Die Sonderkommission “Rechtsextremismus” (Soko Rex) hat drei Überfälle
auf
Ausländer der vergangenen vier Wochen in Kamenz aufgeklärt. Gegen den
19-jährigen Haupttäter wurde Haftbefehl wegen Körperverletzung
erlassen. Es
werde gegen sieben Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren ermittelt. Die
Ermittler gehen von rechtsextremistischem Hintergrund und Ausländerhass
als
Motiv aus, sagte ein Sprecher der Behörde.
Brandenburgs Innenminister präsentiert korrigierte Zahlen über rechte
Straftaten. Der Trend: nach wie vor steigend. Verein Opferperspektive
fordert, Initiativen gegen rechts nicht alleine zu lassen
Es war kein schöner Tag für Jörg Schönbohm: Gestern präsentierte
Brandenburgs CDU-Innenminister die Jahresstatistik 2002 für politisch
motivierte Straftaten in Brandenburg. Einen Anstieg von über 8 Prozent
verzeichneten die Behörden bei der Anzahl der Delikte mit rechtem
Hintergrund — insgesamt waren es 983. Die meisten seien dem
Propagandabereich zuzuordnen, so Schönbohm. Lediglich im Bereich der
Gewalttaten meint der Innenminister einen Rückgang zu erkennen. Die
Sicherheitsbehörden meldeten im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang
rechter
Angriffe um 6 auf 81. “Der gewaltbereite Rechtsextremismus ist
weiterhin die
gesellschaftliche Herausforderung Nummer eins”, so Schönbohm.
Dabei scheint gerade im Bereich rassistisch und rechtsextrem
motivierter
Gewalttaten eine endgültige Bewertung noch gar nicht möglich.
Beispielsweise
taucht der Mord an Marinus Sch. in Potzlow bislang nicht in Schönbohms
Statistik auf. Die drei mutmaßlichen Täter — allesamt als Mitglieder
der
rechten Szene gerichtsbekannt — hatten bei ihren Vernehmungen
angegeben,
dass Marinus Sch. sterben musste, weil ihnen die HipHopper-Hose des
16-Jährigen nicht gepasst habe. Auch der mutmaßlich rassistisch
motivierte
Mord an dem Russlanddeutschen Kajrat B. in Wittstock wird bislang nicht
in
der Statistik registriert. In beiden Fällen würden die politischen
Hintergründe noch geprüft, erklärte Schönbohm.
Dass das Brandenburger Innenministerium überhaupt 81 rechtsextreme
Gewalttaten in seiner offiziellen Statistik erfasst, liegt unter
anderem an
dem Verein “Opferperspektive”. Der Verein hatte zu Jahresbeginn eine
eigene
Statistik veröffentlicht und 106 rechtsextrem motivierte Gewalttaten
für das
Jahr 2002 aufgelistet. 8 Vorfälle auf dieser Liste, die nach
Polizeiangaben
nicht angezeigt worden waren, sind nun auch in die offizielle Statistik
aufgenommen worden. 9 weitere Fälle würden derzeit noch überprüft,
heißt es
im Ministerium.
“Es gibt keinen Grund zur Entwarnung”, sagte Kay Wendel von der
Opferperspektive. Eine Zunahme rechter Gewalt registriere der Verein
derzeit
in Potsdam, wo Asylsuchende mehrfach Opfer rechter Gewalt wurden.
Besorgniserregend seien auch die zunehmenden Angriffe auf alternative
Jugendliche in Cottbus, Vetschau und Guben. “Angesichts der offiziellen
Statistiken ist es fahrlässig, wenn jetzt das Civitas-Bundesprogramm
gegen
rechts zurückgefahren werden soll”, so Wendel.
Potsdam — Die Bekämpfung des Rechtsextremismus im Land Brandenburg
bleibt
nach Ansicht von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) die
gesamtgesellschaftliche Herausforderung Nummer 1. Wenngleich die Anzahl
der
rechtsextrem motivierten Gewaltdelikte um 6,9 Prozent von 87 im Jahr
2001
auf 81 im vergangenen Jahr sank, stieg insgesamt die rechtsmotivierte
Kriminalität um 8,4 Prozent von 907 auf 983 Fälle — einschließlich so
genannter Propagandadelikte wie z. B. Hakenkreuzschmierereien. Diese
werden
erst seit 2002 in die Statistik «politisch motivierte Kriminalität von
rechts» aufgenommen.
Von den 81 Gewaltdelikten waren 52 fremdenfeindlich und vier
antisemitisch
motiviert. Die Aufklärungsquote rechter Gewaltdelikte lag bei 72
Prozent,
die der von rechts motivierten Straftaten insgesamt bei 46 Prozent. Da
die
Polizei mit ihren repressiven Maßnahmen «am Anschlag» angelangt sei,
werde
jetzt verstärkt auf die Verzahnung von Repression und Prävention
gesetzt,
sagte Schönbohm gestern.
So könne mit Einführung der Polizeistrukturreform im vergangenen Sommer
die
Arbeit der Mobilen Einsatzeinheit gegen Gewalt und
Ausländerfeindlichkeit
(Mega) und der Tomeg (Täterorientierte Maßnahmen gegen extremistische
Gewalt) statt bisher zentral von den Polizeipräsidien effizienter von
den
einzelnen Schutzbereichen wahrgenommen und verzahnt werden. Überdies
soll
die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Polizei, insbesondere über
Patenschaften verstärkt werden, denn zwei Drittel der bekannten Täter
seien
zwischen 14 und 21 Jahren alt und vornehmlich Schüler und
Auszubildende. Von
dem derzeit laufenden Modellprojekt Konfliktmanagement für Polizei,
Lehrer
und Sozialarbeiter in der Uckermark erhofft sich Schönbohm Impulse auch
für
andere Landkreise.
Im Vergleich zur Anzahl rechtsextremer Straftaten ist die Zahl
linksmotivierter Delikte mit 78 Fällen (Aufklärungsquote 41 Prozent),
davon
22 Gewaltstraftaten, im vergangenen Jahr gering. Drei Fälle politisch
motivierter Ausländerkriminalität registriert die Statistik. Dennoch
dürfe
vor allem der islamistisch motivierte Terrorismus nicht außer Acht
gelassen
werden, so Schönbohm.
81 Fälle rechtsextremer Gewalt
Innenminister Jörg Schönbohm warnt vor politisch motivierter Kriminalität
POTSDAM Brandenburg bekommt die rechtsextreme Gewalt nicht in den
Griff.
Mindestens 81 Fälle registrierte die Polizei im vergangenen Jahr — fast
genauso viel wie in den Jahren zuvor, als 87 (2001) und 86 (2000)
solcher
Straftaten registriert wurden. Von den 81 Fällen hatten 52 einen
fremdenfeinlichen und vier einen antisemitischen Hintergrund. Der
gewaltbereite Rechtsextremismus bleibe “die gesamtgesellschaftliche
Herausforderung Nummer 1 in Brandenburg”, räumte Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) am Dienstag in Potsdam ein. Die Zahl links motivierter
Gewalttaten stieg nach Angaben des Innenministers von 21 auf 22.
Einheitliche Zählweise
Insgesamt verzeichnete die Polizei im Vorjahr 983 rechtsextreme
Straftaten,
die Aufklärungsquote lag bei 46 Prozent. Im Jahr zuvor wurden noch 907
Straftaten erfasst. Die Zunahme führte Schönbohm vor allem auf den
hohen
Anteil von Propagandadelikten zurück, die nach einer inzwischen
bundesweit
einheitlichen Zählweise erfasst würden.
Die Zählweise lässt trotz fester Vorgaben einigen Ermessensspielraum:
Während ein Hakenkreuz, das in die Toilettentür einer Grundschule
geritzt
wurde, in der Regel als Staatsschutzdelikt “ohne explizite politische
Motivation” in die Statistik eingeht, wird das an eine Autobahnbrücke
gemalte Hakenkreuz als rechte Straftat gewertet. Erfasst muss
jedenfalls
alles werden. Und so registriert der Innenminister, der der Zählweise
eigentlich skeptisch gegenübersteht, zufrieden den Rückgang der
politisch
motivierten Kriminalität von 2 062 Fällen im Jahr 2001 auf 1 530. In
die
Statistik aufgenommen wurden dabei bereits acht Straftaten von rechts,
von
denen die Polizei erst durch den Verein Opferperspektive erfuhr. Neun
weitere Straftaten, auf die der Verein außerdem aufmerksam machte,
würden
noch überprüft.
Rechtsextreme Gewalttaten sind nach den Worten Schönbohms meist durch
“dumpfen Fremdenhass” geprägt. Täter und Tatverdächtige seien
überwiegend
Schüler und Auszubildenden zwischen 14 und 18 Jahren. Als Beispiele
nannte
Schönbohm unter anderem zwei Mordversuche an einer italienischen
Familie und
einem Mosambikaner. Eine fest gefügte rechte Szene gibt es nach
Erkenntnissen des Landeskriminalamtes aber nach wie vor nicht.
Schönbohm forderte mehr Anstrengungen bei der Prävention politisch
motivierter Gewalttaten. “Wir sind mit unseren repressiven Maßnahmen am
Anschlag”, beklagte der Innenminister. Die Polizei könne mit ihren
Mitteln
zwar zur Zurückdrängung “dieses Phänomens” beitragen. Sie könne aber
nicht
gesellschaftliche Fehlentwicklungen bes
eitigen, wie sie in der
Gewaltbereitschaft von Jugendlichen und der “Nichtanerkennung von
Eigentum”
zum Ausdruck komme. Hier stünden Eltern und Schule in der Pflicht.
Immerhin hat sich nach dem Eindruck Schönbohms die Zusammenarbeit von
Schulen mit der Polizei verbessert. Bundesweit einzigartig sei ein
Weiterbildungsprojekt in der Uckermark, bei dem Lehrer, Polizisten und
Sozialarbeiter in einer Kooperation von Landespräventionsrat und der
Fachhochschule Potsdam geschult werden. Allerdings müssten an manchen
Bildungseinrichtungen noch Berührungsängste überwunden werden.
Die politisch motivierte Kriminalität soll in Brandenburg künftig durch
mehr
“Flexibilität vor Ort” bekämpft werden. Die Bedingungen dafür sieht der
Minister durch die im Juli 2002 vollzogene Polizeireform gegeben.
“Polizeipräsidien und Schutzbereiche haben jetzt mehr Kompetenzen.”
Die Statistik der rechtsextremen Gewalttaten ist möglicherweise noch
nicht
vollständig. Denn nicht berücksichtigt wurden zwei der schlimmsten
Verbrechen des Vorjahres in Brandenburg — die Tötung eines
Spätaussiedlers
im Mai 2002 vor einer Diskothek in Wittstock und der Mord an einen
16-jährigen Jungen im Juli in der Uckermark. Ob in beiden Fällen
Rechtsextremismus eine Rolle spielte, wie Begleitumstände nahe legen,
sollen
erst die Gerichte klären.
Potsdam (ddp-lbg). Einen garantierten Schutz von Kirchenräumen vor polizeilicher Durchsuchung kann es laut Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) nicht geben. Es handele sich nicht um rechtsfreie Räume, unterstrich
der
Minister am Mittwoch im Landtag. «Wenn eine Staatsanwaltschaft im
Rahmen der
bestehenden Gesetze zur Überzeugung kommt, dass Räume durchsucht werden
müssen, dann wird sie das veranlassen», betonte der Minister.
Zuvor hatte Schönbohm gesagt, dass die kirchliche Obhut im Rahmen der
Gesetze «zu respektieren» sei, wenn sie dazu diene, einen Fall noch
einmal
zu überprüfen. Wenn jedoch rechtsgültige Gerichtsurteile vorliegen,
«dann
sind die Behörden gehalten das zu vollziehen». Andernfalls würde der
Tatbestand des illegalen Aufenthalts und der Hilfe zur Beihilfe
vorliegen.
«Diejenigen, die das Asylrecht missbrauchen, haben Deutschland zu
verlassen».
LUDWIGSFELDE Drei von den vier fristlos entlassenen Mitarbeitern der
Stadtverwaltung Ludwigsfelde werden weiter beschäftigt. Das steht jetzt
nach
Entscheidungen des Arbeitsgerichts fest. In Ludwigsfelde war vier
Angestellten aus verschiedenen Bereichen gekündigt worden, weil über
ihre
Computer rechtsextreme beziehungsweise sexistische E‑Mails gelaufen
waren.
Aus denselben Gründen sind gegen zwei Beamte disziplinarische Maßnahmen
angestrengt worden. Ein Verfahren läuft noch, eins ist inzwischen
abgeschlossen worden. Die weiter beschäftigten Angestellten haben nach
Entscheidung des Arbeitsgerichtes in zwei Fällen eine Abmahnung
erhalten, in
einem Fall muss ein Bußgeld gezahlt werden. Zu diesen “rein
disziplinarischen Entscheidungen”, wie es im November zu der
Angelegenheit
aus der Stadtverwaltung hieß, werde es keine Stellungnahme geben, sagte
Bürgermeister Heinrich Scholl auf MAZ-Nachfrage; das seien hausinterne
Personalangelegenheiten.
POTSDAM — Auf den ersten Blick wirkt das Blättchen über den “Bankrott
des
Gesundheitssystems” harmlos. Aber schon ein paar Zeilen Text zeigen,
wes
Geistes Kind die Verfasser sind: “Ausländische Gesundheitstouristen,
Strafgefangene, Asylbewerber und Sozialhilfeempfänger” werden für
diesen
“Bankrott” verantwortlich gemacht. Vor vierzehn Tagen waren die Zettel
der
“Unabhängigen Nachrichten” ausgerechnet in der Mensa der Universität
Potsdam
Am Neuen Palais aufgetaucht. Die hiesige Uni: ein heimlicher Hort
rechter
Umtriebe? “Wir haben niemanden beim Verteilen der Blätter erwischt”,
sagt
Asta-Vorstandsmitglied Tamás Blénessy. Die Verteiler hatten zwar wohl
Ortskenntnisse. Eine studentische Beteiligung ist damit jedoch nicht
bewiesen. Allerdings auch nicht ausgeschlossen. Denn Hochschulen sind
nicht
per se frei von braunen Flecken. Der DVU-Vorsitzende Gerhard Frey hat
ein
Jurastudium absolviert, in München bot die Burschenschaft Danubia
gewalttätigen Skinheads Zuflucht und die Berliner Zeitung “Junge
Freiheit”,
die sich gerne unabhängig gibt und ihre Autoren auch aus dem
akademischen
Umfeld rekrutiert, schiebt immer wieder rechtes Gedankengut ins Blatt.
Innenministerium gibt Entwarnung
Keinen Grund zur Beunruhigung sieht das brandenburgische
Innenministerium.
Dessen Sprecher Heiko Homburg stellt zu den Flugblättern klar: Die
rechtsextremistische Publikation “Unabhängige Nachrichten” werde in
großer
Zahl außerhalb Brandenburgs hergestellt. “Bisher gibt es keine
Hinweise,
dass sie von Studenten vertrieben werden.” Rechtsextremistische
Strukturen
seien an brandenburgischen Hochschulen bisher nicht festgestellt
worden;
auch keine Versuche, solche aufzubauen. “Sollte es irgendwann
Bemühungen
geben, rechtsextremistische Strukturen an brandenburgischen Hochschulen
zu
formieren, so würden diese unmittelbar auf dem Radarschirm unserer
Sicherheitsbehörden sichtbar”, versichert Homburg. Dementsprechend
werden an
der Universität Potsdam die Flugblätter auch nicht als Beleg für einen
Rechtsruck gewertet. Asta-Hochschulreferent Blénessy schätzt trotz
gelegentlicher Hakenkreuzschmierereien oder gar geschriebene “Sieg
Heil”-Rufe auf Toiletten die Verbreitung rechter Gesinnungen unter
Potsdams
Studierendenschaft eher unterdurchschnittlich ein: “Wir haben hier fast
gar
keine Erfahrung mit Burschenschaften, die der rechten Ecke zuzuordnen
wären.” Die letzten Wahlen hätten viel mehr die Stärke linker
Gruppierungen
belegt. “Zumindest mit Rechtsextremismus haben wir hier kein Problem”,
lautet Blénessys Fazit. Immerhin wurde der Potsdamer Ring Christlich
Demokratischer Studenten (RCDS) auf die Tätigkeit seines
Vorstandsmitglieds
Steffen Königer als Autor der “Jungen Freiheit” angesprochen. “Wir
wissen
nicht, warum er das macht”, sagt Potsdams RCDS-Vorsitzender
Hans-Wilhelm
Dünn. Königer sei ein umgänglicher Mensch, und beim RCDS bisher nicht
durch
rechte Äußerungen aufgefallen: “Sollte das vorkommen, dann wären wir
die
ersten, die sich von ihm trennen müssten”, verspricht der RCDS-Chef.
Dass es
indes an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus
rechtsorientierte Studenten geben könnte, schließt der
hochschulpolitische
Referent des dortigen Studierendenrats, Ingmar Lippert, nicht aus:
“Aber auf
jeden Fall sind solche Gruppierungen bisher nicht in nennenswertem
Umfang
hervorgetreten.” Weder habe es Broschüren noch Aktionen gegeben. Von
rechten
Bestrebungen ist auch dem Referenten für Hochschulpolitik vom Asta der
Frankfurter Viadrina “zum Glück bisher nichts zu Ohren gekommen”. Das
Frankfurter Studentenparlament sei “eher gemischt”, erklärt Hieronim
Rzeppa.
Auch andere extreme Gruppen seien “hier nicht das Problem”. Von
einzelnen
deftigen linken Plakatanschlägen abgesehen, könne man sagen, “dass
extreme
Gruppen hier nicht existent sind”, so Rzeppa. Dass Brandenburgs
Universitäten bisher “clean” geblieben sind, führt der Sprecher des
Innenministers auf deren Aufgabe zurück: “Die Universitäten sind Orte
der
Vernunft und der Bildung”, sagt Homburg. “Im Vergleich zum
Linksextremismus
hat der Rechtsextremismus aber einen viel geringeren
Intellektualisierungsgrad. Das gilt umso mehr für den gewaltbereiten
Rechtsextremismus.” Das sieht auch das Bundesamt für Verfassungsschutz
so.
Im Bericht von 2001 dokumentiert es unter anderem vergebliche Versuche
rechtsintellektueller Kreise qua Kampagnen an kulturellem Boden zu
gewinnen.
Doch Blätter wie “DESG-Inform” oder “Synergon Forum” waren regelmäßig
nach
den ersten Auflagen wieder eingegangen. Selbst der NPD- “Vordenker”
Jürgen
Schwab beklagt die geistige Lethargie seiner Gesinnungsgenossen. “Zur
Zeit
macht der Rechtsextremismus eine Schwächephase durch, in der es ihm
nicht
gelingt, in den gesamtgesellschaftlichen Diskurs einzudringen”, folgert
Guido Selzner, Sprecher beim Verfassungsschutz. Das schließe aber nicht
aus,
dass rechtes Denken auch bei Intellektuellen irgendwann wieder mächtig
werden könnte.
Keine Inseln der Seligen
Doch selbst wenn Rechte auf dem Campus keine Chance haben, heißt das
längst
nicht, dass Hochschulen in jeder Hinsicht Inseln der Seligen wären. So
hat
erst jetzt der Präsident der Technischen Universität (TU) Berlin, Kurt
Kutzler, der Vereinigung “Aqida” den Status einer an der TU
registrierten
Vereinigung entzogen, weil sie der gerade verbotenen islamistischen
Gruppe
“Hizb ut-Tahrir” erlaubt hatte, ihre Forderungen in den Räumen des
Studentenwerks Berlin darzustellen. Und in Brandenburgs
Innenministerium
schaut man durchaus besorgt auf islamistische Strukturansätze im Umfeld
der
BTU.
BRANDENBURG/HAVEL. Der Rechtsanwalt des Kongolesen Talaka Ndualu, der
mit
seiner Familie in Brandenburg/Havel Kirchenasyl gesucht hat, will
Anzeige
gegen Unbekannt erstatten. “Personenbezogene Akten des Bundesamtes für
die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sind unter Verstoß gegen das
Datenschutzgesetz an die Öffentlichkeit gegeben worden”, sagte Anwalt
Stefan
Gräbner am Dienstag. Der Hintergrund: In einem Bericht des
Nachrichtenmagazins Focus war der Kongolese der Vergewaltigung
bezichtigt
worden. Das Magazin stützte sich dabei auf die Vernehmungsprotokolle
von
1993, die Focus zugespielt worden waren. Gräbners Verdacht: Die
Ausländerbehörde oder das Potsdamer Innenministerium könnten die Akten
aus
politischen Motiven weitergereicht haben.
Streit gibt es um den Inhalt: Nach Focus-Lesart der Protokolle hat sich
Ndualu bei dieser Vernehmung selbst bezichtigt, 1992 während einer
Demonstration gegen das Mobutu-Regime an einer Vergewaltigung beteiligt
gewesen zu sein. Die evangelische Kirche und Rechtsanwalt Gräbner
verweisen
auf einen Übersetzungsfehler. In der zentralafrikanischen Sprache
Lingala
bedeute Demonstration und Vergewaltigung dasselbe. Gräbner: Ndualu habe
gesagt, dass er sich an einer Demonstration beteiligt habe. Experten
äußern
sich unterschiedlich. “Ich prüfe auch rechtliche Schritte gegen Focus”,
sagte Gräbner.
Antirassistisch Einkaufen
Donnerstag, 30.01.03
Ab 14.00 Uhr im Marktkauf Cottbus
Im Rahmen der antifaschistischen Aktionswochen und des Aktionstages der
Volksini gegen das Sachleistungsprinzips veranstalten wir am 30.1. ab 14 Uhr
einen antirassistischen Einkauf in der Marktkauffiliale in Cottbus. Dabei
sollen die KonsumentInnen vor Ort angesprochen und auf den diskriminierenden
Gehalt des Wertgutscheinsytems aufmerksam gemacht werden.
Flüchtlinge in Brandenburg erhalten bis auf wenige Ausnahmen ihre
Sozialleistungen in den ersten 3 Jahren in Form von Wertgutscheinen, mit
denen sie nur in bestimmten Märkten und lediglich Waren des täglichen
Bedarfs einkaufen können. Telefonanrufe, kulturelle Veranstaltungen,
Anwaltskosten etc. sind mit Gutscheinen allerdings nicht bezahlbar. Die
Gutscheinpraxis stellt nur einen Teil der rassistischen bundesdeutschen
Flüchtlingspolitik dar, deren wesentliches Moment Abschreckung darstellt.
Gerade hier eröffnen sich jedoch Möglichkeiten, dem praktisch etwas
entgegenzusetzen. So geht es uns bei dieser Aktion natürlich auch darum,
potentielle EinkäuferInnen zum Einkauf mit Gutscheinen zu bewegen. Wir
hoffen, möglichst viele Gutscheine an diesem Tag umzutauschen bzw. neue
Tauschpartner hinzu gewinnen zu können.
Also Geld eingesteckt, Einkaufszettel geschrieben und ab zu Marktkauf!!!
Auch Flüchtlinge brauchen Geld im Kapitalismus!
Zu Dokumentationszwecken hier ein Text des Brandenburger Verfassungsschutzes vom 24.1.2003. Siehe hierzu auch den Bericht Rathenower Antifas: Spontanaktion von antifaschistischen Jugendlichen in Rathenow sowie das Inforiot-Archiv. Ergänzend dazu hier eine Sonderseite zum jüngsten Skandal, in den die Brandenburger VerfassungsschützerInnen verwickelt waren.
Konfrontation von Antifa und Antifa-Gegnern
Nach “rechts” oder “links” sortieren sich viele junge Leute selber ein; die andern heißen für sie dann “Faschos” oder “Zecken”. In Rathenow hat sich diese Konfrontation seit Jahren verfestigt. Beteiligt an ihr sind Schläger aus der Skinhead-Szene wie militante Krawallmacher der Antifa; aber neben diesen Extremisten auch eher unpolitische Jugendliche, die sich nur wegen subkultureller Trends als Feinde der “andern” definieren, oder politisch Aktive, deren Erregbarkeit größer ist als ihre Urteilskraft.
Mit einer Spontandemonstration unter dem Motto “Wir fordern ein drastisches Vorgehen gegen den Nationalsozialismus und Ausländerhass” traten diese Spannungen erneut zutage. Anlass waren nach Angaben der “Antifaschisten Front Rathenow” und der “Antifaoffensive Westhavelland” gewalttätige Übergriffe auf Hopper, Skater und Punks in jüngster Zeit. Rasch fanden sich Angehörige der Gegenszene ein. Die Polizei verhinderte Gewalttaten.
Fotos und Fäuste als Kampfmittel
Die feindlichen Beobachter des Aufzugs sollen versucht haben, Fotos zu schießen. Dergleichen gehört zum Ritual der Auseinandersetzungen.
Ähnlich verhielt es sich bereits, als am 15. Juni 2002 eine Demonstration zum Thema “Wegsehen war schon immer Scheiße — Gegen den rassistischen Konsens vorgehen! Nazistrukturen zerschlagen!” durch Rathenow zog. Damals waren auch Aktivisten der “Antifaschistischen Aktion Berlin” angereist, die für ihre Militanz berüchtigt ist. Rechtsextremistisch orientierte Rathenower, die sich provokant in deren Blickfeld schoben, wurden mit Bierflaschen und anderen Gegenständen beworfen. Wie selbstverständlich wurden auch Polizisten attackiert.
Auch am 6. September 2002, am Rande des Stadtfestes, eskalierten die Auseinandersetzungen. Wieder konnte die Polizei verhindern, dass verbale Beschimpfungen in eine Schlägerei ausarteten.
Was Fotodokumentationen angeht, ist allerdings die Antifa ihren Gegnern um Längen voraus. Sie sammelt mit Eifer und Fleiß Bilder und Daten von vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtsextremisten in Rathenow und publiziert sie von Fall zu Fall. Viele der detailreichen Angaben treffen zu, etliche auch nicht oder nicht mehr.
Wachsamkeit ist möglich!
Unbestreitbar ist freilich, dass die militanten Gruppierungen junger Rechtsextremisten in Rathenow, die von Hass auf Ausländer und “Linke” geprägt sind, eine scharfe Beobachtung verdienen. Dafür sind die staatlichen Sicherheitsbehörden da.
Wachsamkeit ist aber nicht nur eine Beamtenpflicht, sondern auch eine Bürgertugend. Deshalb tun die Rathenower gut daran, wenn sie bei solchen Auseinandersetzungen nicht wegschauen, sondern den jungen Leuten ins Gewissen reden, solange diese für Argumente und bessere Einsicht noch offen sind.
Wer dafür nicht mehr erreichbar ist, muss anders in die Schranken gewiesen werden. Schlägereien sollten von den Opfern und von Augenzeugen auf jeden Fall bei der Polizei angezeigt werden. Die Auflistung solcher Fälle in eigenen Dokumentationen bringt nichts, wenn die Strafverfolgungsbehörden nicht informiert werden.
Am Freitag, dem 24.01.2003, versammlten sich ca. 50 Jugendliche in der Schopenhauer Straße in Rathenow um gegen rechtsextreme Gewalt zu protestieren.
Hintergrund waren die jüngsten Übergriffe im Dezember 2002 und Januar 2003 auf linksorientierte jugendliche Hopper, Skater und Punks. Von der Schopenhauer Straße zog der Protestzug zum innerstädtischen Märkischen Platz, wo mehrere antifaschistische Flyer verteilt wurden.
Dort erschienen dann auch mehrere Polizeieinsatzwagen, die die Jugendlichen aber gewähren ließen.
Mehrere Rechtsextremisten sammelten sich ebenfalls in der Nähe des Märkischen Platz und versuchten einzelne Jugendliche zu fotografieren. Insgesamt wurde die Spontanaktion gegen Nazis von den beteiligten
Jugendlichen aber als Erfolg gewertet und lässt für die Zukunft hoffen.
Antifaschistische Front Rathenow und Antifaoffensive Westhavelland
Härte gegen stumme Zeugen
(Berliner Morgenpost, M. Lukaschewitsch)
Zeugen von brutalen Verbrechen schweigen oft aus Angst, manchmal aus
Gleichgültigkeit und gelegentlich, um Täter zu schützen. Jetzt müssen sie
damit rechnen, dafür bestraft zu werden.
Potsdam/Neuruppin — Wegschauen bei rassistisch motivierten Übergriffen,
Untätigbleiben, wenn ein Schüler wegen seiner Haarfarbe stundenlang
drangsaliert und zum Schluss bestialisch ermordet wird: Das soll nach dem
Willen der Brandenburger Ermittlungsbehörden — und speziell der Neuruppiner
Staatsanwaltschaft — bald der Vergangenheit angehören: Mitwisser und Zeugen
von Gewaltverbrechen dürfen bei Ermittlungen und vor Gericht nicht mehr auf
Gnade hoffen.
«Die Menschen sollten wissen, dass Schweigen und Lügen bei Strafverfahren
keine Kavaliersdelikte sind», sagte gestern Petra Marx, Sprecherin von
Justizministerin Barbara Richstein (CDU). «Wenn sich bei den Ermittlungen
schon herausstellt, dass ein Großteil von Zeugen die Unwahrheit sagt, dann
ist unsere Marschroute ganz klar: Dann werden wir im Prozess den Rahmen des
Strafrechts bis auf das Äußerste ausreizen», machte Gerd Schnittcher,
Sprecher der Staatsanwaltschaft Neuruppin, gestern deutlich.
Zu spüren bekommen haben die härtere Gangart jetzt schon vier Zeugen im
Prozess um den Tod des Russlanddeutschen Karjat Batesov, für den sich vor
dem Landgericht in Neuruppin derzeit fünf junge Männer im Alter zwischen 20
und 22 Jahren verantworten müssen. Vier zunächst als Zeugen geladene junge
Männer, die in der Tatnacht am 4. Mai vergangenen Jahres dabei waren, als
Karjat Batesov zusammengeschlagen und dann mit einem 17 Kilogramm schweren
Feldstein getötet wurde, schickte Staatsanwalt Kai Clement wegen
Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft. Und prompt zeigten sie wenig
später Gesprächsbereitschaft. Die Gedächtnislücken füllten sich mit
Erinnerungen. «Wir müssen die Mauer des Schweigens durchbrechen», sagte
Oberstaatsanwalt Schnittcher. Mindestens 30 Menschen standen vor der Disko,
als die Schlägerei begann. «Es kann nicht sein, dass keiner gesehen haben
will, was genau passiert ist.»
Augen verschließen schützt vor Strafe nicht: Wie auch im Fall des ermordeten
Sonderschülers Marinus Schöberl, der in Potzlow von drei Rechtsradikalen
wegen seiner gefärbten Haare und seinem Hip-Hop-Outfit ermordet worden war.
Drei Zeugen müssen sich nun wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten.
Sie hätten nach Überzeugung der Staatsabwaltschaft den Tod des Jungen
verhindern können, weil sie mitbekommen hatten, dass das Trio den Jungen im
Visier hatten. Das Mittel ist nicht neu: Im Fall Dolgenbrodt 1992 kamen die
Mitwisser erst zur Räson, nachdem Strafverfahren gegen sie eingeleitet
worden waren.