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Offiziell sieben rechte Morde seit Oktober 2001

Gezielte Stiefel­tritte zertrüm­mern den Kopf von Klaus Dieter Lehmann

 

Bun­desweit sind seit Okto­ber 2001 sieben Tötungs­de­lik­te aktenkundig gewor­den, bei denen die Tatum­stände auf recht­sex­treme Motive hinweisen

 

In sieben neuen Fällen sehen Frank­furter Rund­schau und Tagesspiegel
gewichtige Anhalt­spunk­te dafür, dass Gewalt­tat­en mit tödlichem Ausgang
einer
recht­sex­tremem Gesin­nung zuzurech­nen sind. In der Liste vom Oktober
2001
hat­ten die Zeitun­gen bere­its neun solch­er “Ver­dachts­fälle” genan­nt. In
den
meis­ten Fällen, die hier nicht erneut aufge­führt wer­den kön­nen, bleibt
der
Ver­dacht beste­hen. In zwei Fällen stellt sich die Sache nach Urteilen
anders
dar.

 

Den Mord an Frank Hack­ert vom Juli 2001 in Wit­ten wertete das
Landgericht Bochum plau­si­bel als wahn­hafte Tat eines Satanistenpaares.
Bei
der Tötung von Fred Blanke in Grim­men im März 2001 schloss das
Landgericht
Stral­sund einen recht­sex­tremen Hin­ter­grund aus, obwohl bei­de Täter der
Szene
zuge­ord­net wur­den. Als Motiv nan­nte das Gericht räu­berische Erpressung.

 

Am 27. Jan­u­ar 2003 stirbt in Erfurt der 48-jährige Hart­mut Balzke nach
einer
Auseinan­der­set­zung zwis­chen Punks und polizeibekan­nten Recht­en. Balzke
hatte
seinen Sohn zwei Tage zuvor zu ein­er Punker-Par­ty nach Erfurt
begleitet.
Dort wird er, als er mit Punks auf der Straße ste­ht, über­raschend von
einer
größeren Gruppe Recht­sex­tremer ange­grif­f­en. Zeu­gen find­en Hartmut
Balzke und
einen 26-jähri­gen Punk blutüber­strömt und mit schw­eren Kopfverletzungen
auf
der Straße. Die Obduk­tion ergibt, dass die tödlichen Ver­let­zun­gen Folge
eines Sturzes waren. Vertreter der Neben­klage ver­weisen darauf, dass
der
Sturz eine Folge der Schläge war und war­nen vor “Bagatel­lisierung”.

 

Die Staat­san­waltschaft Erfurt ermit­telt wegen Kör­per­ver­let­zung mit
Todes­folge gegen fünf Tatverdächtige im Alter zwis­chen 19 und 49
Jahren.
Ein­er der Verdächti­gen ist wegen recht­sex­tremer Delik­te vorbestraft.
“Ein
poli­tis­ch­er Hin­ter­grund wird nicht aus­geschlossen”, sagt Michael Heß,
Sprech­er der Staat­san­waltschaft Erfurt.

 

Am Abend des 9. August 2002 ver­set­zt ein Recht­sex­trem­ist auf einem
Volksfest
in Sulzbach (Saar­land) dem Türken Ahmet Sar­lak min­destens sechs
Messerstiche
in Bauch und Brust. Das 19 Jahre alte Opfer erliegt tags darauf seinen
Ver­let­zun­gen. Bei der Durch­suchung der Woh­nung des 25-jährigen,
deutsch-kroat­is­chen Täters find­et die Polizei Fah­nen mit Hakenkreuzen
und
SS-Runen. Die Staat­san­waltschaft Saar­brück­en nimmt zunächst an, der
Messer­stech­er habe aus Frem­den­feindlichkeit gehandelt.
Generalbundesanwalt
Kay Nehm prüft, ob er den Fall an sich ziehen soll, sieht aber keine
aus­re­ichen­den Hin­weise für ein frem­den­feindlich­es Motiv. Die
Staat­san­waltschaft Saar­brück­en klagt den Täter nur wegen Totschlags an.
Im
Jan­u­ar 2003 verurteilt das Landgericht Saar­brück­en den Täter zu sechs
Jahren
Haft. “Was den Angeklagten zu sein­er Tat ver­an­lasst hat, weiß nur er
selb­st”, heißt es in der Begrün­dung. Der Anwalt der Eltern des Opfers
beantragt Revision.

 

Der Dachdeck­er Ronald Masch (29) wird in der Nacht zum 1. Juni 2002 auf
einem Feld in der Nähe des bran­den­bur­gis­chen Ortes Neu Mahlisch von
vier
Recht­sex­trem­is­ten zusam­mengeschla­gen. Ein­er der Täter sticht dem Opfer
etwa
40 Mal in Nieren, Brustko­rb und Hals. Erst am 12. Juli find­et der
Fahrer
eines Mäh­dresch­ers die Leiche. Die Staat­san­waltschaft Frank­furt (Oder)
klagt
zwei Täter wegen Mordes an: einen von ihnen, den die
Sicher­heits­be­hör­den den
“Leit­wolf der recht­en Szene in Fürsten­walde” nen­nen, wegen Anstiftung
zum
Mord, den anderen wegen Bei­hil­fe. Die Täter hät­ten den betrunkenen
Dachdeck­er aus­rauben wollen, sagt die Anklage­be­hörde. Ein recht­es Motiv
gebe
es nicht. Allerd­ings sei die extreme Bru­tal­ität der Täter ohne ihre
men­schen­ver­ach­t­ende Gesin­nung nicht vorstell­bar, heißt es in
bran­den­bur­gis­chen Sicher­heit­skreisen. Die Angeklagten hät­ten bei den
Ver­hören durch die Polizei die Men­schheit in “Kam­er­aden” und einen
min­der­w­er­ti­gen Rest unterteilt.

 

Der 19-jährige Klaus Dieter Lehmann stirbt am 15. Mai 2002 in
Neubrandenburg
infolge geziel­ter Stiefel­tritte ins Gesicht. “Es sah so aus, als wäre
mit
dem Kopf Fußball gespielt wor­den”, sagt Ober­staat­san­walt Rain­er Moser
aus
Neubran­den­burg. Der kör­per­lich und geistig behin­derte Teenag­er lebte in
ein­er betreuten Wohnge­mein­schaft. Außen­ste­hende hät­ten Lehmann, der
schon
früh in “Fan­tasiewel­ten und ‑iden­titäten” lebte, oft “Trot­tel” genannt,
sagt
eine Betreuerin. Er lädt zwei alko­holisierte Naziskins, den zur Tatzeit
17-jähri­gen Jens D. und den 20-jähri­gen Andreas L., in sein Zim­mer ein.
Dort
reißen sie Poster afroamerikanis­ch­er Hip-Hop-Sänger ab. Gegen 23 Uhr
gehen
sie mit Klaus Dieter Lehmann zu einem See. Später sagen sie, er habe
“gen­ervt”. Nach­dem sie ihn zu Boden geschla­gen haben, zertrüm­mert Jens
D.
durch min­destens zehn Tritte mit den Stahlkap­pen sein­er Springerstiefel
den
Kopf des Opfers. Pas­san­ten find­en Lehmann. Er stirbt auf dem Weg zur
Klinik
an Hirnquetschungen.

 

Das Landgericht Neubran­den­burg verurteilt bei­de Täter am 16. Dezember
2002
zu Jugend­strafen von dreiein­halb Jahren sowie sechs Jahren und neun
Monaten.
Es meint, Lehmanns Behin­derung komme als Tataus­lös­er nicht in Betracht,
das
Opfer habe nor­mal gewirkt. Anklage und Vertei­di­gung leg­en Revi­sion ein.

Der aus Kasach­stan stam­mende Aussiedler Kajrat Batesov wird am 4. Mai
2002
in Witt­stock von mehreren jun­gen Män­nern ver­prügelt. Nach massiven
Schlägen
und Trit­ten der Gruppe wirft ein­er der Angreifer einen fast 18
Kilogramm
schw­eren Feld­stein auf Batesov. Knapp drei Wochen danach stirbt er im
Kranken­haus Pritzwalk. Die Schläger attack­ieren auch den Begleiter
Batesovs,
eben­falls ein Aussiedler, der die Mis­shand­lung über­lebt. Der Anlass für
die
Schlägerei lässt sich am Landgericht Neu­rup­pin nicht genau klären. Die
Strafkam­mer ver­weist auf “dif­fuse Frem­den­feindlichkeit”, kann aber kein
ras­sis­tis­ches Motiv erken­nen. Der Haupt­täter wird zu zehn Jahren Haft
wegen
Totschlags verurteilt, die vier Mitangeklagten erhal­ten Strafen
zwischen
sieben Jahren und einem Jahr auf Bewährung. Die Anwältin­nen von
Batesovs
Mut­ter und seines Begleit­ers beze­ich­nen die Tat als Mord, began­gen aus
Fremdenhass.

 

In den späten Abend­stun­den des 5. Novem­ber 2001 trak­tieren drei
angetrunkene
Recht­sex­trem­is­ten in ein­er Berlin­er Woh­nung den herzkranken Ingo B.
(36) mit
Schlä­gen und Trit­ten. Der Mann wird auch gewürgt. Am näch­sten Tag
erleidet
er einen Infarkt und stirbt. Die Angreifer woll­ten ange­blich 40 Mark
Schulden bei Ingo B. ein­treiben, der mit der Mut­ter von zwei der drei
Täter
zusam­men­lebte. Das Landgericht Berlin verurteilt das Trio zu
Frei­heitsstrafen zwis­chen dreiein­halb und sech­sein­halb Jahren. Der
Gewal­texzess wird nur als Kör­per­ver­let­zung mit Todes­folge gew­ertet. In
welchem Maße die men­schen­ver­ach­t­ende Gesin­nung der Täter ihr Motiv und
ihre
Bru­tal­ität bee­in­flusst haben kön­nte, the­ma­tisiert das Landgericht nicht
-
obwohl ein­er der Täter wegen ein­er weit­eren, ein­schlägi­gen Tat
verurteilt
wird. Der Recht­sex­trem­ist hat­te im Jan­u­ar 2001 einen Jugendlichen
gefragt,
ob er Aus­län­der sei, und dann zugetreten.

 

Der 52-jährige Obdachlose Bernd Schmidt stirbt am 31. Jan­u­ar 2000 im
säch­sis­chen Weißwass­er an seinen Kopfver­let­zun­gen. Der stadtbekannte
arbeit­slose Glas­de­sign­er war von zwei recht­en Jugendlichen über einen
Zeitraum von drei Tagen in sein­er Baracke zu Tode geprügelt wor­den. Die
bei­den 15-jähri­gen Haupt­täter hat­ten den alkoholk
ranken Mann am 28.
Januar
2000 gemein­sam mit einem 16-Jähri­gen geschla­gen und mis­shan­delt. Vor
Gericht
geben sie an, sie hät­ten 900 Mark für ein Moped erpressen wollen.

 

Als Bernd Schmidt das Geld nicht zahlen kann, zer­schla­gen und zertreten
die
bei­den 15-Jähri­gen sämtliche Hab­seligkeit­en des Obdachlosen, urinieren
laut
Gericht­surteil “als Aus­druck ihrer Ger­ingschätzung” in den Raum,
schlagen
ihr Opfer zu Boden und treten ihm mehrfach ins Gesicht. Bernd Schmidt
stirbt
an Hirn­blu­tun­gen und ein­er Lun­genentzün­dung, die er sich durch Einatmen
von
Blut zuge­zo­gen hat. Die Polizei geht zunächst davon aus, der Obdachlose
sei
betrunk­en gestürzt. Erst als Jugendliche, die Schmidt kan­nten, Anzeige
erstat­ten, ermit­telt die Jus­tiz. Im Urteil vom 10. Juli 2000 stellt die
Jugend­kam­mer des Landgerichts Gör­litz fest, ein­er der Täter besitze
“die
bish­er unko­r­rigierte Fehlhal­tung, dass Obdachlose, sozial Schwache und
Aus­län­der wenig wert sind und kein Recht auf Unversehrtheit haben”.
Gegenüber den Ermit­tlern hat­te der 15-Jährige angegeben, “solche Leute”
seien als “men­schlich­er Schrott” anzuse­hen. Die Haupt­täter wer­den zu
Jugend­strafen von sieben und viere­in­halb Jahren verurteilt, der
16-Jährige
erhält eine Bewährungsstrafe von einem Jahr.

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Die Zahl der Todesopfer rechtsextremer Gewalt ist erneut gestiegen

Men­schen­ver­ach­tung als Mordmotiv

 

Die Zahl der Todes­opfer rechter Gewalt, die seit der deutschen Vere­ini­gung zu bekla­gen sind, steigt weit­er. Min­destens 99 Men­schen kamen ums Leben, weil ihnen recht­sex­treme Schläger das Exis­ten­zrecht absprachen. Zum
drit­ten Mal legt die Frank­furter Rund­schau mit dem Tagesspiegel das Ergeb­nis ihrer Recherchen vor.

 

Im Sep­tem­ber 2000 wur­den 93 Migranten und Deutsche genan­nt, die seit 1990 getötet wur­den. Bis zum Okto­ber 2001 stieg die Zahl der sicheren Fälle auf 97. Jet­zt beste­ht Gewis­sheit in zwei weit­eren Todes­fällen. Die reale Zahl
der Opfer recht­sex­tremer Gewalt ist wahrschein­lich deut­lich höher.

 

Tagesspiegel und FR führen aber nur Tötungsver­brechen als ein­deutig rechte Fälle auf, in denen kein Zweifel am Hin­ter­grund besteht.

 

Weit­ere Gewalt­tat­en, bei denen es deut­liche Indizien dafür gibt, wer­den im unten ste­hen­den Artikel als
“Ver­dachts­fälle” beschrieben. Eine der bei­den recht­sex­tremen Blut­tat­en, die im Fol­gen­den skizziert wer­den, der Mord an Willi Worg, ist in unser­er Recherche vom Okto­ber 2001 als “Ver­dachts­fall” aufge­führt wor­den. Aus dem Ver­dacht ist Gewis­sheit geworden.

 

Der 17 Jahre alte Mar­i­nus Schöberl wird am 12. Juli 2002 im
bran­den­bur­gis­chen Dorf Pot­zlow von drei jun­gen Recht­sex­trem­is­ten zu Tode gequält. Zunächst schla­gen die Täter, zwei Brüder im Alter von 17 und 23 Jahren sowie ein weit­er­er 17-Jähriger, bei einem Besäuf­nis in der
Woh­nung eines alko­holkranken Mannes auf Schöberl ein. Die Recht­sex­trem­is­ten hal­ten das Opfer für “min­der­w­er­tig” und pöbeln ihn an: “Sag, dass du ein Jude bist.” Schöberl lei­det an Sprach­störun­gen, außer­dem entsprechen seine
Hip-Hop­per­Ho­sen und seine blondierten Haare nicht dem Geschmack der Täter.

 

Die Recht­sex­trem­is­ten flößen Schöberl Bier und Schnaps ein und urinieren auf seinen Kopf und Kör­p­er. Min­destens zwei erwach­sene Augen­zeu­gen beobacht­en die Mis­shand­lung, helfen dem Opfer aber nicht.

 

Schließlich brin­gen die Schläger Mar­i­nus Schöberl in einen
still­gelegten Schweinestall. Schöberl wird weit­er geprügelt und gezwun­gen, in den Rand eines Schweinet­rogs zu beißen. Als Schöberl auf dem Boden liegt, ver­set­zt ihm ein­er der Täter gezielte Tritte an den Kopf. Nach mehr als vier
Stun­den Folter ist Schöberl tot. Die Täter versenken den Jugendlichen in ein­er Jauchegrube. Erst im Novem­ber 2002 wird die Leiche entdeckt.

 

Die Staat­san­waltschaft Neu­rup­pin hat die Täter wegen Mordes angeklagt. “Das war ein­deutig eine rechte Tat”, heißt es in der Behörde. Ein­er der Täter hat einige Wochen nach dem Mord einen Asyl­be­wer­ber in Pren­zlau zusammengeschlagen.

 

In der Nacht vom zum 25. März 2001 wird der 38-jährige Willi Worg in Milzau (Sach­sen-Anhalt) von fünf jun­gen Män­nern zwis­chen 15 und 24 Jahren vor ein­er Dis­co zusam­mengeschla­gen und getreten. Drei Tage später stirbt er an seinen schw­eren Ver­let­zun­gen. Fast alle inneren Organe im Ober­bauch­bere­ich sind geris­sen. Die Ermit­tlungs­be­hör­den rech­nen drei der Angreifer zur recht­sex­tremen Szene, in der man laut Urteil “recht­sradikale Musik hört und gegen Aus­län­der und Juden” sei. Zwei von ihnen sind wegen
Pro­pa­gan­dade­lik­ten vorbe­straft oder nach dem Jugend­strafrecht ermah­nt worden.

 

Die Staat­san­waltschaft Halle spricht von einer
“unglaublichen Bru­tal­ität”, mit der die Gruppe agierte. Die Ankläger schlossen einen recht­sex­tremen Hin­ter­grund zunächst aus. Die Anklage lautete auf ver­sucht­en Raub und
Kör­per­ver­let­zung mit Todes­folge. Die Jugend­kam­mer des Landgerichts Halle beurteilte die Moti­va­tion der Täter jedoch anders.

 

Am 13. Novem­ber 2001 wur­den alle fünf Tat­beteiligten wegen Mordes und Bei­hil­fe zu Mord zu Haft- und Jugend­strafen zwis­chen acht und vier Jahren verurteilt. Die Vertei­di­gung hat Revi­sion ein­gelegt. Die Vor­sitzende Rich­terin sagte:
“Erst in der Gruppe, die Gewalt und die Morde der
Altvorderen ver­her­rlicht, beka­men sie die Ein­stel­lung, eine solche furcht­bare Sache zu machen.” Gel­tungs­bedürf­nis und falsch ver­standene Kam­er­ad­schaft, gepaart mit Men­schen­ver­ach­tung und Gle­ichgültigkeit hät­ten zu
der Tat geführt. Der 19-jährige Haupt­täter ließ sich in der
Unter­suchung­shaft ein Hak­enkreuz auf den Bauch tätowieren.

 

Die Autoren danken den Ange­höri­gen der Opfer, dem Antifaschis­tis­chen Pressearchiv und Bil­dungszen­trum e.V. in Berlin, den Press­esprech­ern von Landgericht­en und Staat­san­waltschaften sowie den Archiv­en von FR und
Tagesspiegel für vielfältige Unterstützung.

 

Rechte Gewalt­täter töteten 99 Menschen 

In Deutsch­land sind seit der Wiedervere­ini­gung min­destens 99 Men­schen durch die men­schen­ver­ach­t­ende Gewalt von Recht­sex­trem­is­ten ums Leben gekom­men, wahrschein­lich sog­ar noch mehr. Das haben gemein­same Recherchen der
Frank­furter Rund­schau und des Berlin­er Tagesspiegel ergeben.

BERLIN, 5. März. Seit 1990 sind deut­lich mehr Men­schen aus
recht­sex­trem­istis­chen Motiv­en getötet wor­den, als es die offiziellen
Sta­tis­tiken erken­nen lassen. Während FR und Tagesspiegel 99 Fälle
aufzeigen,
geht die Bun­desregierung von 39 Todes­opfern aus. “Im Jahr 2002 wurde
kein
vol­len­detes Tötungs­de­likt infolge ein­er extrem­istis­chen Straftat
gemeldet”,
teilt das Bun­desin­nen­min­is­teri­um mit. 

Die bei­den Zeitun­gen hat­ten erst­mals 2000 ihre Recherchen unter dem
Titel
“Den Opfern einen Namen geben” vorgelegt. Damals hat­ten sie 93
Todesopfer
ermit­telt. Ein Jahr später waren vier Fälle hinzugekom­men. Nun muss die
Liste erneut um zwei Namen ver­längert werden. 

Mar­i­nus Schöberl wurde im Som­mer 2002 im bran­den­bur­gis­chen Pot­zlow von
drei
Recht­sex­trem­is­ten als “Jude” beschimpft und getötet, weil er sich die
Haare
blond gefärbt hat­te und weite Hosen trug. Der Fall wird amtlich nicht
als
recht­sex­trem motiviertes Delikt gewertet. 

Der Rent­ner Willi Worg wurde im Jahr 2001 in Sach­sen-Anhalt ermordet.
Die
Tat galt zunächst als Raub­mord. Ein Gericht stellte dann aber die
recht­sex­treme Moti­va­tion der Täter fest. 

Dies­mal bericht­en FR und Tagesspiegel über sieben neue Verdachtsfälle,
in
denen das recht­sex­treme Tat­mo­tiv wahrschein­lich, aber nicht mit letzter
Sicher­heit zu ermit­teln war. Die Zahl der Opfer kön­nte deswe­gen noch
über 99
hinausgehen. 

Seit der ersten Veröf­fentlichung der Recherchen haben die Innenminister
die
Zählweise geän­dert. Vorher wur­den nur Tat­en als rechtsextremistisch
ver­bucht, mit denen der Angreifer das poli­tis­che Sys­tem der
Bundesrepublik
umstürzen wollte. Inzwis­chen sollen auch Attack­en angetrunkener
Skinheads
auf Obdachlose oder Behin­derte als poli­tisch motiviert registriert
werden.
Polizei und Jus­tizbe­hör­den tra­gen dem jedoch häu­fig nicht Rechnung.

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Antikriegs-Impressionen

Im fol­gen­den einige Impres­sio­nen aus Frankfurt/Oder. Mehr zum kür­zlich gegrün­de­ten “Frieden­snetz Frank­furt” und den bish­eri­gen Aktio­nen gegen den Irakkrieg in der Stadt gibt es hier.

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17-Jähriger krankenhausreif geprügelt

(MOZ) Neu­rup­pin Zwei Män­ner haben einen 17-Jähri­gen in Neuruppin
kranken­haus­reif geprügelt. Sie schlu­gen und trat­en mehrfach auf den Jugendlichen ein, sagte ein Polizeis­prech­er am Dien­stag. Das Opfer erlitt Ver­let­zun­gen am Oberkör­p­er und am Ober­schenkel. Eine sofort eingeleitete
Fah­n­dung nach den bei­den Schlägern blieb erfolglos. 

(Infori­ot) Nach ersten Infor­ma­tio­nen aus Neu­rup­pin soll es sich bei den Tätern um Rechte handeln.

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Boede zu 1400 Euro Geldstrafe verurteilt

Am 28.02.03 war nach sieben Ver­hand­lungsta­gen eigentlich nur noch die
Urteilsverkün­dung gegen Lutz Boede von der Kam­pagne gegen Wehrpflicht geplant. Er
hat­te in einem Zeitungsar­tikel den Ein­satz der Polizei, die sich nach dem
DFB-Pokalspiel Babels­berg 03 gegen Hertha BSC nicht um die recht­en Herthafans
küm­merte, die das alter­na­tive Wohn­pro­jekt in der Breitscheidstr.6 angegriffen
hat­ten, son­dern stattdessen das Haus räumten und ver­wüsteten. In dem Artikel warf er
der Polizei vor, Vok­ab­u­lar und Sichtweise auf Bewohner­In­nen alternativer
Wohn­pro­jek­te offen­bart zu haben, wie sie auch bei recht­en Schlägern zu registrieren
sei. Ins­beson­dere hät­ten Beamte Möbel umgekippt, Fest­plat­ten aus Computern
her­aus­geris­sen und in Neben­z­im­mer gewor­fen, Musikan­la­gen und Box­en zer­schla­gen, sich
an Bargeld und Getränken bedi­ent und schließlich hin­ter den Tre­sen des Partyraumes
und ein Sofa uriniert. Die Bewohner­in­nen mußten mit auf dem Rück­en gefesselten
Hän­den eine halbe Stunde mit dem Gesicht auf dem Gehweg liegen und sich von
Polizis­ten als „Zeck­en“ und „Schlam­p­en“ betiteln lassen.
Die Staat­san­waltschaft hat­te nur einzelne Ver­wüs­tun­gen eingeräumt, anson­sten aber
den Vor­wurf der Üblen Nachrede (Ver­bre­it­en von Tat­sachen, die nicht erweis­lich wahr
sind) für erwiesen gehal­ten. Daher hat­te StA Jaschke in seinem Plä­doy­er am 7.
Ver­hand­lungstag 70 Tagessätze a 35 Euro gefordert und angekündigt, das let­zte Mal eine
Geld­strafe beantragt zu haben. Die Vertei­di­gung hat­te Freis­pruch beantragt. 

Zur Über­raschung aller tauchte bei der ver­meintlichen Urteilsverkün­dung noch ein
weit­er­er Zeuge auf. Die Rich­terin hat­te außer­halb der Ver­hand­lung erfahren, daß eine
weit­ere Durch­suchung des Haus­es am Son­ntag durch den Staatss­chutz durchgeführt
wor­den war und wollte den Leit­er des 4.K Jür­gen Wet­zel, noch befra­gen. Allerdings
kon­nte er sich an nichts mehr erin­nern. Auf Nach­frage der Vertei­di­gung mußte er aber
ein­räu­men, daß die Videos ent­ge­gen den bish­eri­gen Annah­men des Gericht­es durch die
Polizei geschnit­ten wor­den sein kön­nten. Infor­ma­tio­nen über den Verbleib der
üblicher­weise in ein­er ver­siegel­ten Tüte zu den Akten gere­icht­en Originalvideos
kon­nte er ange­blich auch nicht mehr geben. 

Dann gab es noch ein­mal die Plä­doy­ers in Kurz­form. Der Staat­san­walt Peter Petersen
von der poli­tis­chen Abteilung machte den Ein­druck, als wollte er unter die
Kampfhun­de­verord­nung fall­en, was aber nur all­ge­meine Heit­erkeit auslöste. 

Die Rich­terin verkün­dete nun endlich das Urteil. Zwar hielt sie fast alle
Behaup­tun­gen für erwiesen, war sich aber nicht völ­lig sich­er, ob die Polizei
wirk­lich Geld und Getränke gestohlen und in die Sofas gepinkelt hat­te. Die
verbleiben­den Zweifel an diesen Tat­sachen genügten ihr, um eine Verurteilung wegen
Übler Nachrede zu 40 Tagessätzen a 35 Euro auszus­prechen. Dazu kom­men dann noch
Gerichts- und Anwalt­skosten von wahrschein­lich 4 bis 5000 Euro. Inzwis­chen hat die
Vertei­di­gung bere­its Rechtsmit­tel eingelegt.

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Frauenknochen mit Davidstern beschmiert

ZEPERNICK Ein makabr­er Fund ist der Polizei in Zeper­nick übergeben wor­den. Ein Zeuge hat­te an ein­er hauswand einen etwa 40 Zen­time­ter lan­gen Knochen gefun­den, auf den offen­sichtlich mit Filzs­tift unter anderem ein David­stern geschmiert wor­den war, sagte ein Polizeis­prech­er am Montag. 

Eine pathol­o­gis­che Unter­suchung ergab dem Sprech­er zufolge, dass es sich um den recht­en Ober­schenkel­knochen ein­er etwa 40 Jahre alten Frau han­delte. Der Knochen sei höchst­wahrschein­lich bere­its ein­mal ver­graben wor­den. Die Liegezeit des Knochens wurde auf rund 60 Jahre geschätzt. De Polizei ermit­telt wegen Ver­dachts der Volksver­het­zung und der Störung der Totenruhe.

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Hohe Haftstrafen wegen Totschlags an Kajrat Batesov


Alko­hol und große Wut

(MAZ) NEURUPPIN Im Prozess um die Tötung eines Rus­s­land­deutschen in Witt­stock (Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin) hat das Landgericht Neu­rup­pin heute langjährige Haft­strafen gegen drei Män­ner ver­hängt. Der 22-jährige Hauptverdächtige Patrick S. soll nach dem Willen der Richter wegen
Totschlags, ver­sucht­en Totschlags und gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung zehn Jahre hin­ter Git­ter. Zwei Kom­plizen im Alter von 22 und 21 Jahren müssen wegen Totschlags bzw. ver­suchter Kör­per­ver­let­zung sieben und sechs Jahre
Haft ver­büßen. Zwei weit­ere Angeklagte erhiel­ten zwei Jahre und sechs Monate sowie ein Jahr Haft auf Bewährung. Damit blieb das Gericht unter den Forderun­gen der Staatsanwaltschaft. 

In dem Prozess waren fünf junge Deutsche im Alter zwis­chen 20 und 23 Jahren angeklagt. Sie hat­ten laut Anklage im Mai ver­gan­genen Jahres zwei Aussiedler vor ein­er Diskothek in Witt­stock bru­tal attack­iert und unter anderem auf den
am Boden liegen­den 24-jähri­gen Kajrat Batesov einen 17 Kilo­gramm schw­eren Stein geschleud­ert. Er starb drei Wochen später im Koma. Sein Begleit­er über­lebte den Angriff schw­er ver­let­zt. Das Gericht sah eine recht­sex­treme Moti­va­tion der Täter für nicht erwiesen an, kon­nte aber nach eigenen
Angaben das eigentliche Motiv nicht aufk­lären. Die Staat­san­waltschaft hat­te für die drei Haupt­täter acht, neun und zwölf Jahre Haft gefordert. 

Gewalt­samer Tod eines Rus­s­land­deutschen in Wittstock

(MOZ) Neu­rup­pin (ddp-lbg). Im Prozess um die Tötung eines kasachis­chen Aussiedlers in Witt­stock wur­den am Mon­tag die Urteile gesprochen. Die Nachricht­e­na­gen­tur ddp doku­men­tiert die Geschehnisse seit der Tat im Mai 2002: 

4. Mai 2002 — In den Mor­gen­stun­den wer­den zwei kasachis­che Aussiedler vor ein­er Tanz­gast­stätte im Witt­stock­er Ort­steil Alt Daber zusammengeschlagen.
Auf den schon am Boden liegen­den 24-jähri­gen Kajrat Batesov wird ein 17 Kilo­gramm schw­er­er Feld­stein gewor­fen. Sein Begleit­er kommt mit leicht­en Ver­let­zun­gen davon. 23. Mai — Batesov erliegt im Kranken­haus seinen inneren Ver­let­zun­gen. 7. Juni — Schweige­marsch von 200 Men­schen zum Gedenken
an den Getöteten durch Wittstock. 

4. Okto­ber — Die Staat­san­waltschaft erhebt Anklage wegen Totschlags gegen vier Beschuldigte und wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung gegen einen fün­ften Mann. 

8. Jan­u­ar 2003 — Prozess­be­ginn vor dem Landgericht Neu­rup­pin. Die fünf Angeklagten machen an den ersten Ver­hand­lungsta­gen keine Aus­sagen darüber, wer den Stein gewor­fen hat. 

20. Feb­ru­ar — Wende im Prozess: Der in der Anklage als Steinew­er­fer benan­nte Marko F. erk­lärt, dass Patrick S. den Stein gewor­fen habe. 

24. Feb­ru­ar — Der Staat­san­walt fordert vier bis zwölf Jahre Haft für vier Angeklagte und eine anderthal­b­jährige Bewährungsstrafe für den fün­ften Beschuldigten. Einen Tag später plädieren die Vertei­di­ger auf Freispruch
oder geringe Strafen. 

3. März — Das Landgericht Neu­rup­pin verurteilt den 23-jähri­gen Patrick S. als Steinew­er­fer wegen Totschlags zu 10 Jahren Haft. Weit­ere zwei Mit­täter müssen wegen Totschlags oder ver­sucht­en Totschlags für sechs und sieben Jahre hin­ter Git­ter. Ein viert­er Angeklagter erhält wegen Voll­rauschs zweiein­halb Jahre. In einem Fall spricht die Kam­mer eine ein­jährige Bewährungsstrafe aus. 

Zehn Jahre Haft für Steinew­er­fer von Wittstock

Hohe Strafen im Prozess um Tod eines Aussiedlers

(Berlin­er Zeitung) NEURUPPIN. Regungs­los und mit gesenk­tem Blick vern­immt Patrick S. das
Urteil: Für zehn Jahre muss der 23-jährige Witt­stock­er hin­ter Git­ter. Das
Neu­rup­pin­er Landgericht verurteilte ihn am Mon­tag wegen Totschlags und
ver­sucht­en Totschlags. Nach Überzeu­gung der Kam­mer war er es, der in der
Nacht zum 4. Mai 2002 vor ein­er Diskothek im Witt­stock­er Ort­steil Alt-Daber
einen 17 Kilo­gramm schw­eren Stein auf zwei kasachis­che Aussiedler warf. Er
und seine vier Kumpane, die Strafen zwis­chen einem und sieben Jahren
erhiel­ten, hat­ten die bei­den Män­ner zuvor zusammengeschlagen.
Die Tat hat­te wei­thin für Entset­zen gesorgt. Zunächst war von einem
recht­sex­trem­istis­chen Hin­ter­grund aus­ge­gan­gen wor­den. Doch die fünf Männer
sind keine Skin­heads. Dass “nor­male, intel­li­gente junge Men­schen” so eine
Tat bege­hen, habe die Öffentlichkeit beson­ders erschüt­tert, sagte die
Vor­sitzende Rich­terin Gisela Thaeren-Daig. Freilich habe unter­schwellig auch
eine “dif­fuse Frem­den­feindlichkeit” mitgeschwungen.
Ein echt­es Motiv für die Tat kon­nte die Kam­mer aber nicht aus­machen. Nach
der Disko habe sich zwis­chen den heute 20 bis 23 Jahre alten Angeklagten und
den bei­den Rus­s­land­deutschen ein Stre­it entwick­elt, sagte die Richterin.
Mehrere der Beschuldigten hät­ten die späteren Opfer dann angegriffen,
geschla­gen und — als die Män­ner schon am Boden lagen — noch immer
zuge­treten. Patrick S. habe dann den Gesteins­brock­en genom­men und in
Tötungsab­sicht nacheinan­der auf die Opfer gewor­fen. Den 24-jähri­gen Kajrat
Batesov traf der Stein auf Brust oder Bauch und zer­riss Magen und Leber. Der
Mann erlag drei Wochen später seinen Ver­let­zun­gen. Sein drei Jahre jüngerer
Fre­und Max­im K. hat­te mehr “Glück”, er kam mit ein­er Hüft­prel­lung davon.

Die Angeklagten und auch die zahlre­ichen Zeu­gen vor der Disko baut­en eine
“Mauer des Schweigens” auf. So war in der Anklage noch Marko F. (21) als
Steinew­er­fer beschuldigt wor­den. Erst am zwölften Prozesstag benan­nte Marko
F. seinen Fre­und Patrick als den wahren Täter. Die Kam­mer hielt die Aussage
für glaub­würdig, hat­te doch der Prozessver­lauf schon einige Indizien in
diese Rich­tung gebracht.

Das Gericht hielt Patrick S. vor, er habe sich immer wieder in Widersprüche
ver­wick­elt sowie Zeu­gen und seine Mitbeschuldigten zu bee­in­flussen versucht.
Min­destens fünf der Zeu­gen warf Rich­terin Thaeren-Daig zudem Falschaussage
vor.
Patrick S. bestritt bis zulet­zt seine Schuld. Sein Anwalt kündigte
unmit­tel­bar nach der Urteilsverkün­dung Revi­sion an. 

Die Wahrheit von Seb­nitz heißt Wittstock

(Berlin­er Zeitung) Erin­nert sich noch jemand, was vor ein paar Jahren in Seb­nitz nicht
geschehen ist? Weiß noch ein­er, dass damals ein klein­er Junge nicht vor den
Augen der Gäste eines Freibads von ein­er Horde Neon­azis ermordet wurde,
son­dern unbe­merkt ertrunk­en ist? Wer das noch weiß, der erin­nert sich auch
an die Erle­ichterung, die nach der Aufk­lärung des ver­meintlichen Verbrechens
als Unfall die Gesellschaft erfasste: Die Schande von Seb­nitz war in
Wahrheit eine Schande der Medi­en, die für wirk­lich erk­lärten, was in
Deutsch­land unmöglich ist — die Hin­rich­tung eines Men­schen durch tobsüchtige
Jugendliche in aller — teil­nahm­slosen — Öffentlichkeit. Aber Seb­nitz hat
tat­säch­lich stattge­fun­den, nur heißt es Witt­stock. Ertränkt wurde kein Kind,
mit einem 17 Kilo­gramm schw­eren Feld­stein wurde der 23 Jahre alte
Rus­s­land­deutsche Kajrat Batesov zer­schmettert. Nicht Badegäste haben
schweigend zuge­se­hen, son­dern einige Dutzend Diskothekenbesucher.

“Es kann nicht sein, wie uns hier eine ganze Stadt wie gedruckt belügt und
auf der Nase herum­tanzt.” Doch eben so — wie es die Anwältin der Mutter
Batesovs beklagte — ist es während des gesamten Prozess­es gegen die fünf
angeklagten Jugendlichen gewe­sen. Gestern hat das Landgericht Neu­rup­pin die
Täter zu teil­weise langjähri­gen Frei­heitsstrafen wegen Totschlags
verurteilt. Die Jus­tiz kann nur die Täter belan­gen. Was aber soll mit den
ver­schwiege­nen Bewohn­ern Witt­stocks geschehen, was mit den
Diskothekenbe­such­ern, die ungerührt die Tötung Kar­jat Bate­sows verfolgten?
Soweit die neuesten Nachricht­en aus der deutschen Zivilges
ellschaft. 

Die “sozial angepassten” Män­ner haben bru­tal zugeschlagen

Gericht verurteilt Haupt­täter wegen der Tötung eines jun­gen Aussiedlers in
Witt­stock zu zehn Jahren Haft

(Frank­furter Rund­schau) Für die Tötung eines Rus­s­land­deutschen im bran­den­bur­gis­chen Witt­stock sind
fünf junge Män­ner zu Haft­strafen bis zu zehn Jahren verurteilt worden.
Obwohl die Täter ihr Opfer als “Scheiß-Russe” beschimpft hat­ten, sah das
Gericht Frem­den­feindlichkeit nicht als zen­trales Tat­mo­tiv an. Mehrere
Vertei­di­ger kündigten Revi­sion an.

Das Neu­rup­pin­er Landgericht hat den Totschlag an dem
24-jähri­gen Aussiedler Kajrat Batesov vom vorigen Mai aufgek­lärt, obwohl
zahlre­iche Zeu­gen die Täter zu deck­en ver­sucht­en. Der 23-jährige frühere
Dachdeck­er-Lehrling Patrick Sch. wurde am Mon­tag als Haupt­täter zu zehn
Jahren Haft verurteilt. Er soll nach den Erken­nt­nis­sen des Gerichts einen
fast 18 Kilo­gramm schw­eren Feld­stein auf den bere­its am Boden liegenden
Batesov gewor­fen haben. Der Aussiedler starb drei Wochen später an seinen
schw­eren inneren Ver­let­zun­gen. Sch. warf den Stein auch auf Batesovs Freund
Max­im K., der am Leben blieb. 

Drei der Angeklagten hat­ten die bei­den Aussiedler nach einer
Dis­co-Ver­anstal­tung bere­its kranken­haus­reif geschla­gen und getreten, ehe
Sch. den Stein her­an­schleppte. Sie erhiel­ten Haft­strafen zwischen
zweiein­halb und sieben Jahren. Der fün­fte Angeklagte hat­te ver­sucht, eines
der Opfer zu schla­gen, und die Mit­täter nicht aufge­hal­ten. Er kam mit einem
Jahr Haft auf Bewährung davon und muss 500 Euro an Max­im K. zahlen.
Min­destens zwei der Verurteil­ten wollen beim Bun­des­gericht­shof in die
Revi­sion gehen. 

Auf 14 Zeu­gen des Prozess­es kom­men Ver­fahren wegen falsch­er Aus­sagen zu.
Ihnen dro­hen Strafen bis zu drei Jahren Haft. Obwohl mehrere Dutzend
Men­schen der Tat zuge­se­hen hat­ten, wollte vor Gericht kein­er der
Dis­cobe­such­er die Stein­würfe beobachtet haben. In ein­er Kneipe namens
“Ali­bi” hat­ten mehrere der Beteiligten sich nach Zeugenaussagen
abge­sprochen, nicht die Wahrheit zu sagen. Erst in der ver­gan­genen Woche
hat­te der 22-jährige Marko F., in dem die Anklage ursprünglich den
Haupt­täter gese­hen hat­te, seinen Fre­und Patrick Sch. vor Gericht belastet.
Bei­de hat­ten an dem Abend Alko­hol und Kokain konsumiert. 

Die Vor­sitzende Rich­terin Gisela Thaeren-Daig nan­nte die Verurteil­ten “im
Wesentlichen intel­li­gente, sozial angepasste, von ihren Fam­i­lien geliebte
Men­schen”. Sie passten nicht in das Bild dumpfer rechter Schläger und hätten
nach dem Ver­brechen gehofft, dass “die Glatzen” ver­ant­wortlich gemacht
wür­den. Die Täter hat­ten sich selb­st als “Tech­no-Clique” beschrieben und
nicht als Teil der recht­sex­tremen Szene, die in Witt­stock von der NPD
dominiert wird. 

Rich­terin Thaeren-Daig sagte, Frem­den­hass liege nicht in dem Sinne vor, dass
niedrige Beweg­gründe berück­sichtigt wer­den müssten. Allerd­ings schwinge bei
der Tat “dif­fuse Frem­den­feindlichkeit” mit. So hät­ten es die Täter “als
Unver­schämtheit emp­fun­den”, dass “aus­gerech­net die Frem­den” sie nach
Zigaret­ten gefragt hätten. 

F. hat­te sein Opfer min­destens zehn Mal hart getreten und gerufen: “Bleib
endlich liegen, Scheiß-Russe”. Im Prozess hat­te er aus­ge­sagt, dies sei
“nicht aus­län­der­feindlich gewe­sen, ich kan­nte ja seinen Namen nicht”. Der
Angeklagte Ralf A. soll, als er auf dem von ihm ver­prügel­ten Batesov saß,
auf ihn gezeigt und etwas über “unser Land” gesagt haben. Der Angeklagte
Mike S., auf dessen beschlagnahmtem Handy die Polizei im Jahr 2001 ein
Hak­enkreuz-Sym­bol fand, hat­te seine Gesin­nung als “nor­mal” beschrieben.
“Dass ich niemals rechts war, will ich nicht sagen”, gab er zu. 

Zehn Jahre Haft für Feld­stein-Attacke auf Aussiedler

Gericht in Neu­rup­pin ver­hängt hohe Strafen gegen weit­ere vier Tatbeteiligte

Die Nacht zum 4. Mai 2002 wird Wern­er Back­haus nicht vergessen. Der Mann aus
Alt Daber bei Witt­stock wurde durch Schreie aus dem Schlaf geris­sen, schaute
aus dem Fen­ster und wurde so zum Zeu­gen der bru­tal­en Tötung eines
24-jähri­gen Rus­s­land­deutschen — mit einem fast 18 Kilo­gramm schweren
Feldstein.

Gestern Vor­mit­tag ver­hängte das Landgericht Neu­rup­pin hohe Freiheitsstrafen
gegen die Haupt­beteiligten der grässlichen Tat. “Herr Back­haus sah den
Steinew­er­fer, seine Beschrei­bung passte let­ztlich nur auf einen — den
23-jähri­gen Haupt­täter”, sagte Rich­terin Gisela Thaeren-Daig in der
Urteils­be­grün­dung. Dieser muss jet­zt wegen Totschlags und gefährlicher
Kör­per­ver­let­zung für zehn Jahre hin­ter Gitter.

Seine bei­den Haup­tkom­plizen im Alter von 22 und 21 Jahren sollen sieben und
sechs Jahre Haft wegen Totschlags beziehungsweise gefährlicher
Kör­per­ver­let­zung ver­büßen; ein 20-Jähriger kam wegen seines damaligen
Voll­rausches mit zweiein­halb Jahren Frei­heitsstrafe davon, ein Fün­fter wegen
ger­ingfügiger Tat­beteili­gung mit einem Jahr Haft auf Bewährung.
Der gesamte Prozess, der seit Jan­u­ar vor dem Landgericht Neu­rup­pin lief,
glich einem riesi­gen Puz­zle. “Eine Gruppe Ein­heimis­ch­er ging aus nichtigem
Anlass auf Aussiedler los — aber kein­er will etwas gese­hen haben”, beschrieb
es die Rich­terin. Der Angriff der Über­ma­cht “aus Imponierge­habe und
Hem­mungslosigkeit nach Alko­hol und Dro­gen” begann mit Schlä­gen und Tritten
und gipfelte darin, dass ein 17,7 Kilo­gramm schw­er­er Feld­stein auf beide
Opfer gewor­fen wurde. Obwohl viele Dis­co-Besuch­er vor dem Lokal stehen,
greift kein­er ein.

Schon kurz nach dem Vor­fall sei den Schlägern offen­bar klar gewor­den, was
sie getan haben, ver­mutet Thaeren-Daig. So kom­men vor Gericht heimliche
Absprachen ans Licht. Und obwohl es ein Großteil der 50 Zeu­gen nicht so
genau mit der Wahrheit zu nehmen scheint, wen­det sich das Blatt.
Denn kurz vor dem Ende des Prozess­es bezichtigt der bisherige
Hauptverdächtige — ein 21-jähriger Mau­r­erlehrling — seinen 23-jährigen
Fre­und als den Steinew­er­fer. “Das hast Du mir doch erzählt”, sagt er ihm im
Gerichtssaal auf den Kopf zu. 

Hohe Strafen im Prozess um Aussiedler-Tod

Bis zu zehn Jahre für junge Män­ner, die Kajrat Batesov nach der Disko
totschlu­gen / Vertei­di­ger will Urteil anfechten

(Tagesspiegel) Neu­rup­pin. Mit teils harten, teils milden Strafen hat das Landgericht
Neu­rup­pin den gewalt­samen Tod des Aussiedlers Kajrat Batesov und die
Mis­shand­lung seines Fre­un­des Max­im Karta­gusov geah­n­det. Der Haupttäter
Patrick Sch. erhielt zehn Jahre Haft wegen Totschlags, ver­sucht­en Totschlags
und zwei weit­er­er Delik­te. Sch. (23) hat­te während der Prügelorgie in der
Nacht zum 4. Mai 2002 vor einem Witt­stock­er Tan­zlokal einen fast 18
Kilo­gramm schw­eren Feld­stein auf die Aussiedler gewor­fen. Der 24-jährige
Batesov starb knapp drei Wochen später im Kranken­haus Pritzwalk an inneren
Verletzungen. 

Den Angeklagten Ralf A. verurteilte die Jugend­kam­mer unter Vor­sitz von
Rich­terin Gisela Thaeren-Daig zu sieben Jahren Haft. Der 22-jährige A. hatte
auf Batesov gesessen und ihm mit bei­den Fäusten ins Gesicht geschlagen.

Marko F. (21), den die Staat­san­waltschaft ursprünglich für den Steinwerfer
hielt und der vor der Tat mit Patrick Sch. Kokain kon­sum­iert hat­te, muss für
seine Schläge und Tritte sechs Jahre hin­ter Git­ter. Der zur Tatzeit
betrunk­ene Mike Sch., der auf Max­im Karta­gusov einge­treten hat­te, wurde
wegen vorsät­zlichen Voll­rauschs zu zweiein­halb Jahren verurteilt. Die Kammer
hob jedoch den Haft­be­fehl auf, Sch. kon­nte den Saal als freier Mann
ver­lassen. Der fün­fte Angeklagte, Michael H., bekam mit einem Jahr auf
Bewährung. Er hat­te ver­sucht, Max­im Karta­gusov einen Faustschlag zu
versetzen. 

Aufgewühlt und offen­bar nicht ein­ver­standen ver­nah­men die Mut­ter und der
Brud­er von Kajrat Batesov sowie Max­im Karta­gusov das Urteil. Die drei
woll­ten sich aber n
icht äußern. Ihre Anwältin­nen hat­ten auf Mord plädiert
und den Angeklagten ein ras­sis­tis­ches Motiv vorge­wor­fen. Die Jugendkammer
kon­nte jedoch bei der Tat nur eine dif­fuse, unter­schwellig mitschwingende
Frem­den­feindlichkeit erken­nen. Die Angeklagten hät­ten wegen einer
ver­meintlichen Unver­schämtheit der bei­den Aussiedler gemeint, sie müssten
“das eigene Revi­er verteidigen”. 

Batesov und Karta­gusov sollen nach dem Ende ein­er Tech­no-Disko in dem
Witt­stock­er Lokal die Täter­clique um Zigaret­ten gebeten haben. Thaeren-Daig
hielt den Angeklagten “Alko­holisierung, Selb­stüber­schätzung und
Imponierge­habe” vor. Scharfe Kri­tik äußerte die Rich­terin auch an den vielen
jun­gen Zeu­gen, die mit den fünf Tätern befre­un­det sind und sie mit falschen
Angaben ent­las­ten woll­ten. Das Ver­hal­ten dieser “lügen­den Mit­täter” sei
“gewis­sen­los, ver­ant­wor­tungs­los und feige”. Die Kam­mer habe aber den­noch den
Tat­ablauf aufk­lären kön­nen. Gegen 14 Zeu­gen ermit­telt die
Staat­san­waltschaft — wegen Falschaussage. 

In seinem Plä­doy­er hat­te Staat­san­walt Kai Clement härtere Strafen gefordert,
aber auf eine Revi­sion wird er ver­mut­lich trotz­dem verzicht­en. Der
Vertei­di­ger von Patrick Sch., der Freis­pruch gefordert hat­te, will das
Urteil anfecht­en. Die gegen Sch. ver­hängten zehn Jahre Haft wer­den sich noch
ver­längern, da der Schläger wegen eines anderen Delik­ts eine Strafe von 14
Monat­en offen hat. Die Haft war zur Bewährung aus­ge­set­zt, sie wird nun
widerrufen. 

Abwe­ichend von der üblichen Prax­is ließ die Jugend­kam­mer im Fall zweier
Angeklagter, die zur Tatzeit noch keine 21 Jahre alt waren, nicht das
Jugend­strafrecht gel­ten. Marko F. und Mike Sch. hät­ten wed­er jugendtypisches
Fehlver­hal­ten gezeigt, noch seien Entwick­lungsrück­stände zu erkennen. 

Kalter Frem­den­hass

Das war ein erschreck­ender Prozess, nicht nur wegen der Bru­tal­ität der
Täter. In dem Ver­fahren zum Tod des Aussiedlers Kajrat Batesov haben viele
junge Zeu­gen vor dem Landgericht Neu­rup­pin bewusst falsch aus­ge­sagt — und
damit das Opfer, seine Ange­höri­gen und den auch in der Tat­nacht verprügelten
Max­im Karta­gusov ver­höh­nt. Es rührte die Fre­unde der Angeklagten nicht, dass
Batesovs Mut­ter weinend schilderte, wie sie und ihre Fam­i­lie leiden.
Kaltschnäuzig logen die Zeu­gen, um die Angeklagten vor der Strafe zu
schützen. Das Erschreck­en nimmt noch zu, schaut man sich die Zeu­gen genauer
an: Es sind keine Neon­azis, son­dern unpoli­tisch wirk­ende Tech­no-Fans. Doch
reichte ihre Ver­ach­tung für die “Russen” aus, um vor Gericht verstockt
aufzutreten wie die Anhänger ein­er Polit­sek­te. So haben die jun­gen Zeugen
demon­stri­ert, woran Bran­den­burg auch 13 Jahre nach der Wende noch immer
lei­det: am ganz nor­malen, chro­nis­chen Fremdenhass. 

Dif­fuse Frem­den­feindlichkeit” verurteilt

Hohe Haft­strafen für fünf junge Män­ner, die einen Rus­s­land­deutschen mit
einem großen Feld­stein töteten

WITTSTOCK taz Witt­stocks Bürg­er­meis­ter Lutz Schei­de­mann (FDP) zeigte sich
am Tag der Urteilsverkün­dung im Prozess um den gewalt­samen Tod des
24-jähri­gen Rus­s­land­deutschen Kajrat B. erle­ichtert. Witt­stock sei “nicht
rechter als andere Städte in Bran­den­burg”, verkün­dete der Bürgermeister
flugs im Radio. Es sollte beruhi­gend klingen.
Schon vor Prozessende hat­te Schei­de­mann hohe Haft­strafen für die fünf
Angeklagten gefordert, die gestern im Landgericht Neu­rup­pin das Urteil
regungs­los und mit gesenk­ten Köpfen ent­ge­gen­nah­men. An der Real­ität in
sein­er Stadt ändert das wenig.
Zehn Jahre Haft wegen Totschlags und gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung, sieben
und sechs Jahren Haft wegen Totschlags beziehungsweise gefährlicher
Kör­per­ver­let­zung, zweiein­halb Jahre Haft wegen Mis­shand­lun­gen: so endete ein
Prozess gegen fünf junge Tech­no­fans, den Rich­terin Gisela Thaeren-Daig als
“Puz­zle” bezeichnete.

Ein Großteil der über 50 Zeu­gen ver­suchte, die Angeklagten zu schützen. “Die
Män­ner passen nicht ins Bild bru­taler rechter Schläger, aber eine diffuse
Frem­den­feindlichkeit schwang die ganze Zeit unter­schwellig mit”, beschrieb
sie das Ergeb­nis ein­er schwieri­gen Motiv­suche. Eine expliz­it rechtsextreme
Moti­va­tion verneinte das Gericht.

Dominique John vom Pots­damer Vere­in “Opfer­per­spek­tive”, der die
Hin­terbliebe­nen von Kajrat B. unter­stützt, spricht von “fließen­den
Übergän­gen” zwis­chen der organ­isierten Glatzen­szene in Witt­stock und der
Tech­noszene, der sich die fünf Angeklagten und ihre Fre­unde zugehörig
fühlen. “Die Dress­codes und die Musik unter­schei­den sich”, so John.
Ras­sis­tis­che und frem­den­feindliche Ide­olo­giefrag­mente seien inzwischen
jedoch Bestandteil ein­er jugendlichen All­t­agskul­tur, die weit über die
organ­isierte rechte Szene hin­aus­re­iche. John ver­weist auf Zeu­gen im Prozess,
die von mehreren Prügeleien während der Tech­nover­anstal­tung berichteten, an
deren Ende Kajrat B. tödlich ver­let­zt wurde. “Alle anderen Stre­ite wurden
let­z­tendlich geschlichtet. Doch als auf die am Boden liegenden
Rus­s­land­deutschen eingeschla­gen und einge­treten wurde, schritt nie­mand ein”,
so John. Beobach­tun­gen, die von der Polizeis­ta­tis­tik gestützt wer­den. Auf
einen 40-prozenti­gen Anstieg rechter Straftat­en in der Region im Jahr 2001
reagierte das Pots­damer Innen­min­is­teri­um mit der Entsendung einer
Son­derkom­mis­sion “Täteror­i­en­tierte Maß­nah­men gegen extrem­istis­che Gewalt” -
der siebten im Land.
Die Ange­höri­gen von Kajrat B. sind offen­bar nicht davon überzeugt, dass ihre
Sicher­heit in Witt­stock gewährleis­tet ist. Rais­sa B., Mut­ter des getöteten
Kajrat B., und ihr jün­ger­er Sohn, haben Witt­stock ver­lassen und leben nun in
Baden-Würt­tem­berg. Andere Opfer ras­sis­tis­ch­er Gewalt gin­gen vor ihnen. Eine
rus­s­land­deutsche Fam­i­lie zog nach einem schw­eren Angriff auf zwei Söhne ins
nahe Neu­rup­pin. Auch der 19-jährige afrodeutsche Manuel G., der im Mai 2001
in der Woh­nung eines Fre­un­des von einem Dutzend Neon­azis über­fall­en wurde
und sich nur durch einen Sprung vom Balkon ret­ten kon­nte, hat Wittstock
ver­lassen. Kurz nach dem Angriff auf Manuel hat­te sich ein Wittstocker
Bünd­nis für Tol­er­anz gegrün­det. Dessen Ziel, den Exo­dus all der­er, die nicht
ins rechte Welt­bild passen, aus Witt­stock zu stop­pen, wird noch einiges an
Engage­ment erfordern. Der Vere­in “Opfer­per­spek­tive” bit­tet der­weil um
Spenden für einen Grab­stein für den 24-jährin­gen Vater eines Kleinkinds.

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Sonstiges

Wittstock-Prozess: Keiner will den Stein geworfen haben


NEURUPPIN
TAZ — Im Prozess um den Tod des 24-jähri­gen Rus­s­land­deutschen Kajrat B. wird heute im Landgericht Neu­rup­pin das Urteil gesprochen. Der junge Spä­taussiedler und Vater eines Kleinkinds war im Mai 2002 von ein­er Gruppe junger Män­ner im Anschluss an eine Tech­no-Ver­anstal­tung im bran­den­bur­gis­chen Witt­stock zunächst bru­tal geschla­gen und getreten wor­den. Tödliche Ver­let­zun­gen erlitt Kajrat B., als er wehr­los am Boden lag und ein mehr als 17 Kilo­gramm schw­er­er Feld­stein auf seinen Oberkör­p­er gewor­fen wurde. Kajrat B. starb drei Wochen später im Kranken­haus; sein jün­ger­er Begleit­er Max­im K. über­lebte schw­er verletzt.
Wegen Totschlags hat die Staat­san­waltschaft für drei von fünf Angeklagten — einen 21-jähri­gen Mau­r­erlehrling, seinen 22-jähri­gen Fre­und und einen vorbe­straften 23-Jähri­gen — Haft­strafen von acht, neun und zwölf Jahren gefordert. Bei zwei weit­eren Angeklagten sieht Staat­san­walt Kay Clement lediglich den Tatbe­stand der Kör­per­ver­let­zung und fordert vier Jahre Haft bzw. eine Bewährungsstrafe. Die Vertei­di­ger plädierten für niedrige Strafen. Der Vertei­di­ger des 23-jähri­gen Patrick Sch. forderte einen Freis­pruch, sein Man­dant habe “aus Notwehr geschla­gen”. Patrick Sch. soll nach Ansicht der Staat­san­waltschaft den tödlichen Feld­stein gewor­fen haben. 

Mehr als 50 Zeu­gen hat das Gericht in den ver­gan­genen zwei Monat­en gehört. Drei Fra­gen standen dabei im Mit­telpunkt: Wer warf den tödlichen Stein? Wie kam es zu der Auseinan­der­set­zung zwis­chen den bei­den jun­gen Rus­s­land­deutschen, die zufäl­lig in die Gast­stätte ger­at­en waren, und der Gruppe befre­un­de­ter Witt­stock­er? Und welche Rolle spiel­ten Frem­den­feindlichkeit und Rassismus? 

Die Suche nach Antworten war müh­sam: Man habe vor ein­er “engen Mauer des Schweigens” ges­tanden, sagen Staat­san­walt Clemens und Neben­klagev­ertreterin Undine Wey­ers. Die Recht­san­wältin, die Kajrat B.s Mut­ter ver­tritt, weist darauf hin, dass min­destens zwanzig junge Män­ner und Frauen zusa­hen, als die bei­den Rus­s­land­deutschen attack­iert wur­den. Nie­mand sei eingeschrit­ten. Der Schul­ter­schluss mit den Män­nern, die auf den wehr­los am Boden liegen­den Kajrat B. und Max­im K. ein­trat­en, set­zte sich im Gerichtssaal fort. Die meis­ten Zeu­gen macht­en wider­sprüch­liche und unge­naue Angaben zu Tather­gang und Beteiligten. Zwei Män­ner ließ die Staat­san­waltschaft wegen mut­maßlich­er Falschaus­sagen im Gerichtssaal ver­haften, ins­ge­samt sind deshalb mehr als 12 Ermit­tlungsver­fahren anhängig. 

Neben­klägerin Wey­ers ist überzeugt, dass dem tödlichen Angriff ein frem­den­feindlich­es Motiv zugrunde liegt. Sie wertet die Tat als Mord. “Ein laten­ter, tief ver­wurzel­ter Ras­sis­mus” habe dazu geführt, dass im Ver­lauf des Diskoabends mehrere andere Auseinan­der­set­zun­gen unter ein­heimis­chen Jugendlichen unblutig been­det wur­den, während die Angreifer bei Kajrat B. und Max­im K. — im Wis­sen um deren Herkun­ft als Rus­s­land­deutsche — hem­mungs­los zuschlu­gen und zutrat­en. Die Recht­san­wältin ver­weist auf eine Zeu­ge­naus­sage, wonach in der Disko verabre­det wor­den sei, die “Russen” beim Ver­lassen der Gast­stätte anzu­greifen. Auch die Polizei trage eine Mitver­ant­wor­tung für die schwieri­gen Aus­gangs­be­din­gun­gen des Prozess­es. Die Beamten hat­ten es unter anderem ver­säumt, am Tatort die Per­son­alien der dort noch herum­ste­hen­den Gruppe von rund zwei Dutzend jun­gen Män­nern und Frauen aufzunehmen. Kein­er der fünf Angeklagten hat sich im Prozess zu dem tödlichen Stein­wurf bekan­nt. Eingeräumt wur­den lediglich Tritte und Faustschläge. Ein frem­den­feindlich­es Motiv, von dem die Ermit­tlungs­be­hör­den lange Zeit aus­ge­gan­gen waren, sieht Staat­san­walt Kay Clement jedoch inzwis­chen nicht mehr. Er glaubt den Angeklagten. Die hat­ten erk­lärt, sie seien von Kajrat B. und Max­im K. um Zigaret­ten gebeten wor­den. Das habe sie “gen­ervt” und “provoziert” — und deshalb hät­ten sie zugeschlagen. 

BZ — Eine Stadt deckt einen Mörder

Viele standen dabei, als Kajrat zu Tode geprügelt wurde — aber kein­er will etwas gese­hen haben

WITTSTOCK. Die Mauer ste­ht. Bis zur let­zten Minute. Es ist eine Mauer des Schweigens, die nicht durch­brochen wer­den kon­nte während der vie­len Prozesstage. Sie haben ange­blich nichts gese­hen und nichts gehört und wollen nun auch nichts sagen im Saal des Landgerichts Neu­rup­pin — die vie­len Fre­unde der Angeklagten. Es geht nicht um eine Jugend­sünde, es geht um den Tod eines Men­schen. Den Tod des 24-jähri­gen Spä­taussiedlers Kajrat Batesov. 

Und doch bleibt die Wahrheit trotz der Schwere der Tat unaus­ge­sprochen. In Witt­stock will kein­er aus der Clique als Buh­mann daste­hen, hat eine junge Frau dem Gericht das Schweigen der Zeu­gen erk­lärt. “Witt­stock ist ein kleines Dorf, da ist man schnell unten durch, wenn man die Klappe aufmacht.” 

Sie hock­en son­nen­stu­dio­gebräunt auf der Zeu­gen­bank, waren dabei, als in Witt­stock ein Men­sch erschla­gen wurde, und schweigen dazu. Sie sitzen danach unter den Zuschauern und machen dort den Mund auf. “Scheiße labern”, ist zu hören. Oder “Blödsinn”. Es sind Kom­mentare zu den Fra­gen und Anträ­gen der Recht­san­wältin von Rais­sa Bateso­va. Sie ist die Mut­ter von Kajrat, dem vor zehn Monat­en vor ein­er Witt­stock­er Diskothek ein Feld­stein auf die Brust geschleud­ert wurde. Da lag Batesov schon längst am Boden — bewusst­los von etlichen Trit­ten und Schlä­gen. “In dem Moment, wo man einen solchen Stein auf einen Wehrlosen schmeißt, da will man ver­nicht­en, einen Men­schen zertreten wie eine Ameise”, sagt Frau Bateso­vas Anwältin, Undine Wey­ers. Für sie gibt es kaum Zweifel, dass bei der Tat niedere Beweg­gründe eine Rolle gespielt haben. Tötung aus niederem Beweg­grund ist eines der Merk­male für Mord. 

Die fünf jun­gen Män­ner auf der Anklage­bank, für die der Staat­san­walt Haft­strafen von vier bis zwölf Jahren fordert und deren Vertei­di­ger fast durch­weg Freis­pruch ver­lan­gen, müssen sich aber nicht wegen Mordes ver­ant­worten. Dafür fehlt dem Staat­san­walt das frem­den­feindliche Motiv. “Man hat bei den Woh­nungs­durch­suchun­gen wed­er eine CD mit rechtem Liedgut noch irgendwelche Het­zschriften gefun­den”, begrün­det Staat­san­walt Kai Clement seine Auf­fas­sung. Daher lautet der Tatvor­wurf gemein­schaftlich­er Totschlag. 

Kajrat musste ster­ben, weil er in den Augen der Angeklagten ein Russe, also min­der­w­er­tig, war, sagt Recht­san­wältin Wey­ers. Sie lässt auch nicht die Auf­fas­sung der Vertei­di­ger der 20 bis 23 Jahre Beschuldigten gel­ten, die Angeklagten wären schon vor der Schlägerei mit dem Rus­s­land­deutschen gegen andere Diskobe­such­er aggres­siv gewe­sen — gegen Deutsche. “Ja, es gab zuvor schon Auseinan­der­set­zun­gen mit anderen”, sagt die Anwältin von Kajrats Mut­ter. Doch da sei stets jemand dazwis­chenge­gan­gen. Das habe bei Kajrat offen­bar nie­mand für notwendig erachtet. “Eben weil er ja nur ein Russe war und weil er und sein Fre­und nach Ansicht der Angeklagten als Fremde in der Disko nichts zu suchen hat­ten”, sagt Wey­ers. In der Kle­in­stadt werde jed­er Fremde mit Mis­strauen beäugt. So ist das nun mal in Witt­stock, ver­sucht ein Vertei­di­ger einzu­lenken. Erst kurz vor den Plä­doy­ers hat sich Marko F. dazu entschlossen, das Schweigen zu dem 17 Kilo­gramm schw­eren Stein zu brechen, den bis dahin kein­er der Angeklagten gese­hen, geschweige denn in der Hand gehal­ten haben will. F. ist der Angeklagte, der bis zu sein­er Aus­sage vom Staat­san­walt für den Steinew­er­fer gehal­ten wurde. “Es stimmt wirk­lich, was ich jet­zt sage”, beteuert der 21-Jährige. Nicht er habe den Stein auf den Rus­s­land­deutschen geschmis­sen. “Patrick war es, er hat es mir erzählt”, sagt Marko F. und zeigt auf den Fre­und, der neben ihm auf der Anklage­bank sitzt. 

“Jed­er weiß Bescheid” 

Patrick Sch. stand zum Zeit­punkt der Tat wegen ein­er anderen Gewalt­tat noch unter Bewährung. Er habe nicht zum Ver­räter wer­den wollen, sagt Marko F. Er habe immer geglaubt, sein Fre­und selb­st mache den Mund auf oder ein­er der vie­len Zeu­gen. “Denn viele haben es gese­hen, da bin ich mir hun­dert­prozentig sich­er”, sagt F. In Witt­stock wisse doch mit­tler­weile jed­er Bescheid. Doch der Domi­no-Effekt sein­er Aus­sage bleibt aus. Kein Zeuge vom Tatort beken­nt sich dazu, den tödlichen Wurf beobachtet zu haben. Kein­er der übri­gen Angeklagten kippt um. Patrick Sch. schweigt. Er lässt lediglich über seinen Anwalt mit­teilen, das wäre alles Quatsch. 

“Es kann ein­fach nicht sein, wie uns hier eine ganze Stadt wie gedruckt belügt und auf der Nase herum­tanzt.” Undine Wey­ers sagt das, nach­dem mehr als 50 Zeu­gen gehört wur­den. Auch Staat­san­walt Kai Clement ist, auch wenn er es so krass nicht for­muliert, wohl der gle­ichen Ansicht. Er hat eine Rei­he der Diskobe­such­er kurz nach ihrer Zeu­ge­naus­sage noch im Gerichtssaal fes­t­nehmen lassen. 

Dreizehn Ermit­tlungsver­fahren hat er in der kurzen Zeit wegen Falschaus­sage und Strafvere­it­elung ein­geleit­et. “Noch nicht dabei sind die Ver­fahren wegen unter­lassen­er Hil­feleis­tung”, sagt er. 

Alle Angeklagten haben Schläge oder Tritte gegen Kajrat Batesov eingeräumt. Nicht aber die Sache mit dem Stein. Wäre der Stein nicht bei Gericht gezeigt wor­den, man hätte meinen kön­nen, es habe ihn nie gegeben, sagt Undine Wey­ers. Doch es gibt ihn, den einen, glaub­haften Augen­zeu­gen: ein Revier­förster, der neben der Diskothek wohnt, und der im Licht ein­er Straßen­later­ne von seinem Schlafz­im­mer­fen­ster aus voller Entset­zen sah, wie ein­er diesen “Riesen­stein über den Kopf hob” und dann auf einen leblosen Men­schen mit voller Wucht fall­en ließ. Min­destens zehn andere Jugendliche standen in unmit­tel­bar­er Nähe, sagt er.
Die Aus­sage des Försters hat das Schweigen nicht brechen kön­nen, nicht das Geständ­nis von Marko F., eben­so wenig wie die Fes­t­nah­men im Gerichtssaal und der Appell von Kajrats Mut­ter. “Sagt die Wahrheit über das, was gewe­sen ist. Ich möchte, dass eure Müt­ter nie so etwas wie ich durch­machen müssen”, hat
Rais­sa Bateso­va die Angeklagten ange­fle­ht. Umson­st. In dem Indizien­prozess wird am Mon­tag das Urteil gesprochen.

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Demo am 21.3. in Potsdam: Nie wieder Krieg — nie wieder Preußen — nie wieder Faschismus:

Nie wieder Krieg — nie wieder Preußen — nie wieder Faschis­mus: Gegen den Wieder­auf­bau der Pots­damer Garnisonkirche!

Aufruf zur Demon­stra­tion am 21.03.2003

16.30 Uhr Pots­dam, Denkmal für den Unbekan­nten Deser­teur am Platz der Einheit

Die Gar­nisonkirche in Pots­dam war Zeit ihrer Exis­tenz weniger eine harm­lose Stätte des Glaubens als vielmehr ein Ort staatlich­er Diszi­plin­ierung und Raum poli­tis­ch­er Insze­nierun­gen. Errichtet wurde sie auf Ver­an­las­sung des preußis­chen Königs Friedrich Wil­helm I. zu dem Zweck, „eine Ver­samm­lung­shalle für die geistig-moralis­che Züch­ti­gung der ‚Riesenker­le’“ zu sein. In der Fol­gezeit diente das Haus zunehmend als Ausstel­lung­shalle für die in ver­schiede­nen Kriegen erbeuteten Trophäen. Fah­nen und Stan­darten der Besiegten aus dem 2. Schle­sis­chen Krieg, später aus den Napoleonis­chen Kriegen und noch viel später, in Wil­helminis­ch­er Zeit, aus dem, nun gesamt-großdeutsch errun­genen Sieg über Frankre­ich, wur­den im Altar­raum zur Schau gestellt, um aller Welt die mil­itärische Macht­fülle und den Herrschaft­sanspruch des Preußen­tums zu demon­stri­eren. In der Gar­nisonkirche wur­den die großen Sieges­feiern, beispiel­sweise nach dem siegre­ichen Dänen­feldzug 1864 gefeiert, und mit dem Glock­en­geläut der Gar­nisonkirche wur­den Sol­dat­en in den Krieg, z. B. in den Ersten Weltkrieg, geschickt. 

Doch nicht allein diese mil­i­taris­tis­che Tra­di­tion machte Preußen so kom­pat­i­bel für die Nazipro­pa­gan­da. Der Obrigkeitsstaat Preußen bedurfte jen­er unkri­tis­chen Ein­stel­lung sein­er Bürg­erIn­nen, die uns heute als „preußis­che Sekundär­tu­gen­den“ bekan­nt ist. Die Iden­ti­fika­tion mit dem Staat und sein­er Macht war in Preußen sowohl im Adel, wie im Heer der Beamten oder dem sozialdemokratis­chen Teil der Arbeit­er­schaft beson­ders aus­geprägt. Der Ruf nach einem starken Staat (Ruhe und Ord­nung), nach Verzicht im Inter­esse aller (Genügsamkeit) und nach Selb­st­diszi­plin­ierung (Fleiß und Pünk­tlichkeit) sind nicht erst heute auch die poli­tis­chen Marken­ze­ichen poten­tieller FaschistIn­nen. Schon Goethe kon­sta­tierte lange vor dem Nation­al­sozial­is­mus: „Vor die Wahl gestellt zwis­chen Unrecht und Unord­nung, entschei­det sich der Deutsche für das Unrecht“. Dann entsch­ieden sich die Nation­alkon­ser­v­a­tiv­en, die Preußen, die Deutschen gegen die Unord­nung und für das Unrecht. Am Tag von Pots­dam reicht­en sie Hitler nicht nur sym­bol­isch die Hand. 

Auch für den preußis­chen Unter­ta­nengeist und die preußis­chen Tugen­den stand die Gar­nisonkirche als Sym­bol. Lange bim­melte sie „Üb immer Treu und Redlichkeit“ vom Kirch­turm über die Stadt und beschwor die soge­nan­nten preußis­chen Tugen­den. Später klang „Üb immer Treu und Redlichkeit“ als Erken­nungsmelodie aus den Volk­sempfängern, wenn die Nazis ihre Erfol­gsmeldun­gen von der Front an die treuen und redlichen Unter­ta­nen ver­melde­ten. Nicht umson­st stellt Oskar Lafontaine fest, daß die preußis­chen Sekundär­tu­gen­den jene Eigen­schaften sind, mit denen man eben­so gut ein Konzen­tra­tionslager betreiben kann. 

Es war daher kein „Miss­brauch“ der Gar­nisonkirche, als die Nazis beschlossen, ger­ade hier die Über­gabe der poli­tis­chen Macht an sie zu insze­nieren, son­dern es lag in der Logik der Tra­di­tion dieses Haus­es, die nicht von den Nation­al­sozial­is­ten erfun­den wurde. Adolf Hitler äußerte 1933, nach dem, von den Nazis möglicher­weise selb­st gelegten, Reich­stags­brand: „Es gibt kein höheres Sym­bol, als daß nach dem Ver­brechen im Reich­stag jet­zt die nationale Regierung nach Pots­dam geht, um an der Bahre des großen, unsterblichen Königs in der Gar­nisonkirche das neue Werk des deutschen Wieder­auf­baus zu beginnen.“ 

Hitler kon­nte also von einem bere­its existieren­den Sym­bol­ge­halt der Gar­nisonkirche aus­ge­hen, der sich für eine öffentlichkeitswirk­same, die nation­al­sozial­is­tis­che Herrschaft legit­imierende Zer­e­monie außeror­dentlich gut eignete. Diesen Sym­bol­ge­halt hat­te und hat die Gar­nisonkirche, für alte wie für neue Nazis! Es wäre naiv, das zu leug­nen. Die in dem Vere­in zum Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche namens „Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft Pots­damer Glock­en­spiel“ zusam­mengeschlosse­nen Leute sind jedoch nicht naiv. Vielmehr liegt der Ver­dacht nahe, dass sie genau in der Tra­di­tion ste­hen, die zu dem Händ­e­druck Hin­den­burgs und Hitlers am 21. März 1933 in der Gar­nisonkirche führte und dass sie mit der Wieder­rich­tung der Kirche auch das Sym­bol für diese Tra­di­tion wieder­erricht­en wollen. Der Vor­sitzende der Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft , Ex-Oberst Max Klaar, forderte 1989 in einem Rund­brief die Wieder­her­stel­lung Deutsch­lands in den Gren­zen von 1937. Die Inschriften der Glock­en des Glock­en­spiels sind ein Sam­mel­suri­um der Namen von Fallschir­mjäger-batail­lio­nen der Bun­deswehr, preußis­chen Prinzen und Infan­teriereg­i­mentern, den zehn Geboten, reak­tionären Sol­daten­vere­inen und ver­lore­nen Ost­ge­bi­eten. Nur let­ztere Inschriften wur­den bei der Auf­stel­lung des Glock­en­spiels in Pots­dam entfernt. 

Nach­dem die Ev. Kirche dank des Engage­ments des ehe­ma­li­gen Pfar­rers der Heilig-Kreuz-Gemeinde Uwe Dittmer jahre­lang den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche kat­e­gorisch abgelehnt hat­te, bröck­elte der Wider­stand seit Ende der 90er Jahre immer weit­er. Auch die Ver­suche der Kirche, den Wieder­auf­bau inhaltlich zu dominieren, sind längst im Sande ver­laufen. Inzwis­chen geben die „Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft Pots­damer Glock­en­spiel“ und die Stiftung Preußis­ches Kul­turerbe, deren Schirmherr ein gewiss­er Jörg Schön­bohm ist, dank der bere­its gesam­melten Mil­lio­nen den Ton an. 

Längst zeich­net sich die Aufwe­ichung des von der Pots­damer Syn­ode der evan­ge­lis­chen Kirche als „Kom­pro­miss“ beze­ich­neten Konzepts ab, das den Wieder­auf­bau des Gar­nisonkirch­turms mit dem Nagelkreuz auf der Turm­spitze und die Nutzung zu einem von der Kirche durch eine eigene Stiftung betriebe­nen Ver­söh­nungszen­trums vor­sieht. Inzwis­chen hat die Kirche bere­its sig­nal­isiert, auch auf das ohne­hin nur als Ali­bi auf der Kirch­turm­spitze vorge­se­hene Nagelkreuz von Coven­try zu verzicht­en. Der evan­ge­lis­che Hil­fsvere­in hat an die eigens für die Gar­nisonkirche gegrün­dete kirch­liche Stiftung 100.000 ? gespendet und gle­ichzeit­ig die finanzielle Beteili­gung von Stadt und Land für das Wieder­auf­baupro­jekt gefordert. Bei den Pla­nun­gen für den Auf­bau des Stadtschloss­es war die Stadtver­wal­tung vor Jahren mit dem Ver­sprechen ange­treten, den Auf­bau auss­chließlich aus Spenden zu finanzieren. 

Darüber spricht inzwis­chen nie­mand mehr. Vielmehr wird inzwis­chen die Nutzung als Land­tag und die voll­ständi­ge Finanzierung aus öffentlichen Geldern favorisiert. Erste kom­mu­nale Mit­tel sollen 2003 in Mil­lio­nen­höhe aufgewen­det wer­den, um den Stadtschloß­grun­driß freizule­gen, d.h. eine sinnlose Straße über den Alten Markt zu bauen. 

Die Mis­chung aus hemd­särm­liger Infan­til­ität und revan­chis­tis­chem Kalkül mit der Tra­di­tionsvere­ine, Prov­inzpoli­tik­er und Kirchen­vertreter im Chor nach Iden­tität rufen, ist eben­so lächer­lich wie gefährlich. Wie auch die von bemerkenswert­er Unken­nt­nis und heftigem Wider­stand gegen geschichtliche Bin­sen­weisheit­en geprägte Debat­te um die Ehren­bürg­er­schaft für Hitler und Hin­den­burg zeigt, ver­suchen die Wieder­auf­baube­für­worter nicht nur architek­tonisch, son­dern auch his­torisch aus­gerech­net bei den reak­tionären preußis­chen Tra­di­tion­slin­ien Pots­dams anzuknüpfen, die schon die Nazis tre­f­flich zum Auf­bau des Drit­ten Reich­es nutzen kon­nten. Um den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche nicht zu gefährden, wird ihr Sym­bol­ge­halt auf den Tag von Pots­dam reduziert und der Akt des sym­bol­is­chen Schulterschluss
es zwis­chen dem Deutschna­tionalen Hin­den­burg und dem Faschis­ten Hitler zudem allen Ern­stes durch Prof. Sabrow als let­zter Wider­stand­sakt Preußens gegen Hitlers Machtüber­nahme umgedeutet oder der ange­blichen Senil­ität des 85 jähri­gen Hin­den­burg zugeschrieben. 

Die Pots­damer Gar­nisonkirche war bere­its lange vor dem Tag von Pots­dam am 21. März 1933, was sie noch heute ist: ein Sym­bol des mil­i­taris­tis­chen Staates Preußen, ein Sym­bol für Mil­i­taris­mus und Krieg. Preußen wurde nach der Kapit­u­la­tion Deutsch­lands auf Vorschlag Frankre­ichs als eine Gefahr für Frieden und Demokratie qual­i­fiziert und am 25.02.1946 durch ein Gesetz des Alli­ierten Kon­troll­rates aufgelöst. Wir sehen auch heute keine Ver­an­las­sung, diese Entschei­dung in Frage zu stellen. 

Nicht umson­st fordern Recht­sex­trem­is­ten wie Herr Klaar vehe­ment den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche. Sie ist ein Sym­bol für Preußen, wie das Hak­enkreuz ein Sym­bol des Faschis­mus bleibt. Aber während die Ver­wen­dung des aus dem indis­chen Son­nen­rad entwick­el­ten Hak­enkreuzes unter Strafe gestellt ist, wird der Auf­bau der Gar­nisonkirche sog­ar durch öffentliche Gelder unter­stützt. Egal, was man mit Her­rn Klaar u. Co. in der Kopie des Gar­nisonkirchen­turmes am Ende ver­anstal­tet: Die Gar­nisonkirche wird eben­sowenig eine bloße Kirche oder ein Ver­söh­nungszen­trum sein, wie das Hak­enkreuz in Deutsch­land je wieder zum Son­nen­rad wer­den kann. 

Deshalb muß der Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche mit allen Mit­tel ver­hin­dert werden.
Nie wieder Krieg — nie wieder Preußen — nie wieder Faschis­mus. Stop­pen wir den erneuten sym­bol­is­chen Hand­schlag zwis­chen den Recht­skon­ser­v­a­tiv­en und Nazis in der Garnisonkirche. 

AufruferIn­nen: Kam­pagne gegen Wehrpflicht Potsdam 

Für diesen Demoaufruf wer­den noch Unter­stützerIn­nen gesucht. Grup­pen kön­nen sich bis ein­schließlich Don­ner­stag, 6.3., bei der Kam­pagne gegen Wehrpflicht per Mail unter potsdam@kampagne.de als Unter­stützerIn­nen ein­schreiben lassen. Ein paar Hin­ter­gründe und Links zur Idee zur Demo gibt es hier.

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connecting:lifewolds — gutscheintrailer im netz

wie schon gesagt: gutschein­trail­er — also kurze filme, die sich mit der sit­u­a­tion von flüchtlin­gen in deutsch­land anhand des wertgutschein­sys­tems auseinan­der­set­zen — sind online. 

aus dem konzept [connecting:lifeworlds]:

“Die Idee für dieses Pro­jekt ent­stand aus unser­er “alltäglichen” Arbeit, der Unter­stützung von Migran­tInnen in ver­schiede­nen Lebens­bere­ichen. So wird nicht nur rechtliche Hil­fe im Asylver­fahren oder über die Anlauf­stelle für Opfer recht­sex­tremer Gewalt e.V. Unter­stützung bei Über­grif­f­en ver­mit­telt, son­dern auch ver­sucht, sich mit den alltäglichen Lebens­be­din­gun­gen auseinan­derzuset­zen. Unser let­ztes Pro­jekt zu den Lebens­be­din­gun­gen war die Unter­bringung. Im Zuge der The­ma­tisierung wurde eine dezen­trale Unter­bringung für Flüchtlinge in Cot­tbus erre­icht. Eine Doku­men­ta­tion kann auf der Web­site www.zelle79.info ange­se­hen werden. 

Mit diesem Pro­jekt möcht­en wir an diese erfol­gre­iche Arbeit anknüpfen und über Lebens­be­din­gun­gen von Flüchtlin­gen eine Auseinan­der­set­zung fortführen.” 

mehr unter:

www.zelle79.info/connect

und mehr zur gutschein­prax­is unter anderem hier:

ini­tia­tive “bargeld statt gutscheine”

Inforiot