POTSDAM. Bei offiziellen Anlässen erklingt im Land Brandenburg neben der deutschen Nationalhymne gerne auch die “Märkische Heide”, die heimliche Landeshymne mit der Textzeile “Steige hoch, Du roter Adler”. So zum Beispiel wenn Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den Landesorden an Menschen verleiht, die sich um das Wohl des Landes verdient gemacht haben. So war es etwa, als der erfolgreiche Softwareunternehmer Hasso Plattner geehrt wurde. Bei der Verleihung des “Roter-Adler-Ordens” liegen dann auch Programmzettel aus, auf denen der ganze Liedtext abgedruckt ist.
Nun aber ist ein Dokument aufgetaucht, in dem der 1996 verstorbene Komponist Gustav Büchsenschütz sein Lied “Märkische Heide” selbst als “Nazilied” bezeichnet. Schon seit Jahren ist bekannt, dass die NS-Machthaber sich des Liedes bedient hatten. In dem Zeitschriftenbeitrag von 1934, der derzeit im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) in Potsdam ausgestellt ist, ging der Komponist selbst noch weiter: Er stellt die heute gern gesungene, inoffizielle Hymne des Landes Brandenburg als Lied dar, das zunächst eigentlich ausschließlich von den Nationalsozialisten und ihren Gesinnungsgenossen geschätzt und intoniert wurde. “Als ich im Frühjahr 1923 das neugeschaffene Lied dem Freundeskreis brachte, ahnte ich noch nicht, dass es eine derartige Verbreitung finden würde!”, schreibt Büchsenschütz 1934 in der Erstausgabe der “Brandenburger Hefte”, einer Publikation seines Bekannten Wilhelm Kube, NSDAP-Gauleiter von Brandenburg. “Zunächst blieb es auch, so unpolitisch sein Inhalt auch sein mochte, ein ‚Nazilied´ und war daher bei Andersdenkenden verpönt.” Weiter schreibt Büchsenschütz: “Und wie war der “politische Weg” des Liedes? Vom Bismarckorden ging es zum ‚Frontbann´ und zur SA und machte hier den Siegeszug der völkischen Bewegung mit, so dass es jetzt als vielgesungenes Lied der nationalsozialistischen Erhebung gilt.”
Büchsenschütz sagt damit, dass das Lied allein im rechtsradikalen Spektrum populär war. Und der Komponist prahlt sogar damit, dass es durch das Singen des Liedes zu politisch motivierten Schlägereien gekommen sei: “Gab es wegen dieses Liedes auch oft harte Zusammenstöße mit politischen Gegnern, so blieb die Kraft des Liedes dennoch ungebrochen”, so Büchsenschütz. “Auf den großen Veranstaltungen der NSDAP in Berlin im ‚Sportpalast´ und im Lustgarten erklang das Brandenburger Lied und warb immer neue Kämpfer für das neue Deutschland.”
Massive Kritik am offiziellen Gebrauch des Liedes kommt deshalb von der Linken. “Ich finde das Lied wegen seiner Entstehungsgeschichte und auch musikalisch grässlich”, sagte Gerd-Rüdiger Hoffmann, kulturpolitischer Sprecher der Linken im Landtag. “Der Staat sollte solch ein Lied nicht protegieren.” Aber natürlich könne jeder, der das Lied singen wolle, dies auch tun. Juso-Landeschef Sören Kosanke warnt vor weiteren Ehrungen für den Komponisten, der 1975 das Bundesverdienstkreuz erhalten hatte. “Künftig sollte man vorsichtig sein”, so Kosanke. Tatsächlich gab Büchsenschütz 1934 sogar damit an, dass sein Lied bei Hitlers Reichsparteitag gesungen wurde: “Nachdem auf dem gewaltigen Parteitag in Nürnberg die Berliner und Brandenburger ihre Sonderzüge unter den Klängen der ‚Märkischen Heide´ verließen, kann man wohl behaupten, dass die Mark nun endlich ihr Heimatlied besitzt.”
Historiker Thomas Wernicke vom HBPG erklärt sich diese Aussage aus den Lebensumständen von Büchsenschütz, der kein NSDAP-Mitglied war. Aber er war Beamter in Berlin. “Und wohl deshalb hat er sich den neuen Machthabern hier auf tragische Weise andienen wollen”, sagte Wernicke.
Regierungssprecher Thomas Braune sieht keinen Grund, das Lied bei offiziellen Anlässen nicht mehr zu spielen. Büchsenschütz habe sich vor Jahren für sein damaliges Verhalten entschuldigt.
Beamter und Autor
Autor: Gustav Büchsenschütz (1902–1996) schrieb die “Märkische Heide” 1923 als Mitglied der Wandervogelbewegung in einer Herberge bei Vehlefanz (Oberhavel). Er war damals schon Beamter in Berlin und blieb dies auch bis zur Pensionierung.
Lied: Der Text beginnt mit “Märkische Heide, märkischer Sand, sind des Märkers Freude, sind sein Heimatland. Steige hoch, Du roter Adler, hoch über Sumpf und Sand, hoch über dunkle Kiefernwälder! Heil Dir, mein Brandenburger Land!”. Von den Nazis geschätzt, war das Lied in der DDR verpönt.