( 0160/95 15 78 34). Neulinge sind
herzlich wilkommen. Auch ist das Forum auf Spenden angewiesen.
In der Nacht vom 19. zum 20. März 2005 haben Neonazis die Außenwände und
Scheiben mit über 20 Hakenkreuzen und Sprüchen beschmiert und eine
Fensterscheibe vom Lokal in der Schönower Straße 105, direkt am S‑Zepernick
(bei Berlin) zerstört.
Der Versuch einen Brandsatz zu zünden schlug fehl.
Der Betreiber vom “City-Grill-Bistro” sprach von einer “permanenten
Bedrohung” durch Neonazis gegen ihn und den MitarbeiterInnen der Lokals. Der
Bahnhof wird schon seit Jahren als Treffpunkt für Neonazis aus Zepernick und
Umgebung genutzt. Immer wieder kam es hier zu Angriffen auf MigrantInnen.
(19.03.05)LIEBENWALDE Die Inschrift auf dem neuen Gedenkstein am Kriegerdenkmal, der
am 8. Mai enthüllt werden soll, steht nun für die Mitglieder des Heimat- und
Geschichtsvereins fest: “Für die Opfer von Krieg, Diktatur und Vertreibung”
soll künftig auf dem Stein zu lesen sein.
Das wurde bei einer Abstimmung der Mitglieder auf ihrem Treffen am
Donnerstagabend beschlossen. Damit entschied man sich gegen eine zweite
Version der Inschrift: “Für die Opfer von Krieg, Verfolgung und Gewalt”.
Vorausgegangen war eine angeregte Diskussion, in der auch über die
verschiedenen Arten des Gedenkens diskutiert wurden.
“Ich bin ein Kriegskind, aber ich brauche den Stein trotzdem nicht”, sagte
etwa eine Frau, deren Familie zu den Vertriebenen aus dem Osten gehört
hatte. Anstelle der Gedenksteinerrichtung plädierte sie “für die Erhaltung
der bestehenden Denkmale”. Eine Meinung, die von der überwiegenden Mehrheit
allerdings nicht geteilt wurde.
Debattiert wurde auch über das Anbringen der Jahreszahl 2005 am Stein, als
spätere Erinnerung an seine Errichtung. Schließlich einigte man sich, die
Zahl an nicht so prominenter Stelle — etwa an der rückwärtigen Seite -
einzugravieren. Mit der Jahreszahl soll später die historische Einordnung
erleichtert werden.
Finanziell ist die Anfertigung des Steins laut des Vereinsvorsitzenden Jörn
Lehmann mit einer Summe von 573 Euro abgesichert. Ein wesentlicher Anteil
daran sei den Aktivitäten der Frauen vom Museumsverein zu verdanken, die
viel Selbstgebasteltes verkauften.
Allein beim jüngsten Mittwochsmarkt nahmen sie so 50 Euro ein, weshalb die
Aktion noch häufiger wiederholt wird. Unter anderem beim heutigen
Frühlingsfest in Liebenthal und beim Drachenbootfest im August, für das
kleine Drachen gefertigt werden sollen. Angedacht ist, die Bastlertreffen
eventuell im 14-tägigen Rhythmus zu veranstalten.
“Lex DVU” sorgt für Unruhe
(19.03.05) POTSDAM Die märkische CDU will der rechtsextremen DVU den Zugang zu
Finanzquellen versperren. Künftig sollen parteinahe Stiftungen und
kommunalpolitische Vereinigungen nur noch Landeszuschüsse erhalten, wenn sie
” dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmungen repräsentieren
und nach dem endgültigen Ergebnis der letzten drei Landtagswahlen mindestens
fünf Prozent der Stimmen erreicht haben”. Das sieht ein Änderungsantrag der
Innen-Arbeitskreise von SPD und CDU zum Haushaltsentwurf 2005/06 vor, der
maßgeblich die Handschrift der Union trägt. Bislang reichte für eine
Förderung das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde aus.
Partei-Experten warnen vor einer rein formalen Ausgrenzung der DVU. “Ich
halte das für problematisch”, sagt der Potsdamer Parteienforscher Jürgen
Dittberner. Danach könnte die DVU in der nächsten Legislaturperiode (sofern
sie zum dritten Mal in den Landtag einzöge) Zuschüsse beantragen — Parteien
wie die Grünen oder die FDP jedoch nicht. “Wir brauchen eine inhaltliche
Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen, keine administrative”, so der
Universitätsprofessor.
Auch der Politikexperte Oskar Niedermayer warnt davor, die DVU formal
austricksen zu wollen. “Kassiert die Landesregierung bei diesem Streit eine
juristische Schlappe, wäre das ein Rückschlag im Kampf gegen rechtsextreme
Parteien”, so der Professor am Berliner Otto-Suhr-Institut. Zudem könnten
solche Aktionen auch zu ungewollten Solidarisierungseffekten bei der
DVU-Wählerklientel führen.
Der innenpolitische Sprecher der CDU, Sven Petke, verteidigt den Antrag. Die
DVU sei eine Phantompartei, die kommunalpolitisch im Land nicht aktiv sei.
Es sei zudem nicht einzusehen, dass eine Partei, “die im Schulterschluss mit
der NPD die Axt an die Wurzeln der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
legt, auch noch aus Steuermitteln finanziert werden soll”. Die SPD gibt sich
in einer ersten Reaktion zurückhaltend. Bislang sei laut Fraktionssprecher
Florian Engels noch keine Entscheidung der Koalitions-Fraktionen zu diesem
Vorschlag gefallen.
Die DVU erklärt, dass die geplante “Lex DVU” verfassungswidrig sei. “Sie ist
willkürlich und stellt einen Verstoß gegen den allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz dar”, kritisiert der Parlamentarische Geschäftsführer
der Fraktion, Sigmar-Peter Schuldt. Sollte die geplante Regelung Gesetz
werden, werde man eine Verfassungsklage anstrengen.
Insgesamt sollen parteinahe Einrichtungen je nach Stimmengewicht in diesem
Jahr rund 960 000 Euro aus der Landeskasse erhalten. Damit werden in erster
Linie politische Weiterbildungsangebote für Bürger finanziert. DVU-nahe
Einrichtungen könnten theoretisch mit rund 50 000 Euro rechnen.
(19.03.05)Potsdam/Senftenberg — Das Linksbündnis “Wahlalternative Arbeit und soziale
Gerechtigkeit” will heute in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) den
Brandenburger Landesverband der neuen Partei gründen. Das kündigte der
kommissarische Vorstand Herbert Driebe an. Die 50 erwarteten Delegierten
wollen eine Satzung verabschieden und einen achtköpfigen Vorstand wählen,
der aus seiner Mitte den Parteichef bestimmt. Auch Driebe (50) kandidiert
für den Vorstand.
“Wir haben Senftenberg als Gründungsort des Brandenburger Landesverbandes
ausgewählt, weil diese Stadt in einer Randregion liegt. Und Randregionen
werden durch die Neuorientierung der Förderpolitik von Ministerpräsident
Matthias Platzeck künftig vernachlässigt — auch dagegen sind wir”,
erläuterte Driebe.
Bundesweit hatte sich das Bündnis im Januar in Göttingen als Reaktion auf
die Politik der Bundesregierung aus mehreren “Wahlalternativen” gebildet.
Laut Driebe hat es 4600 Mitglieder, davon 74 in Brandenburg. Die
Bundesorganisation wird offiziell Anfang Mai in Dortmund gegründet.
Oranienburg/Ravensbrück — Die Wissenschaftlerin und Publizistin Insa
Eschebach wird neue Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
(Oberhavel). Sie tritt zum 1. Juli die Nachfolge von Sigrid Jacobeit an, die
in den Ruhestand geht, teilte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
mit. Eschebach wurde 1954 in Emden geboren und studierte zwischen 1976 und
1981 Religionswissenschaft, Publizistik und Philosophie an der FU Berlin.
Danach war sie als Wissenschaftlerin, Publizistin und Pädagogin insbesondere
zu Themen des Nationalsozialismus und seiner Nachgeschichte an verschiedenen
Orten tätig.
Mini-Anti-Lager-Action-Tour
Kundgebung
Bahnsdorf (Flüchtlingslager)
02.04.2005
11:30 Uhr
Zum €paweiten „Aktionstag für die Bewegungsfreiheit und gegen
menschenverachtende Flüchtlingslager“ wird es am 2. April 2005 bei der
Ausländerbehörde in Senftenberg und im zwölf Kilometer entfernten
Internierungslager in Bahnsdorf (Landkreis Oberspreewald-Lausitz in
Brandenburg) Aktionen für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht geben. Den
Aufruf gibt es hier.
Um 11:30 beginnt die Auftaktkundgebung direkt vor dem Flüchtlingslager in
Bahnsdorf. Das Lager in Bahnsdorf soll besichtigt werden. Anschießend gibt
es eine Demo durch Bahnsdorf.
Demonstration
Bahnhof in Senftenberg
02.04.2005
13:30 Uhr
Demonstration in Senftenberg. Ihr soll es unter anderem vor der
Ausländerbehörde Aktionen geben.
Zum €paweiten „Aktionstag für die Bewegungsfreiheit und gegen
menschenverachtende Flüchtlingslager“ wird es am 2. April 2005 bei der
Ausländerbehörde in Senftenberg und im zwölf Kilometer entfernten
Internierungslager in Bahnsdorf (Landkreis Oberspreewald-Lausitz in
Brandenburg) Aktionen für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht geben. Den
Aufruf gibt es hier.
(Flüchtlingsrat) Aus Anlass des „Anti-Rassismus-Tages der Vereinten Nationen“ am 21. März verleiht der Flüchtlingsrat des Landes Brandenburg zum neunten Mal den Denkzettel für systeminternen und strukturellen Rassismus.
Der „Preis“ geht dieses Jahr an:
Herrn Ralf Schröder, Geschäftsführer des AWO-Kreisverbandes Havelland e.V.
für den Versuch, Flüchtlingen einen Maulkorb zu verleihen
Briefgeheimnis und Privatsphäre der Bewohner des Rathenower Flüchtlingsheimes wurden missachtet. Als sich die Bewohner des Heimes im Sommer 2002 Hilfe suchend an die Öffentlichkeit wandten, wurden sie von der Geschäftsführung der AWO Havelland wegen Verleumdung angezeigt.
Bis heute gibt es keine öffentliche Entschuldigung von Seiten des Geschäftsführers der AWO Havelland für die illegalen Kontrollen im Heim. Im Gegenteil — Herr Schröder ist der Ansicht, dass bereits die Aufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft als Erfolg der Anzeige gewertet werden müsse.
Bereits letztes Jahr sollte es einen Maulkorb für die Verleiherinnen des Denkzettels geben. Die „Preisträger“ von 2004 regten eine einstweilige Verfügung an, in der Ansicht eine solche öffentliche Meinungsäußerung müsse unterdrückt werden. Dieser einstweiligen Verfügung konnte sich der Flüchtlingsrat mit Hilfe kompetenter anwaltlicher Unterstützung vor Gericht erwehren.
Auch die Bewohner des Heimes in Rathenow erfuhren starke Unterstützung von Bekannten, Initiativen und Juristen und konnten so ihr Recht auf Meinungsäußerung durchsetzen. Doch was geschieht mit Menschen, die diese Unterstützung nicht bekommen? Wie viele sind schon durch ähnliche Einschüchterungsversuche von zaghaften Kritikversuchen abgebracht worden?
Die Erfahrungen der letzten beiden Jahre zeigen deutlich, dass Auszeichnungen wie der Denkzettel immer wieder notwendig sind, um Unterdrückungsversuche anzuprangern und zu bekämpfen.
Fragwürdiger Denkzettel für die Awo
Flüchtlingsrat Brandenburg kritisiert “systeminternen Rassismus”
(MAZ)RATHENOW Zum Anti-Rassismus-Tag der Vereinten Nationen am 21. März vergibt
der Flüchtlingsrat des Landes Brandenburg den “Denkzettel für systeminternen
und strukturellen Rassismus”. Die fragwürdige Auszeichnung bekommt in diesem
Jahr der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Havelland, Ralf
Schröder. Dieser habe, so heißt es in einer Pressemitteilung des
Flüchtlingsrates versucht, “Flüchtlingen einen Maulkorb zu verleihen”. Das
Briefgeheimnis der Bewohner des Rathenower Asylbewerberheimes am Birkenweg
sei missachtet worden. Ein Gerichtsurteil, das Ende vergangenen Jahres vor
dem Amtsgericht Rathenow erging, bestätigt, dass im Asylbewerberheim
unerlaubt Briefe geöffnet wurden. Konkret handelt es sich um einen
Freispruch für zwei Asylbewerber, die von der Staatsanwaltschaft — nach
einer Strafanzeige der Awo gegen Unbekannt — wegen “Übler Nachrede”
angeklagt wurden. Die Asylbewerber hatten in einem offenen Brief auf die
Missstände im Asylbewerberheim aufmerksam gemacht.
Bis heute, so der Flüchtlingsrat in seiner Erklärung, gebe es keine
öffentliche Entschuldigung des Geschäftsführers der Awo. Zwar habe sich die
Arbeiterwohlfahrt Havelland, so Vera Everhartz vom Flüchtlingsrat gestern,
“mit einem kurzen Dreizeiler entschuldigt”. Dabei handele es sich jedoch
nicht um eine öffentliche Entschuldigung.
Fredi Matthews, Kreisvorsitzender der Awo Havelland, sagte gestern, er werde
die Delegation des Flüchtlingsrates am Montag empfangen. “Alles, was mit dem
Asylbewerberheim zu tun hat, geht inzwischen über meinen Schreibtisch”,
sagte er. Im Februar habe die Awo bei einem Gespräch mit Flüchtlingen aus
dem Heim und Flüchtlingsverbänden versucht Wege aufzuzeigen, wie das Leben
und Miteinander von Heimbewohnern und Heimleitung harmonisch organisiert
werden kann. “Dazu werden Arbeitsgruppen gebildet, in denen die Flüchtlinge
mitarbeiten”, sagte Matthews. Eine Bekanntmachung dazu, verfasst in mehreren
Sprachen, hänge im Asylbewerberheim. Matthews glaubt, dass sich die Awo nach
dem Aufsehen erregenden Prozess bewegt hat: “Wir lernen aus den Fehlern und
ich finde es schlimm, wenn man uns Rassismus vorwirft.”
Vera Everhartz nennt die Konsequenzen, die von der Awo bisher gezogen
wurden, “ein bisschen unehrlich”. Der Denkzettel sei nicht für die
Arbeiterwohlfahrt sondern für Awo-Geschäftsführer Ralf Schröder. Vera
Everhartz verweist auf einen Leserbrief von Schröder. Darin hatte dieser die
Ermittlungen des Staatsanwaltes nach der Anzeige gegen Unbekannt als Erfolg
gewertet.