Potsdam. Der Gedenkstein für Opfer von Flucht und Vertreibung in Potsdam
ist erneut beschmiert worden. Unbekannte hätten am Montagabend die Worte
“Nazis raus” auf dem 1,80 Meter hohen Findling geschrieben, teilte der
Bund der Vertriebenen in Brandenburg gestern mit. Damit sei der Stein
zum dritten Mal seit seiner Aufstellung am 15. November 2003 geschändet
worden.
Jahr: 2005
Was hat es mit den geplanten Freisetzungen gentechnisch veränderter
Maispflanzen in Neuholland auf sich?
BT-Mais produziert seine Insektizide selbst und wehrt damit seine Fraßfeinde
ab. Die Gentechnik hat grundsätzlich neue Wege im Pflanzenschutz eröffnet.
Wenn es funktioniert, könnten chemische Pflanzenschutzmittel eingespart und
die Umwelt entlastet werden. BT-Mais mit gentechnisch vermittelter
Insektenresistenz wird bereits großflächig angebaut. Und auch in der EU sind
solche Maissorten bereits zugelassen.
Und wenn es nicht funktioniert?
Bisher wurde in der freien Natur noch kein Schädling gefunden, der gegen
Bt-Pflanzen resistent ist, während im Labor solche resistenten Insekten
bereits identifiziert wurden. In der Praxis muss in den USA beim Anbau von
Gen-Mais neben einem Feld mit Bt-Mais immer ein Streifen der selben Sorte
ohne dieses Gen angebaut werden. Diese Ausweichpflanzen sollen
nichtresistenten Insekten das Überleben ermöglichen und verhindern, dass die
gesamte Insektenpopulation gegen das Gift resistent wird.
Eine neue Studie hat nun jedoch gezeigt, dass auch einige der
Ausweichpflanzen das Bt-Gift herstellten. Dies könnte die
Resistenzentwicklung bei den Insekten erheblich beschleunigen.
Die Bewertung der Sicherheit
Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen müssen sicher sein — sonst
dürfen sie nicht zugelassen werden. Doch das ist einfacher gesagt als getan.
Wie andere Lebensmittel auch sind gentechnisch veränderte oder andere
neuartige Lebensmittel komplexe Mischungen aus Hunderten, oft Tausenden
verschiedener Substanzen in wechselnden Anteilen.
Ein absoluter Sicherheitsbeweis ist bei Lebensmitteln nicht möglich — das
gilt für konventionelle wie für solche aus gentechnisch veränderten Pflanzen
oder Organismen.
Wird die Grüne Gentechnik genutzt, ist eine hundertprozentige “GVO-Freiheit”
kaum noch erreichbar. Die Natur ist ein offenes System: Es ist unmöglich,
dass zwei Welten — eine mit, eine ohne Gentechnik — vollständig getrennt
nebeneinander existieren. Werden bei einer Pflanzenart gv-Sorten angebaut,
dann sind minimale GVO-Beimischungen technisch unvermeidbar. Heute sind in
vielen mais- oder sojahaltigen Lebensmittel GVO-Spuren nachweisbar — auch in
Ökoprodukten.
Zur Diskussion um die neue Technologie laden Bündnis90/DIE GRÜNEN am
Donnerstag, den 3.3.05 um 19.00h in die Tenne des Bauernmarktes Oberhavel
nach
Schmachtenhagen.
Es diskutieren mit:
- Cornelia Behm, grüne Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg, Mitglied des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
- Thomas von Gizycki, Molekularbiologe und grüner Kreistagsabgeordneter
- Kreisbauernverband (angefragt)
- Naturpark Barnim (angefragt)
Mehr von rechts als links
Strausberg (MOZ) Mit einem Rückgang um 34 Fälle auf 98 ist die politisch
motivierte Kriminalität in Märkisch-Oderland im vergangenen Jahr deutlich
gesunken. Mit 60 Delikten dominieren rechtsgerichtete Straftäter eindeutig
die Szenerie. Ihnen stehen lediglich drei Delikte aus der linken Szene
gegenüber. Die Kriminalpolizei des Schutzbereichs Märkisch-Oderland hat in
der Aufklärung der politisch motivierten Straftaten spürbar Fortschritte
gemacht: Bei den rechtsgerichteten Straftaten stieg die Quote von 49 Prozent
auf 78 Prozent. Von den drei linken Delikten wurden zwei aufgeklärt.
Strausberg (MOZ) Gerade in den zurückliegenden Wochen schlugen sich
Auseinandersetzungen zwischen links- und rechtsgerichteten Jugendlichen im
Polizeibericht der MOZ nieder. Strausberg ist nicht nur als Sitz des
früheren DDR-Verteidigungsministeriums eine PDS-Hochburg und verfügt gar
über eine DKP-Ortsgruppe, sondern beherbergt als Heimatstadt exponierter
Vertreter der Deutschen Volksunion auch mehr oder weniger offen und
offiziell agierende Vertreter rechten Gedankengutes.
In der Polizeistatistik der vergangenen zwei Jahre, in der nicht die
offizielle Parteipolitik, sondern die politischen Straftatbestände
beleuchtet werden, drängt sich der Eindruck einer schieren Übermacht der
rechtsextremen Szene auf. Wobei der Zweijahresvergleich zunächst in den
Gesamtzahlen von 132 Fällen 2003 und 98 Fällen 2004 eine signifikant
fallende Tendenz aufzeigt. Einzig als konstant erscheint die Zahl politisch
links motivierter Gesetzesübertritte: jeweils drei. Ihnen stehen 2003 79 und
2004 60 rechts motivierte Straftaten gegenüber.
Nach Auskunft der Polizei habe es 2003 50 und 2004 31 Straftaten “ohne
explizite politische Motivation” und 2004 außerdem vier nicht zuzuordnende
politische Delikte gegeben. Nach Beispielen für solche politisch motivierte
Straftaten ohne explizite politische Motivation befragt, nannte
Schutzbereichsleiter Jürgen Huber ein Beispiel: “Wenn jemand ein Hakenkreuz
an eine Bundeswehrkaserne malt, ist das sicher ein politisch motiviertes
Delikt. Es kann aber ein Linksextremer damit seine Haltung zur Bundeswehr
ausgedrückt haben. Das ist also zunächst nicht eindeutig zuzuordnen.”
Mit der auf 70 Prozent gesteigerten Aufklärungsquote bei politisch
motivierter Kriminalität nimmt Märkisch-Oderland in Brandenburg die
Spitzenposition ein. Bei Propagandadelikten stieg die Quote von 29 auf 63
Prozent, bei den politisch motivierten Gewaltdelikten von 80 auf 100
Prozent. Mit fünf von sechs politischen Gewalttaten dominiert auch dort die
rechte Szene. Weit über Märkisch-Oderland hinaus Aufsehen hat der
Mordversuch an einem 15-jährigen behinderten Schüler in Wriezen im Juni
vergangenen Jahres erregt. Auch er ist erfolgreich aufgeklärt worden.
Die Ergebnisse zeigten, so Huber, dass das Konzept zur Bekämpfung politisch
motivierter Straftaten im Schutzbereich Früchte trage: “Der anhaltend hohe
polizeiliche Druck auf die rechtsextreme Szene zeigt Wirkung.” Er führt das
auch auf die gute Arbeit der Mobilen Einsatzeinheit gegen Gewalt und
Ausländerfeindlichkeit (MEGA) sowie das TOMEG-Programm (Täterorientierte
Maßnahmen gegen extremistische Gewalt) zurück.
Die MEGA lege ihre Arbeit eher präventiv, also vorbeugend, an. Sie ginge mit
ihren klar zu erkennenden Beamten an potenzielle Tatorte und zeige sich:
“Unsere Beamten sind gut ausgebildet und geschult, sie gehen auf potenzielle
Täter zu und sprechen sie gezielt an, um Straftaten zuvorzukommen.”
Mit dem TOMEG-Programm würden hingegen bekannte Straftäter begleitet, um sie
von weiteren politisch motivierten Straftaten abzuhalten. Das gehe hin bis
zur Beratung und Hilfsangeboten in ganz normalen Lebensfragen.
Der Leiter der Kriminalpolizei im Schutzbereich Lars Borchardt bestätigte
auf Nachfrage der MOZ, dass es sich bei den Tätern auf dem Gebiet der
politisch motivierten Kriminalität vorwiegend um junge Menschen handele:
“Die Jugendlichen sind am stärksten aktiv; viele lassen mit zunehmendem
Alter nach.“Politisch motivierte Kriminalität (PMK) insgesamt:
2003 132 (49 geklärt)
2004 98 (69 geklärt)
PMK von rechts
2003 79 (39 geklärt)
2004 60 (47 geklärt)
PMK von links
2003 3 (0 geklärt)
2004 3 (2 geklärt)
PMK ohne expl. pol. Motivat.
2003 50 (10 geklärt)
2004 31 (18 geklärt)
Politisch motivierte Gewaltkriminalität:
2003 5 (4 aufgeklärt)
20046 (6 aufgeklärt)
Propagandadelikte
2003 106 (29 aufgeklärt)
2004 73 (46 aufgeklärt)
Letzte Plädoyers im Neonazi-Prozess
POTSDAM Im Potsdamer Neonazi-Prozess soll nach dem Willen der Verteidiger keiner der
zwölf jungen Angeklagten ins Gefängnis. Am Montag beantragte die
Verteidigung vor Brandenburgs Oberlandesgericht in den letzten drei
Plädoyers Freisprüche.
Einige der anderen Angeklagten hatten zuvor zugegeben, sich an Anschlägen
auf Geschäfte und Imbisse von Ausländern beteiligt zu haben. Alle
Beschuldigten wiesen aber den Vorwurf zurück, eine terroristische
Vereinigung gebildet zu haben.
Die Angeklagten waren zur Tatzeit zwischen 14 und 18 Jahre alt. Sie sollen
aus Fremdenhass zwischen August 2003 und Mai 2004 zehn Anschläge auf Imbisse
und Geschäfte von Ausländern im Havelland verübt haben. Dazu gründeten sie
laut Anklage die rechtsgerichtete Kameradschaft “Freikorps”. Verletzt wurde
bei den Anschlägen niemand; der Sachschaden betrug rund 800 000 Euro.
Erstmals klagt die Generalstaatsanwaltschaft des Landes eine Gruppe Neonazis
als terroristische Vereinigung an.
Die drei Verteidiger betonten am Montag übereinstimmend, dass ihre Mandanten
keine Terroristen seien. Darüber hinaus hätten sie keine Straftaten
begangen. In ihren Schlussworten entschuldigten sich mehrere Angeklagte
erneut bei den Opfern. Einer der Hauptbeschuldigten versicherte: “Ich schäme
mich sehr.” Vor einer Woche hatte der Anwalt des Hauptangeklagten eine
Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für die Anschläge
beantragt. Vier andere Anwälte plädierten für Bewährungsstrafen von zehn
Monaten bis maximal zwei Jahre. Außerdem wurden drei Freisprüche sowie in
einem Fall gemeinnützige Arbeit gefordert.
Die Anklage hatte für den mutmaßlichen Rädelsführer viereinhalb Jahre Haft
verlangt. Der 20-Jährige sitzt seit Ende Juli 2004 in Untersuchungshaft. Für
zwei weitere wurden Jugendhaftstrafen von zwei Jahren und vier Monaten und
zweieinhalb Jahren beantragt. Bei den restlichen neun plädierte die Anklage
auf Bewährungsstrafen zwischen einem halben und zwei Jahren plus
gemeinnützige Arbeit. Alle Strafen sollen nach Jugendstrafrecht verhängt
werden.
Ein Schuldspruch nach Paragraph 129 a) — Bildung terroristischer
Vereinigungen — würde das Strafmaß erhöhen. Darum ist dieser Punkt der
Anklage besonders umstritten. Oberstaatsanwalt Eugen Larres hatte
eingeräumt: “Das Freikorps ist nicht El Kaida.” Dennoch sei der Tatbestand
erfüllt. Die Kameradschaft sei keine Idee, “die aus dem Suff heraus”
entstand.
Einige Angeklagten hatten ausgesagt, die Kameradschaft sei Sommer 2003 auf
einem Feld bei Pausin gegründet worden. Der Hauptangeklagte sei zum
Anführer, andere zum Schriftführer oder Kassierer ernannt worden. Die
Urteile werden voraussichtlich am 7. März verkündet.
Dosto-Anschlag: Täter kamen zu Fuß
Bernau. Das Bild der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den
Jugendklub DOSTO in der Bernauer Breitscheidstraße in der Nacht zum 23.
Januar, einem Sonntag, rundet sich nach den bisherigen Ermittlungen der
Polizei ab. Sie geht davon aus, dass unmittelbar am Jugendklub eine
kleine Gruppe, möglicher Weise auch nur eine Einzelperson, aktiv waren.
Dort wurde mit einem großen Feuerwerkskörper aus polnischer Produktion
ein Fenster stark beschädigt. “Im vergangenen Jahr gab es im Raum
Angermünde eine Serie von Anschlägen auf Telefonzellen mit dem gleichen
Feuerwerkskörper”, berichtete Kriminalhauptkommissar Thorsten Schmidt.
Einer davon reichte aus, um eine Telefonzelle zu zerstören, beschreibt
Schmidi deren Sprengkraft. Die Angermünder Serie ist aufgeklärt und steht
nicht im Zusammenhang mit dem Bernauer Anschlag. Sie zeigt jedoch, wie
gefährlich diese Sprengkörper sind.
“1000 Euro Belohnung” steht in roten Lettern auf dem Flugblatt, dass die
Bernauer Polizei in Bernau verteilt. Gesucht werden Zeugen die
Beobachtungen in der Zeit von 0.30 Uhr bis 2 Uhr gemacht haben. Die Tat
wurde um 1.40 Uhr begangen. Der oder die Täter sind vermutlich über die
Breitscheidstraße geflohen. Hätten sie die Flucht über die gegewärtigen
Grundstücke angetreten, hätten sie an der Einganstür des noch besuchten
DOSTOs passieren müssen. Nicht auszuschließen ist, dass nur ein bis drei
Personen die Tat begingen, auf der Breitscheidstraße aber die größere
Gruppe wartete.
Dass die Täter mit dem Auto bis zum DOSTO vorgefahren sind, sei
unwahrscheinlich. Zumindestens die unmittelbare Annährung erfolgte wohl
zu Fuß, so Thorsten Schmidt. Gefragt wird nach Personen, die sich
schnell vom Tatort entfernten haben, in Richtung Innenstadt oder zum
Bahnhof. Eine bestimmte szenetypische Kleidung müssen die Täter nicht
getragen haben.
Warscheinlich sei, dass der Anschlag in Verbindung mit dem Aufmarsch von
Rechten am Vormittag in Bernau steht, doch ein krimineller Hintergrund
wird nicht gänzlich ausgeschlossen.
Hinweise erbitten die Kriminalpolizei Eberswalde unter Telefon (03334)
2799201 oder ‑221 sowie an jede andere Polizeidienststelle.
Während SPD und Union weiter um den Umgang mit der NPD streiten,
dokumentieren Antifaschisten seit Jahren ausführlich die Strukturen der
Rechtsradikalen. Dabei leisten sie oft Arbeit, die eigentlich von
staatlicher Seite zu erwarten wäre.
»Die fühlen sich beobachtet«, sagt Thomas Ernst vom »Antifaschistischen
Autorenkollektiv«. Er hat im Januar den Jahresrückblick
»Rechtsextremismus
im Havelland« 2004 herausgegeben. Ernst meint die Mitglieder des
»Hauptvolks« und der »Nationalen Bewegung Rathenow«, den beiden wohl
bedeutendsten Neonazi-Vereinigungen im brandenburgischen Landkreis
Westhavelland.
Die dürften allen Grund haben, sich beobachtet zu fühlen: rund 100
werden in
dem Rückblick namentlich aufgeführt, die Verstrickungen der
verschiedenen
Kameradschaften und Gruppierungen schematisch dargestellt.
Rechtsradikale
werden auf Fotos abgebildet, ihre Treffpunkte gezeigt und
nachvollzogen, wie
die Rechten in den heimischen Fußballklubs vertreten sind oder als Fans
in
die Stadien ziehen. Auch ihre Versuche, sich an den
Montagsdemonstrationen
in Rathenow oder in Brandenburg zu beteiligen, werden dokumentiert.
Einschlägige Internetseiten und ‑foren werden vorgestellt und kurz
analysiert.
»Am Samstag, dem 8. Mai 2004, wurden 166 Aufkleber der ›Mecklenburger
Aktionsfront‹ mit dem Motiv ›8.Mai 1945 – Befreiung?‹ in Rathenow
entfernt.«
Seitenlang wird im Anhang des Berichts akribisch aufgezählt, an welchem
Ort
neonazistische Aufkleber entfernt wurden. Oder wo im brandenburgischen
Landtagswahlkampf Wahlplakate der DVU oder NPD hingen, in welchen
Straßen
Postwurfsendungen der Rechten zu finden waren. Die Pedanterie, mit der
die
rechten Aktivitäten im Alltag und in Wahlkampfzeiten dokumentiert
werden,
ist erstaunlich.
Seit 1997 gibt das Autorenkollektiv den Jahresrückblick heraus. Der
erste
hatte gerade einmal drei Seiten. Der aktuelle umfasst 77 Seiten und
findet
sich ausschließlich im Internet; so kann er in Farbe mit vielen Fotos,
Bildern und Infografiken erscheinen, ohne auf Druckkosten achten zu
müssen.
Rund 15 Leuten arbeiten am Sammeln der Materialen mit; es ist ihnen
mittlerweile zur Routine geworden, Buch zu führen über abgerissene
Aufkleber
und erfolgreich zerstörte Plakate.
»Eigentlich erledigen wir die Arbeit des Verfassungsschutzes«, meint
Ernst,
»aber wir machen das nicht für die Bullen, sondern für alle.« Niemand
solle
sagen können, er hätte von nichts gewusst. Doch sei es ein
Armutszeugnis für
die Polizei, dass sie, die Antifas, so etwas machen müssten. Aber in
Rathenow hüllten sich die Offiziellen über rechte Aktivität meist in
Schweigen und die Polizei bagatellisiert Übergriffe von Neonazis,
erklärt
Ernst. Deswegen sei ihre Berichterstattung unerlässlich.
Überregionales Aufsehen erregte der Fall der Security Firma Zarnikow,
die
unter anderem das Rathenower Flüchtlingsheim bewachte. In
Zusammenarbeit mit
Bewohnern des Heims berichtete das Autorenkollektiv seit 1999 darüber,
dass
die Firma Rechtsradikale beschäftigte. Erst Ende 2002, als das
Nachrichtenmagazin »Focus« den Fall publizierte, wurde der Vertrag mit
der
Firma gekündigt. Dabei wurde auch bekannt, dass der Verfassungsschutz
des
Landes Brandenburg schon länger über die rechten Security-Mitarbeiter
informiert war. Zuvor hatten die Arbeiterwohlfahrt, als Betreiber des
Heims,
und die zuständigen Behörden jahrelang die Vorwürfe des
Autorenkollektivs
abgestritten.
Die Verfassungsschützer stufen das Autorenkollektiv als »extremistisch«
ein.
In der Logik der »Mitte« werden Linke wie Rechte unter demselben Label
geführt; eine Unterscheidung zwischen emanzipatorischer Politik und
Faschismus findet nicht statt. Dass dieser Ansatz in eine Sackgasse
führt,
belegt die derzeitige Hektik im Vorfeld des 60. Jahrestages der
Befreiung
über den Umgang mit der NPD. Hilflos erscheint die neuerliche Debatte
über
eine Neuauflage des Parteiverbots oder die Einschränkung des
Demonstrationsrechts.
Immerhin zollt der Verfassungsschutz dem Jahresrückblick Respekt.
»Derzeit
hat die zahlenmäßig starke rechtsextremistische Szene der Region«,
schrieb
er 2003, »der örtlichen Antifa publizistisch nichts entgegenzusetzen.«
V‑Mann-Führer wird nicht angeklagt
COTTBUS/POTSDAM Das Landgericht Cottbus hat gestern den Schlusspunkt unter die Affäre um den
Neonazi und kriminellen V‑Mann Toni S. gesetzt, der im Auftrag des
Verfassungsschutzes Tausende — teilweise zum Mord aufrufende — Neonazi-CDs
produziert und vertrieben hatte. Auf Vorschlag der Staatsanwaltschaft
Cottbus stellte das Gericht das Verfahren gegen den beamteten V‑Mann-Führer
des Gubener CD-Händlers S. wegen geringer Schuld ein.
Der Geheimdienstmitarbeiter mit Tarnnamen Dirk Bartok sei sich eines
Vergehens nicht bewusst gewesen, als er die strafbaren Handlungen seines
V‑Mannes Toni S. duldete, begründete Gerichtssprecherin Susanne Becker die
Entscheidung. An der Verfassungsschutzschule sei solches Agieren als legal
gelehrt worden, erläuterte Becker den so genannten Verbotsirrtum, der den
V‑Mann-Führer entschuldigt. Zugleich stellte das Gericht klar, dass seine
Entscheidung für künftige vergleichbare Fälle “kein Freibrief” für den
Verfassungsschutz sei. Immerhin seien Herstellung und Vertrieb
rechtsextremer Tonträger geeignet, den falschen Eindruck zu erwecken, in der
Bundesrepublik werde eine rechtsstaatswidrige innenpolitische Entwicklung
geduldet.
Die Folgen der Gerichtsentscheidung für die Arbeit des Verfassungsschutzes
sind unklar. “Welche Konsequenzen sich für den Einsatz von V‑Leuten ergeben,
kann ich noch nicht abschätzen”, so der Landtagsabgeordnete Dierk Homeyer,
der die CDU in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) zur
Überwachung des Geheimdienstes vertritt. “Was entschieden wurde, ist so
schwerwiegend, dass sich die PKK ernsthaft mit dem Thema befassen muss.”
Möglicherweise müssten V‑Leute abgeschaltet werden, da sie nicht mehr
szenetypisch agieren dürfen und ihnen somit auch Propagandadelikte verboten
sind. Dadurch besteht möglicherweise eine größere Gefahr der Enttarnung.
Das Innenministerium müsse “seine Leute so weit unter Kontrolle bringen,
dass so etwas nicht wieder passiert”, forderte PKK-Chef Christoph Schulze
(SPD). Da V‑Leute auch schon bisher keine Straftaten begehen durften, habe
sich durch die Gerichtsentscheidung jedoch nichts Grundsätzliches geändert.
Das Innenministerium hat seine Rechtsauffassung inzwischen korrigiert.
“V‑Personen dürfen keine Straftaten begehen. Dies gilt insbesondere für
solche Straftaten, die dem Deliktbereich der politisch motivierten
Kriminalität zuzuordnen sind”, heiße es nun in einer Dienstanweisung, so
Sprecher Wolfgang Brandt.
Damit wird die Rechtsauffassung von Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo
Rautenberg bestätigt, der als erster öffentlich darauf verwiesen hatte, dass
V‑Leute keine Straftaten begehen dürfen. Rautenberg war seinerseits heftig
von der CDU kritisiert worden.
ORANIENBURG Tief Besorgt zeigt sich das Forum gegen Rassismus und rechte
Gewalt wegen der Zunahme von rechter Gewalt in Oranienburg. Bei ihrer
Sitzung am Donnerstagabend planten die Mitglieder des Forums die
Antirassismusdemo am Sonnabend, 19. März, sprachen aber auch über die
aktuelle Lage. Reiner Tietz berichtete über eine Zunahme der rechten Gewalt,
die “besorgniserregend” sei. Tietz lobte das Engagement der Polizei gegen
Rechtsextremisten. “Es gibt im Moment eine gereizte Stimmung in der Szene
gegenüber der Polizei”, stellte das PDS-Kreistagsmitglied fest.
Ein Mitglied des Forums sagte, Asylbewerber, die Opfer von rechten
Straftaten würden, hätten Angst, sich vor der Öffentlichkeit und der Polizei
zu outen.
Die Vorbereitungen für die Antirassismusdemo des Forums gehen in die letzte
Runde. Plakate und Flyer sind gedruckt und werden bald verteilt. Die
Veranstalter rechnen mit 250 bis 300 Teilnehmern. Die Demo beginnt am 19.
März um 10 Uhr in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Dort spricht unter anderen
Karl Stenzel vom Sachsenhausen-Komitee. In der Gedenkstätte können Blumen
niedergelegt werden. Anschließend ziehen die Demonstranten zu einer
Kundgebung vor die Nicolaikirche. Musikalisch unterstützt wird die
Demonstration von Schülern des Runge-Gymnasiums.
Das Regionalfernsehen des Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) überträgt am
Dienstag, 1. März, um 20.15 Uhr eine einstündige Diskussion zum Thema «Keine
Chance den Schlägern — brauchen wir mehr Zivilcourage gegen Rechts» aus der
Mensa der BTU Cottbus.
In der Reihe «Klipp und klar unterwegs» kommen Thomas Lunacek,
CDU-Fraktionschef im Brandenburger Landtag, Hajo Funke,
Rechtsextremismusexperte von der Freien Universität Berlin, sowie Frank
Jansen, Journalist vom Berliner «Tagesspiegel» und ausgewiesener Kenner der
rechtsextremen Szene, zu Wort.
An der Gesprächsrunde beteiligen sich auch ein DVU-Wähler aus dem
Elbe-Elster-Kreis, sowie Spree-Neiße-Landrat Dieter Friese (SPD). Die
Veranstaltung ist öffentlich.
Mit einem Kompromiss endete am Mittwochabend in der
Stadtverordnetenversammlung die Debatte um eine Erweiterung beziehungsweise
Umgestaltung des Denkmal-Komplexes auf dem Spremberger Georgenberg. Nach
längerer Debatte und einer kurzen Auszeit schlug die CDU-Fraktion, die bis
dahin die Beschlussvorlage ihres Mitglieds Egon Wochatz (gleichzeitig
Vorsitzender des Georgenbergvereins) vehement verteidigt hatte, vor, nicht
die Tafel mit den Namen von elf Opfern des Stalinismus an der
Sockelrückseite des Denkmals für die Opfer des Faschismus anzubringen,
sondern eine Tafel mit der Aufschrift: «Die Stadt Spremberg gedenkt aller
ihrer Opfer von Krieg und Gewalt im 20. Jahrhundert» . Dieser Vorschlag
wurde mit einer Mehrheit von 19 zu 12 Stimmen beschlossen.
Die Tafel mit den Namen der Opfer des Stalinismus soll — so die Konsequenz
aus dem erzielten Kompromiss — an der Stützmauer angebracht werden, die das
Denkmal umgibt. Dabei ist noch offen, ob es bei den vom Georgenbergverein
vorgeschlagenen Namen bleibt. Bis zur nächsten Stadtverordnetenversammlung
will man sich darüber noch verständigen.
Der SPD-Abgeordnete Andreas Lemke hat allerdings bereits am Mittwoch der
Nennung von Ernst Tschickert auf dieser Tafel für den Fall widersprochen,
dass auch Klaus Moldenhauer und Kurt Leopold (beide waren Mitglieder der
NSDAP gewesen) weiterhin auf der Tafel verewigt werden sollen.
«Die Zustimmung von Angehörigen Ernst Tschickerts liegt nicht vor, und der
SPD-Ortsverein Spremberg ist daher als einziger legitimiert, diese
Namensnennung zu verbieten, da es sich um seinen ehemaligen Vorsitzenden
handelt» , begründete Lemke. «Wir werden nicht hinnehmen, dass Ernst
Tschickert als Feigenblatt für andere benutzt wird.»
Zuvor hatte Egon Wochatz noch einmal den aktuellen Recherchestand des
Georgenbergvereins zu den aufgeführten Namen vorgetragen. Nach wie vor sah
man bei der CDU keinen Grund, in den zwei bislang strittigen Fällen eine
Mitgliedschaft in der NSDAP als Ausschlussgrund für eine Ehrung unter den
Opfern des Stalinismus zu betrachten, zumal sich die Umstände, unter denen
Klaus Moldenhauer mit bereits 17 Jahren noch kurz vor Kriegsende zu einer
NSDAP-Mitgliedschaft kam, bislang nicht schlüssig aufklären ließen.
Moldenhauer sei zwar in der Hitlerjugend gewesen und habe dort auch eine
Funktion innegehabt, er sei aber lediglich Leiter «einer Art Kulturgruppe»
gewesen.
Der RUNDSCHAU liegt allerdings auch der Brief eines Zeitzeugen vor, der mit
sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Moldenhauer seinen «ehemaligen Stammführer
der Hitler-Jugend» wiederzuerkennen glaubt. Dieser sei schneidig und
fanatisch gewesen.
Für Kurt Leopold, den damaligen Leiter des Kraftwerkes Trattendorf, spreche,
dass er sich im Interesse der Spremberger Bevölkerung aus der sicheren
Evakuierung zurück in seinen Heimatort begeben habe, um dort die
Stromversorgung wieder aufzunehmen.
Andreas Lemke räumte ein, dass es wohl keines der namentlich erwähnten
Opfer — weder des Faschismus noch des Stalinismus — verdient habe, dass sein
Andenken mit kleinlichen Diskussionen zerredet würde: «Tatsache ist, dass
das Andenken an die Opfer des Stalinismus bisher zu kurz gekommen ist. Es
darf aber auch nicht Geschichtsklitterung betrieben und der Stalinismus mit
dem Nationalsozialismus gleichgesetzt werden. Die Gesamtverantwortung für
die schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte ist nicht zu
relativieren.»
Auch für die PDS-Fraktionsvorsitzende Birgit Wöllert war klar, dass eine
Veränderung des Denkmals für den antifaschistischen Widerstand nicht in
Frage kommt. Die dort in den Sockel eingemeißelten 17 Namen stünden für
jenen relativ kleinen Teil der Deutschen, der den Mut gehabt habe, gegen ein
unmenschliches System aktiv etwas zu tun, auch unter Einsatz des eigenen
Lebens. «Die Änderung des antifaschistischen Denkmals ist eine nachträgliche
Verächtlichmachung der Opfer auf diesem Gedenkstein» , betonte Birgit
Wöllert. «Das ist ein Signal, das von dieser Stadt nicht ausgehen darf.»
Hintergrund Emotionale Debatte
Obwohl die CDU nach RUNDSCHAU-Informationen ihren später eingebrachten
Kompromissvorschlag schon im Vorfeld als Alternative erwogen hatte, wurde
die Debatte um Umgestaltung und Namenstafel in der Spremberger
Stadtverordnetenversammlung zunächst einmal über eine Stunde hartnäckig und
emotional geführt. Ein Schlagabtausch, der von einigen Rednern offenbar auch
als politische Abrechnung mit der jeweils anderen Partei und ihrer
historischen Vergangenheit und Verantwortung genutzt wurde. Frank-Michael
Schober (CDU) steigerte sich so sehr in seine zornige und anklagende Rede in
Richtung PDS hinein, dass er in einem schweren sprachlichen Missgriff die
sowjetischen Internierungslager der Nachkriegszeit als «Vernichtungslager»
bezeichnete und damit auf eine Stufe mit den für eine systematische Tötung
von Menschen eingerichteten Konzentrationslagern der Nationalsozialisten
stellte. Er relativerte zwar später, es habe richtiger «Terrorlager» heißen
müssen, doch die PDS-Fraktion und die SPD waren nicht gewillt, seine
Entgleisung zu vergeben. Birgit Wöllert: «Ich muss Ihnen im Namen meiner
Fraktion sagen: Es ist ungeheuerlich, was Sie hier abgelassen haben. Es ist
vergleichbar mit dem, was in Dresden passiert ist, und ich weiß nicht, ob
Sie sich dort einreihen wollen.»