Am Montag gegen 00:10 Uhr stellten Polizeibeamte der MEGA bei einer
Streifenfahrt fest, dass ein 19-jähriger Brandenburger am Badestrand des
Bohnenländer Sees eine CD laut und öffentlich abspielte, deren Liedtexte in
Verdacht stehen, volksverhetzend und damit strafbar zu sein. Die CD wurde
deshalb sichergestellt. Die weiteren Ermittlungen führte hierzu die TOMEG
(Täterorientierte Maßnahmen gegen Extremismus und Gewalt). Bei der jetzt
abgeschlossenen Auswertung der CD bestätigte sich der o. g. Straftatverdacht
und die Kripo nahm nun eine entsprechende Strafanzeige auf. Die CD bekommt
der 19-Jährige derweil nicht mehr zurück. Darüber hinaus schlug die Kripo
der Staatsanwaltschaft Potsdam vor, diese Straftat in einem Beschleunigten
Verfahren zu ahnden.
(BM, 8.7.) Potsdam — In die Sanierung der Bahnhöfe in Brandenburg wollen das Land
Brandenburg, der Bund und die Deutsche Bahn in den nächsten vier Jahren 110
Millionen Euro investieren. Das Land stellt bis zu 75 Millionen Euro aus
Regionalisierungsmitteln bereit, Bund und Bahn steuern gemeinsam 35 Mio.
Euro bei. Vertreter der Bahn kündigten gestern zudem an, in Brandenburg die
Videoüberwachung auf Bahnhöfen einzuführen. Derzeit liefen die
Vorbereitungen, um von 2005 an auf den Bahnhöfen in Potsdam und Cottbus die
Überwachung zu starten, sagte der Beauftragte des Vorstandes am Sitz der
Landesregierung, Uwe Bögge, der Berliner Morgenpost. Bislang überwacht die
Polizei lediglich Bahnhofsvorplätze mit Video.
Eine entsprechende Vereinbarung wie in Mecklenburg-Vorpommern müsse mit
Brandenburg allerdings erst abgeschlossen werden. Denn das Land soll sich an
den Kosten für die Videoüberwachung beteiligen. Ziel sei nicht nur, nach dem
vereitelten Attentat in Dresden die Sicherheit zu erhöhen , sondern auch den
Vandalismus zu stoppen. Auf den märkischen Bahnhöfen werde jährlich ein
Schaden von zwei Millionen Euro angerichtet.
Die vom Vorstandsvorsitzenden der DB Station & Service AG, Wolf-Dieter
Siebert, und Verkehrsminister Hartmut Meyer (SPD) gestern unterzeichnete
Rahmenvereinbarung sieht die Modernisierung von 200 Bahnhöfen bis 2007 vor.
Ein gutes Drittel der 353 Bahnhöfe ist bereits instand gesetzt. Siebert wie
Meyer betonten, Bahnhöfe seien Eingangstore zu den Städten und Regionen und
damit deren Visitenkarte. Auf Meyers Wunschliste weit vorne steht Bad Saarow.
Platzeck liebäugelt mit PDS
Potsdam (dpa) In Brandenburgs großer Koalition gibt es Streit über die
Partnerwahl nach der Landtagswahl 2004. Der CDU-Landeschef und Innenminister
Jörg Schönbohm kritisierte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wegen
dessen Äußerungen zu einer möglichen Koalition mit der PDS. Dem Berliner
“Kurier am Sonntag” sagte er, “was bei und nach der Wahl 2004 geschieht,
entscheidet nicht Herr Platzeck, sondern das entscheiden die Wählerinnen und
Wähler.” Die PDS sprach von “Spekulationen und Träumereien über
Koalitionen”.
Platzeck hatte am Samstag im DeutschlandRadio Berlin die Fortsetzung der
großen Koalition in Brandenburg bis zur Landtagswahl 2004 bekräftigt.
Zugleich schloss er eine Koalition mit der PDS nicht aus, die für ihn “ein
normaler Wettbewerber” sei.
SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness sagte am Sonntag: “Koalitionen werden
nicht aus Liebesgründen geschlossen, sondern zur Lösung von Problemen im
Land. Wir haben die PDS immer für eine demokratische Partei gehalten.” Falls
die Zusammenarbeit mit der CDU sich bewähre und zu vernünftigen Ergebnissen
führe, sei ihre Fortsetzung vorstellbar. “Wir schließen aber eine Koalition
mit der PDS genauso wenig aus.” Das Wahlergebnis müsse abgewartet werden.
Die PDS sehe bei der SPD/CDU-Koalition keine Erfolgsbilanz, sagte Heinz
Vietze, Parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Landtagsfraktion.
Angesichts der dramatischen Haushaltslage in Brandenburg halte er den
Koalitionsfrieden für gefährdet. “Für die Verluste der SPD in der
Wählergunst gibt es Ursachen, und die liegen in ihrem angepassten Kurs an
Schönbohm und Co.”, äußerte Vietze.
Der brandenburgische FDP-Landesvorsitzende Heinz Lanfermann sagte , eine
schwarz-gelbe Koalition nach der Landtagswahl im kommenden Jahr halte er für
möglich. “Wir wollen 2004 ein zweistelliges Ergebnis anpeilen. CDU und FDP
haben derzeit mehr Schnittmengen als SPD und FDP.”
(LR Forst, 5.7.) Wenn die sieben mongolischen Gäste der Brandenburgischen Tuchfabriken GmbH
in knapp drei Wochen wieder in die Heimat nach Ulan Bator fliegen, dann
werden sie zu Hause mit zwiespältigen Gefühlen von ihrem Besuch in Forst
berichten: «Sie haben Angst.
Immer wieder werden sie kontrolliert, wenn sie unterwegs sind» , fasst
Dolmetscherin Ojun Nitzschke die Beschreibungen der zwei Frauen und fünf
Männer zusammen. Die RUNDSCHAU traf sich mit ihnen am Donnerstagabend zu
einem Gespräch.
Seit ihrer Ankunft vor gut zwei Wochen hätten die sieben Asiaten im Alter
zwischen 20 und 37 Jahren regelmäßig Kontakt zum Bundesgrenzschutz (BGS) -
jetzt schilderten sie Details ihrer Wahrnehmung: Beim ersten Mal, vor 14
Tagen, wurden sie vorläufig festgenommen, nach eigenen Angaben in
Handschellen abgeführt und hätten sich bis auf die Unterwäsche entkleiden
müssen. Obwohl Ojun Nitzschke, eine gebürtige Mongolin, als Dolmetscherin
vor Ort eilte, sei ein Übersetzer aus Berlin gerufen worden. «Ich durfte
nicht mit rein. Auch ich musste meinen Ausweis abgeben. Ich wollte doch nur
helfen» , erinnert sich Ojun Nitzschke. Damals trugen die sieben Gäste ihre
Pässe samt Touristenvisum nicht bei sich, so dass die BGS-Beamten illegal
Eingereiste vermuteten (RUNDSCHAU berichtete).
«Am ganzen Körper gezittert»
Der zweite BGS-Einsatz in gleicher Sache, Mittwoch vor einer Woche, fand
nach Aussagen von Prokurist Rainer Schmidt auf dem Gelände der Tuchfabriken
statt. Er selbst sei zu dieser Zeit auf Dienstreise gewesen. «Ich habe am
ganzen Körper gezittert, als ich auf die Knie gezwungen wurde» , erzählt der
37-jährige Mongole Enkh-Amgalan — und das, obwohl er seinen Pass bei sich
getragen habe. «Bei dieser Aktion wurde vom BGS auch ein Tor aufgebrochen» ,
so Rainer Schmidt. Der Prokurist wolle sich jetzt ein genaues Bild von dem
BGS-Einsatz auf seinem Firmengelände verschaffen. «Ich werde alles rechtlich
prüfen lassen» , so Schmidt. Einen Beschwerdebrief wolle er auf jeden Fall
aufsetzen, «wahrscheinlich adressiert an das Außenministerium» . Dass der
BGS in Forst stets präsent ist, sei sicher normal. «Mir scheint aber, bei
dieser Sache ist viel Willkür dabei» , kritisiert Schmidt erneut das
Vorgehen der Beamten. «Ich wollte den mongolischen Gästen zeigen, wie wir
leben. Die bekommen aber ein komplett falsches Bild von Deutschland. Sie
müssen den Eindruck haben, dass wir ein Polizeistaat sind» , so Schmidt.
Auch den Vorwurf der illegalen Arbeitsaufnahme will der Prokurist nicht
unkommentiert stehen lassen: «Die Gäste sind keine Schwarzarbeiter. Sie
absolvieren hier ein Anlernprogramm.» Die Flugtickets und das Taschengeld
seien von der mongolischen Firma bezahlt worden. In Forst hätten die Gäste
Kost und Logis frei.
Trotz aller Unannehmlichkeiten zeigen die Mongolen ein großes Maß an
Höflichkeit: Sie wollen sich bei den Forstern bedanken, übersetzt die
Dolmetscherin die Bitte. «Wofür eigentlich?» , fragen sie und Schmidt nach.
Kein Kommentar vom BGS
Für Abwechslung etwas anderer Art will der Prokurist am Sonntag sorgen. Dann
möchte er mit seinem Besuch aus der Mongolei einen Ausflug ins Umland
starten. «Da bin ich mit dabei» , schiebt er nach, um die sofort aufkommende
Unsicherheit zu zerstreuen. Und am 11. Juli sei eine Betriebsfeier geplant.
Dies ist ein mongolischer Nationalfeiertag. Es wird das Nadaamfest begangen.
Weder der BGS in Forst noch das BGS-Amt in Frankfurt/Oder wollten sich
gestern auf Anfrage äußern. «Zu diesem speziellen Fall gebe ich keinen
Kommentar ab» , so BGS-Sprecherin Claudia Skowronek.
Falkenberg. Der 17-Jährige, der am Badesee Kiebitz bei Falkenberg im
Elbe-Elster-Kreis einen 19-jährigen Deutschen vietnamesischer Herkunft
beschimpfte und misshandelte, hat sich bislang nicht zu der Tat geäußert.
Der Beschuldigte soll gemeinsam mit einer weiteren, der Polizei bislang
nicht bekannten Person auf einer Feier mehrerer Schüler aufgetaucht sein und
sein Opfer sofort beleidigt haben. Nach Tagesspiegel-Recherchen kannten sich
die beiden Jugendlichen. Mitschüler berichteten, dass der mutmaßliche Täter
schon öfter den 19-Jährigen belästigte. Obwohl Freunde dem Opfer zu Hilfe
eilten, wurde ihm ein Finger gebrochen, er musste im Krankenhaus behandelt
werden. Nach bisherigen Erkenntnissen ist ein fremdenfeindlicher Hintergrund
nicht auszuschließen. Der mutmaßliche Täter ist der Polizei zwar noch nicht
aufgefallen, macht aber nach Zeugenaussagen aus seiner rechten Gesinnung
keinen Hehl.
(MAZ, 5.7.) Nach der Auseinandersetzung im Asylbewerberheim in Jüterbog in der Nacht zu
Mittwoch, bei der ein Bewohner durch einen Schuss am Fuß verletzt wurde, hat
das Amtsgericht Luckenwalde am Donnerstag Haftbefehl wegen versuchten
Totschlags gegen den dringend Tatverdächtigen erlassen. Er wurde in eine
Justizvollzugsanstalt eingewiesen.
Wie bereits berichtet, waren mehrere offenbar alkoholisierte Asylbewerber
aus dem ehemaligen Jugoslawien an der Auseinandersetzung beteiligt. Dabei
hatte ein 30-jähriger Bewohner den 45-jährigen Landsmann durch einen Schuss
verletzt. Der Tatverdächtige war anschließend von der Polizei vorläufig
festgenommen und die Waffe sichergestellt worden. Der Verletzte befindet
sich noch in stationärer Behandlung im Krankenhaus.
(MAZ, 5.7.) Mitte Januar diesen Jahres wurde die russische Kriegsgräberstätte in Lebus
mit verfassungswidrigen Symbolen und Schriftzügen beschmiert. Während einer
Bürgersprechstunde, an der sich auch die Polizei beteiligte, wurden
Personengruppen benannt, die eventuell für diese Straftat in Frage kommen
könnten. Infolge umfangreicher Ermittlungen und Vernehmungen durch
Kripobeamte der TOMEG (Täterorientierte Maßnahmen gegen extremistische
Gewalt) in Strausberg konnten zwei Kinder als Täter ermittelt werden. Die
zwei Lebuser Jungs im Alter von 13 und 12 Jahren beschmierten die Stätte
u.a. mit einem Hakenkreuz, den Schriftzügen “Russen ihr seid Scheiße” und
“Hitler”.
Härtefallkommission soll gegründet werden
(Berliner Zeitung, 5.7.) POTSDAM. Der Flüchtlingsrat Brandenburg will auch gegen den Willen von
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) eine Härtefallkommission für Flüchtlinge
gründen, die seit Jahren im Land geduldet werden, aber kein offizielles
Bleiberecht erhalten. Das kündigten das Gremium am Freitag in Potsdam an.
Hilfsorganisationen, Kirchen und Anwälte sollen Altfälle abgelehnter
Asylanträge noch einmal begutachten. Betroffen sind oft traumatisierte
Flüchtlinge aus Bürgerkriegsregionen oder in ihrer Heimat verfolgte
Oppositionelle aus afrikanischen Ländern. “Die Kommission kann nur eine
beratende Funktion für die regionalen Ausländerbehörden haben, die über die
Abschiebung der Flüchtlinge entscheiden”, sagte Judith Gleitze vom
Flüchtlingsrat. In Brandenburg sei eine solche Institution immer wieder vom
Innenministerium abgelehnt worden.
In Brandenburg werden derzeit 1 700 Flüchtlinge geduldet. Sie leben
teilweise seit zwölf Jahren in Angst vor Abschiebung, sagte Gleitze. Deshalb
sollen Flüchtlinge, die seit fünf Jahren geduldet werden, ein dauerhaftes
Bleiberecht erhalten — genau wie Opfer rechtsextremer Gewalt. Die
Abschiebung von drei Gewaltopfern stehe aber unmittelbar bevor, sagte Kay
Wendel vom Verein Opferperspektive.
Opfer rechter Gewalt sollen nicht abgeschoben werden
(FR, 5.7.) POTSDAM, 4. Juli (epd). Ein dauerhaftes Bleiberecht für Opfer rassistischer
Gewalt haben Flüchtlingsinitiativen in Brandenburg gefordert. In den
kommenden Wochen sei die Abschiebung von drei seit Jahren in Brandenburg
lebenden Flüchtlingen geplant, die zum Teil mehrfach von Rechtsextremisten
überfallen worden seien, sagte Kay Wendel vom Verein Opferperspektive am
Freitag in Potsdam. Dadurch vollendeten die Behörden als Erfüllungsgehilfen
der Rechtsextremen deren Ziel der Vertreibung von Flüchtlingen, kritisierte
Wendel. Eine Strafverfolgung der Täter werde erschwert, da die Opfer nicht
mehr als Zeugen zur Verfügung stünden. Ein Abschiebestopp sei
“Wiedergutmachung für das, was der Staat nicht verhindern konnte”.
Der Togolese Orabi Mamavi aus Rathenow solle am 24. Juli abgeschoben werden,
obwohl ein Strafverfahren gegen die Täter, in dem Mamavi als Zeuge aussagen
muss, noch nicht abgeschlossen sei, sagte Wendel. Auch die beiden
Überlebenden des Übergriffs in Guben im Februar 1999, bei dem ein Algerier
getötet wurde, hätten kein dauerhaftes Bleiberecht erhalten.
Kirchenvertreter haben die Gründung eines “Netzwerkes für Wanderkirchenasyl”
angekündigt, das die Unterstützung von Abschiebung bedrohter Flüchtlinge
kalkulierbarer machen und die Risiken auf mehrere Träger verteilen soll.
Privater Schutz für Asylbewerber
Flüchtlingsrat schafft Härtefallgremium
(MAZ, 5.7.) POTSDAM Der brandenburgische Flüchtlingsrat will sein Engagement für
abschiebungsbedrohte Asylbewerber verstärken. Unabhängig von einer
staatlichen Härtefallkommission — dessen Einrichtung bisher vor allem am
Widerstand des Potsdamer Innenministeriums gescheitert ist — plant der
Flüchtlingsrat die Gründung einer unabhängigen Härtefallkommission. Sie
solle sich zusammensetzen aus Rechtsanwälten, Kirchenvertretern,
Verwaltungsfachleuten und “Politikern mit Rückgrat”, kündigte das Gremium am
Donnerstag abend bei einer Veranstaltung in Potsdam-Babelsberg an.
Die Ausländerbeauftragte Almuth Berger bezeichnete die Einrichtung einer
Härtefallkommission als erforderlich, weil die bestehende Gesetzeslage nicht
verhindere, dass Flüchtlingen in Einzelfällen “unzumutbare persönliche
Härten angetan” würden.
Darüber hinaus gaben Kirchenvertreter ein eindeutiges Bekenntnis zum
Kirchenasyl ab. Es sei die “klare Überzeugung der Kirche, dass Menschen in
Not zu helfen sei”, erklärte der Ausländerbeauftragte der evangelischen
Kirche Berlin-Brandenburg, Hanns Thomä-Venske. Er kenne keinen Fall, in dem
die Kirchenleitung sich nicht hinter eine Gemeinde gestellt habe, die
Kirchenasyl angeboten hatte.
Entsetzt zeigte sich Thomä-Venske über eine neue Entwicklung in Brandenburg.
Dass das Kirchenasyl in den vergangenen Monaten zweimal von
Ausländerbehörden gebrochen wurde — sehr wahrscheinlich mit Wissen und sogar
auf Anregung des Innenministeriums, wie eine Diskussionsteilnehmerin der
Veranstaltung betonte — sei ein “alarmierendes Zeichen”, erklärte der
Ausländerbeauftragte. Im Gegensatz dazu sei der Schutzraum der Kirche sogar
in der DDR respektiert worden.
Damit Kirchengemeinden Flüchtlingen künftig bereitwilliger Kirchenasyl
gewähren, soll nach dem Willen des Flüchtlingsrats ein “Netzwerk für
Kirchenasyl” entstehen. Mit einem Netzwerk und wechselnden Asylorten sollten
die Kosten lang andauernder Kirchenasyle besser verteilt werden.
Härtefälle beim Asyl — Druck auf Regierung nimmt zu
Flüchtlingsrat will Prominente und Fachleute gegen Abschiebungen
mobilisieren. Kommission nach Berliner Vorbild soll Verfahren prüfen
(Tagesspiegel, 5.7.) Potsdam. Der Flüchtlingsrat in Brandenburg will gemeinsam mit Vertretern der
Kirche eine unabhängige Härtefallkommission für von Abschiebung bedrohten
Flüchtlingen gründen. Dafür sollen Rechtsanwälte, Kirchenleute,
Verwaltungsfachleute und “Politiker mit Rückgrat” gewonnen werden.
Der Flüchtlingsrat hatte sich am Donnerstagabend nach einer Diskussion über
Kirchenasyl in Potsdam zu diesem Schritt entschieden, nachdem alle
Bemühungen um eine Härtefallkommission im Land Brandenburg gescheitert
waren. Immer wieder war es in den vergangenen Monaten zu spektakulären
Hilfsaktionen für von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge gekommen. In den
meisten Fällen hatten sich Kirchgemeinden entschlossen, die betroffenen
Familien unterzubringen. Durch Polizeieinsätze in Kirchen und Pfarrhäusern
sind nach Angaben der Potsdamer Ausländerseelsorgerin Annette Flade viele
Gemeinden sehr verunsichert.
Der Ausländerbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Hanns
Thomä-Venske, sagte dem Tagesspiegel: “Es ist nicht zu verstehen, warum sich
die brandenburgische Landesregierung seit Jahren weigert, eine
Härtefallkommission einzurichten. In Berlin gibt es eine solche Kommission
als Beratungsgremium für die zuständigen Behörden. Wir haben damit sehr gute
Erfahrungen gesammelt.”
In Potsdamer Regierungskreisen wollte man sich nicht konkret zum Vorschlag
des Flüchtlingsrats äußern. Regierungssprecher Manfred Füger sagte: “Sowohl
Ministerpräsident Matthias Platzeck als auch Innenminister Jörg Schönbohm
bleiben bei der innerhalb der Koalition beschlossenen Haltung und setzen
sich für eine differenzierte bundeseinheitliche Härtefallregelung ein.” Dies
könne — so Füger — beispielsweise im Rahmen eines Zuwanderungsgesetzes
geschehen. Eine “staatliche” Härtefallkommission werde es aber bis zum Ende
der Legislaturperiode in Brandenburg nicht geben.
Vertreter des Flüchtlingsrates und der Kirchen wollen außerdem auch ein
“Netzwerk für Wanderkirchenasyl” gründen. Damit könne nach Ansicht von
Pfarrer Johannes Kölbel aus Schwante das Risiko hoher Kosten durch lang
andauernde Kirchenasyle auf mehrere Träger verteilt werden. Kölbel und seine
Gemeinde hatten im vergangenen Winter einem Vietnamesen und seinem
fünfjährigen Sohn mehrere Wochen lang erfolgreich Kirchenasyl gewährt.
Während der Veranstaltung in Potsdam hatten viele Flüchtlinge von ihre
n
Schicksalen und ihrer Angst vor Abschiebung berichtet. Besonders dramatisch
ist die Situation des Togolesen Orabi Mamavi, der im Dezember 2002 in
Rathenow von einem rassistischen Schläger überfallen wurde. Obwohl die
Potsdamer Staatsanwaltschaft nach einem Bericht des Tagesspiegels versichert
hatte, dass Mamavi vor Ende des Verfahrens nicht abgeschoben wird, entschied
die Ausländerbehörde des Landkreises Havelland anders. In einem Schreiben,
das dem Anwalt von Mamavi dieser Tage zuging, teilt ein Mitarbeiter im Namen
des Landrats kurz und knapp mit: “Ich beabsichtige nicht, den für die
Abschiebung angekündigten Termin zu verändern.”
Spiel ohne Grenzen
In dem kleinen Ort Brunne begegnet man der Gefahr von rechts mit einem “Völkerball”
(05.07.03) BRUNNE. Drei Fremdsprachen an einem Tag lernen — fast jedenfalls. Noch am
selben Tag eine Brücke über einen Kanal bauen. Und, wenn dann noch Zeit ist,
Ball spielen, quatschen, tanzen. In Brunne, einem 367 Einwohner zählenden
Dorf in Ostprignitz-Ruppin, wird am Wochenende gezeigt, wie s geht. Zum
dritten Mal lädt der Ort zum “Völkerball” ein — einem
Jugendbegegnungsprojekt. 30 Mädchen und Jungen aus dem bulgarischen Dorf
Momshilowski, dem polnischen Ort Czarnow und der französischen Gemeinde
Puivert treffen auf 60 Jugendliche der nordbrandenburgischen Gemeinden
Brunne, Dechtow, Karwesee, Betzin und Lentzke. Es wird, so sagt Brunnes
Bürgermeister Bernhard Robben, eine Art “Spiel ohne Grenzen” — ein
Wettkampf, bei dem die Mannschaften elf Aufgaben erfüllen müssten.
Geboren wurde die Idee des “Völkerballs” vor Jahren, als bei einem Fest des
Reiterhofes in Brunne jugendliche Rechtsradikale auftauchten. “Die Glatzen
haben nicht nur mir zu denken gegeben”, sagt Robben. Gleichzeitig aber habe
er auch ein schlechtes Gewissen bekommen. “Für Jugendliche gibt es doch hier
wirklich nichts”, sagt der 47-Jährige. Das Gemeindehaus habe er in seiner
bis heute siebenjährigen Amtszeit dreimal für die jungen Leute geöffnet, als
Jugendclub-Ersatz. Doch jedes Mal habe er das Haus wieder schließen müssen.
Zu viel wurde zerstört, wenn die Mädchen und Jungen unter sich waren. Was
also tun mit den Jugendlichen? “Ich habe mit Leuten aus den Nachbarorten
gesprochen, überlegt was wir gegen die wachsende Bedrohung von rechts
unternehmen können”, sagt Robben.
Glück war, dass ausgerechnet der Geschäftsführer des interkulturellen
Netzwerkes von Berlin nach Brunne gezogen war. Das Netzwerk hatte
Verbindungen ins französische Puivert. Über die Organisation “Apotheker ohne
Grenzen”, die Medikamente nach Ost€pa geschickt hatte, bekam man Kontakt
nach Momshilowski und Czarnow — und lud sich für einige Tage Jugendliche von
dort zum “Völkerball” ein. Das war im Jahr 2001. “Es war einfach schön zu
sehen, wie junge Leute verschiedener Nationen miteinander gespielt und
gefeiert haben”, sagt der Bürgermeister.
Nun gibt es “Völkerball” zum dritten Mal. Die Franzosen und Polen haben
bereits vor einigen Tagen die Zelte auf einer Wiese vor den Toren Brunnes
bezogen, am Freitag kamen nun auch die Bulgaren an. Die ausländischen Gäste
müssen für ihren Besuch in Brandenburg nichts bezahlen, die jungen Gastgeber
jeweils zehn Euro. “Dafür ist aber von Freitagabend bis Sonntagmittag für
Essen und Übernachtung gesorgt”, sagt Bürgermeister Robben.
Finanziert wird der “Völkerball” aus den ohnehin schon gebeutelten
Gemeindehaushalten, aus Spenden und von dem Geld, dass die Mädchen und
Jungen aus Brunne und Umgebung seit dem letzten Treffen in den Dörfern
zusammengesammelt haben. Aber gesichert war das Projekt in diesem Jahr erst
dank einer Spende der “Aktion Mensch”, die Anfang der Woche 4 500 Euro
dazugegeben hat. So können die Organisatoren sogar Preise kaufen.
Der “Völkerball” hat am Freitagabend begonnen. Da wählten die Mädchen und
Jungen ihre Teams zu je fünf Mann. Sie erhielten weiße T‑Shirts und
Farbspraydosen, mit denen sie ihre selbst entworfenen Team-Logos auf die
Hemden gesprüht haben. “Die machen das mit einer Inbrunst, das ist
unglaublich”, sagt Robben.
Am Sonnabend trifft man sich zunächst zu einem gemeinsamen Frühstück. Dann
fängt das “Spiel ohne Grenzen” an. Ein Europaquiz ist noch das Leichteste,
Sprachspiele dann schon schwieriger, eine Brücke aus Papier bauen eine echte
Herausforderung, ebenso wie die Dorfrallye. Dabei erhalten die Mannschaften
Fotos. Sie zeigen Fenster oder Türen von verschiedenen Häusern im Ort. Wo
befindet sich dieses Haus, ist dann die Frage? Oder aber, wo gibt es die
meisten Hühnereier im Dorf? Wie alt ist der Bürgermeister — um nur die
einfachsten Fragen zu nennen. “Bei allen Aufgaben steht der Teamgeist im
Vordergrund”, sagt Bürgermeister Robben. Das “Spiel ohne Grenzen” endet
gegen 16 Uhr, dann müssen alle Aufgaben gelöst sein.
Abends legt ein DJ Platten auf, und der Sieger wird gekürt. Doch
Bürgermeister Robben ist sich sicher, dass jeder Teilnehmer als Gewinner
nach Hause fährt.
(05.07.03) Potsdam — Die Polizei hat in den ersten drei Monaten des Jahres einen
deutlichen Anstieg der Straftaten in Brandenburg registriert. Im Vergleich
zum Vorjahr waren es von Anfang Januar bis Ende März 7,7 Prozent mehr,
insgesamt 61 673 Straftaten. Im Innenministerium wollte man diesen Anstieg
aber nicht überbewerten. Sprecher Heiko Homburg sagte, dass die Zahlen
“saisonal immer schwanken”. Den Anstieg könne er nicht erklären. Er verwies
aber darauf, dass die ersten drei Monate eines Jahres keinen “Referenzwert”
für die Gesamtstatistik eines Jahres darstellten. Aussagekräftige Zahlen
könnten frühestens nach sechs Monaten präsentiert werden. Im ersten Quartal
2003 gab es neun Morde (Anstieg: 350 Prozent), 15 Totschlagsdelikte
(Anstieg: 15,4 Prozent) und 76 Fälle sexueller Nötigung (Anstieg: 40,6
Prozent). Zugleich wurden aber mehr Verbrechen aufgeklärt. Die Quote stieg
dem Innenministerium zufolge von 57 Prozent (1. Quartal 2002) auf jetzt 60,4
Prozent.