Rechte Parteien koordinieren Auftreten / Verfassungsschutzbericht meldet Zunahme der Gewalt
POTSDAM. Die rechtsextreme NPD bereitet sich in Brandenburg bereits
intensiv auf die bevorstehenden Bundestagswahlen vor. “Die NPD verstärkt
sich in den märkischen Kommunen, sie bildet überall lokale Gruppen”,
sagte die neue Chefin des Potsdamer Verfassungsschutzes, Winfriede
Schreiber, am Dienstag in Potsdam. Allerdings leide die NPD, deren
Mitgliederzahl 2004 von 180 auf 130 gefallen ist, unter schwindenden
Finanzmitteln. Vor allem zur Zulauf zu der Organisation “Bewegung Neue
Ordnung” (BNO) Anfang 2004 habe die NPD zunächst geschwächt, erklärte
dazu Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Doch versuche die Partei jetzt
wieder “auf die Beine zu kommen” und sich in Kommunen zu verankern.
Inzwischen versuche die NPD sogar, ihren rechtsradikalen Bündnispartner
DVU “zu überflügeln”.
Beide rechtsextremen Parteien halten aber nach Informationen des
Verfassungsschutzes weiter an ihrem so genannten Pakt für Deutschland
fest. Der sieht vor, dass die NPD zur Bundestagswahl mit einer offenen
Liste antritt, auf der auch Politiker der vom Münchner Verleger Gerhard
Frey weitgehend ferngesteuerten DVU antreten. Bei der kommenden
Europawahl wird dann die DVU, die seit 1999 im Potsdamer Landtag sitzt,
ihrerseits mit einer offenen Liste antreten. Derzeit sei aber völlig
unklar, ob diese strategischen Pläne gelingen werden. “Denn ein
richtiger Neonazi mag keine parlamentarische Partei”, sagte Schreiber.
Selbst die NPD werde in der Neonazi-Szene bereits abwertend als
“Systempartei” bezeichnet. Offenbar gibt es aber auch Bestrebungen der
NPD, die DVU für ihr Auftreten in der Öffentlichkeit zu schulen. In
Fürstenwalde (Oder-Spree) etwa seien beide Parteien bereits gemeinsam an
einem Werbetisch aufgetreten. Die Mitgliederzahl der DVU ist laut
Verfassungsschutz im vergangenen Jahr mit 230 Personen konstant geblieben.
Innenminister Schönbohm präsentierte am Dienstag den
Verfassungsschutzbericht 2004. Demnach stieg die Zahl der
rechtsextremistischen Gewalttaten im vergangenen Jahr auf 105 Fälle
gegenüber 87 Taten im Jahr 2003. “Mindestens die Hälfte der
Beobachtungstätigkeit zielt deshalb auf den Rechtsextremismus”, so der
Minister. “Aber 70 Prozent der rechtsextremistischen Gewalttäter wissen
morgens noch nicht, dass sie abends eine Straftat begehen.” Ihr
Gewaltverhalten sei eher spontan. Die neonazistischen “Kameradschaften”
haben laut Schönbohm ihren Zenit überschritten. Hier seien etliche
Verbote ausgesprochen worden. Erst in diesem Frühjahr seien die so
genannten Kameradschaften “Hauptvolk” und “Sturm 27” im Havelland
verboten worden.
Linksextremisten seien in Brandenburg “nur halb so viel vertreten” wie
Rechtsextremisten, sagte Schönbohm. Der Verfassungsschutz schätzt ihre
Zahl auf 660.
Die Zahl der in Brandenburg aktiven Islamisten liege bei lediglich 50
Personen. “Hier geht es vor allem um Präventionsarbeit”, sagte dazu die
oberste Verfassungsschützerin des Landes, Winfriede Schreiber.
Brandenburgs langjähriger Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin hatte im
vergangenen Jahr sein Ausscheiden erklärt. Als Grund gelten Spannungen
mit der Ministeriumsspitze unter anderem in der Frage, wie der
Islamismus im Land zu bewerten sei.
Winfriede Schreiber kündigte an, dass sie die Arbeit des
Verfassungsschutzes noch offener darstellen wolle. “Hierbei muss die
Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz enger werden”, sagte Schreiber. In
den vergangenen Jahren hatten diverse V‑Mann-Affären für Verstimmungen
gesorgt — einerseits mit der landeseigenen Justiz, andererseits aber
auch mit den Berliner Sicherheitsbehörden.
Winfriede Schreiber kündigte an, mit einem neuen Flyer über
rechtsextremistische Propagandadelikte aufzuklären. Dabei gehe es vor
allem um das Zeigen verbotener NS-Symbole. Hier seien auch die Lehrer
gefordert, gegen solche Symbole oder gar gegen die Mitgliederwerbung von
Rechtsextremisten an Schulen vorzugehen.