POTSDAM Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kündigte nach der Verletzung einer Polizistin durch eine HIV-infizierte Asylbewerberin aus Kamerun rechtliche Veränderungen an. Die junge Beamtin war Anfang des Monats in Neuruppin von einer zur Abschiebung vorgesehenen Frau in die Hand gebissen worden. Wie Schönbohm mitteilte, müssten die Ausländerbehörden künftig
HIV-Infizierungen erfassen.
Anlässlich des Mordversuchs einer 15jährigen an einem gleichaltrigen Jungen libanesischer Herkunft, dem ausländerfeindliche Beleidigungen zuvorgegangen waren, fand am Samstag eine Antifaschistische Demonstration in Wriezen
statt. Organisiert wurde sie von den JungdemokratInnen/Junge Linke Bad Freienwalde und der Bad Freienwalder Alternative [BFA]. Die Demo war mit 70 bis 80 Personen eher mittelmäßig gut besucht. Darunter befanden sich nur wenige BürgerInnen, aber viele Jugendliche aus der Umgebung. Die Demo begann
ziemlich pünktlich um 15 Uhr am Bahnhof und endete ca. eine Stunde später am Marktplatz, wo sich der Übergriff ereignete. Bereits zu Beginn befanden sich am Rand 5 bis 10 glotzende Nazis. Eine Truppe von ca. 8 Anti-Antifas (Fotos
folgen noch) verfolgte immer wieder die Demo und versuchte von der Seite DemonstrantInnen abzufotografieren. Bei der Abschlusskundgebung am Marktplatz fanden sich dann noch einmal ca. 20 Nazis am Rand mit Bierkasten ein und fingen an zu pöbeln. Die Kundgebung wurde daraufhin unterbrochen.
Einige Demo-TeilnehmerInnen stimmten schlagfertig “Ihr habt den Krieg verloren” an. Die Polizei hielt es zunächst nicht für nötig, die Nazis zu beseitigen, kam mit Sprüchen wie “Wenn Ihr hier provoziert…” und duzte mehrere Demo-TeilnehmerInnen. Ein Bulle nannte eine Demoteilnehmerin “Möhre” und argumentierte, dass “er hier seine Freizeit opfert” und wir ihn deshalb nicht anmachen sollen. Nachdem die Polizei die Nazis dann doch friedlich zum Gehen brachte, wurde die Kundgebung fortgesetzt und schließlich beendet.
Es gab einen Redebeitrag zu Nazistrukturen in Brandenburg und einen weiteren zum Zusammenhang von staatlichem und gesellschaftlichem Rassismus. Leider war das Opfer selbst nicht anwesend, auch Flüchtlinge fehlten.
Netter Empfang für SS-Männer
(Tagesspiegel, Frank Jansen) Spremberg — Egon Wochatz hat eine “konservative Grundhaltung”. Dazu gehört,
Asylbewerbern den Marsch zu blasen. Auch wenn sie tot sind. Als 1999 in Guben der Algerier Farid Guendoul auf der Flucht vor Schlägern in eine Glastür sprang und verblutete, fragte der CDU- Mann: “Was hatte der nachts auf der Straße zu suchen?” Wochatz war damals Bürgermeister von Spremberg.
Die harsche Kritik an seiner Äußerung focht ihn nicht an. Jetzt ist der 67-Jährige Chef der CDU-Fraktion im Kreistag von Spree- Neiße — und es gibt neuen Ärger. Der Fall beschäftigt sogar die Landesregierung.
Am ersten Juni-Wochenende war in Spremberg viel los. Die Stadt lud zu einer “Folklore-Lawine”, zahlreiche Gruppen kamen. Auch aus Frankreich. Der Besuch einer Folklore-Gruppe aus der Normandie sollte zum 60. Jahrestag der
Invasion der alliierten Streitkräfte (“D‑Day”) ein Zeichen der Versöhnung sein. Was kaum jemand wusste: Es trafen sich in Spremberg auch die alten Kameraden der SS-Division “Frundsberg” — die in der Normandie gegen die Alliierten gekämpft hatte. Wochatz begab sich zu den etwa 30 einstigen
Elitesoldaten des NS-Regimes.
Die “Frundsberger”, wie Wochatz sie nennt, kamen in der Gaststätte Georgenberg zusammen. Freitag habe er sie begrüßt, sagt Wochatz, wie in früheren Jahren auch. Sonnabend ging er wieder hin. Da seien auch junge
Leute im Lokal gewesen, die “als rechtsorientiert zu bezeichnen wären”. Am Sonntag, als die “Frundsberger” auf dem Friedhof ihrer 1945 nahe Spremberg gefallenen Kameraden gedachten, hätten die jungen Männer mit Stahlhelmen auf
dem Kopf eine “Ehrenwache” für die toten SS-Männer abgehalten. Wochatz sagt: “Ich war woanders.”
Der Landrat des Kreises Spree-Neiße, Dieter Friese (SPD), ist empört. So sehr, dass er Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) einen Brief geschrieben hat. “In tiefer Sorge” um den Ruf der Stadt Spremberg, des Landkreises, des Innenministers und des
Ministerpräsidenten hofft Friese, Schönbohm und Platzeck unternähmen “die geeigneten Schritte”. Ein Sprecher Platzecks sagt, die Spremberger Geschichte sei “unappetitlich”. In der Umgebung Schönbohms, der auch als
Chef der Landes-CDU gefragt ist, wird von einer “Prüfung” des Vorgangs gesprochen. Wochatz sagt, “bis zur Klärung der Angelegenheit lasse ich den Vorsitz der CDU-Fraktion ruhen”. Und fragt dann: “Haben die Frundsberger irgendwo störend eingegriffen?”
Er habe sich nichts vorzuwerfen, betont Wochatz. Weder heute noch damals, als es um den zu Tode gehetzten Algerier ging. “Es stimmt doch”, sagt Wochatz, “wäre der im Heim geblieben, wäre ihm nichts passiert.”
Wie kommt die Kuh aufs Brot?
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Wie arbeitet heutzutage ein Bauer? Welche Folgen hat die intensive
Landwirtschaft für uns Menschen? Was bedeutet ökologischer Landbau? Eine
Exkursion beim Ökolandwirt.
Was heißt es, sich vollwertig oder vegetarisch zu ernähren? Woher kommen
das
Frühstücksei und der Muntermacherkaffee? Was hat es mit dem “Bio”-Essen
auf
sich?
Wie wirken sich gentechnische Veränderungen aus? Welche Vor- und Nachteile
entstehen für Menschen und Umwelt? Welche sozialen und politischen Folgen
leiten sich ab? Wo gibt es Widerstand dagegen, was kann ich dagegen tun?
Wie argumentiere ich richtig, so das meine Meinung in Diskussionen gehör
findet? Welche Bedeutung haben Mimik und Gestik in der Argumentation?
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Eine Stadt mit vielen Gesichtern
Oranienburg ist noch immer hin und her gerissen zwischen normalem Leben und
der Wahrnehmung als “KZ-Stadt”. Ein Buch von Hajo Funke zementiert nun
diesen Widerspruch: Während sich in Oranienburg vieles bewegt, nagelt er die
Stadt auf den “rechten Mainstream” fest. Eine Ortsbestimmung
(TAZ, Anja Maier) Es ist ein abrupter Wechsel. Am Ende der Straße, wo frisch gestrichene Jägerzäune gepflegte Einfamilienhäuser beschützen, beginnt das Gelände der Gedenkstätte Sachsenhausen. Das ist Oranienburg, die Kreisstadt nördlich von Berlin. Hier, am Ende der Straße der Nationen, liegt der Ort, wo zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert waren. Zehntausende kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit und Misshandlungen um oder wurden Opfer systematischer Vernichtungsaktionen der SS. Dies ist die Stadt, in der heute 43.000 Menschen wohnen.
Wie kann man hier nur leben?, fragen sich viele. Ja, wie? Gut, sagen die meisten, die es tun. Nach der Wende sind viele Berliner und Bonner hierher ins Grüne gezogen. Sie haben Häuser gebaut, Kinder geboren, soziale Netzwerke geknüpft. So, wie es überall in Brandenburger Kleinstädten mit Berlin-Anschluss läuft. Morgens fahren 6.300 Oranienburger hinaus aus der Stadt zur Arbeit, abends kehren sie heim. Am Bahnhof versuchen sie, die allabendlich saufenden Glatzen zu übersehen, schwingen sich aufs Rad und wässern noch ein bisschen ihren Garten.
Das sind die Erwachsenen. Der Frage nach der Jugendkultur in Oranienburg — der Stadt, die im öffentlichen Bewusstsein als rechte Hochburg verankert ist — ist eine Forschungsgruppe von FU-Studenten unter Leitung des Politikprofessors Hajo Funke nachgegangen. Nun liegt das Ergebnis ihrer zweijährigen Recherche vor.
“Futur exakt” lautet der etwas sperrige Titel des im Verlag Hans Schiler erschienen Buches. Das Ergebnis ist so eindeutig, wie die Wirklichkeit in Oranienburg vielschichtig ist. Der Rechtsextremismus habe sich in Oranienburg in all seinen Erscheinungsformen hin zum Commonsense entwickelt.
Diese These hat eine Vorgeschichte. 1997 veröffentlichten Hajo Funke und zwei weitere Autoren “Ich will mich nicht daran gewöhnen”. Das Buch, das sich mit Fremdenfeindlichkeit in Oranienburg auseinander setzte, sorgte seinerzeit für einen Eklat. Eine Einladung zur Buchpräsentation lehnte der Bildungsdezernent Michael Garske damals im Namen des Landratsamtes ab. “Es gibt um Zehnerpotenzen unvergleichlich mehr Gewalt von Ausländern gegen Deutsche als umgekehrt”, schrieb Garske. “Gewalttaten von jugendlichen Deutschen gegen Ausländer pauschal als rechte Gewalt zu klassifizieren, greift zu kurz.”
Im Grunde war der Brief ein Glücksfall. Was viele Bürger der Stadt längst spürten — den latenten Rassismus in der Verwaltung, das Verdrängen manifester Fremdenfeindlichkeit -, war hier schriftlich niedergelegt. Funke hatte mit seiner These von der schweigenden, wegschauenden Mehrheitsgesellschaft wohl Recht. Es wurde höchste Zeit, Gesicht zu zeigen — hier wie in anderen Berliner Randgemeinden.
Doch ist das heute immer noch so? In den vergangenen Jahren gründete sich das Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg, an einem der örtlichen Gymnasien bildeten Schüler die AG gegen rechts, jedes Jahr im März zieht die Antirassismusdemo durch die Innenstadt — mit dem Bürgermeister an der Spitze. Stadtverwaltung und Gedenkstätte Sachsenhausen kamen endlich miteinander ins Gespräch, nachdem die Verwaltung jahrelang vergeblich versucht hatte, diesen Teil des Stadtgebietes als quasi außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs einzuordnen. Und vor Jahresfrist gründete sich eine neue säkularisierte Jüdische Gemeinde.
“Futur exakt” nun bilanziert aus Soziologensicht die Entwicklung dieser Stadt mit dem schlechten Ruf. Oranienburg, so die Autoren, stelle — wiewohl die Zahl rechter Übergriffe seit Jahren rückläufig ist — weiter einen fruchtbaren Nährboden für Fremdenfeindlichkeit dar. Basis dieser Entwicklung sei das schwach ausgeprägte Geschichtsbewusstsein in der Stadt.
Noch immer laufen täglich dutzende Schulklassen durch Oranienburgs Innenstadt zur Gedenkstätte — vorbei an Brachflächen, sanierten DDR-Plattenbauten und Imbissen. Dort stehen, wie bestellt, die Penner und Glatzen; Kampfhunde und Kleinkinder umspielen ihre Knie. Brandenburg, wie es sich der Berliner vorstellt.
Was er nicht sieht, ist das Bemühen vieler Oranienburger — Schüler, Eltern, Lehrer, Kirchen, Polizei — den öffentlichen Raum nicht dem rechten Diskurs zu überlassen. Kinder, die hier groß werden, müssen sich politisch positionieren. Links oder rechts — Widerstand oder Mainstream. Ein oft schmerzhafter Selbstfindungsprozess, der Heranwachsenden im multikulturellen Berlin nicht in dieser Schärfe abverlangt wird. Und der aus Berliner Sicht anscheinend ungern zur Kenntnis genommen wird. Ein klares Feindbild — gewissermaßen die Fremdenfeindlichkeit der Berliner gegen die Brandenburger — ist leichter zu pflegen, als es immer wieder neu zu hinterfragen.
Von “Zonen der Angst” ist in dem Buch der Berliner Soziologen die Rede: Bahnhof, Schlosspark oder der Strand des Lehnitzsees seien stadtbekannte Treffpunkte Rechter, wo sich linke Jugendliche nicht im Dunkeln aufhalten sollten. Dennoch tun sie es. Beide Seiten kennen sich, sie wissen, wer wie denkt. Dies hier ist schließlich eine Kleinstadt.
Inzwischen steht das Neubaugebiet, in dem zu DDR-Zeiten vor allem Militärangehörige wohnten, sozial auf der Kippe: Streng gescheitelte Bomberjackenträger wohnen hier neben Rentnerinnen und russischen Aussiedlerfamilien. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen. 15 Prozent aller Oranienburger Arbeitslosen sind unter 25 Jahre alt. Keine gute Grundlage für Jugendliche, sich fest in der Zivilgesellschaft zu verankern.
Die Stadt versucht dem entgegenzuwirken: Mit dem EU-Programm “Zukunft im Stadtteil” sollen attraktive Lebensräume geschaffen werden, die Bürger zur Identifikation mit ihrer Stadt bewegt werden. Ein schwieriges Unterfangen. Denn woran es Oranienburg wirklich fehlt, ist Identität. Die Stadt, die auf ihrer Homepage für ihre grüne, beschauliche Lage wirbt, ist zerrissen zwischen ihrer Geschichte als Oranierstadt, die sich in dem frisch rekonstruierten Barockschloss im Stadtzentrum ausdrückt, und ihrer finsteren Vergangenheit im Ortsteil Sachsenhausen.
Noch zu DDR-Zeiten wurden die Oranienburger — und gerade die damals hier lebenden Kinder und Jugendlichen — verpflichtet, an Veranstaltungen in der Gedenkstätte teilzunehmen, quasi als Garnitur. Aus den einstmals betroffenen Kindern sind die Eltern von heute geworden. Dass ihre Kinder — so wie sie einst selbst — zur Dekoration einer Täterstadt werden, möchten sie nicht. Und so wird in mancher Familie das Thema “KZ-Stadt” gern ausgeblendet.
Viel lieber wendet man sich da der wiederentdeckten preußischen Geschichte zu: Oranienburg wurde von Louise Henriette gegründet, der Mutter des Preußenkönigs. Als im Oranierjahr 1999 das Barockschloss in der Innenstadt aufwendig restauriert wurde, griffen Stadt und Landkreis beherzt zu: endlich eine neue, andere, vorzeigbare Geschichte für die “KZ-Stadt”.
Ein Impuls, vor dem der Leiter der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günther Morsch allerdings warnt: “Man sollte nicht versuchen, dem Beispiel Dachau zu folgen. Also für die Stadt werben: Besuchen Sie das schöne Dachau, und hoffen, dass das ehemalige Konzentrationslager ignoriert wird. Das funktioniert nicht.”
Jungen Menschen, die hier, in einer Stadt mit denkbar schlechtem Leumund, aufwachsen, meint Morsch, müssten die Chancen aufgezeigt werden, die diese zerrissene
Geschichte ihnen bietet: Auseinandersetzung und Identifikation. Dass die durch die Civitas-Stiftung finanzierte Stelle der Geschäftsführerin des Fördervereins für interkulturelle Bildung zum 31. August ersatzlos ausläuft, kann er damit nicht gemeint haben.
(Berliner Zeitung, Jens Blankennagel) FLIETH-STEGELITZ. Es ist wieder die Zeit der Dorffeste. Eigentlich ein Grund
zur Freude. Doch das ungestörte feuchtfröhliche Feiern ist nicht überall möglich. Etwa in Flieth-Stegelitz in der Uckermark, wo acht Punks — 15 bis 16 Jahre alt — vorigen Sonnabend auf dem Weg zu einem Fest angepöbelt und
geschlagen wurden. “Die Angreifer waren älter und dem Aussehen nach Rechtsradikale”, sagt der Vater eines der Opfer, der im Arbeitskreis des Ausländerbeauftragen des Kreises arbeitet. Sein Sohn wurde in diesem Jahr
schon vier Mal angegriffen.
Der Vater schrieb die Gedächtnisprotokolle der Opfer auf: Die Punks wurden als “Abschaum” beschimpft. Sie mussten sich anhören: “Ihr stinkt. Wascht euch. Schneidet euch die Haare. Zecken, verpisst euch.” Die Punks sagten: “Wir haben doch nichts gemacht, warum wollt ihr euch schlagen.” Dann
eskalierte die Situation. Die Punks wurden verfolgt, geschlagen, getreten, mit Bierflaschen und Steinen beworfen. “Es war ein Riesenglück, dass niemand schwer verletzt wurde”, sagt der Vater.
120 Übergriffe im Vorjahr
Nach Zählung des Potsdamer Vereins Opferperspektive gab es im Vorjahr in
Brandenburg 120 politisch motivierte Übergriffe von Rechtsextremisten — laut offizieller Polizeistatistik 87. Klar sei: Die Zahlen seien gleichbleibend auf hohem Niveau. Führend seien das Havelland, Potsdam und eben die
Uckermark. Gerade bei Dorffesten oder in Discos würden immer wieder Neonazi-Cliquen dominieren und alle, die sie als “Feinde” einstufen, würden angepöbelt oder zusammengeschlagen. “Es gibt Gegenden, die scheinen ruhig”,
sagt Vereinssprecher Kay Wendel. “Aber nur, weil den Neonazis die potenziellen Opfer ausgegangen sind.”
In Flieth-Stegelitz war das nicht der Fall. Zudem reagierten dort zwei Streifenpolizisten völlig unverständlich, sagt der Vater, der aktiv im Kampf gegen Rechtsextremismus an Schulen ist und dabei meist gute Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat. Die Polizisten sollen zu den Opfern gesagt haben:
“Überall, wo ihr seid, gibts Ärger. Ihr werdet schon nicht unschuldig sein. Ohne nichts tun die euch auch nichts.” Ein Polizist soll der Onkel eines der Angreifer gewesen sein.
“Hitler-Gruß” am Morgen
Der Vater berichtet, dass Alkoholtests nicht etwa bei den Angreifern, sondern bei drei Opfern gemacht wurden. Während dieser Polizeimaßnahme sollen die Neonazis weiter gepöbelt und Schläge angedroht haben. Anzeigen habe die Polizei anfangs angeblich nicht aufnehmen wollen. Der Vater sagt,
dass die Polizei immerhin eine Anzeige entgegennahm, als ein Jugendlicher am nächsten Morgen vor seinem Haus den “Hitler-Gruß” zeigte. “Ich sagte, dass er gegen die Gesetze verstößt.” Der Neonazi habe geantwortet: “Scheiß
Judengesetze.”
Der Vater fordert nun, dass sich die Polizisten bei den Opfern entschuldigen. Die Polizei sieht dazu keinen Anlass. “Wir können die Darstellung so nicht bestätigen”, sagt Polizeisprecher Burkhard Heise. Laut Einsatzunterlagen habe es keine Gewaltanwendungen gegeben, solange die
Polizei vor Ort war. Zudem sei die Möglichkeit eingeräumt worden, eine Anzeige zu erstatten.
Letzteres stimmt nach Angaben des Vereins Opferperspektiven nicht. “Wir fordern eine Aufklärung des Polizeiverhaltens”, sagt Vereinssprecher Wendel. “Es kann nicht angehen, dass Opfer wie Beschuldigte behandelt werden und die
Täter unbehelligt bleiben.” Solches Vorgehen leiste rechtsextremen Schlägern Vorschub und untergrabe das Vertrauen der Opfer in die Polizei.
Wendel will nun in der nächsten Woche ein Treffen zwischen Polizei, der Opferperspektive und den Opfern organisieren. Er sagt: “Obwohl niemand verletzt wurde, war dies kein harmloser Vorfall.” Die Opfer seien verängstigt. Die ständigen Angriffe würden ihnen klar machen, dass sie sich
anpassen müssen oder nicht erwünscht sind.
(Presseerklärung der Alternativen Jugendliste Bernau) Am 22. Juni 2004 um 10 Uhr muss sich der Bernauer Thomas J. vor dem Bernauer Amtsgericht wegen Diebstahls eines Wahlplakates verantworten. Ihm wird vorgeworfen, in der Nacht vom 21.–22. August 2002 ein Wahlplakat der Schillpartei entwendet zu haben. Brisanz hat dieses Verfahren vor allem, weil dieses Plakat in der Bernauer Goethestrasse auf Beschluss der Bernauer Vorstandes der Schill-Partei durch eine Videokamera überwacht wurde. Eine solche Videoüberwachung des öffentlichen Raumes durch Privatpersonen stellt selbst eine Strafttat dar. Unklar ist deswegen, ob das Videomaterial überhaupt als Beweismittel benutzt werden darf. Außerdem gab die Schillpartei den finanziellen Wert des Plakates mit 1,- Euro an. Hier dürfte
es dem Bernauer Gericht schwer fallen, wenn es denn zu einer Verurteilung kommen sollte, eine angemessene Strafhöhe zu finden. Hintergrund des Verfahrens ist das Phänomen, dass in Bernau seit mehreren Jahren die Wahlplakate von rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien
immer wieder von Unbekannten aus dem Strassenbild entfernt werden. In den letzten Wochen war davon vor allem die rechtextreme NPD betroffen.
SPD-Landrat wirft Egon Wochatz vor, Ruf des Kreises zu schädigen
Der Machtkampf zwischen Landrat Dieter Friese (SPD) und
CDU-Fraktionsvorsitzendem Egon Wochatz nimmt an Schärfe zu. Hinter verschlossenen Türen kritisierte Friese im Kreisausschuss, dass der frühere Spremberger Bürgermeister Wochatz an einem Treffen ehemaliger SS-Angehöriger
teilgenommen hat. Wochatz bot gestern an, die Fraktionsgeschäfte bis zur Klärung der Angelegenheit ruhen zu lassen. CDU-Fraktion und Kreisvorstand werden am Dienstag darüber beraten.
Im Kreisausschuss verwies Friese nach RUNDSCHAU-Recherchen auf einen Brief, der an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ging. Friese äußert sich darin «in tiefer Sorge um den Ruf der Stadt, des Landkreises, des Ministerpräsidenten und des
Innenministers» — denn die beiden führenden Männer des Landes waren am ersten Juni-Wochenende in Spremberg, als dort die Folklore-Lawine mit großer internationaler Beteiligung stattfand.
Brief an den Ministerpräsidenten
Gleichzeit trafen sich in dort Angehörige der ehemaligen SS-Division Frundsberg, die im April 1945 an Kämpfen um Spremberg beteiligt war. Wochatz räumte ein, an zwei Tagen bei dem Treffen gewesen zu sein — «wie in jedem
Jahr» . Als Bürgermeister und Gründungsmitglied des örtlichen Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge habe er persönliche Kontakte, weil in Spremberg die Umbettungsstätte für die Kriegsgräber des Tagebaubereiches Welzow liegt. Außerdem führt der ausgebildete Geschichtslehrer «historisches Interesse» an.
Wochatz betonte gegenüber der RUNDSCHAU, nicht an der Kranzniederlegung auf dem deutschen Soldatenfriedhof teilgenommen zu haben. Dort sei Älteren der Auftritt einer jüngeren Gruppe «unangemessen» erschienen, als diese sich -
teilweise mit Stahlhelm — zu einer «Ehrenwache» postierten, so Wochatz mit Verweis auf Informationen aus der «Seniorengruppe» . Die Organisatoren des Treffens seien ein eher loser Verbund von Vereinen. Offenbar seien dieses
Mal auch zwei andere Gruppen dabei gewesen, darunter die Stahlhelmgruppe und eine Gruppe Amerikaner, die Zeitzeugenaussagen sammelten. Er selbst werde angesprochen, wenn es um die Terminplanung gehe, so Wochatz, da die
Teilnehmer in Spremberger Hotels übernachteten. Wer aber zum Beispiel die Versammlungsräume bestelle, wisse er nicht.
Zurückhaltung bei Fraktionen
Auf Anfrage äußerten sich die Fraktionsvorsitzenden der PDS und SPD zurückhaltend. Man sollte der CDU zunächst Zeit geben, sich über den Vorfall zu verständigen, so Diethelm Pagel (PDS). Jörg Rakete (SPD) äußerte sich ähnlich, betonte aber, dass die Anwesenheit des Vorsitzenden einer
Kreistagsfraktion bei einem SS-Treffen dem Ansehen des Kreises schade. Es sei ein falsches Zeichen: «Die SS war eine verbrecherische Organisation.» CDU-Kreistagsfraktion und CDU-Kreisvorstand werden sich am Dienstag treffen,
so Kreisvorsitzender Michael Haidan. Wochatz hat gestern angeboten, die Fraktionsgeschäfte vorläufig ruhen zu lassen.
Vor sechs Jahren hatte es in Spremberg Diskussionen gegeben, als Wochatz — damals Rathaus-Chef — ohne Wissen der Stadtverordneten Gespräche mit Vertretern der SS-Kameradschaft zur Aufstellung eines Gedenksteins geführt
hatte.
Der Hinweis auf die Nähe zu SS-Angehörigen kommt in einer Phase der scharfen politischen Auseinandersetzung zwischen Friese und Wochatz. Wochatz fährt als Vorsitzender der größten Kreistags-Fraktion einen scharfen Kurs gegen
Friese. Aktuell geht es um den überarbeiteten Haushaltsplan.
Demo für Zivilcourage
Wriezen (MOZ) Zu einer Demonstration für Toleranz und Zivilcourage ruft die Bad Freienwalder Alternative am Sonnabend, 19. Juni, auf. Der Verein reagiert damit auf den Übergriff, der sich Anfang Juni auf dem Marktplatz
von Wriezen ereignet hatte. Ein geistig behinderter Jugendlicher syrischer Abstammung war dort zunächst fremdenfeindlich beschimpft und dann auch noch mit einer Rasierklinge schwer verletzt worden (MOZ berichtete).
Die Initiatoren der Demo weisen darauf hin, dass das Opfer keine Hilfe erfuhr, als es unter Schock stehend und blutend durch die Wriezener Fußgängerzone rannte. Sie sind der Ansicht, dass solche und andere Folgen rassistischen Denkens nicht geduldet werden dürfen und wollen daher ein
Zeichen setzen.
Die Demonstration beginnt um 15 Uhr am Bahnhof.
Nazi-CDs und Computer beschlagnahmt
Am Mittwoch meldeten Anwohner der Albert-Fellert-Straße gegen 23.30 Uhr, dass in einer Wohnung am Vortag und zur Zeit ruhestörender Lärm verursacht wurde. Dabei soll auch rechtsgerichtete Musik abgespielt worden sein. Die
eintreffenden Beamten trafen in der Wohnung den Sohn der Wohnungsinhaber und weitere neun Personen an. Bei der Besichtigung der Wohnung stellten die Polizeibeamten auf dem Monitor des Computers Dateien mit rechtsgerichteter
Musik fest.
Der Computer und mehrere CDs wurden zur Prüfung strafrechtlicher Relevanz sichergestellt. Gegen die Besucher im Alter von 19–22 Jahren wurde nach der Personalienfeststellung ein Platzverweis ausgesprochen und der stark unter Einwirkung von Alkohol stehende Gastgeber nach einer Blutprobe in Polizeigewahrsam genommen.