Wittstock (ddp-lbg). Bei der Suche nach den Tätern des Brandanschlags auf das Todesmarsch-Museum Belower Wald bei Wittstock gibt es weiterhin keine heiße Spur. Es sei «nichts Neues» zu vermelden, sagte ein Sprecher des Polizeischutzbereiches Neuruppin am Sonntag. Die zehnköpfige Sonderkommission (Soko) «Below» werte derzeit Spuren aus. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) schloss einen Zusammenhang mit ähnlich gelagerten Übergriffen in Mecklenburg-Vorpommern nicht aus. Deshalb werde bei der Tätersuche mit den Sicherheitsbehörden des Nachbarlandes eng zusammengearbeitet.
Dem Polizeisprecher zufolge arbeitet die Soko an der Auswertung «umfangreichen» Materials, zu dem unter anderem die Aufnahmen der Überwachungskameras an der Mahn- und Gedenkstätte gehören. Die Bilder hätten jedoch keine gute Qualität. Ein Augenmerk liege auch auf dem Brandbeschleuniger, mit dem das Gebäude in Brand gesetzt werden sollte. Die Soko ruft die Bevölkerung auf, mögliche Beobachtungen zu verdächtigen Personen oder Fahrzeugen zu melden. Das Land Brandenburg hat zur Ergreifung der Täter 10 000 Euro Belohnung ausgesetzt.
Schönbohm sieht den Brandanschlag auf das Todesmarsch-Museum als überlegt vorbereitete «Einzeltat». Ob die Täter aus Brandenburg oder anderen Bundesländern kommen, sei nicht klar, sagte der Minister. Der CDU-Politiker betonte, Brandenburg werde seiner Linie bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus nach dem Brandanschlag von Wittstock treu bleiben. Denn der «hohe Repressionsdruck» habe sich positiv ausgewirkt. Rechtsextremistische Straftaten seien in der Mark insgesamt zurückgegangen. Auch das Einsatzkonzept der «Tomeg» (Täterorientierte Maßnahmen gegen extremistische Gewalt) «bleibt wie es ist». Die Gruppe habe im vorliegenden Fall «nicht versagt». Sie arbeite vorbeugend — bis in die Elternhäuser hinein.
Der Anschlag war in der Nacht zu Donnerstag verübt worden. Die Feuerattacke hatte den Hauptraum der Ausstellung vernichtet. Die vor dem Gebäude stehende Mahnsäule und das Podest wurde mit rechtsradikalen Symbolen und antisemitischen Schmierereien besudelt. In der Mecklenburg-Vorpommern gab es in der Folgezeit zwei weitere Schändungen. In der Nacht zu Freitag beschmierten Unbekannte in Grevesmühlen einen Gedenkstein auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof mit einem Hakenkreuz. In der Nacht zu Samstag wurden in Bützow zehn Grabsteine zum Teil vollständig zerstört. Nach Polizeiangaben waren auch Ruhestätten jüdischer Menschen betroffen. Zudem sprühten die Täter mit roter Farbe ein Hakenkreuz und Runen auf die Inschriften.
Monat: September 2002
Radtour für mehr Toleranz
Altlandsberg (ddp-lbg). Im brandenburgischen Altlandsberg beginnt am Samstag die so genannte Tour de Tolerance gegen rechtsextremes Gedankengut und soziale Ausgrenzung. Ab 9.30 Uhr sind Berliner und Brandenburger eingeladen, für mehr Toleranz in die Pedale zu treten, teilten die Veranstalter mit. Angesichts des Anstiegs von rechtsextremistischen Gewalttaten und rechtem Gedankengut, soll die Aktion aufrütteln. Die Tour ist 61 Kilometer lang und führt über den Berliner Schlossplatz nach Potsdam. Sie ist auch für Skater und Rollstuhlfahrer offen. Das Startgeld beträgt zehn Euro. Kinder zahlen die Hälfte. (Internet: www.tourdetolerance.de)
TREBBIN/LUCKENWALDE Silvio K. macht einen guten Eindruck, äußerlich. Auch auf der Anklagebank des Luckenwalder Amtsgerichts, wo er heute wieder sitzen muss. “Er fühlt sich zu unrecht beschuldigt”, teilte am ersten Verhandlungstag am Mittwoch eine Jugendgerichtshelferin allen Anwesenden die Gemütslage des 24-Jährigen mit: Silvio K, geschätztes Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Trebbin und Gerätewart aller Feuerwehren im Kreis Teltow-Fläming, leide unter den Vorwürfen. Viele seiner Bekannten seien ebenfalls verunsichert.
Die Vorwürfe, die der wegen versuchten Mordes an einem Italiener verurteilte Ex-Neonazi Jan Weicht als Zeuge erhebt, sind massiv. Silvio K., behauptet der Häftling nach sechsjährigem Schweigen, habe bei einem rassistischen Überfall am 30. September 1996 mitgewirkt. Außerdem habe K., was kaum jemand wisse, einer rechtsextremen Gruppierung namens “Freie Kameradschaft Trebbin” angehört — wie K.s Mitangeklagter Steffen T. Sie “waren dabei”, belastet Weicht seine früheren Freunde, auch wenn andere das Sagen gehabt hätten.
Silvio K. hört sich alles an, immer wortlos, meistens regungslos. Manchmal verschränkt er die Arme vor der Brust. Der Blick aus den Augenwinkeln, mit dem er Weicht, sehr selten, mustert, verrät Verachtung. Vielleicht Hass. Silvio K. demonstriert mit seinem ganzen Körper, wie sehr er sich zu unrecht beschuldigt fühlt. Nur Weichts Worte werfen einen Schatten auf ihn.
Auch wenn sie dem Gericht noch unbekannt sind — es gibt Hinweise für die Nähe des Feuerwehrmanns zu geistigen Brandstiftern. Das lässt nicht nur jener Satz vermuten, den er ausgesprochen haben soll, wie der MAZ von mehreren Seiten versichert wurde: “Ich lösche das Haus eines Ausländers nur, weil es von Deutschen erbaut wurde.”
Dass Silvio K. sich im rechtsextremen Milieu bewegt, ist der Staatsanwaltschaft Neuruppin seit vorigem Jahr bekannt. Nach Überzeugung der Behörde war K. an dem Überfall auf den dunkelhäutigen Amerikaner Edward C. am 14. April 2001 in einem McDonalds-Restaurant in Wittstock beteiligt. K. soll dem Amerikaner einen Ellenbogen ins Kreuz geschlagen haben. Die Staatsanwalt klagte den Trebbiner wegen des “dringenden Verdachts” der Körperverletzung an, so ein Staatsanwalt.
Vor dem Amtsgericht Neuruppin wurde das Verfahren gegen K. jedoch nach Paragraph 153 der Strafprozessordnung eingestellt. Dabei handelt es sich nicht um einen Freispruch. Von dem Paragraphen wird Gebrauch gemacht, “wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht”, wie es im Gesetzestext heißt.
Offenbar unterhalten Silvio K. und andere junge Männer aus Trebbin und Luckenwalde Kontakte zu der rechtsextremen Wittstocker Szene, die als eine der aktivsten in Brandenburg gilt. Am Vorabend des Überfalls bei McDonalds hatte Silvio K. an einem von Wittstocker Neonazis veranstalteten Osterfeuerfest teilgenommen. Anwesend waren auch Steffen T., der heute wieder neben K. auf der Anklagebank sitzt, sowie der 22-jährige Rico Z. aus Luckenwalde. Ihn hatte das Neuruppiner Amtsgericht Ende Juli 2001 wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Z. hatte dem Amerikaner Edward C. mit einem Faustschlag die Nase gebrochen.
Silvio K. und Steffen T. haben sich offenkundig nach wie vor nicht von der rechtsextremen Szene distanziert. Aus einer Privatwohnung in Trebbin schallte am 20. April (Hitlers Geburtstag) Musik der neonazistischen Kult-Band “Landser” auf die Straße. Zu hören war auch grölendes Mitsingen. Der Generalbundesanwalt betrachtet “Landser” als kriminelle Vereinigung, ihre hasserfüllten Liedtexte rufen bisweilen zum Mord auf.
Unter den sechs Männern, deren Personalien die Polizei in der Wohnung notierte, waren Silvio K., Steffen T. sowie ein gewisser Francesco Heim. Er machte Urlaub von der Jugendstrafanstalt Spremberg.
Heim verbüßt nach einem Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23. April 1997 eine achtjährige Jugendstrafe. Er hatte dem Italiener Giuliano de Luca einen Karatetritt vor den Hals versetzt und ihm danach eine Schreckschusspistole an den Hals gesetzt. Giuliano de Luca wollte einem Landsmann zur Hilfe eilen, Orazio Giamblanco, der am Abend des 30. September 1996 unter der Wucht einer Baseballkeule zum Krüppel geprügelt wurde. Der Schläger, verurteilt zu 15 Jahren Haft, hat sich, anders als sein Komplize, von den Neonazis losgesagt: Jan Weicht.
Falk Richter ist online
Wählergruppe “Die Andere”
Lindenstraße 47
14467 Potsdam
Potsdam, den 06.09.2002
Pressemitteilung
Falk Richter im Netz: www.gestern-ist-heute.de
Ab 19 Uhr des heutigen Tages wird der Potsdamer Hoffnungsträger Falk Richter auch im
Internet präsentiert.
Obwohl es zunächst verwunderlich erscheinen mag, daß ein traditionsbewußter Mann wie
Richter auf modernes Teufelszeug wie das Internet zurückgreift, beweist der
OB-Kandidat der Anderen gerade mit der Schaltung der Seite, daß er zur
Wiederherstellung der Potsdamer Identität auch zu persönlichen Opfern und
staatsmännischen Kompromissen bereit ist.
Beate Netzler
Leiterin des Identitätsfindungsbüros des Hoffnungsträgers Falk Richter
BELOW/POTSDAM “Wie kann jemand nur so etwas tun?” Nicht nur der 15-jährige Adam zeigte sich gestern fassungslos bei der Gedenkveranstaltung nach dem Anschlag auf das Todesmarsch-Museum im Belower Wald (Ostprignitz-Ruppin). Unbekannte hatten in der Nacht zu Donnerstag die Gedenkstätte mit einem Brandsatz verwüstet und Mahnsäulen mit rechtsextremen Symbolen und antisemitischen Parolen beschmiert.
Rund 500 Menschen folgten dem Aufruf des Wittstocker Aktionsbündnisses für Toleranz, darunter viele Jugendliche mit Plakaten: “Jetzt reicht es”. “Wir empfinden Zorn und Empörung”, sagte Heinz-Joachim Lohmann, Superintendent des Kirchenkreises Wittstock-Ruppin, in seiner Rede. Wittstocks Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) machte klar, dass Rechtsradikalismus nicht geduldet werde. Wer mit Springerstiefeln durch die Stadt marschiere, vertrete das gleiche Gedankengut wie solche, die den Anschlag verübt haben. “Wir müssen laut sagen, das reicht uns jetzt.”
Eine erste Spur führt nach Mecklenburg. Dort war es in der Nacht zu Freitag zu einem weiteren Anschlag in Grevesmühlen bei Wismar gekommen. Unbekannte hatten auf einem früheren jüdischen Friedhof Hakenkreuze auf einen Gedenkstein gesprüht. Auffällig: Auch für die Parolen im Belower Wald war rote Signalfarbe verwendet worden. Das sei für rechtsextreme Schmierereien eine unübliche Farbe, verlautete aus Sicherheitskreisen.
Seit dem vergangenen Jahr ist es im Nachbarland vermehrt zu antisemitischen Anschlägen gekommen, wie das Innenministerium in Schwerin auf MAZ-Anfrage bestätigte. 2001 wurden 44 Straftaten gezählt. In Brandenburg kam es im selben Jahr zu drei antisemitischen Gewalt- und 20 Propagandadelikten.
Bei einem Anschlag auf das frühere KZ-Außenlager Wöbbelin waren im März Sandsteinköpfe aus einem Gedenkstein herausgeschlagen worden. Schon im Januar hatten Unbekannte am Todesmarsch-Mahnmal in Raben-Steinfeld einen blutigen Schweinekopf deponiert. Für Peter Fischer ein deutliches Signal dafür, dass die Täter sowohl dort als auch im Belower Wald zielgerichtet hätten. “Der Schweinekopf ist seit dem Mittelalter ein Symbol für den rassistischen Begriff Judensau”, erklärte Fischer, der im Zentralrat der Juden die jüdischen Gemeinden und Gedenkstätten im Osten betreut.
Um den Brandanschlag aufzuklären, arbeitet die zehnköpfige Sonderkommission “Below” mit einer neu gegründeten mecklenburgischen Ermittlungseinheit zusammen. Das Potsdamer Justizministerium hatte am Donnerstag 10 000 Euro für Hinweise ausgelobt.
Obwohl es auch in Wittstock eine starke rechtsextremistische Szene gibt, die immer wieder auch landesweit für Schlagzeilen sorgt, kommt sie nach Erkenntnissen von Ermittlern für den Brandanschlag kaum in Frage. Dagegen würden die exakten Planungen und Geschichtskenntnisse der Täter sprechen — der Belower Anschlag erfolgte einen Tag vor Beginn des jüdischen Neujahrsfestes Rosch ha-Schana. Das traue man den eher “dumpfen Skinheads” in Wittstock nicht zu, verlautete aus Sicherheitskreisen. Dagegen spreche auch der geringe Organisationsgrad der rund zwei Dutzend gewaltbereiten Rechtsextremen. Versuche von Zusammenschlüssen wie der “Freien Kameradschaft Prignitz-Sturm” seien immer wieder gescheitert.
Besser organisiert ist der benachbarte Kreis Ludwigslust. Der Schweriner Innenministeriumssprecher Christian Lorenz bestätigte, dass dort die “Freien Nationalisten” besonders aktiv seien, ein Zusammenschluss von Rechtsextremen und Kameradschaften in Norddeutschland. Kenner der Szene halten deren Beteiligung an der Belower Tat für “generell möglich”.
Lutz Scheidemann ist ratlos und wütend. Seit Monaten gerät die Stadt Wittstock in Nordbrandenburg, wo Scheidemann FDP-Bürgermeister ist, immer wieder in die Schlagzeilen. Und jetzt das: In der Nacht zum Donnerstag ein Brandanschlag auf das Museum des Todesmarsches, das elf Kilometer nördlich im Belower Wald steht (die RUNDSCHAU berichtete). Die Polizei hatte gestern noch keine Spur zu den Tätern. Unterdessen waren 500 Menschen dem Aufruf des örtlichen Aktionsbündnisses für Toleranz gefolgt und demonstrierten gegen Gewalt und Rechtsextremismus.
Erst eine Nacht vor dem Brandanschlag waren Unmengen von NPD-Plakaten in Wittstock aufgetaucht. Einen Zusammenhang sieht der Bürgermeister nicht: “Die Leute sind hier schon länger sehr aktiv, die Lage hatte sich gerade wieder ein wenig beruhigt.” Damit ist es nun vorbei. Unbekannte warfen zwei Brandsätze in die Holzbaracke des Museums aus den 70er Jahren, einer der beiden Ausstellungsräume brannte aus. Eine Säule schräg gegenüber wurde mit Hakenkreuz, SS-Runen und dem Spruch “Juden haben kurze Beine” beschmiert. “Deutliche Hinweise auf Antisemitismus. Die Täter wussten, was sie tun”, sagt Peter Fischer, der für den Zentralrat der Juden die jüdischen Gemeinden und Gedenkstätten im Osten betreut. Die implizierte Lüge beziehe sich auf den Holocaust. “Das passt in eine ganze Serie von Anschlägen gegen Einrichtungen, die mit dem Todesmarsch und anderen NS-Verbrechen zu tun haben.”
Rautenberg: In Randlagen wachrütteln
Frisch im Gedächtnis ist Fischer noch der Anschlag im Januar am Denkmal in Raben-Steinfeld bei Schwerin, wo 1945 Tausende Häftlinge des Todesmarsches befreit wurden. Dort wurde ein Schweinekopf gefunden seit dem Mittelalter sei dies ein Synonym für den rassistischen Begriff “Judensau”, erläutert Fischer. In diese Reihe ließen sich auch die Anschläge auf die Außenstelle des KZ Wöbbelin südlich von Schwerin und auf den jüdischen Friedhof in Boizenburg stellen. Den Verdacht auf gezielte antisemitische Angriffe gegen Gedenkstätten hegt auch Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg. Nach seiner Auffassung hat sich seit dem Brandanschlag 1992 auf die jüdischen Baracken in der Gedenkstätte Sachsenhausen vieles in der öffentlichen Meinung zum Guten gewendet, vor allem in den Zentren. “In Randlagen und kleineren Orten müssen wir die Leute aber noch wachrütteln.” Genau das will Scheidemann seit Monaten. Ende 2001 begannen die Gewalttätigkeiten, die Wittstock seit fast zwei Jahren nicht zur Ruhe kommen lassen. Damals musste die Polizei 56 Leute bei einer Feier mit verbotener rechter Musik in einem Jugendclub festnehmen. Seitdem gibt es starke Aktivitäten der NPD, aber auch eine Aktionsgruppe “Für Toleranz”. “Wir haben versucht, die NPD-Demonstrationen zu verbieten. Doch das geht nicht”, sagt Scheidemann und ist sauer auf Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Der spreche seit Jahren von einem Verbot der Partei, setze es aber nicht durch. “Wir stehen ganz schön dumm da.” Dabei lassen sich die Wittstocker durchaus etwas einfallen: Einmal spielte sogar der Kirchen-Posaunenchor, als die Rechten auf dem Markt reden wollten.
Aufklärung über Ländergrenzen
Trotzdem brachten Übergriffe auf junge Spätaussiedler, bei denen ein 24-Jähriger starb, die Stadt wieder in die Schlagzeilen. Experten rechnen allerdings nicht mit einer schnellen Aufklärung. Immerhin dauern die Ermittlungen in Mecklenburg-Vorpommern bereits Monate. Ihr Erfolg wird jetzt eng mit der Aufklärung des Falls im Belower Wald und der Zusammenarbeit mit den Brandenburger Ermittlern verknüpft zu sein.
Wittstock — Am Donnerstag gegen 22.40 Uhr stellten Beamte der Polizeiwache Wittstock im Rahmen einer Verkehrskontrolle in Wittstock, Königstraße, in einem PKW Opel zirka 50 CD und Musikkassetten, u.a. der Gruppe “Landser” mit vermutlich rechtsradikalem Inhalt fest.
Der 19-jährige allein im PKW befindliche Fahrer trug weiterhin an seiner Bekleidung einen Anstecker mit einer Rune und einer Faust sowie dem Schriftzug “Skinhead
stolz und treu”. Der Heranwachsende wurde zur Identitätsfeststellung in Gewahrsam der Polizeiwache Wittstock gebracht. Der Anstecker sowie die Tonträger wurden sichergestellt. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen,
die auch eine Beschuldigtenvernehmung enthielten, wurde der 19-Jährige aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei Wittstock dauern an.
WITTSTOCK. Einen Tag nach dem Brandanschlag auf die Mahn- und Gedenkstätte Belower Wald bei Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) hat der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, auf einer Mahnkundgebung angeregt, einen Freundeskreis für die Belower Gedenkstätte zu gründen. Damit wolle die Stiftung mit den Bürgern in einen Dialog über die Zunkunft des bei dem Anschlag zerstörten “Museums des Todesmarsches” treten.
Bei der Gedenkveranstaltung, zu der Wittstocks Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) nach dem Anschlag aufgerufen hatte, demonstrierten am Freitag rund 500 Menschen gegen Gewalt und Rechtsextremismus. “Trotz der Verwüstungen im Museum werden wir unsere Arbeit dort weitermachen”, sagte Stiftungssprecher Horst Seferens.
Bislang unbekannte Täter hatten in der Nacht zum Donnerstag einen Brandsatz in das Gebäude der Gedenkstätte geworfen. Durch das Feuer war der Hauptausstellungsraum zerstört worden. In ihm wurden Gegenstände gezeigt, die einst den tausenden KZ-Häftlingen gehört hatten, die während des so genannten Todesmarsches im April 1945 durch den Belower Wald getrieben worden waren. Ein zweiter Brandsatz, den die Täter in den Keller des Hauses geworfen hatten, entzündete sich nicht. Zudem wurde die Mahnsäule mit SS-Runen, einem Hakenkreuz und antisemitischen Hetzparolen beschmiert.
Nach der Tat hatte Brandenburgs Justizministerin Barbara Richstein (CDU) eine Belohnung in Höhe von 10 000 Euro für Hinweise auf den oder die Täter ausgesetzt. Die Polizei hat eine zehnköpfige Sonderkommission unter dem Namen “Below” gebildet.
“Bisher gibt es noch keine heiße Spur auf die Täter”, sagte der Leitende Neuruppiner Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher am Freitag. Man ermittle nicht nur im Wittstocker Bereich, sondern auch über die Landesgrenze hinweg im nahegelegenen Mecklenburg-Vorpommern. Schnittcher zeigte sich optimistisch, die Täter zu fassen. “Wir hatten schon mal eine schlechtere Spurenlage”, sagte er.
BELOWER WALD — Die Täter kamen in der Nacht zum Donnerstag. Sie schlugen die Scheiben hinter den Gitterstäben ein und warfen zwei Brandsätze. Sie beschmierten die Gedenkstele und den Platz vor dem Museum des Todesmarsches im Belower Wald (Ostprignitz-Ruppin) mit Nazi-Symbolen und einer antisemitischen Parole.
Wo im Frühjahr Josef Ribo aus Israel seinen Töchtern zeigte, welches Martyrium er als 13-Jähriger auf dem Marsch vom KZ-Sachsenhausen in den Belower Wald erlebte, sind nun die Wände rußgeschwärzt. Die Decke hat sich durch die enorme Hitze gelöst, Ausstellungsstücke sind verbrannt. Ein Raum ist völlig verwüstet. Das Museum, das jährlich von rund 4000 Menschen besucht wird, erinnert daran, dass an dieser Stelle im April 1945 rund 16 000 KZ-Häftlinge auf Todesmärschen lagerten.
Die Museumleiterin Antje Zeiger war noch in der Nacht von der Polizei von dem Brandanschlag informiert worden. Um 1.11 Uhr wurde beim Wachschutz der Alarm ausgelöst. Rund 20 Minuten später waren der Wachmann und die Polizei vor Ort und begannen mit den Löscharbeiten. Wenig später traf die Wittstocker Feuer ein, die gegen 1.30 Uhr alarmiert worden war. Gegen zwei Uhr war das Feuer gelöscht. Das Gelände wurde abgesperrt, die Polizei begann sofort mit der Spurensicherung.
Der Wittstocker Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) war bereits am frühen Vormittag vor Ort. Seine Gefühle, als er die Zerstörung sah: “Wut und sogar Hass auf Menschen, die so etwas tun können.” Auch der Ostprignitz-Ruppiner Landrat Christian Gilde war fassungslos. Er legte gestern einen Blumenstrauß an der Stele nieder.
“Ich bin entsetzt und voller Wut”, sagte Günter Mosch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Einen vergleichbare Tat habe es seit dem Anschlag auf die jüdische Baracke im KZ Sachsenhausen vor zehn Jahren nicht gegeben. Auch Peter Fischer, Vertreter des Zentralrates der Juden, war vor Ort. Entlang der Todesmarschstrecke habe es bereits Anschläge gegeben, sagte er.
Gegen 14.20 Uhr traf Ministerpräsident Matthias Platzeck ein. Unvorstellbar sei die Menschenverachtung bei den Todesmärschen gewesen”, sagte er. Menschenverachtend nannte er auch den Anschlag: “Wir werden das nicht im geringsten hinnehmen. Ich bin sicher, dass wir die Täter finden.” Es werde mit aller gebotenen Härte und allen zur Verfügung stehenden Mitteln vorgegangen.
Das Museum des Todesmarsches liegt rund zehn Kilometer nördlich von Wittstock. Die Stadt war erst kürzlich durch den Mord an einem Aussiedler im Ortsteil Alt Daber in die Schlagzeilen gekommen. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wurde nicht ausgeschlossen. Im Anschluss kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen jungen Aussiedlern und Rechtsradikalen.
Das Wittstocker Aktionsbündnis “Couragiert gegen Rechts”, mit dem Superintendenten Heinz-Joachim Lohmann an der Spitze, und der Wittstocker Bürgermeister riefen noch gestern zu einer Demonstration am Museum des Todesmarsches auf. “Jetzt reicht es. Wir wollen keine Rechten mehr in der Stadt haben”, sagte Lutz Scheidemann. Unter diesem Titel wollen die Wittstocker heute ab 13 Uhr gegen Rechtsradikalismus demonstrieren und ihre Betroffenheit über den Anschlag zum Ausdruck bringen.
Todesmarsch-Museum
Das Museum im Belower Wald erinnert daran, dass im April 1945 ein provisorisches Lager mit 16 000 Häftlingen der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück entstand. Die Häftlinge waren von den NS-Befehlshabern vor den heranrückenden Alliierten auf Todesmärschen geschickt worden.
Schon im Sommer 1945 begann auf Initiative von Überlebenden die Suche nach sterblichen Überresten von Opfern, um sie ehrenvoll bestatten zu können. Später wurden entlang der Todesmarschstrecken zum Gedenken Findlinge aufgestellt. Seit 1976 markieren 200 Gedenktafeln die vier Hauptrouten zwischen Oranienburg-Sachsenhausen und Raben-Steinfeld südlich von Schwerin.
1981 eröffnete die DDR das Museum des Todesmarsches. In der ständigen Ausstellung sind neben Dokumentationen auch viele von den Häftlingen im Belower Wald zurückgelassene Gegenstände zu sehen.
ORANIENBURG Weil Nicole P. am Abend des 7. September 2001 die Zigaretten ausgegangen waren, forderte sie welche von einem 16-Jährigen auf dem Bahnhof Oranienburg. Dieser hatte keine Glimmstängel bei sich. Um der Sache Nachdruck zu verleihen, gesellte sich Nicoles Kumpel Kay R. dazu. In Skinhead-Kleidung flößte der dem dunkelhäutigen Jungen Angst ein. Üble Beschimpfungen musste er über sich ergehen lassen, bevor er mit der nächsten S‑Bahn fahren durfte. Sein Fahrrad hatten ihm seine Peiniger abgenommen. Weder Fahrgäste noch Bahnangestellte halfen dem bedrohten Jungen.
Das Pärchen Nicole und Kay saß am Donnerstag wegen gemeinschaftlich begangenen Raubes, Nötigung und Beleidigung auf der Anklagebank des Jugendschöffengerichtes. Beide erhielten acht Monate Jugendstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Kay R. aus Finow-Eberswalde gestand die Tat ein, ebenso seine ausländerfeindlichen Tiraden gegenüber dem Geschädigten. Er gehörte zu dieser Zeit der rechten Szene an, hätte sich aber nicht zuletzt durch die Hilfe seiner jetzigen Freundin davon losgesagt. Er habe eine Lehre begonnen und bereue seine Tat. Glaubwürdig erschien dann auch seine Entschuldigung bei dem Geschädigten im Gerichtssaal, als er verlegen seine Hände versteckte. Auf den Fingerrücken ist das Wort “Hass” eintätowiert, wobei die verbotenen SS-Runen verwendet wurden. Diese Faust hatte er dem 16-Jährigen damals vor die Nase gehalten, um ihn einzuschüchtern.Vom Staatsanwalt daraufhin angesprochen, versprach der 19-Jährige, dies schnellstens unkenntlich machen zu lassen. Anders reagierte Nicole P., die 17-jährige- Germendorferin machte vor den Richtern keinen Hehl aus ihrer rechten Gesinnung. So kam ihre Entschuldigung gegenüber dem Geschädigten sehr formell über ihre Lippen. Vielmehr versuchte sie, ihr Verhalten und das ihres Komplizen mit übermäßigem Alkoholgenuss zu entschuldigen. Beide gaben auch zu, dass sie sich schon öfter auf diese Art Zigaretten oder Geld beschafft hatten. So spielte ein zweiter Fall, bei dem die beiden 1,50 Euro von einem 13-Jährigen erpresst hatten, eine Rolle. Das Gericht beschloss, in dieser Sache gesondert zu verhandeln, da bei der Tat eine Pistole verwendet worden war.
Kay R. erhielt zwei Jahre und Nicole P. zweieinhalb Jahre Bewährung. Beide müssen zudem Geld an gemeinnützige Verbände zahlen.