FRANKFURT (ODER). An Brandenburgs Grenze zu Polen werden immer weniger
illegale Grenzgänger gestellt. Im Jahr 2002 wurden zwischen Uckermark und
Lausitz nach Angaben des Bundesgrenzschutzamtes Frankfurt (Oder) nur noch 1
132 illegal eingereiste Ausländer festgenommen — 43 weniger als 2001. Damit
setzt sich die Tendenz der vergangenen Jahre fort. Weiter gestiegen ist
dagegen der Anteil der von Schleusern nach Deutschland gebrachten Menschen,
der von 839 auf 932 kletterte. Einen deutlichen Einbruch weist die
BGS-Statistik für den Reiseverkehr aus. 2002 passierten nur noch 42,5
Millionen Menschen die Grenze nach Polen. Ein Jahr zuvor waren es knapp 52,4
Millionen gewesen.
Monat: Februar 2003
Potzlow-Prozess frühestens ab April
Neuruppin/Potzlow — Die drei mutmaßlichen Mörder des Schülers Marinus Schöberl müssen sich frühestens Mitte April vor Gericht verantworten. In dieser Woche hatte die Staatsanwaltschaft Neuruppin Anklage gegen die jungen
Männer aus der rechten Szene erhoben. Nun werde ihnen die Anklageschrift zugestellt, dann müsse die zuständige Kammer über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden, sagte ein Sprecher des Landgerichts Neuruppin. Marinus Schöberl wurde im Juli 2002 misshandelt und getötet.
NEURUPPIN So schnell wie ein Drohbrief geschrieben ist, so schnell folgt auch die Strafe. In einem beschleunigten Verfahren vor dem Neuruppiner Amtsgericht wurde gestern (20.02.03) der 24-jährige Rohrlacker Nico D. zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.
Für den Richter Holger Figura war der von Nico D. geschriebene Brief an Peter Amade Foth eine versuchte Nötigung. Und die ist nun einmal strafbar.
Angefangen hatte alles mit einer privaten Geburtstagsfeier am 24. Juli 02. Damals habe er vor seinem Haus in Rohrlack Gegröhle, unter anderem „Sieg Heil“-Rufe gehört, so, der Adressat des Drohbriefes Peter Amade Foth. Seine Beobachtungen hatte Foth aufgeschrieben und von Nico D. am 28. September 02 unterzeichnen lassen. Damit hatte D. mehrere Rohrlacker schwer belastet.
„Ich war damals stinkbesoffen“, meinte Nico D. gestern dazu. Er habe nicht gewusst, was er da unterschrieben habe. Deshalb habe er seine Zeugenaussage zurück haben wollen. Und weil Foth den Zettel nicht rausrücken wollte, habe er ihm den Brief geschrieben und diesen am 18. Januar 03 übergeben. Das gab der arbeitslose junge Mann gestern freimütig zu. Und auch zu dem Inhalt stand er nach wie vor. Darin hatte er Foth gedroht: „Ich werde keine Fensterscheiben kaputt machen. Ich werde dich platt machen.“
„Ja, es ist richtig, was man mir vorwirft“, sagte der 24-Jährige, der in Begleitung von zwei Zeugen vor Gericht erschienen war. „Wozu die Zeugen, wenn sie alles gestehen?“, wollte Richter Figura wissen. Er wolle klarstellen, dass er keiner rechtsradikalen Gruppe angehöre, so Nico D. Und das könnte die Beiden bestätigen. „Hier liegen Fotos vor, auf denen sie mit Hitlergruß und einer gehissten Flagge mit entsprechendem Motiv zu sehen sind“, zweifelte der Richter D.´s Aussage an. Doch der widersprach vehement. Den Gruß deute der Richter falsch, das sei niemals der Hitlergruß gewesen und die Flagge könne man überall kaufen.
Es gehe in diesem Verfahren doch gar nicht um eine Gesinnung oder eine Gruppenzugehörigkeit, sondern nur um den Drohbrief, so der Richter. Und der war unbestritten von Nico D. Der Drohbrief habe zwar nicht seinen Zweck erreicht, nämlich die Herausgabe der Zeugenaussage, meinte der Staatsanwalt. Aber durch ihn sei auf Foth psychologischer Druck ausgeübt worden. Er forderte eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15 Euro. Der Amtsrichter die Strafe um 10 auf 30 Tagessätze. Rechtskräftig wurde das Urteil noch nicht. Nico D. wollte über eine Berufung überlegen.
Illegaler Aufenthalt
WALTERSDORF Auf einem Tankstellengelände in der Grünauer Straße wurden am Mittwoch drei Personen durch Polizeibeamte festgestellt. Sie hatten keine Ausweise bei sich. Es besteht der Verdacht der illegalen Einreise und des
illegalen Aufenthalts.
Der drohende Angriff der USA und Großbritanniens auf den Irak lässt auch die Frankfurter Bevölkerung aktiv werden. Bereits im November 2002 gründete sich das „Friedensnetz Frankfurt“ als ein Zusammenschluss mehrerer Privatpersonen
sowie Vertretern der Kirchen, Parteien und anderer Organisationen. In diesem Netzwerk laufen die Fäden der friedensbewegten Frankfurter zusammen.
Bereits am 10. Dezember 02 organisierte das Friedensnetz eine Kundgebung mit anschließender Demonstration durch die Frankfurter Innenstadt, an der trotz Kälte ca. 100 Personen teilnahmen.
Die lokale und sehr konservative MOZ berichtete am nächsten Tag über einen „ohne Zwischenfälle“ verlaufenen Protest an dem sich „an die drei Dutzend Demonstranten beteiligten“. Die Krone setzte dem ganzen folgender Satz auf: „Für
einen von Ausschreitungen freien Anlauf sorgte die Polizei, die mit mehreren Fahrzeugen im Einsatz war“. Dieser massive inhaltliche Missgriff veranlasste zahlreiche mehr oder weniger einflussreiche Frankfurter zum Protest bei der
MOZ, die zurückruderte (es waren jetzt doch 100 friedliche Teilnehmer) und seitdem äußerst umfangreich und positiv über die Aktivitäten des Friedensnetzes berichtet.
Neben einer weiteren Kundgebung am 28. Januar organisierte das Netz auch eine Malaktion, bei der die Frankfurter aufgerufen werden Friedenstauben als Symbol gegen den Krieg in ihre Fenster zu hängen. Einige Häuser schmückt die
Taube bereits. Auch in Frankfurt wird am Tag X eine spontane Demonstration in der Innenstadt stattfinden. Los geht es um 17.00 Uhr. Der Ort wird noch rechtzeitig
bekanntgegeben.
Durchaus erfreulich ist, dass die lokale Naziszene es bisher nicht gepackt hat den Protest auch für sich zu vereinnahmen, wie es in anderen Städten bereits versucht wurde. Lediglich das Engagement von Frau Edeltraut Lademann im Friedensnetz bleibt zu kritisieren. Frau Lademann hat mit ihren guten Kontakten zu lokalen NPD- und Kameradschaftskadern, dem Besuch von NPD-Infoständen
und zahlreichen Leserbriefen in Lokalzeitungen keinen Hehl aus ihrer Einstellung zu Israel und den USA gemacht. Wer sich auf Treffen der Deutschlandbewegung rumtreibt hat nichts im Friedensnetz zu suchen!
Auch die Stadt selbst ist erfreulicherweise aktiv geworden. So wandte sich am 3. Dezember 02 der Frankfurter Bürgermeister per Brief an unsere amerikanische Partnerstadt Yuma um die Bedenken der Frankfurter Bevölkerung gegen einen Krieg deutlich zu machen.
Eisenhüttenstadt. Auf weitere Streiktage müssen sich die Fahrgäste des Eisenhüttenstädter Personennahverkehrs (EPNV) einrichten. Sondierungsgespräche am Dienstag, die eigentlich der Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen vorangehen sollten, führten nicht zum gewünschten Erfolg. Auch ein am gestrigen Nachmittag vorgelegtes Angebot der Arbeitgeberseite wird von der Gewerkschaft nicht akzeptiert.
Alles wartet auf ein Signal der anderen Seite, um den seit über einer Woche andauernden Streik der Eisenhüttenstädter Busfahrer beenden zu können. Am Freitag letzter Woche hieß das Signal zumindest, beide Parteien seien zu Gesprächen bereit. Die waren auch bitter nötig, nachdem sich zeigte, dass beide Verhandlungspartner – Gewerkschaft und Geschäftsführung – ihren Argumentationen und Berechnungen unterschiedliche Zahlen zugrunde legten.
Doch am Mittwoch nach nunmehr neun Tagen ist man kaum schlauer als zuvor. Fast sechs Stunden saßen am Dienstagabend Vertreter der Gewerkschaft ver.di bei der Geschäftsführung des EPNV am Tisch, um beim komplizierten Zahlenwerk auf einen Nenner zu kommen. „Wir haben unsere Standpunkte ausgetauscht, aber unterschiedliche Auffassungen“, sagt EPNV-Geschäftsführer Walter Dudek am Morgen danach frustriert. Eigentlich sollten bei günstigen Vorzeichen gestern die Tarifverhandlungen wieder aufgenommen, der Streik möglicherweise beendet werden. Nun geht er weiter. „Kommt kein Signal von den Arbeitgebern, dreht sich bis Montag hier kein Rad“, reagiert Jens Gröger von ver.di enttäuscht auf die Gespräche vom Vorabend. Das Signal kam am frühen Nachmittag: Die Arbeitgeberseite unterbreitete der Gewerkschaft ein neues Angebot: Die Gesellschafter sind nunmehr zu einem Abschluss des Tarifvertrages bereit, nach dem jetzt und auch künftig keiner der derzeit streikenden Busfahrer auf mehr als 9,5 Prozent des Einkommens von 2002 verzichten muss. „Ich hab schon am Telefon abgelehnt“, sagt Gewerkschaftsfunktionär Gröger. Das Angebot sei nicht neu und nicht zu akzeptieren. Stattdessen bringt Gröger wieder die Zahlen der Gewerkschaft ins Spiel: 160 000 Euro Einsparungen hat Gröger der EPNV-Geschäftsführung am Dienstag vorgerechnet und wähnte sich in dem Glauben, damit die Forderungen der Arbeitgeberseite und vor allem der beiden Gesellschafter von Stadt und Landkreis weitgehend erfüllt zu haben. „Unsere Zahlen werden aber einfach nicht akzeptiert“, klagt Jens Gröger.
Die Arbeitgeberseite setzt nun der Gewerkschaft die Pistole auf die Brust. Das Ultimatum lautet: Sollte die Gewerkschaft weiterhin nicht einigungsbereit sein, wird ein Grundsatzbeschluss der Gesellschafter greifen, wonach die EPNV GmbH künftig keine eigenen Leistungen im Bereich Fahrdienst/Werkstatt erbringen wird, sondern diese durch preiswertere Anbieter geleistet werden. Die Arbeitsplätze beim EPNV, heißt es in einer gestern verbreiteten Pressemitteilung, würden somit entfallen. Letzte Chance zur Einigung scheint vorerst der Dienstag nächster Woche zu sein, an dem auf Anregung der Arbeitgeberseite in Potsdam ein weiteres Sondierungsgespräch zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart worden ist.
Für Walter Dudek, der im Auftrag der Gesellschafter von Stadt und Kreis den Tarifkonflikt schlichten soll, ist eine gegenseitige Annäherung bislang nicht erfolgt. Dudek hat sich das Zahlenwerk der Gewerkschaft geben lassen, will neue Rechnungen anstellen und ist am Mittwoch zu Gesprächen in die Kreisverwaltung gefahren. Dort sitzt Finanzdezernent Dr. Eckhard Fehse, den die Gewerkschaft als eigentlichen Hardliner und Blockierer der Tarifverhandlungen ausgemacht hat.
Jens Gröger vermutet auch hinter der bisherigen Verweigerungshaltung der EPNV-Geschäftsführung den LOS-Finanzdezernenten, der den Landkreis als Gesellschafter vertritt. „Wenn sie unseren Zahlen zustimmen würden, könnte ja Herr Fehse das Gesicht verlieren“, orakelt Gröger. Für Gröger ist die Situation in Eisenhüttenstadt besonders schwierig. „Auch anderswo wird vor Tarifabschlüssen um jeden Euro gefightet, aber wir haben zehn Unternehmen im Land Brandenburg unter Spartentarifvertrag. Nur in Eisenhüttenstadt scheint uns das nicht zu gelingen“, wundert sich Gröger. Finanzdezernent Fehse verweist in Gesprächen stets auf das Beispiel der Busverkehrsgesellschaft Oder-Spree, wo zusätzliche Vereinbarungen zum Spartentarifvertrag abgeschlossen wurden, auf die Fehse auch beim EPNV pocht. Ein Beispiel, das Jens Gröger gar nicht gern hört. „Da ist damals was schief gelaufen“, gibt er zu. Die Kollegen seien sich zu jener Zeit nicht richtig einig gewesen.
Fragen zum EPNV-Verkehr werden unter (03364) 40 26 11 beantwortet
Prozess um den gewaltsamen Tod von Kajrat Batesova nähert sich seinem Ende
Patrick Sch. schwer belastet
Der Angeklagte Marco F. (21) scheint die zwei Wochen Prozesspause viel nachgedacht zu haben. Am gestrigen 11. Verhandlungstag bekundete er in einer Einlassung, dass der Mitangeklagte Patrick Sch. den Stein auf Kajrat Batesova geworfen haben soll. Zwar gab Marco F. an die Tat nicht mit eigenen Augen gesehen zu haben, Sch. habe ihm und anderen gegenüber jedoch den Wurf des 17 Kilogramm schweren Steines selbst eingeräumt. Zuvor hatte Patrick Sch. am gestrigen Verhandlungstag über seinen Anwalt eine Beteiligung an dem Steinwurf bestritten. Die Zeugin Nicole B. (20) bestätigte die Angaben von Marco F.. Sie selbst sei zwar nicht an dem Abend anwesend gewesen, sie habe jedoch noch am gleichen Tag von Marco F. und dem gesondert Angeklagten Sebastian S. erfahren, dass Patrick Sch. zugegeben hätte den Stein geworfen zu haben. Die Tat und deren Umstände seien auch Dauerthema im engeren Freundeskreis von Marco F. gewesen, dem sie, so die Zeugin, angehöre.
„Wir würden alles machen, um zu helfen“, so beschrieb die Zeugin die getroffenen Übereinkünfte und Absprachen. Sebastian S. habe ihr noch vor kurzem, bei einem Gelage in der Wittstocker Kneipe „Alibi“ erläutert, dass „Patrick für 15 Jahre in den Knast kommt“, wenn sie die die Wahrheit sage. An diesem „Kneipenabend“, der kurz nach Prozessbeginn stattgefunden habe, seien noch weitere Personen anwesend gewesen, die im Verlaufe des Prozesses als Zeugen aufgetreten sind. Dazu gehörten, nach Aussage der Zeugin, auch diejenigen, welche wegen Falschaussage oder unterlassener Hilfeleitung aus dem Gerichtssaal heraus vorläufig festgenommen worden sind.
„Ein Kartell des Schweigens“, so brachte ein Prozessbesucher seine Eindrücke der Situation auf den Punkt. Nicht aufgeben will die Vertretung der Nebenklage. In einem neuen Beweisantrag, dem die Kammer stattgab, forderte sie den Zeugen Tobias W. zu hören, dessen PKW nach Aussagen eines Hauptbelastungszeugen den Tatort, kurz nachdem die Angeklagten geflohen waren, verlassen haben soll. Der Zeuge ist für Freitag 9:00 Uhr geladen. Vom Gericht abgelehnt wurde ein zweiter Beweisantrag der Nebenklage, in dem diese gefordert hatte, Staatsanwalt Sauermann zu laden, der den gesondert Angeklagten Michael L., nach seiner vorläufigen Verhaftung aus dem Gerichtssaal am 24.01., vernommen hatte. Aufschlussreich war die Begründung des umfangreichen Antrages, weil darin die von Michael L. gemachte Aussage in den Gesamtzusammenhang gestellt wurde. L. hatte in der damaligen Hauptverhandlung, wie auch später in der staatsanwaltlichen Vernehmung, ausgesagt, mit seinem Kollegen Daniel G. zumindest einen Teil des Angriffs gegen einen der beiden Betroffnen aus dem Auto verfolgt, jedoch keinen Steinwurf gesehen zu haben. Bevor sie dann endgültig weggefahren seien, hätten sie noch Michael W. versprochen, bei späteren Nachfragen, zu bestätigen, dass dieser mit ihnen mitgefahren sei. In den bisher rekonstruierbaren Tatverlauf gestellt, ist diese Aussage ein weiterer deutlicher Hinweis darauf, dass die Täter, noch vor Ausführung der Tat, Absprache getroffen haben.
Eine Mehrzahl der Zeugen hatte bei früheren Verhandlungstagen darüber hinaus bestätigt, dass Kajrat Batesova und Max K. schon in der Disko als „Russen“ erkannt worden waren. Eine rassistische Tatmotivation jedoch streiten die Täter ab, würde eine solche doch die Anklage von Totschlag zur Mord möglich machen. Dass das Leben eines Menschen, der in Russland geboren ist, zumindest bei einem Teil der Wittstocker Technoszene nur wenig zählt, drängt sich Prozessbeobachtern immer wieder beim Blick auf die Zuschauerbänken auf. Dort versammeln sich regelmäßig Freunde der Angeklagten, für die es keine Rolle zu spielen scheint, dass ein Mensch aus niedrigsten Beweggründen erschlagen wurde.
Richterin Taren-Deik machte gestern deutlich, dass sie die Beweiserhebung in kürze schließen möchte. Die Angeklagten hätten nach ihrem Zeitplan nur noch am Freitag Zeit dafür, ihre bisher gemachten, lückenhaften Einlassungen zu vervollständigen. Bleibt es bei der Ankündigung der Richterin, ist mit der Verkündung des Urteils am Dienstagnachmittag (25.02.) zu rechnen.
Opferperspektive Brandenburg
Angeklagter benennt erstmals Steinewerfer
Wende im Prozess um Tod eines Spätaussiedlers
(Berliner Zeitung, Katrin Bischoff) NEURUPPIN. “Dass von meinen so genannten Freunden keiner was gesehen haben
soll oder will, kann ich nicht glauben. Das geht doch nicht, dass alle
davorgestanden und nichts gesehen haben.” Diese Zeilen schrieb Marko F. aus
der Untersuchungshaft an seine Familie. Er habe keine Lust, für etwas in den
Knast zu gehen, was er nicht getan habe, hieß es in dem am Mittwoch vor dem
Landgericht in Neuruppin verlesenen Brief. Marko F. und vier seiner Freunde
müssen sich hier wegen gemeinschaftlichen Totschlags verantworten. Sie
sollen im Mai 2002 den Russlanddeutschen Kajrat Batesov (24) vor einer
Wittstocker Diskothek zusammengeschlagen und ihm einen großen Feldstein auf
die Brust geworfen haben. Der Spätaussiedler erlag drei Wochen später den
Verletzungen.
Inzwischen haben alle Angeklagten gestanden, Batesov geschlagen und
getreten, nicht aber den Stein angefasst zu haben. Auch die rund 50
Tatortzeugen, die vor Gericht ausgesagt haben, können sich an einen
Feldstein nicht erinnern. Gegen sieben von ihnen ermittelt inzwischen der
Staatsanwalt wegen Falschaussage oder unterlassener Hilfeleistung. Er ist
überzeugt, dass mehrere Zeugen den Steinwurf beobachtet haben.
Am elften Verhandlungstag hatte Staatsanwalt Kai Clement eigentlich
plädieren wollen. Doch dann meldete sich Marko F., der als
Hauptbeschuldigter gilt, nochmals zu Wort. Weil er bis zuletzt gehofft habe,
dass einer der Zeugen die Wahrheit sagen würde, komme seine Aussage so spät,
erklärte er. Auch habe er dem Mitangeklagten Patrick S. die Chance geben
wollen, sich selbst zu äußern. “Noch in der Tatnacht hat mir Patrick gesagt,
dass er den Stein geschmissen hat”, sagte Marko F. Später hätten er und sein
Kumpel beschlossen, darüber zu schweigen.
“Patrick, zu dir wollte ich sagen, du denkst jetzt, ich wäre ein Verräter.
Aber du verrätst mich doch, indem du nichts sagst”, sagte Marko F. zu seinem
Nachbarn auf der Anklagebank. Doch der 21-Jährige schüttelte den Kopf und
ließ seinen Anwalt mitteilen, dass er Derartiges nie zu Marko F. gesagt
habe. Auch die anderen Angeklagten blieben dabei: Sie haben den Steinwurf
nicht gesehen.
Das Gerichts muss nun bewerten, ob die Aussage von Marko F. nur ein Versuch
ist, im letzten Moment den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Fest steht
jedoch, dass auch Marko F. auf Kajrat Batesov eingeprügelt hat. Der
Gerichtsmediziner konnte nicht ausschließen, dass die tödlichen Verletzungen
Batesovs auf die Schläge und Tritte zurückzuführen sind. Am Freitag wird die
Zeugenvernehmung fortgesetzt.
Marko F. belastet seinen Freund
Mauer des Schweigens gebrochen / Überraschende Wendung im Mordprozess
NEURUPPIN Im Prozess um den Tod eines 24-jährigen Russlanddeutschen aus Wittstock ist die Mauer des Schweigens gestern eingestürzt. Erstmals
erklärte ein Anklagter, er wisse, wer im Mai 2002 den 17,7 Kilogramm schweren Feldstein auf den 24-jährigen Kajrat Batesov geworfen habe.
Der Hauptangeklagte Marko F. belastete seinen Freund und Mitangeklagten
Patrick Sch. massiv im Neuruppiner Landgericht: Er habe ihm nach der T
at
gestanden, den Stein geworfen zu haben. Sie hätten beschlossen, nichts zu
sagen, doch während der Verhandlung habe er erwartet, dass sich sein Freund
zu der Tat bekenne, sagte F. Nun könne er nicht länger schweigen. Den Wurf
selbst will F. jedoch nicht selbst gesehen haben.
Diese Tatversion wurde von F.s Freundin, Nicole B., bestätigt. Noch ein
weiterer Zeuge habe ihr gegenüber zugegeben, mehr zu wissen, als er vor
Gericht aussagte. Nicole B. war bei der Tat nicht anwesend.
Patrick Sch.s Anwalt wies die Anschuldigung als unwahr zurück. Die
überraschende Wendung im Prozess führte zu einer Verschiebung der geplanten
Plädoyers. Das Urteil wird für Dienstag erwartet.
Wende im Prozess um Tod eines Russlanddeutschen
(MOZ) Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines
Russlanddeutschen aus Wittstock hat es eine überraschende Wendung gegeben.
Widersprüchliche Aussagen der Angeklagten sorgten am Mittwoch für Verwirrung
im Gerichtssaal. Deshalb mussten die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und
Nebenklage verschoben werden.
Erstmals gab der Angeklagte Patrick S. eine Erklärung vor Gericht ab. Darin
sagte der 22-Jährige, er sei von einem anderen Spätaussiedler, dem Begleiter
des späteren Opfers, angegriffen worden und habe sich lediglich gewehrt.
Daraufhin meldete sich sein Mitangeklagter Marko F. zu Wort. Er sagte aus,
dass Patrick S. den Stein nach dem Russlanddeutschen geworfen habe. Dies
habe er allerdings nicht selbst gesehen. Patrick S. habe ihm dies nach der
Tat gestanden. Die Staatsanwaltschaft war in der Anklageschrift davon
ausgegangen, dass Marko F. das 24-jährige Opfer mit einem Stein erschlagen
hat.
In dem Prozess müssen sich fünf Männer wegen Totschlags und versuchten
Totschlags verantworten. Sie sollen den Russlanddeutschen im Mai 2002 vor
einer Tanzgaststätte angegriffen haben. Der Angeklagte Markus F. soll das
Opfer dann mit einem Stein erschlagen. In dem Mammutverfahren waren über 50
Zeugen und mehrere Gutachter gehört worden.
«Jetzt muss abgewartet werden, wie die Kammer das bewertet», sagte ein
Sprecher des Landgerichtes. Die Nebenklage habe auf Grund der neuen
Situation beantragt, am Freitag einen weiteren Zeugen zu hören. Danach
könnten dann noch am Freitag die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und
Nebenklage und am Montag der Schlussvortrag der Verteidigung gehört werden.
Am Dienstag wird nach Angaben des Sprechers voraussichtlich das Urteil
gesprochen.
stehen die Plädoyers an. Die Kammer will den Planungen zufolge am Mittwoch
(9.00 Uhr) zunächst die Anträge von Staatsanwaltschaft und Nebenklage hören,
sagte ein Sprecher des Landgerichts Neuruppin. Am Freitag sollen dann die
Schlussvorträge der Verteidiger folgen. Das Urteil wird für Montag erwartet.
In dem Prozess müssen sich fünf Männer wegen Totschlags und versuchten
Totschlags verantworten. Sie sollen den Russlanddeutschen im Mai 2002 vor
einer Tanzgaststätte angegriffen haben. Der Hauptangeklagte Markus F. (21)
habe das 24-jährige Opfer dann mit einem Stein erschlagen. In dem
Mammutverfahren waren über 50 Zeugen und mehrere Gutachter gehört worden.
Anklage im Mordfall Potzlow
(Berliner Zeitung) NEURUPPIN. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat am Mittwoch Anklage wegen Mordes an dem 16-jährigen Schüler Marinus Schöberl erhoben. Drei
Jugendlichen aus der rechtsextremen Szene wird in der 50-seitigen Anklageschrift vorgeworfen, ihr Opfer am 12. Juli 2002 zuerst vier Stunden lang in einer Wohnung in Potzlow (Uckermark) misshandelt zu haben. Danach sollen die 17 bis 23 Jahre alten Verdächtigen Marinus in einem nahen Stall
“grausam und zur Verdeckung der vorangegangenen Körperverletzung” ermordet haben.
Ein weiteres Mordmerkmal sind die niederen Beweggründe für die Tat, teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher mit. Aus den Geständnissen von zwei der Verdächtigen werde klar, dass sie Marinus erschlagen haben,
weil sie ihn für “minderwertig” hielten. Marinus wurde getötet, weil er nicht die Kleidung der Skinheads trug,
sondern Hip-Hopper-Hosen und die “falsche” Frisur. Deshalb haben sie ihn während der Misshandlungen immer wieder aufgefordert: “Sag, dass du ein Jude bist.”
Der Fall hatte auch deshalb für Aufsehen gesorgt, weil Marinus vier Monate lang als verschollen galt. Die Täter hatten ihr Opfer in einer Jauchengrube vergraben. Die sekettierte Leiche wurde erst gefunden, als einer von ihnen
andere Jugendliche wegen einer 20-Euro-Wette zur Grube gebracht hatte. Die Staatsanwaltschaft erhebt zudem Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung gegen zwei weitere Potzlower. In ihrer Wohnung hatten die Misshandlungen stattgefunden. “Obwohl Marinus sichtbar verletzt war, wurde
von den beiden Beschuldigten nichts unternommen, um ihm zu helfen”, teilte Schnittcher mit. Sie hätten tatenlos zugesehen, als das Opfer geschlagen wurde, als man ihm Bier und Schnaps einflößte und ihm die Täter auf den Kopf
urinierten.
Anklage gegen drei Jugendliche wegen Mordes an Schüler
Zwei der rechtsgerichteten Täter geständig
(LR) Sieben Monate nach dem qualvollen Tod des Schülers Marinus Schöberl in
Potzlow sind drei junge Männer aus der rechten Szene Ostbrandenburgs wegen
Mordes angeklagt worden. Ihnen wird zur Last gelegt, den 16-Jährigen im Juli
2002 in einem Stallgebäude schwer misshandelt und dann getötet zu haben (die
RUNDSCHAU berichtete). Darüber hinaus sei gegen zwei Einwohner von Potzlow
(Uckermark) wegen unterlassener Hilfeleistung Anklage erhoben worden, teilte
die Staatsanwaltschaft Neuruppin gestern mit.
Das Skelett des monatelang vermissten Schülers war im November in einer
Jauchegrube entdeckt worden. Kurz darauf nahm die Polizei die drei als
rechtsextrem eingestuften Tatverdächtigen fest. Von ihnen haben inzwischen
zwei 17-Jährige ein Geständnis abgelegt. Sie gaben zu, den Jungen zu Tode
geprügelt zu haben, weil sein Haar blond gefärbt und seine Hip-Hopper-Hose
nicht nach ihrem Geschmack war. Der dritte, 23 Jahre alte Angeklagte
schweigt bislang.
Die 50-seitige Anklageschrift gegen die drei mutmaßlichen Mörder sollte noch
gestern der Jugendkammer am Landgericht Neuruppin vorgelegt werden.
Spätes Geständnis
ORANIENBURG Von extremer Vergesslichkeit geplagt waren gestern zwei junge
Oranienburger vor dem Amtsgericht. Die beiden konnten sich nicht daran
erinnern, am 1. Juni 2002 einen Zeitungszusteller verprügelt zu haben. Auch
auf ihre Flucht vor der Polizei wollten sie sich zunächst nicht entsinnen.
Sie seien zu betrunken gewesen, gaben Ben F. und Nico S. an.
Am frühen Morgen des 1. Juni war der Zeitungszusteller Siegfried R. an der
Berliner Straße, vor dem Gerichtsgebäude, von zwei Betrunkenen aufgehalten
und angepöbelt worden. Die beiden forderten von R. die Herausgabe einer
Zeitung. Als dieser darauf nicht einging, hielt einer der beiden R. am
Kragen. Der Zeitungsbote wehrte sich mit einem Schlag ins Gesicht des
Betrunkenen, erhielt dafür aber einen Tritt von dem zweiten Angreifer. R.
ging zu Boden und es folgten weitere Tritte und Schläge, auch ins Gesicht.
So zumindest sagte es R. während seiner Zeugenvernehmung vor Gericht aus.
Eine Befragung, die sich für das Gericht zunehmend schwierig gestaltete. R.
wollte kaum Angaben zur Tat machen. “Auf Einzelheiten möchte ich nicht
eingehen”, sagte er immer wieder. Doch gerade darauf legte das Gericht Wert.
Heraus kam, dass der Zeitungszusteller auch Monate nach der Tat seiner
Arbeit nur mit großer Angst nachgehen konnte.
Jürgen M., der zum Tatort gerufene Polizist, bescheinigte dem Zeugen
mangelnde Kooperation. Auch damals wollte er kaum Angaben machen,
identifizierte aber Ben F. und Nico S., die sich noch immer an der Berliner
Straße aufhielten, als die Täter. Diese liefen daraufhin vor der Polizei
davon, wurden aber gefasst. Die Beklagten seien keineswegs so betrunken
gewesen, wie sie gestern glauben machen wollten, meinte der Polizist.
Auch sind die beiden für das Gericht keine Unbekannten. Ben F., 1981
geboren, kam mit der Justiz bereits wegen Diebstahl, Sachbeschädigung und
schwerer Körperverletzung in Konflikt. Die letzte Verurteilung des
19-jährigen Nico S. stammt vom November vorigen Jahres. Wegen Brandstiftung
war er zu 22 Monaten Bewährung verurteilt worden. Im März 2002 stand er
wegen Volksverhetzung vor Gericht.
Nach der Aussage des Polizisten kehrte die Erinnerung der Angeklagten
langsam wieder zurück. Sie verneinten allerdings, R. ins Gesicht getreten zu
haben. Das Gericht glaubte aber dem Zeugen und verurteilte Ben F. und Nico
S. wegen schwerer Körperverletzung. Die Strafe von Nico S. wurde mit der vom
November zusammengefasst. Beide Oranienburger haben nun eine Bewährungszeit
von 30 Monaten vor sich. Nico S muss 650 Euro an den Verein Pro Asyl zahlen
und auf Ben F. warten 100 Stunden gemeinnützige Arbeit.
Mit einer überraschenden Entdeckung konfrontierte die Verteidigung das Potsdamer Amtsgericht gleich zu Beginn des nun schon 7. Verhandlungstages im Prozeß um die von
einem Mitglied der Potsdamer Kampagne gegen Wehrpflicht gegen den Polizeieinsatz am 25.8.01 in der Babelsberger Breitscheidstraße 6 erhobenen Vorwürfe. Am Ende eines
Videos aus einem anderen Strafverfahren befinden sich nämlich weitere Aufnahmen der Polizeikameras, die den Abmarsch der Hertha-Hools und die Stürmung des alternativen
Wohnprojektes durch die LESE zeigen. Überwiegend handelt es sich dabei um Wiederholungen bekannter Videoaufnahmen. Interessant ist aber, daß keine Wiederholung völlig identisch mit dem bislang bekannten Material ist.
Eine plausible Erklärung hatte dafür auch der Polizeizeuge nicht, der die Videos von den kleinen Kassetten der Polizeikameras auf eine große Kassette überspielt und
diese beschriftet hatte. Auch zum Verbleib der Originalkassetten konnte der Polizeitechniker nichts sagen. (Die bislang für die Originalkassetten gehaltenen
kleinen Kassetten in der Akte hatten sich als Filmmaterial zum Ausbau des Ausweichobjektes in der Zeppelinstraße entpuppt.) Er versicherte, die ordnungsgemäße
Kopie und die Originalkassetten an den Leiter des Staatsschutzkommissariats Wetzel weitergegeben zu haben. Dieser hatte ihn beauftragt, mehrere Kopien anzufertigen.
Dafür wäre eigentlich eine Genehmigung der Staatsanwaltschaft erforderlich gewesen.
Die einzige Erklärung für die vorliegenden unterschiedlichen Varianten des Videomaterials ist die Manipulation von Beweismitteln durch den Staatsschutz.
Die Verteidigung hatte inzwischen auch eine erste Prüfung angestellt, was aus den Videos entfernt worden war. Dabei hatte sich herausgestellt, daß auf dem fehlenden
Stück die Betitelung einer festgenommenen Frau als “Schlampe” zu hören ist.
Auch die folgenden Vernehmungen von zwei Passantinnen belegten ein völlig unangemessenes Vorgehen der Polizei bei der Festnahme und die Beschimpfung als Schlampen.
Einen Beweisantrag auf die Bestellung eines Gutachters zur Prüfung der Videos lehnte die Richterin ab, weil sie inzwischen auch Beschimpfungen der BewohnerInnen als
“Schlampe” für erwiesen hält.
Nach sieben Verhandlungstagen und ca. 50 Zeugen wurde die Beweisaufnahme geschlossen.
Es folgten die Plädoyers und das letzte Wort des Angeklagten.
Obwohl auch die Staatsanwaltschaft die Verwüstungen des Hauses durch die Polizei als erwiesen ansah und vereinzelte Beschimpfungen für möglich ansah, bestritt der Staatsanwalt daß die Polizei Getränke und Bargeld im Haus entwendet und ins Haus gepinkelt hat. Für diese Tatsachen sei zumindest der Wahrheitsbeweis nicht zweifelsfrei erbracht. Es wurde eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 35 Euro beantragt und darauf hingewiesen, daß beim nächsten Vergehen keine Geldstrafe mehr in Frage käme.
Die Verteidigung beantragte Freispruch, weil die Anklageschrift fehlerhaft, der Kreis der angeblich geschädigten Beamten nicht abzugrenzen und der Wahrheitsbeweis lückenlos erbracht sei.
Das Urteil wird am 28.02. 9.30 Uhr im Amtsgericht Potsdam verkündet.
Lutz Boede soll 2450 Euro Strafe zahlen
Plädoyers im Beleidigungsprozess gegen Sprehcer der
Anti-Wehrpflicht-Kampagne
(MAZ) Der Staatsanwalt verlangte für Lutz Boede gestern eine “letztmalige”
Geldstrafe von 70 Tagessätzen á 35 Euro. Er verwies auf Boedes Vorstrafen,
die von Beleidigung, Hausfriedensbruch bis zu Sachbeschädigung reichten. Im
Prozess gegen den Sprecher der Kampagne gegen Wehrpflicht sind am gestrigen
siebten Verhandlungstag die Plädoyers gehalten worden. Nachdem das Gericht
41 Zeugen, darunter 30 Polizisten, geladen hatte, ist die Beweisaufnahme
beendet.
Boede ist der “üblen Nachrede” gegenüber der Polizei angeklagt. Er hatte
einen Einsatz um den 25.August 2001 kritisiert. Nach einem Fußballspiel war
es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen radikalen Hertha-Fans und
Bewohnern der Rudolf-Breitscheid-Straße 6 gekommen, in deren Folge das
alternative Wohnprojekt geräumt wurde.
Boedes Vorwürfe: Uniformierte sollen bei Durchsuchungen das Haus verwüstet,
Getränke und Geld gestohlen, Bewohner als “Zecke” und “Schlampe” bezeichnet
sowie hinter dem Tresen und in Polstermöbel uriniert haben. Boede sah sich
in der “Beweisführungspflicht”, musste also seine Vorhaltungen beweisen.
Dies ist ihm nach Ansicht von Staatsanwalt Thomas Jaschke “nicht annähernd
gelungen”. Schließlich haben alle befragten Polizisten die Anschuldigungen
“mit Empörung” zurück gewiesen. Er traue den Beamten “genauso wenig” zu, die
Unwahrheit zu sagen, wie er dies den Hausbewohnern unterstelle. Auch
bezweifelte Jaschke die Neutralität der von der Verteidigung als
“unabhängige Passanten” dargebrachten Zeugen: “Die standen alle in
Verbindung mit dem Haus.”
Boedes Anwältin Antje Klamann forderte Freispruch für ihren Mandanten, der
sich, selbst Jurastudent, immer wieder in die Zeugenbefragung einschaltete.
Die Polizei sei als Gruppe nicht eingrenzbar, also nicht
“beleidigungsfähig”, argumentierte sie. Unklar sei, welche Beamten sich
zwischen Räumung und Übergabe im Haus befanden. Somit sei auch keine
konkrete Person “in ihrer Ehre” verletzt. Da die Polizei auf unabhängige
Zeugen, die die Strafprozessordnung vorsieht, bei den Durchsuchungen
verzichtete, könne sie den Zustand des Hauses nur anhand der von Bewohnern
aufgestellten Schadensliste beurteilen. Demnach fehlten 200 bis 500 Mark
sowie zwei Kästen Wasser. Zu den Schimpfwörtern gebe es auch Aussagen eines
Polizeibeamten. Dass die Verwüstung auf den Polizeieinsatz zurückzuführen
sind, hält Richterin Lange bereits für erwiesen.
Die Wahrheit und die Polizei, das sei “keine Liebesbeziehung”, sagte Boede
in seinem Schlusswort. Am 28. Februar ist Urteilsverkündung.