Hier ein Audiojingle gegen das geplante Heldengedenken von Neofaschisten am 17.11.2002 in Halbe:
Format: MP3, 4,5 MB
Länge: 2,20 Minuten
Erstellt von leftbeat, dem Radioprojekt von Antifascist Youth Erfurt. Viel Spass beim Anhören!
Hier ein Audiojingle gegen das geplante Heldengedenken von Neofaschisten am 17.11.2002 in Halbe:
Format: MP3, 4,5 MB
Länge: 2,20 Minuten
Erstellt von leftbeat, dem Radioprojekt von Antifascist Youth Erfurt. Viel Spass beim Anhören!
Von der Analyse der Tätergesellschaft
zur Förderung von Solidarisierungsprozessen mit den Betroffenen
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Opferperspektive e.V.
Wir, die Autorinnen und Autoren dieses Artikels, sind ein vierköpfiges Team mit
dem Namen “Opferperspektive”, inzwischen arbeiten sechs Menschen bei dem Verein.
Unsere Beratungsstelle in Potsdam arbeitet noch mit vier weiteren
(Jugend)Projekten in Brandenburg zusammen, die in den jeweiligen Regionen Opfern
von rechtsextremer Gewalt betreuen. Wir beschäftigen uns seit Mitte 1998 im
Bundesland Brandenburg mit der Organisation von Hilfe und Unterstützung für
Menschen, die Opfer von rechtsextrem oder rassistisch motivierter Gewalt
geworden sind. Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Motivation, den zum Alltag
gewordenen Zustand einer permanenten Bedrohung und Ausgrenzung bestimmter
Bevölkerungsgruppen nicht hinnehmen zu wollen.
Fast jede Woche werden Menschen aus rechtsextremistischen Motiven, aus Hass
gegen alles vermeintlich “Undeutsche” angegriffen. Beleidigungen und Drohungen
gehören zur Tagesordnung, Angriffe sind nicht selten. Sie sind insbesondere
gegen Menschen aus anderen Herkunftsländern, aber auch gegen Behinderte,
Obdachlose oder alternative Jugendliche gerichtet. In Politik, Sozialarbeit und
Medien wird das Handeln der rechtsextremistischen Täter überwiegend mit ihren
schlechten Berufsperspektiven, fehlenden Jugendeinrichtungen und Versäumnissen
im Elternhaus erklärt und ein Handlungsbedarf in diesen Bereichen verortet.
Demgegenüber geraten die Opfer der Taten und dringliche Veränderungen ihrer
Lebensumstände allzu häufig aus dem Blickfeld.
Die Arbeit des Projektes Opferperspektive hat das Ziel, den Betroffenen zu
helfen, sich nicht in einer passiven Opferrolle einzurichten, sondern aktiv zu
werden und gemeinsam Perspektiven zu entwickeln. Dazu gehört, über die
Vermittlung der Lebensrealität potentiell Betroffener Solidarisierungsprozesse
im sozialen Umfeld auszulösen oder zu fördern. Ziel ist dabei nicht nur, die
Anteilnahme am Schicksal Einzelner zu ermöglichen. Es geht auch darum, die mit
Ausgrenzung von Menschen verbundene Gefahr für eine demokratische
Zivilgesellschaft zu erkennen. Eine Parteinahme für die von rechter Gewalt
Betroffenen und die gleichzeitige Entwicklung von Initiativen, die sich gegen
Ausgrenzungsbestrebungen richten, bieten Handlungsalternativen anstelle von
Ohnmacht und Angst. Bündnisse gegen Ausgrenzung zu schaffen, vermindert den
Einfluss rechter Ideologie, entzieht rechter Gewalt die vermeintliche Zustimmung
in der Öffentlichkeit und schwächt rechte Machtpositionen.
Der gesellschaftliche Kontext rassistischer Angriffe
Im Jahr 1998 zählte die brandenburgische Polizei 100 rassistische und
rechtsextreme Gewalttaten. Die Dunkelziffer ist hoch, da viele Betroffene keine
Anzeige erstatten, oder die Polizei diese schlichtweg nicht aufnimmt. Die Täter
sind meist männliche Jugendliche, die rechtsextremen Cliquen angehören; solche
Angriffe werden aber erst in einem gesellschaftlichen Klima, das von Rassismus
und völkischem Nationalismus beeinflusst ist, möglich. Menschen, die dem
typischen Querschnitt der Bevölkerung Brandenburgs entsprechen, verweigern den
Angegriffenen Hilfe oder beteiligen sich selbst an rassistischen Pöbeleien. Es
ist die “Mitte der Gesellschaft”, aus der der Rassismus kommt. Umfragen zufolge
ist über die Hälfte der Bevölkerung der Meinung, Ausländer profitierten vom
sozialen System und würden den Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen. Kein
Wunder, dass sich die rechtsextremen Gewalttäter wie Vollstrecker des
Volksempfindens fühlen.
Ein rechtsextrem oder rassistisch motivierter Angriff betrifft nicht nur das
individuelle Opfer. Getroffen wird ein Einzelner, gemeint sind alle. Alle, die
zu den Feindbildern der Rechtsextremisten passen: Migranten, alternative und
linke Jugendliche (im Nazi-Jargon “Zecken”), Behinderte, Obdachlose, Schwule und
Lesben. Angst macht sich breit, viele sind eingeschüchtert. Gefährliche Orte
werden gemieden. Das kann ein Bahnhof nach Anbruch der Dunkelheit oder ein Platz
vor dem Einkaufszentrum sein. Das Land wird durchzogen von “No-Go Areas”. Viele
können sich nicht mehr frei bewegen, manche, besonders Flüchtlinge in Heimen,
leben wie im Gefängnis, andere, etwa Migranten in Berlin, fahren nicht mehr nach
Brandenburg.
Gewalt und rechte Hegemonie
Organisierten Rechtsextremisten kommt diese Entwicklung gelegen. Was aus der
Sicht der Opfer “No-Go Areas” sind, nennen sie “national befreite Zonen”. Die
Rechten, nicht mehr staatliche Institutionen, üben damit die soziale Kontrolle
aus. Sie haben die Hegemonie vor Ort, sei es kulturell, indem sie Vorreiter
eines völkisch-nationalistischen Lebensstils sind, sei es repressiv, indem sie
Abweichler von diesem Lebensstil verfolgen und einschüchtern. Der Kampf um die
Hegemonie wird in fast jeder Schule, jedem Jugendclub, in vielen Dörfern und
Stadtteilen geführt, und die Rechtsextremisten erobern sich immer mehr Terrain.
An vielen Orten in Brandenburg ist der rechtsextreme Mainstream alternativlos.
Rechts zu sein, ist normal. Wer keinen Ärger will, passt sich an. Gewalt spielt
bei der Durchsetzung und Aufrechterhaltung rechter Hegemonie eine zentrale
Rolle. Durch Drohung mit Gewalt und gezielten Angriffen wird versucht,
Jugendliche, die sich dem rechten Kurs nicht anpassen, zu verdrängen.
Es gibt viele Beispiele für diesen Prozess: Ein “neutraler” Jugendclub, in dem
monatliche “Independent”-Diskos stattfinden, wird regelmäßig von Gruppen rechter
Skinheads besucht, die das Publikum bedrohen und regelrechte Angriffe auf den
Jugendclub organisieren. Der Jugendclubleiter will der Gewalt begegnen, indem er
versucht, die rechten Skinheads in die Klubarbeit einzubinden. Ihre Präsenz
verändert die Situation in der Einrichtung. Die Umgangsformen der Rechten, ihre
Sprüche und die Stärke der Gruppe führen dazu, dass anders denkende Jugendliche
vor die Wahl gestellt sind, sich anzupassen oder weg zu bleiben. Mangels
Interesse bei den verbliebenen Besuchern werden die Independent-Diskos
eingestellt. Öffentliche Kritik der angegriffenen Jugendlichen am
Jugendclubleiter, der innerhalb der Stadt sehr angesehen ist, wird nicht
zugelassen. Leserbriefe werden nicht abgedruckt. Die Jugendlichen fühlen sich
von der Stadt allein gelassen und ziehen sich schließlich zurück. Ein bisher
“neutraler” Jugendclub wird zunehmend rechts dominiert.
Die Reaktion der Öffentlichkeit und ihre Folgen
>
Anhand dieses Beispiels wird noch ein anderer Aspekt deutlich: Der
Verdrängungsprozess spielt sich quasi unter den Augen der Öffentlichkeit ab,
wird aber von dieser nicht wahrgenommen. Die Versuche der angegriffenen
Jugendlichen, sich Gehör zu verschaffen, scheitern. Niemand scheint sich für die
in Bedrängnis geratenen Jugendlichen einzusetzen. Sie werden als links(extrem)
abgestempelt. Die Bedrohung der einen und das Wegsehen und Ignorieren der
anderen bewirken letztendlich die erfolgreiche Verdrängung von Jugendlichen, die
demokratische, emanzipatorische Ansätze vertreten. Zurück bleiben Jugendliche,
die das Gefühl haben, sich besser gar nicht zu positionieren — und rechts
orientierte Jugendliche.
Die Auswirkungen eines Angriffs auf das soziale Umfeld des Opfers
Vor dem Hintergrund öffentlicher Ignoranz wirkt ein rechtsextrem motivierter
Angriff über die konkrete Verletzung und Bedrohung Einzelner hinaus auf das
anvisierte Kollektiv. Die Betroffenen verstehen sehr genau, dass der Angriff,
vo
n seltenen Racheaktionen abgesehen, nicht ihnen persönlich galt. Die Einzelnen
werden stellvertretend für alle angegriffen, die sich dem rechten Konsens nicht
beugen wollen. Das Gefühl der Bedrohung verbreitet sich schnell.
Das Fehlen von Solidarisierung mit den Opfern
Gewalt als Mittel zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung rechter Hegemonie hat
nur Erfolg, weil so viele passiv bleiben und weg sehen. Nichtangepasste
Jugendliche, Ausländer, Aussiedler etc. werden nicht nur zusammengeschlagen,
sondern sowohl während der Tat als auch danach allein gelassen. Bei einem
Angriff auf einen Flüchtling wird gefragt, warum “solche” nachts auf der Straße
sind. Ein Lehrer, der sich gegen rechts engagiert und dafür von rechten
Skinheads krankenhausreif geprügelt wird, wird weder von seinen Kollegen noch
von seinen Vorgesetzten besucht. Als er schon am Boden liegt, wird ihm gesagt,
er solle sich bei der Antifa raushalten. Die Gewalttat beinhaltet die
Aufforderung, sich im Sinne der Täter zu verhalten. Allen soll klar gemacht
werden, dass sie gegen die Täter keine Chance haben, weil sie von niemandem
unterstützt werden. Mit der fehlenden Solidarität bestätigt sich diese Aussicht.
Das Ausbleiben von Solidarisierungsprozessen mit den Angegriffenen hat auch eine
Wirkung auf die Täter. Es bestätigt ihre Vorstellung von der heimlichen
Zustimmung der Bevölkerung für ihre Taten. Die Gleichgültigkeit und der Mangel
an Solidarität mit den Angegriffenen hat noch andere Folgen: Es wird der
Eindruck erweckt, dass die Gesellschaft Angst vor den rechten Schlägern hat. Es
scheint, als ob sich niemand mit ihnen anlegen mag, als ob sie unangreifbar
wären. Der “Erfolg” verschafft ihnen Zulauf. Wer möchte nicht auf Seiten der
Gewinner stehen? Macht ist attraktiv. Auf der Straße wird ihnen mit Respekt
begegnet. Mit gesellschaftlicher Ächtung müssen sie nicht rechnen.
Wie gehen die Angegriffenen mit diesen Erlebnissen um?
Für die Angegriffenen ist das Nichtverhalten “unbeteiligter” Mitmenschen
während, aber auch nach der Tat die zweite Verletzung. Auch sie empfinden die
Gleichgültigkeit als Zustimmung zu den rechtsextremistischen Tätern. Ausländer
und andersdenkende Jugendliche fühlen sich noch mehr ausgegrenzt und in ihrem
Misstrauen gegen die deutsche Gesellschaft bestätigt. Ein Angriff führt bei dem
Opfer zu Verunsicherung. Anhaltende Gefühle eigener Verletzlichkeit und eigenen
Beschädigtseins sind die Folge. Abhängig von der individuellen psychischen
Konstitution und der sozialen Eingebundenheit, dauert die psychische
Verarbeitung der Verletzungen meist länger als die relativ schnell abheilenden
körperlichen Schäden. Für angegriffene Flüchtlinge, die der anhaltenden
Bedrohung aufgrund gesetzlicher Einschränkungen nicht ausweichen können und die
sich in einer ihnen feindlich gesinnten Umgebung befinden, können schon einfache
symbolische Gesten viel bedeuten: eine spontane Anteilnahme, eine öffentliche
Solidaritätsbezeugungen, eine Blumensendung ins Krankenhaus, all das kann ihnen
helfen, ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstsicherheit wiederzugewinnen. Eine
demokratisch orientierte Jugendszene wird gefördert, indem die Angebote in den
Jugendeinrichtungen auf sie ausgerichtet sind. So kann ihnen deutlich gemacht
werden, dass auch sie Teil dieser Gesellschaft sein sollen. Angegriffenen wie
auch rechtsextremistischen Schlägern wird klar gezeigt werden, dass diese Taten
nicht geduldet werden und erst recht nicht erwünscht sind. Wenn jedoch
Ausgrenzung gesellschaftliche Realität bleibt, wird der Aufbau einer
demokratischen Zivilgesellschaft zwangsläufig scheitern.
Lernprozesse bei den Beraterinnen und Beratern
Ein Eingreifen in Form von konkreter Hilfe für Opfern rechtsextremer Gewalt ist
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Opferberatungsstellen eine
Möglichkeit, ihr antirassistisches und antifaschistisches Engagement praktisch
werden zu lassen. Es eröffnet die Möglichkeit, das Problem Rechtsextremismus
nicht nur von der rational-analytischen Seite zu betrachten, sondern durch die
Auseinandersetzung mit den Folgen rechtsextremer Gewalt Empathie mit den
Betroffenen zu schaffen und eine stärkere emotionale Verwurzelung
antifaschistischer Überzeugungen zu bewirken. Oft sind es die Menschen, die
selbst aufgrund ihres gesellschaftlichen Engagements oder ihrer nicht
angepassten kulturellen Orientierung von rechter Gewalt bedroht sind, die vor
Ort für eine weiterführende Solidarität mit Opfern rechtsextremer Gewalt
gewonnen werden können. Sich mit anderen Opfern rechtsextremistischer Gewalt
auszutauschen hilft, den Zusammenhang der verschiedenen Feindbilder in der
rechtsextremen Ideologie zu erkennen. Gemeinsam ist einem Angriff auf Ausländer
oder auf so genannte “Zecken”, dass das Individuum in der Gewalttat nicht mehr
zu erkennen ist. Jede Gewalttat gegen Einzelne ist objektiv gesehen Teil einer
rechten Strategie der Ausgrenzung und Vertreibung missliebiger Personenkreise.
In der Auseinandersetzung mit der Situation angegriffener Flüchtlinge wird
darüber hinaus der Gesamtzusammenhang zwischen rassistischer Gewalt,
rassistischen Einstellungen und institutionalisierter Diskriminierung deutlich.
Wenn man sich das bewusst macht, bietet das konkrete Engagement für die
Angegriffenen auch die Chance, den gesellschaftlichen Diskurs von der isolierten
Betrachtung der (rechter) Gewalt, wie sie in der öffentlichen Diskussion
vorherrscht, wegzuführen und den Rechtsextremismus als gesamtgesellschaftliches
Problem zu sehen.
Hintergrund all dieser strategischen Überlegungen ist auch die Frage, wie das
Engagement gegen rechts motiviert ist und wie es sich umsetzen und
aufrechterhalten lässt. Für viele antifaschistische Jugendliche war die eigene
Konfrontation mit rechtsextremistischer Gewalt Ausgangspunkt ihres politischen
Engagements gegen rechts. Fällt diese direkte Konfrontation weg bzw. sind nicht
sie selbst oder der eigene Jugendclub betroffen, sinkt häufig auch ihre
Motivation, sich weitergehend kontinuierlich zu engagieren. Die konkrete
Unterstützung von Opfern rassistischer und rechtsextremistischer Gewalt kann das
politische Engagement der Jugendlichen erweitern und darüber hinaus Brücken zu
anderen Lebenswelten schlagen. In der praktischen Arbeit können neue
Bündnispartner gefunden und eine verbreitete Selbst- und Fremdisolation
überwunden werden.
Für eine demokratisch orientierte Jugendszene Noch ein weiterer Aspekt der Unterstützung von Opfern rechtsextremer Gewalt als
antifaschistische Strategie soll hier hervorgehoben werden. Es geht um die
Stabilisierung einer demokratisch orientierten Jugendszene, die der
rechtsextremistisch orientierten Jugendkultur eine emanzipatorische Alternative
entgegensetzt. Eine alternative Jugendkultur zum rechten Mainstream bedeutet,
dass die Jugendlichen der verschiedenen Szenen immun gegen die rechte
Menschenverachtung, den faschistischen Kult der Stärke, gegen die kollektiven
Mythen der Rechten werden. Sie schaffen sich selbst eine Alternative, eine
gelebte Gegenpositionen gegen rechts. Selbstbestimmtes Engagement der
Jugendlichen, Eigenverantwortung und Selbstorganisierung sind hierbei wichtige
Möglichkeiten, demokratische Umgangsweisen zu lernen und umzusetzen.
Antifaschismus wird so in ein gesellschaftliches emanzipatives
Demokratieverständnis eingebettet. Denn dieser sollte nicht nur Gegenpol gegen
rechts, sondern positiver Ausdruck demokratischen zivilgesellschaftlichen
Selbstverständnisses sein.
(siehe auch D‑A-S‑H Dossier #3 “Jugendarbeit und
Rechtsextremismus” — Anm. d. Red.)
Elemente einer demokratischen Strategie Wir vers
tehen die Unterstützung von Opfern rechtsextremer Gewalt als einen Teil
einer möglichen antifaschistischen Strategie gegen Rechtsextremismus und möchten
anstelle eines Fazits die in unseren Augen zentralen Elemente umreißen:
Erstens sollte eine gesellschaftliche Solidarisierung mit den Opfern
rechtsextremer Gewalt mobilisiert werden, die zu einem großen Teil aus einer
praktischen Unterstützung für die Opfer besteht. Die Solidarisierung hat zum
Ziel, die Folgen der Angriffe für die Opfer etwas erträglicher zu machen und
dabei vor allem der Einschüchterung entgegenzuwirken. Außerdem kann sich über
die Unterstützung von Opfern ein sozialer Zusammenhang bilden, der vor weiteren
Angriffen schützt und für gegenseitige Unterstützung sorgt. Die Unterstützer
werden mit der Perspektive der Opfer konfrontiert. Die Angriffe werden in
Zusammenhänge alltäglicher, institutioneller wie nichtinstitutioneller
Diskriminierung und Ausgrenzung gestellt — und so kann die Gewalt gerade in
ihrem gesellschaftlichen Kontext begriffen werden. Lernprozesse werden mit dem
Erkennen des Zusammenhangs von Gewalt mit bestimmten ideologischen Mustern wie
z.B. völkischem Nationalismus, Sozialdarwinismus, Autoritarismus und
patriarchalem Dominanzverhalten, vollzogen.
Zweitens ist eine aktive Bündnisarbeit notwendig und lohnenswert. Dabei hat sich
als eine wichtige Erfahrung gezeigt, dass antifaschistische Gruppen, wenn sie an
lokalen Bündnissen gegen rechts teilnehmen, ihre eigenständige Position und
Strategiebildung nicht aufgeben und an ein Bündnis delegieren sollten.
Andererseits besteht in Bündnisprojekten die Chance der Auseinandersetzung mit
anderen Argumenten und Strategien. Dennoch dienen manche Bündnisse den
Stadtverwaltungen und Parteien als Alibiveranstaltungen.
Drittens können über die lokalen Bündnisse gegen rechts die Stadtverwaltung, die
Parteien und die Polizei gedrängt werden, das Problem Rechtsextremismus nicht
weiter zu negieren oder zu verharmlosen. Dazu ist es nötig, die relativierenden
und negierenden Diskurse über Rechtsextremismus zu kritisieren.
Rechtsextremistische und rassistische Angriffe als Randproblematik zu
diskutieren — beispielsweise in Kontexten wie rechter oder linker Extremismus,
Jugendgewalt, Randgruppen, Einzeltäter, Täter als Modernisierungsverlierer -,
behindert eine wirkliche Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ursachen und
damit ein inhaltliches Begreifen.
Viertens können Entsolidarisierungsprozesse mit den Tätern und ihrem Umfeld
gefördert werden, in dem den Opfern Unterstützung zukommt und Bündnisse gegen
ihre Ausgrenzung gefestigt werden. Nötig ist nicht Verständnis für die Täter,
sondern ein Entzug jeglichen Respekts. Sie müssen durch soziale Nachteile für
ihr Leben erfahren, dass rassistische Gewalt keinen Platz in einer Gesellschaft
mit demokratischem Anspruch haben kann.
(Inforiot) Der hier dokumentierte Beitrag der Opferperspektive stammt aus einem gerade erschienenen Dossier zur Kampagne “Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt”.
Das Dossier ist online unter d‑a-s‑h.org zu lesen. Die weiteren Texte enthalten unter anderem umfassende Argumente zur Stützung der Forderung nach Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt, ein Interview mit den Tagesspiegel-Fachjournalisten Frank Jansen sowie Berichte über die Arbeit verschiedener Beratungseinrichtungen.
In der Nacht zu Freitag kam es im Potsdamer Wohngebiet Drewitz kurz nach Mitternacht zu “Heil Hitler”- und “Sieg Heil”-Rufen im Bereich der Bushaltestelle Konrad-Wolf-Allee. Einsatzkräfte der Polizei stellten vor Ort drei Personen, die dem äußeren Erscheinungsbild nach der rechten Szene zuzuordnen sind, fest. Zwei 22- und 19-jährige junge Männer sowie ein 16-jähriger Jugendlicher aus Potsdam und dem Landkreis Potsdam-Mittelmark wurden in Gewahrsam genommen. Die Männer standen erheblich unter Alkoholeinfluss. Es wurden Anzeigen aufgenommen. Der 22- und 19-Jährige sind bereits einschlägig polizeibekannt.
Scham beim Einkaufen, Untätigkeit in den sogenannten Sammelunterkünften und Angst vor rechtsradikalen Übergriffen — so schildern Flüchtlinge in dem Dokumentarfilm “Leben in der Fremde” ihren Alltag. Obwohl die Videogruppe Colour den Film in Mecklenburg-Vorpommern drehte, lässt er sich nach Meinung der Initiative für Begegnung auf die Brandenburgischen Verhältnisse übertragen. Daher stellte sie ihn am Mittwochabend einer Podiumsdiskussion im Filmmuseum voran, in deren Mittelpunkt das auch in Brandenburg herrschende Sachleistungsprinzip stand. Danach erhalten Asylbewerber zum Einkauf von Lebensmitteln Gutscheine statt Bargeld.
“Eine diskriminierende Behandlung”, findet Juliane Lang von der Volkinitiative zur Überwindung des Sachleistungsprinzips. Die Initiative hat eine Unterschriftenliste angeregt, mit der eine Änderung der landesgesetzlich vorgeschriebenen Gutscheinvergabe gefordert wird. Gründe hierfür gebe es genug: Da Wechselgeld nur bis zu einem bestimmten Betrag ausbezahlt würde, müsste jeder Einkauf genau geplant werden. Spontaneinkäufe sind so gut wie nicht möglich, da nur bestimmte Geschäfte die Gutscheine akzeptieren. Die Sonderbehandlung an den Kasse sei zudem nicht gerade integrationsfördernd.
Beate Blechinger, Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, nahm in der Podiumsdiskussion einen anderen Standpunkt ein: “Es ist nicht menschenunwürdig, Sachleistungen zu erhalten”. Sie hält das Prinzip für geeignet, den wirtschaftlichen Anreiz einer Flucht nach Deutschland zu mindern. Annette Flade, Ausländerseelsorgerin der evangelischen Kirche, konnte diesen Aspekt nicht nachvollziehen: “Ich habe jeden Tag mit diesen Menschen zu tun und kann es emotional nicht mehr aushalten, wie ihnen immer wieder Leid zugefügt wird.” Durch die lange Verfahrensdauer bei Klagen gegen abgelehnte Asylbescheide müssten die Betroffenen zudem jahrelang mit Gutscheinen leben.
Die Stadtverordnetenversammlung hat sich längst gegen das Sachleistungsprinzip entschieden. Sollte es nicht allzu viel Aufwand machen, werden die Unterschriftenzettel der Volksinitiative daher demnächst im Bürgerservice der Stadtverwaltung ausliegen, so der amtierende Oberbürgermeister Jann Jakobs.
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) will den geplanten Aufmarsch von Rechtsextremisten am 17. November auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Dahme-Spreewald) offenbar mit allen Mitteln verhindern.Schönbohm habe das zuständige Polizeipräsidium in Frankfurt an der Oder “angewiesen, alle rechtlichen Möglichkeiten bis zum Äußersten auszureizen”, sagte Ministeriumssprecher Heiko Homburg gestern in Potsdam.
Den geplanten Aufmarsch von bis zu 1000 Rechtsextremisten unter Führung des Hamburger Neonazis Christian Worch auf einem der größten Soldatenfriedhöfe Deutschlands bezeichnete Schönbohm nach Angaben seines Sprechers als “Provokation und Störung der Totenruhe”. Dies sei “unerträglich” und werde nicht hingenommen. Neben der Demonstration der Rechtsradikalen sind auch zwei Gegenkundgebungen offiziell angemeldet worden, zu denen unter anderem linksautonome Gruppen erwartet werden.
In Halbe fand 1945 eine der letzten so genannten Kesselschlachten des Zweiten Weltkrieges statt. Auf dem Waldfriedhof der Gemeinde liegen etwa 22 000 deutsche Soldaten begraben. Der “Trauermarsch” der Neonazis soll unter dem Motto “Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten” stehen.
Das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) will am Freitag entscheiden, ob das für den 17. November in Halbe (Dahme-Spreewald) geplante “Heldengedenken” von mehreren hundert Neonazis genehmigt oder verboten wird. Das teilte Polizeisprecher Matthias Kühnel am Mittwoch. Unter dem Motto “Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten” wollen bis zu 1 000 Rechtsextremisten am Volkstrauertag auf dem größten Soldatenfriedhof in Deutschland aufmarschieren und dabei auch Kränze für die Waffen-SS niederlegen. “Wie wir entscheiden, ist noch nicht klar”, sagte Kühnel. Aber generell sei das Präsidium als Genehmigungsbehörde für jede öffentliche Versammlung unter freiem Himmel zuständig.
Amt hat Aufzug schon verboten
Genau dagegen wehrt sich das Amt Schenkenländchen, zu dem auch Halbe gehört. “Wir haben die Kundgebung direkt auf dem Friedhof verboten”, sagte Bärbel Stumpf vom Ordnungsamt. Der Friedhof falle eindeutig unter die Zuständigkeit des Amtes. Die Polizei sei nur für dessen Umfeld zuständig. Dabei beruft sich das Amt auf die Friedhofssatzung, nach der Veranstaltungen auf dem Friedhof nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich sind. “Wenn die Polizei nun anders entscheidet, setzt sie sich über unseren Beschluss hinweg.” Deshalb habe der Amtsdirektor bereits um Hilfe beim Innenministerium ersucht. Das Amt wolle den Neonazis auf keinen Fall eine Genehmigung erteilen.
Polizeisprecher Kühnel sagte dazu, er könne zwar nachvollziehen, dass das Amt Angst vor einer solchen Kundgebung habe. “Aber bei einem solchen Genehmigungsverfahren geht es nicht nach dem Geschmack, sondern nach der Rechtslage.” Sollte die Polizei den Aufmarsch genehmigen müssen, könne das Amt danach immer noch ein neues Verbot verhängen.
naziaufmarsch in hoyerswerda abgesagt
Achtung: es findet am 09.November kein Naziaufmarsch in Hoyerswerda statt,
die Stadt hat den Aufmarsch verboten und der Anmelder ENRICO KEHRING aus
Niesky hat den Aufmarsch daraufhin abgesagt.
Was gibts da für Gründe: Angeblich wolle man dem gleichzeitig auch in
Weimar stattfindenden Naziaufmarsch nicht das Wasser abgraben. Doch vielleicht
gibt es auch andere Gründe, immerhin war die Gegenmobilisierung gelungen und
auch die Stadt hat den Anschein gemacht nicht Außen vor zu stehen (was sich an
dem Zeitungsartikel ganz unten zwar lediglich im ersten Teil bewahrheitet).
Doch: Nach Naziangaben wird der Aufmarsch in den Dezember 02 verlegt,
darüber werden wir euch rechtzeitig informieren um entsprechend
Gegenzumobilisieren. Die angemeldete Gegendemo findet wahrscheinlich nicht statt.
Falls ihr dennoch am 09. November nichts vorhabt, dann beteiligt euch an
einer Gedenkdemonstration in Görlitz, die um 17h vom Jüdischen Friedhof
(Stadtteil Biesnitz, Biesnitzer Straße) beginnt und zum Marienplatz führt.
so long
check out
Brähmig ruft zur Gegendemo auf
lausitzer rundschau
Hoyerswerda.
Für den Fall, dass das durch die Stadt ausgesprochene Verbot der für Sonnabend angekündigten Demonstration Rechtsextremer vor Gericht nicht standhält, hat Hoyerswerdas Oberbürgermeister Horst-Dieter Brähmig aufgerufen, eine ebenfalls angemeldete Gegendemo zu unterstützen. “Die Stadt Hoyerswerda darf sich das nicht gefallen lassen ” , so Brähmig. Ansonsten würde in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, dass man bei den rechten Aktivitäten tatenlos zuschaue. Deshalb müssten sich die politische Spitze und die Hoyerswerdaer Bürger an einer Gegendemo beteiligen. Sollte das Verbot jedoch Bestand haben, dann mache auch eine Gegendemo wenig Sinn, erklärte das Stadtoberhaupt während der Sitzung des technischen Ausschusses.
Zufall?!
sächsische zeitung v. 05.11.02
Wir haben den 9. November als Datum gewählt, um der Interessengemeinschaft Wiedervereinigung Gesamtdeutschlands zuvorzukommen und zu verhindern, dass die Nazis an diesem Tag durch Hoyerswerda ziehen”, teilte Sepp Hagen von der Lausitzer Arbeitsloseninitiative in Gründung (LAI i.G.) beleidigt mit. Man bitte um eine Klarstellung. Dazu meint das Landesamt für Verfassungsschutz: “Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um einen Aufzug von Rechtsextremisten handelt und dass … (die LAI i.G., der Autor) dazu dient, die richtigen Initiatoren zu verschleiern.” Zurzeit werde die rechte Szene für die Demo mobilisiert. Zu der gehört auch der Nieskyer Rechtsextreme Enrico Kehring, der die Demonstration per Unterschrift im Namen der LAI i.G. angemeldet hat. Sepp Hagen (nach TAGEBLATT vorliegenden Informationen ein Pseudonym) gehört auch dazu: Sein Name taucht im Impressum der Mitteldeutschen Jugendzeitung, einer in Hoyerswerda erscheinenden dunkelbraunen Untergrundpostille, auf. Und ausgerechnet auf der Internet-Seite dieser Zeitschrift wird für den rechten Fackelumzug zum Volkstrauertag (siehe Artikel links) geworben. Genauere Informationen gibts — wer hätte das gedacht — unter Sepp Hagens Telefonnummer. So ein Zufall aber auch!
Potsdam
Vor dem Urteil des Berliner Landgerichtes in der so genannten V‑Mann-Affäre wächst der Druck auf Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU): Brandenburgs Verfassungsschutz hätte nach Auffassung deutscher Generalstaatsanwälte einer Beteiligung des V‑Mannes Toni S. an Produktion und Vertrieb der Neonazi-CD „Noten des Hasses” grundsätzlich nicht zustimmen dürfen, die Mordaufrufe gegen Prominente und Politiker enthielt. Brandenburgs Generalsstaatsanwalt Erardo Rautenberg bestätigte auf Anfrage, dass inzwischen die Stellungnahmen von 17 deutschen Generalstaatsanwälten eingegangen seien, die seine Rechtsauffassung einhellig teilen würden. Danach sei der Ausnahmetatbestand im Strafgesetzbuch für Straftaten von V‑Leuten „keine rechtliche Grundlage für die Verteilung volksverhetzender Schriften”. Eine andere Frage sei allerdings, dass der Verfassungsschutz nicht selbst gegen solche Straftaten vorgehen brauche, da er keine Strafverfolgungsbehörde sei. Auf der nächsten Tagung der Generalsstaatsanwälte soll diese Rechtsauffassung bekräftigt werden. Schönbohm hatte bislang erklärt, dass V‑Leute des Verfassungsschutzes „in begrenztem Umfang” Straftaten begehen dürften. So sei es im Fall Toni S. darum gegangen, an die Hintermänner heranzukommen. Allerdings gibt inzwischen auch Brandenburgs Innenministerium zu, dass V‑Mann Toni S. aus dem Ruder gelaufen ist. Er habe sich nicht an die klaren Weisungen des Quellenführers gehalten, sagte Sprecher Heiko Homburg. Dass der Verfassungsschutz dies nicht erkannt habe, sei ein Versäumnis – ebenso jedoch die unabgestimmte Festnahme von Toni S. durch Berliner Sicherheitsbehörden. Wie berichtet hatte Toni S. am Dienstag im Prozess den brandenburgischen Verfassungsschutz belastet. Auch der Berliner Staatsanwalt hatte erklärt, dass Vertrieb und Produktion der Hass-CD ohne Unterstützung des Brandenburger Verfassungsschutzes nicht möglich gewesen wären. Hingegen warf der Potsdamer CDU-Innenpolitiker Sven Petke den Berliner Justizbehörden vor, aus parteipolitischem SPD-Kalkül den Prozess für eine Kampagne gegen Schönbohm zu missbrauchen. „Das eigentliche Ziel ist, Brandenburgs Innenminister zu beschädigen.”
Freie Kameradschaften wollen am 17. November auf dem Soldatenfriedhof in Halbe bei Königs Wusterhausen aufmarschieren. von mariella schwertmüller
Sie versuchen es wieder einmal. Rund 1 000 Rechtsextreme aus dem gesamten Bundesgebiet werden am Volkstrauertag in Halbe erwartet. Die militanten Freien Kameradschaften um den Hamburger Neonazi Christian Worch versuchen, an die erfolgreichen rechtsextremen Aufmärsche auf dem Waldfriedhof von Halbe in den Jahren 1990 und 1991 anzuschließen.
Mit Fackeln, Trommlern und in schwarz-brauner Uniform zogen damals Neonazis über den größten Soldatenfriedhof Deutschlands, auf dem rund 22 000 Soldaten begraben sind, darunter Angehörige des 11. SS-Panzerkorps und des 5. SS-Gebirgskorps, die gegen die letzte Offensive der Roten Armee vor der Einnahme Berlins eingesetzt wurden und wegen ihres brutalen Vorgehens gegen Deserteure und Kriegsgegner in der Bevölkerung gefürchtet waren.
Die Neonazis feierten dort Anfang der neunziger Jahre den Aufschwung ihrer Bewegung nach der Wiedervereinigung. Organisiert wurde das Spektakel, das ausdrücklich der Waffen-SS huldigte, vom Berliner Ableger der rechtsextremen Deutschen Kulturgemeinschaft (DKG), die sich später in Berliner Kulturgemeinschaft Preußen umbenannte, und von den Jungen Nationaldemokraten.
Waren es 1990 vor allem Neonazis aus Berlin, Brandenburg und Norddeutschland, die zwischen den Gräberreihen umherstolzierten, kamen im folgenden Jahr alte und junge Nazis aus ganz Deutschland, Belgien, Spanien, Frankreich und den Niederlanden, um ihre »Helden« zu ehren. Die auffälligsten Formationen stellten die Wiking-Jugend, die Nationalistische Front und die Berliner Nazirockergruppe »Vandalen«. Viele der damals beteiligten Gruppen wurden inzwischen verboten. Nicht so die »Vandalen«.
Die Sicherheitsbehörden rechnen damit, dass sich sehr viele Rechtsextreme an dem Aufmarsch beteiligen. Und auch AntifaschistInnen gehen davon aus, dass die Symbolik des Ortes und des Themas mehr als 1 000 Neonazis aus ganz Deutschland anziehen wird. Auf jeden Fall wollen der ehemalige FAP-Vorsitzende Friedhelm Busse, Christian Worch und der Liedermacher Jörg Hähnel als Redner auftreten.
Ein Verbot des Aufmarsches durch das zuständige Amt Schenkenländchen wurde vom Verwaltungsgericht Cottbus Ende Oktober im Eilverfahren aufgehoben. Während Worch und seine Gefolgsleute ihren »Sieg« feiern, hat das Gericht eine mehrdeutige Entscheidung getroffen.
Zum einen wurde festgestellt, dass die Neonazis wegen einer im Jahr 1995 erlassenen Friedhofsordnung keinen Anspruch auf eine Versammlung auf dem Gelände haben; zum anderen wandte sich das Gericht gegen das Amt Schenkenländchen. Das Verbot sei unzureichend begründet und daher aufgehoben worden. Der Amtsdirektor Rainer Oncken gab sich zwar entschlossen mit der Aussage, man wolle »gar keine Extremisten jedweder Couleur in Halbe« haben, er wird dem Aufmarsch aber kaum mehr etwas Ernsthaftes entgegensetzen können.
Die Freien Kameradschaften betonen bei ihrer Mobilisierung die Lobpreisung des Nationalsozialismus. So heißt es auf der Webseite des Freien Infotelefons Norddeutschlands (FIT): »Wir bitten Euch aktiv darin mitzuwirken, dass jeder Verband der Wehrmacht, Waffen-SS, Volkssturm und der Hitlerjugend, die in Halbe und Umgebung gekämpft haben, separat einen Kranz erhält. Damit nun nicht alles drunter und drüber läuft, bitten wir Euch im Vorfeld sich bei uns zu melden. Ihr erhaltet dann einen Divisionsnamen, den ihr verwenden könnt, z.B. 36. SS-Division Dirlewanger.«
Einer der Betreiber des Infotelefons, Lars Jacobs, fungiert auch als Anmelder des Aufmarschs. Er begann seine Neonazikarriere in Rostock als Aktivist der FAP und gilt als enger Vertrauter von Worch.
Während die Sicherheitsbehörden Brandenburgs seit 1992 die rechtsextremen Aufmärsche in Halbe mit entschiedener Polizeipräsenz unterbanden und die Neonazis am so genannten Volkstrauertag auf Kriegerdenkmäler und Friedhöfe in ihren jeweiligen Regionen ausweichen mussten, blieb es zuletzt still um Halbe. Ein Versuch des Prenzlauer Neonazikaders Gordon Reinholz, im vergangenen Jahr im Namen des Jungen Nationalen Spektrums am 17. November einen Aufmarsch in Halbe anzumelden, wird von AntifaschistInnen als »Pro-Forma-Aktivität« bewertet. Auf das behördliche Verbot reagierte Reinholz jedenfalls nicht.
Gedenkveranstaltungen am 17. November fanden in den vergangenen Jahren aber trotzdem statt. Organisiert wurden sie vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge in Zusammenarbeit mit der örtlichen Kirchengemeinde und Offiziellen des Landkreises. Auch Vertreter der Landesregierung hielten Reden. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Waldfriedhofes hat es in Halbe nie gegeben. Das verwundert kaum, gilt die Gegend rings um Königs Wusterhausen doch als Hochburg der Neonazis.
Ein Brandanschlag auf ein Roma-Camp im Sommer des Jahres 2001, Angriffe auf nicht rechte Jugendliche und der NPD-Kreisverband Spreewald, der mit seinem Vorsitzenden Reinhard Golibersuch als einer der aktivsten gilt, tragen dazu bei, dass Königs Wusterhausen, Halbe und andere Orte in der Region seit langem als No-Go-Areas für alle gelten, die nicht ins rechte Weltbild passen.
Unabhängige Antifagruppen und die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) wollen mit ihren Gegenaktivitäten in Halbe am 17. November nicht nur den Neonazi-Aufmarsch verhindern, sondern auch der ebenfalls auf dem Waldfriedhof in Halbe bestatteten 57 Wehrmachtsdeserteure und sowjetischen ZwangsarbeiterInnen gedenken. Geplant sind u.a. eine Kundgebung vor dem Friedhof sowie eine Demonstration in Halbe.
Auf einer der Kundgebungen wird auch Ludwig Baumann, der Vorsitzende der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V., als Redner auftreten. Silvio Kurz, der Sprecher des unabhängigen Antifa-Bündnisses, sagte: »Es wird sich zeigen, ob eine Gedenkkundgebung für die Opfer des Nationalsozialismus zugunsten einer Glorifizierung von NS-Verbrechern verboten oder verlegt wird.«
Eine “traurige Entwicklung” hat die städtische Ausländerbeauftragte Magdolna Grasnick gestern beklagt. In den letzten Monaten — besonders im August und September — habe die Anzahl der fremdenfeindlichen Angriffe zugenommen. “In diesem Jahr gab es leider zehn Angriffe mit 14 Verletzten”, sagte sie in der Stadtverordnetenversammlung. Dennoch sei sie froh, dass es zahlreiche Initiativen und Vereine gebe, die nicht nur ausländerspezifische Aspekte der Gewalt in der Stadt bekämpfen.
Zufrieden sei sie dagegen mit dem erfolgten Umzug des Asylbewerberheims von der Michendorfer Chaussee in die Kirschallee 6f, wo die Malteser Werke als Betreiber den Umzug sehr professionell gemeistert hätten. Grasnick appellierte an die Stadtverordneten, das Sozialticket gerade für die benachteiligten älteren Flüchtlinge und Zuwanderer aufrecht zu erhalten.
Grasnick hofft künftig auf eine noch bessere Anbindung des Heimes Lerchensteig an den öffentlichen Personennahverkehr. Wenn in zwei Jahren die Kirschallee 6f geschlossen und Potsdams einzige Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im Lerchensteig ist, müsste der Bus alle halbe Stunde dorthin fahren. Sollte das nicht möglich sein, erwarte sie zumindest einen gesicherten Gehweg bis zur nächsten Haltestelle (1 km). Dank der Bemühungen der Fraktion “Die Andere” ist es inzwischen immerhin zu einer günstigeren Fahrplangestaltung früh und nachmittags gekommen.