Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Der Rechte Rand Nr. 153 (März/April 2015).
Mit aktuell zehn Abgeordneten im Potsdamer Landtag hat die Brandenburger AfD seit den Wahlen im September 2014 bundespolitisch einiges an Gewicht erlangt. Wie fast kein anderer sorgt vor allem einer für Furore: Alexander Gauland, Mitglied im Bundesvorstand und Chef des Landesverbandes.
von Svenna Berger
Gauland-Partei mit Rechtsaußen-Leck
Über Gauland sagte CSU-Politiker Gauweiler kürzlich in der Wochenzeitung »Die Zeit«: »Er trägt zur Belebung der Debatte bei«. Und so ist der Ex-CDUler und ehemalige Herausgeber der »Märkischen Allgemeinen Zeitung« regelmäßig Gast in Talkshows und Interviewpartner im Politikteil diverser Zeitungen. Der Brandenburger AfD-Landesvorstand gehört zum ‹nationalkonservativen› Flügel in der Partei und das nicht allein wegen Gauland. Ende September veröffentlichte das Magazin »Der Spiegel« Parteiinterna, darunter Informationen über extrem rechte AfD-Abgeordnete; zugespielt von Stefan Hein, dem Sohn der Gauland-Lebensgefährtin, der schließlich wegen Verrats aus der Landtagsfraktion flog.
Zur Landtagswahl, bei der die AfD zwölf Prozent der Zweitstimmen erlangte, war klar: Acht von elf gewählten Landtagsabgeordneten, so eine Recherche des »Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrums« Berlin und des »Moses-Mendelssohn-Zentrums« in Potsdam, blicken auf rechte bis extrem rechte Karrieren zurück. Neben dem Ex-Republikaner Andreas Galau gehört auch Andreas Kalbitz dazu; er schrieb für die revisionistische »Junge Landsmannschaft Ostdeutschland«, den extrem rechten »Witikobund« und ist Verleger eines rechten Hörbuchverlages. Weiterhin wird Steffen Königer erwähnt – ehemals Redakteur der »Jungen Freiheit«, Ex-Mitglied im »Ring Christlich-Demokratischer Studenten« und früherer Kandidat für den rechtspopulistischen »Bund Freier Bürger« – sowie die beiden Begründer des Brandenburger Verbandes der islamfeindlichen Partei »Die Freiheit«, Rainer von Raemdonck und Thomas Jung.
Der Umgang mit (extrem) rechten Positionen in der Partei ist dabei widersprüchlich: Landes- und Fraktionschef Gauland gewährt diesen Fraktionskollegen »eine zweite Chance«, auch wenn sie sich mitunter nicht von ihren Inhalten distanzieren. Königer beispielsweise zählte das NSDAP–Buch »Glaube an Deutschland« kurz vor der Landtagswahl in einem Zeitungsinterview zu seiner Lektüre. Jan-Ulrich Weiß, der als Nachrücker in den Landtag ziehen sollte, musste hingegen gehen: Nachdem er antisemitische Karikaturen veröffentlichte, wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Der Skandal war zu groß.
Die Debatten um die AfD im Landtag halten weiter an: Neben der Diskussion um die Besetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission, an der nach Forderung der SPD keine MandatsträgerInnen mit extrem rechter Biografie mitwirken solle, führen die Themen Asylpolitik, die Rolle des Islam und der Umgang mit PEGIDA und deren NachahmerInnen regelmäßig zum Eklat.
Die »Volksbewegung« und die AfD
Von Anfang an machte Gauland aus seiner politischen Nähe zu den DemonstrantInnen in Dresden keinen Hehl, auch gegen Widerstände im AfD-Bundesvorstand. Im Brandenburger Landtag sorgt Gauland damit für Unmut. Hier werden ihm seine Positionen zu PEGIDA und Zuwanderung vorgeworfen. Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen von Paris hatte Gauland für PEGIDAs Islamkritik geworben und wurde dafür scharf kritisiert. SPD-Fraktionschef Klaus Ness urteilte: Die versuchte Gleichsetzung von MuslimInnen mit TerroristInnen und das Verbot der PEGIDA-Demonstration nach den Anschlägen als fortschreitende Islamisierung zu bezeichnen, grenze an Volksverhetzung. Um sich gegen den Vorwurf der Islamfeindlichkeit zu immunisieren, lud die AfD-Fraktion kurzum VertreterInnen des »Vereins der Muslime in Potsdam e. V.« ein.
Den doppelzüngigen Umgang mit rechten Positionen, den Gauland bereits im eigenen Landesverband praktizierte, setzt er hinsichtlich der PEGIDA-Aufmärsche fort: Rassistische Positionen und das asyl- und ‑islamfeindliche Moment der Proteste werden verharmlost und PEGIDA von Gauland gar zur neuen »Volksbewegung« erklärt. Diese sei vergleichbar mit der Rolle der frühen Anti-Atombewegung als Wegbereiter für die parlamentarischen Grünen. Der Skandal um das Hitler-Bild von PEGIDA-Begründer Lutz Bachmann ging ihm zwar zu weit, doch erst nach dem Zerwürfnis innerhalb der Dresdner Führungsriege brach Gauland mit den OrganisatorInnen. An der inhaltlichen Nähe ändert sich damit nichts.
»Europa den Europäern«
Diese Nähe der AfD zeigte sich auf einer Demonstration des Brandenburger PEGIDA-Abklatsches »Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung« (BraMM). Auf einem von Norman Wollenzien, Mitglied im AfD-Kreisverband Havelland, gehaltenen Schild war zu lesen: »Antirassismus, Weltoffenheit, Vielfalt sind Kennwörter für weißen Genozid – Europa den Europäern«. An der Veranstaltung, die der Landeschef der »Republikaner«, Heiko Müller, angemeldet hatte, nahmen auch eine Reihe bekannter Neonazis teil. Wollenziens Kontakte in die Neonaziszene sind bereits in der Vergangenheit bekannt geworden.
Von seinem rassistischen Tonfall ist auch Gaulands Absage an Zuwanderung nicht weit entfernt. »Wir sollten eine Einwanderung von Menschen, die unserer kulturellen Tradition völlig fremd sind, nicht weiter fördern, ja wir sollten sie verhindern«, so zitiert ihn »Der Tagesspiegel«. Welche Traditionen fremd seien, sagt Gauland sehr genau: »Diese kulturelle Tradition ist im Nahen Osten zu Hause.«. Damit trägt er nicht etwa »zur Belebung der Debatte« bei, sondern gibt rassistischen Positionen und extrem rechten ProtagonistInnen in der AfD eine Plattform.
Autor: Finn
Dieser Artikel erschien zuerst unter blog.rechtesland.de sowie im aktuellen Rundbrief “monitor” des apabiz e.V.
Als »Social-Media-Muffel« bezeichnete eine Studie zur Nutzung Sozialer Medien Anfang dieses Jahres die Brandenburger_innen. Doch dass die Sozialen Medien inzwischen flächendeckend Einzug gefunden haben, zeigt sich in erschreckender Weise an einer Recherche für den Online-Atlas Rechtes Land: Im Land Brandenburg sind RassistInnen sehr gut über Facebook vernetzt.

Es ist egal, welche Aktivitäten gezählt werden, das Ergebnis lautet immer gleich: Die rassistische Agitation gegen Geflüchtete und Migrant_innen hat sowohl bundesweit, als auch im Land Brandenburg enorm zugenommen. In den ersten vier Monaten diesen Jahres fanden hier 38 von 40 rechten Kundgebungen und Demonstrationen unter einem rassistischen Motto statt, dabei lag die durchschnittliche Zahl rechter Versammlungen in den Vorjahren gerade einmal bei einem Dutzend. 58 von 92 rechten Gewalttaten im Jahr 2014 wertete der Verein Opferperspektive als rassistisch motivierte Straftaten. Neben einem Gesamtanstieg, ist auch die Zahl rassistischer Gewalttaten deutlich höher als im vorangegangenen Jahr. Die Aufzählung geht weiter: Mit 120.000 Zweitstimmen und damit knapp 12 % zog die Alternative Für Deutschland (AfD) mit ihrem Anti-Asyl-Wahlkampf in den Landtag ein und überragte die Ergebnisse der rassistischen NPD und DVU aus vorherigen Wahlen um Längen. Welche Gefahr noch droht, zeigt sich bei der Analyse der rassistischen Facebook-Aktivitäten.
Vernetzung sichtbar machen
Die Fülle von rassistischen Inhalten im Netz ist nicht überschaubar. Inzwischen gibt es bundesweit mehrere hundert Facebook-Seiten, die sich gegen die Einrichtung von Asylunterkünften wenden. Ihre Namen sind oft ähnlich: Nein zum Heim X, Stadt Y wehrt sich oder schlicht Bürgerinitiative Z. Die Zählung für das Land Brandenburg ergibt: 42 Facebook-Seiten mit 47.636 »Gefällt-mir« Angaben richten sich gegen die Einrichtung von Asylunterkünften.
Die populärsten Seiten sind dabei die beiden brandenburgweiten Seiten Brandenburg wehrt sich (über 6.300 »Gefällt-mir«-Angaben) und Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung (knapp 5.000). Letztere wird dem Neonazinetzwerk Licht und Schatten aus Potsdam und Umgebung zugeordnet. Die Neonazis von Licht und Schatten pflegen enge Kontakte zu Maik Eminger, Zwillingsbruder des als NSU-Unterstützer angeklagten André Eminger und inzwischen Brandenburger Sprecher der Neonazipartei der III. Weg. Etwas weniger Klickzahlen haben dagegen die NPD-nahen Seiten Nein zum Heim in Guben (über 3.600), Nein zum Heim in Oranienburg (über 3.000) und Nein zum Heim Eisenhüttenstadt (über 2.700), gehören aber als lokalorientierte Seiten zu den Spitzenreitern. In allen drei Städten fanden bereits rassistische Kundgebungen statt. Die meisten anderen der 42 Facebook-Initiativen haben unter 1.500 Klicks, viele verharren bei einigen Hundert »Gefällt-mir«-Angaben.
Neben der Zustimmung lässt sich an den Daten ebenfalls erkennen, welche Initiative auf andere Seiten verweist, wodurch ein digitales Netzwerk sichtbar wird. Wieder gehört Nein zum Heim in Guben zu den am meisten genutzten Seiten: 14 der 42 Seiten verweisen auf die Facebook-Initiative aus der Grenzregion. Dicht gefolgt von einer weiteren Grenzstadt: Auf die Seite Frankfurt Oder wehrt sich verweisen zehn Brandenburger Facebook-Seiten. Nein zum Heim in Oranienburg (9), Nein zum Heim in Nauen (8) und Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung (8) werden ebenfalls häufig auf anderen Seiten genannt. Alle Verbindungen haben wir in einer Grafik veranschaulicht.
Nein zum Heim in Guben
Es reicht allerdings nicht aus, die Klicks und Zahlen der digitalen Zustimmung zu zählen, ohne die Strukturen dahinter anzuschauen. Bei der Analyse fällt eine Seite auf: Nein zum Heim in Guben erhält als Seite mit Lokalbezug die meisten Likes, postet mehrmals täglich und ist auch auf der Straße aktiv. Dabei hat Guben gerade einmal 17.600 Einwohner_innen. Würden nur Gubener_innen die Seite frequentieren, wurde es bedeuten, dass jede_r fünfte die rassistische Initiative unterstützt. Doch die Verweise von anderen Facebook-Initiativen nach Guben verdeutlichen eine brandenburgweite Aufmerksamkeit. Sogar bundesweit werden Verlinkungen zu anderen Anti-Asyl-Seiten, ebenso wie zu rechten Seiten wie Junge Freiheit und Netzplanet getätigt. Dass es sich bei der Nein zum Heim in Guben-Seite um eine NPD-nahe Seite handelt, zeigt sich nicht nur an der Nutzung des NPD-Kampagnenlogo Asylantenheim? Nein danke! als Titelbild, sondern auch anhand von Berichten über NPD-Kundgebungen. Zuletzt riefen die InitiatorInnen der Facebook-Initiative zu einer Kundgebung im März diesen Jahres auf. Es handelt sich um eine klassische NPD-Kundgebung mit FunktionärInnen aus dem Oderland und der Lausitz, ebenso wie AnhängerInnen der JN Brandenburg. Sowohl Aileen Rokohl, Pressesprecherin des NPD-Landesverbandes, als auch Landesschatzmeisterin Manuela Kokott agitierten in ihren Redebeiträgen im Sinne der NPD gegen die Aufnahme von Geflüchteten in Guben. Vor 16 Jahren jagte eine Gruppe Neonazis den algerischen Asylbewerber Farid Guendoul in Guben zu Tode. Der bis heute aktive Neonazi und NPD-Funktionär Alexander Bode wurde damals als Haupttäter verurteilt. Bode gilt als eine der zentralen Akteure der rechten Szene in Guben. Auch für den 16. Mai ruft Nein zum Heim in Guben erneut zu einer Kundgebung gegen Geflüchtete auf.
Rassistisches Potenzial in Brandenburg
Insbesondere die so genannten Nein zum Heim-Initiativen entfalten ihr Potenzial im Internet. Während sonst ein paar Dutzend, höchstens aber 200 Menschen auf die Straße gehen, eröffnet Facebook einen Blick auf das noch nicht ausgereizte Potenzial an SympathisantInnen: Zwar lassen sich die über 47.000 »Gefällt-mir«-Angaben nicht eins zu eins in Personen umrechnen, denn viele NutzerInnen liken mehrere Seiten zugleich oder nutzen mehrere Profile. Darüber hinaus, gibt es im Internet Tipps, wie »Gefällt-mir«-Angaben erhöht und sogar gekauft werden können. Klar ist, die MacherInnen der rassistischen Seiten haben ein Interesse, die Zahl der Klicks hochzuhalten. Wie hoch die genaue Anzahl der realen Personen hinter den Likes ist, bleibt unklar. Sicher ist: Mehrere tausend Personen geben rassistischer Hetze im Internet ihre Zustimmung.
Brandenburg steht damit nicht allein da. Insbesondere der Anstieg von Gewalt- und Straftaten im Zusammenhang mit Unterkünften für Geflüchtete spiegelt eine bundesweite Entwicklung wieder.
Rechtes Land hat bereits die rechten Aufmärsche in der Bundesrepublik gezählt, rechte Gewalt in unterschiedlichen Städten und Bundesländern kartiert und ebenso auf die Todesopfer rechter Gewalt hingewiesen. Der Online-Atlas Rechtes Land ist mit neuem Layout und neuen Funktionen zu finden auf www.rechtesland.de sowie interaktive Karten auf blog.rechtesland.de.
Svenna Berger und Felix Hansen
Zum Artikel auf blog.rechtesland.de
Zu den Daten auf www.rechtesland.de


Strausberg — Polizei durchsucht private Räume mit unzulänglichem Vorwand, betritt und filmt Räume des Vereins ohne wirksamen Durchsuchungsbeschluss
Am Vormittag des 10. März 2015 durchsuchten etwa 30 Beamte der Polizei das private Zimmer eines Vereinsmitglieds in den Räumlichkeiten des Alternativen Jugendprojekts 1260 e.V.
Etwa 15 Beamte, sowohl uniformiert als auch in zivil, begannen nach Öffnung der Haustür sofort in alle Räume auszuschwärmen und die Räumlichkeiten zu filmen. Beim Betreten der Wohngemeinschaft wurde keine Rücksicht auf die Räume der anderen Bewohner_innen genommen. Die Polizist_innen konnten erst durch energisches Drängen davon abgehalten werden, nicht andere Privaträume zu betreten und filmten währenddessen Küche, Bad und WC.
Zur Begründung durch die Polizei ist dem richterlichen Durchsuchungsbeschluss aus dem August des letzten Jahres zu entnehmen, dass nach Beweismitteln für die Begehung eines Landfriedensbruchs nach § 125 StGB gesucht werde. Es sollte sogenanntes „Bildmaterial“, welches am „Tattag“ vom Beschuldigten angefertigt worden sei, sowie nicht näher definierte „Tatkleidung“ aufgefunden werden. Dem Beschluss ist zusätzlich zu entnehmen, dass der Tatverdächtige am 24.November 2013 „Mitdemonstrierende“ zum „gewaltsamen Durchbrechen“ einer Polizeikette aufgefordert haben soll.
Wie genau das sogenannte „Bildmaterial“, welches nicht näher beschrieben ist, mit dem Tatvorwurf in Verbindung steht, bleibt unbegründet. Nach diesem Beschluss bleibt zu vermuten, dass sich die beschuldigte Person selber beim Begehen der vorgeworfenen Straftat gefilmt oder fotografiert haben soll.
Ebenso wenig wird genauer beschrieben, worum es sich bei der „Tatkleidung“ genau handeln soll, nach der nach 16 Monaten trotz unzulänglicher Beschreibung, gesucht wurde. Der schon aufgrund der nicht näher beschriebenen Beweismittel wohl kaum haltbare Durchsuchungsbeschluss, hatte zwischenzeitlich auch seine Wirksamkeit verloren. Laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahre 1997 ist eine richterliche Durchsuchungsanordnung keine Beantragung auf Vorrat. Nach dem Ablauf von sechs Monaten entfaltet eine Durchsuchungsanordnung keine Wirkung mehr. Eine über sechs Monate nach Ergehen der Anordnung erfolgende Durchsuchung ist unzulässig. Den Polizeibeamten, für die die Vollziehung von Durchsuchungsbeschlüssen zum täglich Geschäft gehört, hätte dieser Umstand bei einem Blick auf das Datum (12.08.2014) sofort bewusst werden müssen.
Die ungenügende Beschreibung der „Tatkleidung“ und des „Bildmaterials“ sowie die Vollziehung eines nicht mehr wirksamen Durchsuchungsbeschlusses unter Mißachtung der Vorgaben des BVerfG lassen Zweifel an einer sauberen polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlung wachsen. Vielmehr ergibt sich daraus nun die Vermutung, dass es andere Beweggründe für diese Durchsuchung gegeben haben könnte.
Wir als AJP1260 e.V. verurteilen das undemokratische Vorgehen der Polizei und das unsaubere Arbeiten von Staatsanwaltschaft und Gericht scharf. Der Verein wird rechtliche Schritte gegenüber den Ermittlungsbehörden prüfen, da während der Durchsuchung Räume des Vereins AJP 1260 e.V. betreten und durchsucht worden sind, obwohl diese vom ohnehin unwirksamen richterlichen Beschluss nicht umfasst waren, und zudem begründete Bedenken bestehen, ob das Gericht seiner Pflicht, den Antrag auf Durchsuchung gewissenhaft zu prüfen, nachgekommen ist.
Ein kleiner Rückblick auf unsere Demo zum Internationalen Frauentag am 7.3.:
Ungefähr 200 Flüchtlingsfrauen und ihre Freund*Innen sammelten sich vor dem Potsdamer Hauptbahnhof, während schwungvolle Trommlerinnen für gute Simmung sorgten.
In einem Redebeitrag beschrieb Elisabeth Ngari, unter welchen Bedingungen Frauen und Kinder in abgelegenen Brandenburger Sammelunterkünften leben müssen: Qualvolle Enge, durch Arbeitsverbote erzwungene Untätigkeit, Stress und Angst vor Übergriffen bestimmen den Alltag. “Wie lange noch soll Angst unsere Leben bestimmen?” klagte sie die Verantwortlichen an und forderte endlich landesweite Regelungen zu erlassen, Asylsuchende in Wohnungen unterzubringen – vor allem die Frauen und Kinder!
Mit lauten Parolen zog die Demonstration durch die Potsdamer Innenstadt und endete mit der Abschlusskundgebung vor dem Landtagsgebäude mit Redebeiträgen und mit klassischer Musik von Musikerinnen der Gruppe Lebenslaute.
Sehr bewegt hat uns, dass viele asylsuchenden Frauen von weitem für die Demonstration angereist waren, sogar aus Nürnberg und München waren Flüchtlingsfrauen gekommen um in vielen Sprachen laut zu rufen: “Keine Lager für Frauen! Alle Lager Abschaffen!”
Redebeiträge zum Nachhören beziehungsweise Nachlesen:
Speech of Women in Exile in English
Redebeitrag von Women in Exile in Deutsch
Redebeitrag von Women in Exile & Friends in Deutsch
Solidarische Grüße aus Frankfurt
Solidarische Grüße aus Göttingen
Aktivist*Innen vom queeren Wagenplatz ‘Schwarzer Kanal’
Wir bedanken uns bei Allen, die uns bei der Organisation der Demo tatkräftig oder mit Spenden unterstützt haben.
Die neonazistischen Initiatoren der rassistischen Facebook-Seite „Frankfurt/Oder wehrt sich“ versuchen sich in Bürgernähe. Auf der Seite wird dazu aufgefordert, Spielsachen für „deutsche“ Kinder zu sammeln. Dass ausschließlich für „deutsche“ Kinder — beziehungsweise für jene, die die Macher*innen für solche halten – gesammelt wird, sollte hellhörig machen. Hinter den Kulissen wird das ganze von jener Gruppierung organisiert, die bereits einen rassistischen Aufmarsch in Frankfurt (Oder) am 17.01.2015 initiiert hat. Anmelderin dieser Demonstration war Franziska Koss.

Zum Glück fallen nicht alle auf die vermeintlich harmlose Aktion rein. Das Management des Frankfurter Südring Centers weigerte sich, als Abgabeort für die Spenden zu fungieren. In einem Schreiben an die antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder) heißt es: „Für diese Veranstaltung wird es auch vom Südring Center keine Genehmigung geben.“ Christine Toon, die Betreiberin von „Tina’s Partyservice“ hingegen scheint keine Berührungsängste mit den Neonazis zu haben. Mittlerweile präsentieren die besorgten Bürger*innen auf ihrer Facebook-Seite die ersten “Spenden”. T‑Shirts des Neonaziversandes Itsh84u- Streetwear. Dieser wird von Alexander Ulrich aus Karstädt (Prignitz) betrieben.

Rassist*innen bleiben Rassist*innen – auch wenn sie sich kinderlieb geben. Wer sie nicht konsequent isoliert und jegliche Zusammenarbeit mit solchen Organisationen verweigert, begibt sich in die Gefahr, als Feigenblatt für Rassismus und Menschenverachtung zu dienen.
Nachdem sowohl die Märkische Allgemeine Zeitung als auch die AG Antifa BRB in der vergangenen Woche auf den politischen Hintergrund der Organisator_innen der BraMM aufmerksam machten, erfolgte zeitnah die Reaktion der Gruppe. Sie verwies darauf, dass die Anmelder der Spaziergänge zwar Mitglieder bei den Republikanern seien, aber alle Personen im Organisationsteam als Privatpersonen handeln. Fraglich bleibt hierbei nur, warum dann gerade die beiden Mitglieder einer rechtskonservativen Partei als Anmelder und V.i.S.d.P auf der Internet- und Facebookpräsenz herhalten mu?ssen. Die Ursache scheint im Personalmangel innerhalb der BraMM zu liegen, denn sie suchen händeringend nach möglichen Ordner_innen fu?r kommenden Montag, wie ein Beitrag auf Facebook zeigt (siehe Bild).

Mittlerweile haben auch die PEGIDA-Organisator_innen in Dresden von ihrem Ableger im Land Brandenburg Wind bekommen. Nach aktuellen Erkenntnissen distanziert sich PEGIDA von [2]. Die Vorsitzende Kathrin Oertel äußerte sich wie folgt: „Pegida ist und bleibt ein Dresdner Original. Wir werden gegen jeden Trittbrettfahrer vorgehen, der uns und unser 19-Punkte-Programm instrumentalisiert, beispielsweise die NPD oder die Republikaner in Brandenburg.“[3]. Welche Schritte jedoch von ihr gegen die Funktionäre der Partei Die Republikaner unternommen werden ist bisher unklar. Diese Stellungnahme der PEGIDA wird am kommenden Montag, den 26. Januar, sicherlich dazu beitragen, dass zahlreiche potentielle Teilnehmer_innen dem Spaziergang der BraMM fernbleiben. Die Distanzierung von PEGIDA-Ablegern ist nicht auf die BraMM beschränkt, sondern betrifft beispielsweise auch die LEGIDA in Leipzig. Offiziell wird zwar angegeben, LEGIDA hätte sich nicht zum 19-Punkte-Programm bekannt, aber die Ursache ist eher in den gewalttätigen Auseinandersetzungen am vergangenen Mittwoch zu suchen [4]. Eine Gruppe von Hooligans attackierte Journalist_innen und zerstörte dabei zum Teil ihr Equipment. Hier wird deutlich, dass es ein schmaler Grad ist, zwischen der Hetze gegen die sogenannte „Lu?genpresse“ und Übergriffen auf sie. Durch solche und weitere Parolen wird ein Klima erzeugt in dem sich gewaltaffine Personen in ihren Ansichten bestärkt fu?hlen und dementsprechend handeln.
Weiterhin ist mit einer regen Teilnahme von regionalen und u?berregionalen NPD-Strukturen und anderen neonazistischen Gruppierungen zu rechnen. Diese versuchten bereits in der Vergangenheit PEGIDA und die lokalen Ableger fu?r ihre Ziele zu instrumentalisieren. Seit kurzem ruft auch die neonazistische Gruppe „Ein Licht fu?r Deutschland gegen Überfremdung“ zur Teilnahme am kommenden Montag auf (siehe Bild).

Diese nahm an zahlreichen eindeutig neonazistischen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet teil, so unter anderem bei einem unangemeldeten Fackelmarsch in Gransee zum Volkstrauertag 2014. Fu?hrender Kopf scheint M. Eminger zu sein. Er und sein im NSU Prozess angeklagter Zwillingsbruder sind keine unbekannten in der regionalen und u?berregionalen Neonaziszene.
Wer sich dem Spaziergang am kommenden Montag anschließt, muss sich bewusst sein das er gemeinsam mit gewaltbereiten Neonazis und Rassist_innen auf die Straße geht.
AG Antifa ruft weiter zu Protesten auf
Mittlerweile hat sich in Brandenburg an der Havel ein breites Bu?ndnis unter Federfu?hrung der Koordinierungsgruppe fu?r Toleranz und Demokratie gebildet. Gemeinsam rufen Parteien und Initiativen zu einer Kundgebung am 26. Januar ab 18:30 Uhr auf dem Neustädtischen Markt auf. Es wird mit bis zu 500 Teilnehmer_innen gerechnet. Das Motto lautet „Fu?r ein buntes und weltoffenes Brandenburg an der Havel“.
Die AG Antifa BRB unterstu?tzt die Kundgebung und weist jedoch zusätzlich darauf hin, dass der Protest nicht auf den Auftaktort des Spaziergangs beschränkt bleiben darf. Die Route verläuft vom Neustädtischen Markt u?ber die Steinstraße zum Trauerberg und es ergibt sich somit genug Raum fu?r friedlichen und kreativen Protest am Rande der Strecke.
Entschlossen gegen Rassismus und Islamfeindlichkeit!
AG Antifa BRB
1 Facebookseite von BraMM
2 MAZ, 20. Januar 2015
3 MAZ, 20. Januar 2015
4 MAZ, 23. Januar 2015
5 Facebookseite von “Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung”
Am 24. Januar 2015 wird das Antifaschistische Pressearchiv Potsdam (APAP) die Chronik neonazistischer und menschenverachtender Aktivitäten in Potsdam und Umgebung für das Jahr 2014 veröffentlichen. Im Rahmen
einer Informationsveranstaltung im “Spartacus” um 19:30 Uhr wird die Chronik vorgestellt und über neonazistische und menschenverachtende Strukturen und Aktivitäten in Potsdam aufgeklärt. Danach findet eine Party statt, deren Einnahmen die anfallenden Kosten für antifaschistische und antirassistische Politik decken sollen.
Die vorliegende Chronik ist in diesem Jahr zusätzlich mit „menschenverachtend“ überschrieben. Rassistische, sexistische sowie diskriminierende Aus- und Vorfälle sind nun unter dem Begriff „menschenverachtend“ zusammengefasst. Dabei orientieren wir uns mit unserer Arbeit am Konzept der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“. Die Chronikeinträge sind demnach mitunter thematisch breiter als zuvor, was unter anderem damit zusammenhängt, dass nicht ausschließlich Umtriebe einer bestimmten Gruppe von Menschen (z.B. organisierte Neonazis) abgebildet werden sollen, sondern generell Aktivitäten, die
diskriminierende und menschenverachtende Haltungen zum Ausdruck bringen.
Im vergangenen Jahr zeigte sich besonders plastisch, durch Veranstaltungen wie Montagsdemonstrationen und dem Phänomen PEGIDA, wie anschlussfähig menschenverachtende Positionen gesamtgesellschaftlich verankert sind.
Auch in diesem Jahr verübten mutmaßliche Neonazis, wie im Jahr 2013, Anschläge gegen linke und alternative Strukturen. Wieder wurde das Café Olga von Unbekannten angegriffen. Die Wohnprojekte in der Zeppelinstraße
25 und 26 wurden durch eine Gruppe vermummter Neonazis mit Steinen angegriffen. Mehrere Scheiben von Zimmern, in denen sich zu diesem Zeitpunkt auch Personen aufhielten, wurden zerstört. Die Potsdamer Neonaziszene zeigt sich weiterhin bedeckt und tritt in Potsdam nicht öffentlich auf. Lediglich Propagandaaktionen werden durchgeführt und wie gewohnt im Nachhinein auf ihrer Website präsentiert.
Die im Jahr 2013 entstandene neonazistische Struktur “Licht und Schatten” muss als Nachfolgelabel des “Infoportal Potsdam” gesehen werden. Im Zuge rassistischer Mobilmachung gegen Geflüchtete organisierte “Licht und Schatten” die Kampagne “Ein Licht für Deutschland”, in der sie mit verschärfter völkischer Rethorik gegen Geflüchtete hetzen.
Wie im letzten Jahr, konnte die NPD 2014 in Potsdam nicht Fuß fassen. Lediglich zur Landtagswahl im September 2014 hingen kurzzeitig Plakate der Partei im Stadtgebiet. Auf zwei Kundegebungen, in Waldstadt und auf dem Bassinplatz, versuchte die Partei ihre Inhalte zu vermitteln. Während in Waldstadt es wegen einer Geheimhaltungstaktik der Polizei und der Stadt zu keinen Gegenprotesten kam, demonstrierten am 11. September 2014 bis zu 200 Menschen gegen eine kurzfristig bekannt gewordene Kundgebung der NPD. Zu den Kommunalwahlen trat die Partei nicht an. Zu den Landtagswahlen hingegen wählten 706 Menschen mit ihrer Zweitstimme die NPD.
Das ganze Jahr über bestimmte die Diskussion um die Einrichtung von Geflüchtetenunterkünften die öffentliche Debatte. Obwohl die Stadt Potsdam im Vergleich zu vielen anderen brandenburgischen Städten in
ihrem Engagement gegen neonazistische und rassistische Aktivitäten sehr aktiv ist, kam es regelmäßig zu rassistischen Ausfällen, sei es in Form von Unterschriftenaktion oder der Gründung von Bürgerinitiativen. Trotz der Bemühungen seitens der Moderationen auf Bürgerversammlungen zu Geflüchtetenunterkünften, keinen rassistischen Äußerungen Raum zu geben, war auf diesen oftmals eine chauvinistische und rassistische
Grundstimmung zu beobachten. Vor allem bei der einberufenen Versammlung im Potsdamer Stadtteil Am Stern im Mai 2014 herrschte eine ablehnende Grundstimmung gegen Geflüchtete, die durch chauvinistische und
rassistische Zwischenrufe deutlicht wurde.
Die Chronik ist auf unserer Website www.apap.blogsport.eu abrufbar. Ebenso ist die Chronik auf dem Kartierungsprojekt rechtesland.de visualisiert. Ein Bericht auf blog.rechtesland.de findet ihr hier.
Das Deutsche Institut fu?r Menschenrechte hat im Dezember ein bemerkenswertes Papier herausgegeben: Menschenrechtliche Verpflichtungen bei der Unterbringung von Flu?chtlingen. Der Autor Hendrik Cremer benennt
darin „menschenrechtliche Handlungspflichten von Ländern, Kommunen und vom Bund“. Denn Deutschland ist nach internationalem Flu?chtlingsrecht und den Menschenrechten dazu verpflichtet, menschenrechtskonforme
Aufnahmebedingungen fu?r Asylsuchende sicherzustellen. „Die Realität sieht häufig anders aus“, schreibt Cremer. „Nicht selten sind die Zustände in den Flu?chtlingsunterku?nften menschenunwu?rdig.“
Der Flu?chtlingsrat Brandenburg schließt sich dieser Kritik an. Mit dem Argument, es herrsche ein „Unterbringungsnotstand“, werden bestehende Mindeststandards fu?r Sammelunterku?nfte außer Kraft gesetzt. Die im Bericht der Landesregierung zum Landesunterbringungskonzept im Jahr 2013 formulierten Ziele, vor allem der Vorrang der Unterbringung in Wohnungen, werden zur Makulatur, die Zahl der Sammelunterku?nfte wurde seit 2012 verdoppelt. Das Deutsche Institut fu?r Menschenrechte hält dagegen: „Mit dem Anstieg der Flu?chtlingszahlen sind die Probleme in Flu?chtlingsunterbringungen nicht zu rechtfertigen.“
Im Einzelnen gibt das Deutsche Institut fu?r Menschenrechte sieben Empfehlungen:
1. „Aufnahme- und Sammelunterku?nfte du?rfen nicht an Orten ohne vorhandene Infrastruktur eingerichtet werden.“ Unterku?nfte an Stadträndern oder in Gewerbegebieten können die Rechte der betroffenen Menschen, beispielsweise auf Bildung oder Gesundheit, faktisch vereiteln.
Die Realität in Brandenburg: Abgelegen in einem Gewerbegebiet bei Ferch hat die Landesregierung eine Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhu?ttenstadt eröffnet. An den Plänen, die ehemalige Lausitz-Kaserne im Wald bei Doberlug-Kirchhain ebenfalls als Erstaufnahmeeinrichtung zu nutzen, wird festgehalten. Der Standort einer Reihe geplanter Anschluss-Sammelunterku?nfte stellt ebenfalls eine Verletzung des Menschenrechts auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dar: darunter Oderberg im Barnim, Hohenbucko in Elbe-Elster, Prebelow an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern, Groß Glienicke bei Potsdam, Friedrichshain in Spree-Neiße sowie die Sammelunterkunft im Gewerbegebiet von Ludwigsfelde, die wiedereröffnet werden soll. Problematisch ist ebenfalls die Lage des bereits eröffneten Wohnverbunds Walddrehna in Dahme-Spreewald, ganz zu schweigen von den „Dschungelheimen“ Hohenleipisch in Elbe-Elster und Althu?ttendorf im Barnim, fu?r deren Schließung Bewohner/innen und Flu?chtlingsorganisationen seit Jahren eintreten. Entgegen einem Kreistagsbeschluss hat das Landratsamt Barnim vor, die fu?r nächstes Jahr geplante Schließung der Sammelunterkunft Althu?ttendorf zu revidieren.
2. „Schaffung und Durchsetzung von bundeseinheitlichen verbindlichen Mindeststandards fu?r den Betrieb von
Flu?chtlingsunterku?nften.“ Ob bundeseinheitliche Standards sinnvoll sind, ist unter Flu?chtlingsorganisationen umstritten. Sie bergen die Gefahr der Nivellierung auf dem niedrigsten Unterbringungsniveau. Brandenburg ist eines der vier Bundesländer mit verbindlichen Mindeststandards, doch diese sind weitgehend ungenu?gend. Ihre Verbesserung scheiterte an der Weigerung der Landesregierung, den Kommunen zusätzliche Kosten zu erstatten. Daher gilt immer noch eine Mindestwohnfläche von 6 m² pro Flu?chtling, die im Oktober fu?r einen Zeitraum von maximal sechs Monaten sogar auf 5 m² herabgesetzt wurde. In solchermaßen vollgepferchten Mehrbettzimmern wird das Menschenrecht auf Privatsphäre andauernd verletzt, das nur mit abgeschlossenen Wohneinheiten zu gewährleisteten ist. Folge der Unterbringung in engen Sammelunterku?nften ohne ausreichende Privatsphäre sind Auseinandersetzung und Gewalt zwischen Flu?chtlingen, erhöhte Gefahr von sexuellen Übergriffen und Belästigungen, Lärm und Enge, die die Lernerfolge der Minderjährigen beeinträchtigen und auch die Erwachsenen längerfristig krank machen, besonders wenn sie traumatisiert sind. Diese Formen der Unterbringung widersprechen dem Recht auf Familienleben und der UN-Kinderrechtskonvention. Soziale Arbeit kann hier wenig ausrichten, solange ein Betreuungsschlu?ssel von einer Stelle fu?r 120 Bewohner/innen gilt.
3. „Die Errichtung von Massenunterku?nften ist grundsätzlich zu vermeiden.“ Massenunterku?nfte enthalten ein erhebliches Konfliktpotenzial und fu?hren zur Stigmatisierung der Bewohner/innen. Flu?chtlingsunterku?nfte sollten daher eine Belegungskapazität von 50 Personen nicht u?berschreiten, wie die Diakonie in einem Positionspapier vom Juli 2014 empfahl. Die Realität in Brandenburg: Bestehende Massenunterku?nfte werden erweitert, so Waßmannsdorf auf 330 Plätze, Hennigsdorf auf 495 Plätze, Prenzlau auf 317 Plätze und Rathenow auf 225 Plätze. Neue Massenunterku?nfte werden eingerichtet in Lehnitz mit 220 Plätzen und in Teltow mit 392 Plätzen.
4. „Dauerhafte Unterbringung in Sammelunterku?nften verhindern.“ Es ist mit dem menschenrechtlich verbrieften Recht auf Wohnen nicht in Einklang zu bringen, Menschen u?ber Jahre zum Aufenthalt in Sammelunterku?nften zu verpflichten und ihnen damit den Zugang zum Wohnungsmarkt zu versperren. Zwar gibt es in Brandenburg nicht — wie in einer Reihe anderer Bundesländer – eine Landesregelung, die eine bestimmte
Verweildauer in Sammelunterku?nften vorschreibt. Die Sammelunterkunft ist aber die Regelunterbringung im Anschluss an die Erstaufnahme, und es steht im Ermessen der Sozialämter, den Umzug in eine Wohnung zu genehmigen. Dies verstößt gegen das Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zum Wohnungsmarkt und öffnet der Willku?r Tu?r und Tor, den Auszug zu verweigern – z. B. als Sanktionsmaßnahme. In Brandenburg mu?ssen manche Flu?chtlinge viele Jahre in einer Sammelunterkunft leben. Mit Wohnsitzauflagen fu?r einem bestimmten Landkreis wird die selbstständige Wohnungssuche an Orten mit Wohnungsleerstand und gu?nstigeren Mieten vereitelt.
5. „Unterstu?tzung von Flu?chtlingen bei der Wohnungssuche.“ In Brandenburg existieren nur in wenigen Landkreisen Beratungsstellen, die Flu?chtlinge bei der Wohnungssuche unterstu?tzen. Wo Flu?chtlinge in Wohnungen untergebracht werden, erfolgt dies meist durch eine Zuweisung von Amts wegen. Dadurch werden sie in einer Abhängigkeit und Bevormundung gehalten. Stattdessen bedarf es einer individuellen Beratung, um Flu?chtlingen die selbstständige Wohnungssuche zu ermöglichen. Ein Landesprogramm zur Förderung eines Wohnraummanagements und der sozialen Begleitung dezentral untergebrachter Flu?chtlinge steht noch aus
6. „Schaffung von Wohnungen mit sozialverträglichen Mieten.“ In Brandenburg wird die Rede vom Unterbringungsnotstand durch den Leerstand von 70.000 – zum Teil zentrumsnahen und infrastrukturell gut
angebundenen — Wohnungen Lu?gen gestraft. Die Landesregierung bezuschusste seit 2010 im Rahmen des Stadtumbauprogramms den Abriss leerstehender Wohngebäude mit ca. 28 Millionen Euro. Die Verwendung dieser
Mittel fu?r die Renovierung dieser Wohngebäude und die Herrichtung von Wohnungen fu?r Flu?chtlinge wäre weit sinnvoller.
7. „Eine gesamtstaatliche Strategie zur Unterbringung von Flu?chtlingen entwickeln.“ Die Landesregierung hat angeku?ndigt, die vom Bund fu?r das Jahr 2015 zur Verfu?gung gestellten Mittel von 22,5 Millionen Euro mit der Gießkanne an die Landkreise zu verteilen. Damit wiederholt die Landesregierung den Fehler des
letzten Jahres, als sie den Landkreisen 5 Millionen Euro zur Erhöhung der Mindestwohnfläche in Sammelunterku?nften auf 8 m² und zur Herrichtung von Wohnungen u?berwies. In solchen zeitlich begrenzten Ad-hoc-Maßnahmen lässt sich kein stringentes Gesamtkonzept der Unterbringung erkennen. Das Landesunterbringungskonzept, mit dem die Mindeststandards verbessert und der Vorrang der Wohnungsunterbringung verwirklicht werden sollten, scheiterte im Jahr 2013 an der Weigerung einer dauerhaften auskömmlichen Kostenerstattung – und am Starrsinn der kommunalen Spitzenverbände, die
unter allen Umständen an der Unterbringung in Sammelunterku?nften festhalten wollten. Es ist davon auszugehen, dass die derzeitige Gießkannenpolitik zu einer Ausweitung der Unterbringung in Sammelunterku?nften fu?hren und diese fu?r Jahre festschreiben wird. Die Landesregierung hat politische und finanzielle Möglichkeiten, wie die Novellierung des Landesaufnahmegesetzes und der Mindeststandards fu?r
Unterku?nfte, die Unterbringung in Wohnungen zu erhöhen, Massenunterku?nfte zu vermeiden und die Wohnsituation fu?r Flu?chtlinge menschenrechtskonform zu gestalten. Wenn sie diese nicht endlich nutzt, wird Brandenburg bundesweit eines der Länder mit der niedrigsten Wohnungsquote bleiben. Isolierte Massenunterku?nfte, wie sie in den 1990er Jahren entstanden, galten dem letzten Landtag als Zeichen einer verfehlten und unmenschlichen Flu?chtlingspolitik, die es dauerhaft zu korrigieren gilt. Das geforderte und nach wie vor dringend nötige Unterbringungskonzept liegt immer noch nicht vor, das Aufnahmegesetz wurde nicht geändert, die Standards nicht verbessert, mit dem Ergebnis, dass genau solche Unterku?nfte wieder etabliert werden. Eine menschenrechtskonforme Unterbringungspolitik sieht anders aus, daran hat das Deutsche Institut fu?r Menschenrechte erinnert.
Potsdam, 21. Januar 20015
ErstunterzeichnerInnen
1. Aktionsbu?ndnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit
2. Prof. Dr. Birgit Ammann, Fachhochschule Potsdam
3. Nadja Hitzel-Andelhamid, Antidiskriminierungsberatung der Opferperspektive
4. Arbeitsgruppe Flucht und Migration Kirchenkreis Oberes Havelland
5. Asylverfahrensberatungsinitiative ‑angehört-
6. AUSTAUSCH am KANAL, Potsdam
7. Autonomes Frauenzentrum Potsdam
8. Barnimer Kampagne “Light me Amadeu”, Eberswalde
9. Annett Bauer,
10. Lutz Boede, Stadtverordneter Potsdam und Mitglied des Migrantenbeirates
11. Ruth Brinkmeier
12. Dorothee Bruch, Xenion
13. Chill out e.V., Potsdam
14. Cottbuser Flu?chtlingsverein
15. Der Runde Tisch Willkommen, Wandlitz
16. Kirsten Dieckmann, Diplom-Psychologe
17. Rolf Dietrich, Potsdam
18. Franziska Donner, Potsdam
19. Ulla van Dorp, Teltow
20. Vera Dost, VVN-BdA Brandenburg
21. Judith Dubiel, Runder Tisch Willkommen, Wandlitz
22. Steffen Ehlert, Eberswalde,
23. Flu?chtlingsberatungsstelle Hennigsdorf
24. Flu?chtlingsprojekt “Integration+” Projekthaus Potsdam
25. Freiland Potsdam
26. Freundeskreis zur Unterstu?tzung der Asylbewerber in Teltow
27. Pfarrer Bernhard Fricke, Hohen Neuendorf
28. Heidrun und Dieter Gadischke, Bernau
29. Gabi und Konrad Geburek
30. Gemeindediakonische Initiative ESTAruppin e.V.
31. Hanna Greve, Diplom-Psychologin
32. Benedikt Gu?nther
33. Frank Grunau
34. Christian Haase, Mallnow
35. Jutta Henglein-Bildau, Teltow
36. Heidi Hildebrand,Sozialarbeiterin, Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Landesverband Nordbrandenburg
37. Hochschulgruppe der Universität Potsdam “Refugees Welcome Brandenburg”
38. Karin Hopfmann, Überregionale Flu?chtlingsberatung AWO Ostprignitz-Ruppin
39. Dr. Knut Horst, Mitglied in Willkommen in Falkensee
40. Kristin Hassel, Gerswalde,Uckermark
41. Hennigsdorfer Ausländerbeirat
42. Hennigsdorfer Ratschlag
43. Initiative “Bunte Zora” Lauchhammer
44. Initiative Willkommen in Gransee
45. Initiativgruppe gegen Gewalt und Rassismus Velten
46. Inwole e.V., Potsdam
47. Thomas Keller, Wandlitz
48. KommMit — fu?r Migranten und Flu?chtlinge e. V.
49. Kooperation fu?r Flu?chtlinge in Brandenburg
50. Ina Krahl
51. S.Krebs
52. Elisabeth Kuck, ehrenamtliche Mitarbeiterin im Wohnheim Nuthetal, Potsdam
53. Kulturlobby Potsdam
54. Kathleen Kunath, Mitglied in Willkommen in Falkensee
55. Landesjugendring Brandenburg e.V.
56. Landesverband Sozialistischen Jugend – die Falken
57. Shaun Lawton, Schauspieler
58. Johann-Georg Hofer von Lobenstein, Hamburg
59. Dr.Armin Meyer, Niederfinow
60. Horst Nachtsheim, Mitglied im Willkommenskreis Neuhardenberg e.V.
61. Neuruppin bleibt bunt
62. N.N. — Auf zu Neuen Nachbarschaften Potsdam-West
63. Opferperspektive e.V.
64. Irena Petzoldova, Psych. Psychotherapeutin, KommMit
65. Christoph Poldrack, Pfarrer in Leegebruch/Velten/Marwitz + Mitglied der Willkommensinitiative
Leegebruch/Oberkrämer
66. Projekt Farfalla
67. Host Rabbow, Überregionale Flu?chtlingsberatungsstelle AWO-OPR
68. Claudia Rashied, Teltow
69. Refugees Emancipation e.V
70. Refugees Welcome Senftenberg
71. Joachim Ru?ffer, Projektkoordinator KommMit
72. Ru?diger Schmolke
73. Peter Siebert
74. Ulrich Stahn, Sydower Fließ
75. Iris Rodriguez, Freie Journalistin
76. Victor Rodriguez, Berlin
77. Sibylle Rothkegel, Dipl. Psych., Psych. Psychotherapeutin.
78. Katharina Tietz
79. Vielfalt statt Einfalt — fu?r ein freundliches Frankfurt (Oder)
80. Sabine Waldner, Mitglied in Willkommen in Falkensee
81. Michael Weber
82. Willkommen in Falkensee
83. Willkommen in Oberhavel
84. Willkommenskreis Neuhardenberg e.V.
85. Willkommensinitiative Oranienburg
86. Simon Wohlfahrt
87. Heike Wolff, Potsdam
88. Women in Exile e.V.
89. Zossen zeigt Gesicht
800 Bürger*innen setzten am Samstag, den 17.1.2015 ein Zeichen gegen den rassistischen Aufmarsch „Stopp dem Asylmissbrauch“ der Gruppe „Frankfurt/Oder wehrt sich“. Die Teilnehmer*innen solidarisierten sich
mit Geflüchteten und wollten eine Willkommenskultur in Frankfurt (Oder) stark machen. Nach der zentralen Kundgebung auf dem ehemaligen Horten-Vorplatz in der Frankfurter Innenstadt, bei dem Geflüchtete sowie
Vertreter*innen aus Politik und Zivilgesellschaft für eine offene Gesellschaft ohne Rassismus und Diskriminierung warben, wurde ab der Mittagszeit die Route des rassistischen Aufmarsches durch friedliche
Massenblockaden besetzt und hinderte die Rassist*innen daran, auf ihrer geplanten Route und in der Innenstadt zu marschieren.
Der Bahnhof konnte anfangs erfolgreich von Demokrat*innen umstellt werden, bevor eine friedliche Blockade im Bahnhofstunnel von der Polizei geräumt wurde, um den Rassist*innen den Weg frei nach Altberesinchen zu
machen. Das Ziel, die Rassist*innen keinen Meter laufen zu lassen, konnte damit nicht erfüllt werden.
„Wir werten unsere Aktion heute aber dennoch als Erfolg, weil wir verhindern konnten, dass die Rassist*innen ihre ursprüngliche Route begehen und in die Innenstadt gelangen konnten. Gemeinsam mit hunderten entschlossenen Demokrat*innen aus Frankfurt (Oder) und andernorts haben ihnen diesen Weg blockiert. Wir bedanken uns bei dem Engagement und der regen Teilnahme an den vielfältigen Protestformen. Die Rassist*innen waren gezwungen, abseits der Innenstadt ihre Menschenverachtung auf die Straße zu tragen.“, so Janek Lassau, Pressesprecher des Bündnisses. Die flüchtlingsfeindliche Stimmungsmache fand damit wenig Gehör.
Zu dem neonazistischen Aufmarsch mit circa 150 Teilnehmer*innen waren neben stadtbekannten Neonazis, Anhänger*innen der NPD, wie Alexander Bode, welcher an der Tötung eines Asylsuchenden bei der sog. „Hetzjagd von Guben“ 1999 beteiligt war, und sogar Nazis aus dem Dunstkreis des rechtsterroristischen NSU, wie Maik Eminger, Zwillingsbruder und enger Kamerad eines Angeklagten im NSU-Prozess, auch dutzende Bürger*innen erschienen, die sich nicht eindeutig der extremen Rechten zuordnen lassen. Hier zeigt sich die gesellschaftliche Gefahr, die von Pegida, AfD und HoGeSa derzeit ausgeht. Sie motivieren einerseits den rechten Rand, ihre unverhüllte Menschenverachtung wieder verstärkt in die Öffentlichkeit zu tragen und bilden andererseits ein neues Sammelbecken für den versteckten Rassismus aus der vermeintlichen Mitte der
Gesellschaft. Neonazis und rassistische Bürger*innen versuchten auch hier in Frankfurt (Oder), den Schulterschluss der „Ängste und Sorgen“ vor Geflüchteten mit einem „Deutschland den Deutschen“ und der
Verherrlichung des Nationalsozialismus zu vollziehen. Diesem Vorhaben hat die demokratische Zivilgesellschaft ihre Ablehnung spüren lassen und die Rassist*innen am 17.01.2015 weitgehend isoliert.
Einen noch erfolgreicheren Ausgang des Tages verhinderte die Polizei. Die friedlichen Blockaden wurden teilweise mit unverhältnismäßiger Härte aufgelöst und es gab gewaltsames Vorgehen gegen Demonstrant*innen,
welche auch Verletzungen von sich trugen. So wurden Menschen, die ihre Sitzblockade freiwillig aufgeben wollten, von Polizist*innen brutal zurück auf den Straßenboden gestoßen; eine Polizeieinheit prügelte mit
Schlagstöcken auf friedlich Protestierende ein. Bei einem Übergriff auf den Lautsprecherwagen des Bündnisses verletzten Polizist*innen mehrere Menschen. Dabei kam es auch zu polizeilicher Gewalt gegenüber einem Mitglied des Kommunikationsteams, das in Konflikten vermittelt und deeskaliert. Mehrere Demonstrant*innen prüfen daraufhin eine Anzeige gegen einzelne Beamt*innen.
Der Sprecher des Bündnisses kommentiert weiter: „Trotz der Repression durch die Polizei konnten wir an die erfolgreichen Proteste aus dem Jahr 2012 anknüpfen. Wieder einmal haben Frankfurter*innen und auch
angereiste Unterstützer*innen Hand in Hand gezeigt, dass Frankfurt (Oder) kein Ort für Rassismus und Menschenverachtung ist. Friedliche Massenblockaden sind dabei das Mittel der Wahl für hunderte Menschen
hier in Frankfurt (Oder), die sich für eine offene und gerechte Gesellschaft sowie Solidarität mit Geflüchteten einsetzen wollen und den Rassist*innen die Stadt nicht überlassen haben“. Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ bedankt sich bei allen Unterstützer*innen und Mitblockierenden. „Das Zeichen, das wir am Samstag gesetzt haben, ist unverkennbar. Wegschauen hat keine gute Tradition in Deutschland – das zeigt die Geschichte. Unser Motto ist und bleibt: Wehret den Anfängen!“, so Janek Lassau. Weiter sagt Lassau: „Die Organisator*innen des rassistischen Aufmarsches haben bereits angekündigt, demnächst erneut marschieren zu wollen, dem gilt es sich erneut in den Weg zu stellen. Für eine erfolgreiche Blockade ist die zahlreiche Teilnahme aller Demokrat*innen gefragt. Nur gemeinsam können
wir solche Aufmärsche verhindern. Wir hoffen dementsprechend, bei den nächsten Protesten noch mehr zu sein.“
Frankfurt (Oder), den 21.01.2015
Text zur Demonstration unter dem Motto „Refugees welcome — Rassist*innen über’s Maul fahren!“, am 18. Januar um 14.00 Uhr vom Luisenplatz.
Es ist der 12.01.2014, ein Montag. In Dresden findet die bisher größte wöchentliche Demonstration des rassistischen PEGIDA-Mobs mit 25.000 Teilnehmer*innen statt. Die Stimmung in Sachsens Hauptstadt erreicht an diesem Abend ein neues Level an Aggression. Am Abend verlässt der 20-jährige Khaled Idris Bahray, ein Geflüchteter aus Eritrea seine Wohnung um schnell einkaufen zu gehen. Er kehrt nie zurück.
Am Morgen darauf entdecken seine Mitbewohner*innen vor der Haustür im Hof eines Wohngebiets im Stadtteil Leubnitz, den blutüberströmten Leichnam des 20-Jährigen. Seine unter Schock stehenden Mitbewohner*innen berichten, dass sie sich aus Angst vor Übergriffen montags wegen der PEGIDA Demonstrationen nicht aus dem Haus trauen. Nun fürchten seine Freund*innen ein ähnliches Schicksal.
Es ist nichts Neues, dass Flüchtlinge in Deutschland von rassistisch motivierten Übergriffen (verbalen wie körperlichen) betroffen sind, doch in den letzten Wochen wurde die Situation deutlich bedrohlicher. So wurden die Mitbewohner*innen Khaleds von aggressiven PEGIDA-Teilnehmer*innen regelmäßig beschimpft, auf ihre Wohnungstür wurde eingetreten. Zwei Tage vor Silvester wurden auf Khaleds Wohnungstür zwei Hakenkreuze geschmiert, nur drei Tage vor dem Mord die Worte „Wir kriegen euch alle“. Nun fürchten seine Freund*innen ein ähnliches Schicksal.
Nachdem der Obduktionsbericht bestätigte, dass Khaled durch mehrere Messerstiche in Hals-und Brustbereich zu Tode gekommen ist, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft wegen Totschlages. Die reflexartige Verharmlosung der Dresdner Polizei in ihrer ersten Stellungnahme „Fremdeinwirkung könne ausgeschlossen werden“ enttarnt sich als völlige Fehleinschätzung des Tatbestandes. Erst auf den zunehmenden öffentlichen Druck hin erscheint, 30 Stunden nach Auffinden der Leiche, die Spurensicherung am Tatort. Bisher wurden 23 Personen von der Polizei befragt. Sie sind allesamt eritreische Geflüchtete, Freund*innen und Mitbewohner*innen von Khaled . Selbst das von der Dresdner Polizei verlautbarte „Ermitteln in alle Richtungen“ scheitert an dem politischen Unwillen der Beteiligten, es würde z.B. das Befragen der Neonazis die im gleichen Haus leben wie die Geflüchteten beinhalten.
Die deutsche Polizei beweist wieder einmal, dass sie auf dem rechten Auge mehr als blind ist. Spätestens seit dem Auffliegen der NSU-Morde ist klar, dass auf die staatlichen Behörden in der Aufklärung rassistisch motivierter Morde kein Verlass sein kann. Statt aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und sämtliche Mittel gegen rassistische Gewalt zu bemühen, wird von staatlicher Seite auch noch versucht auf die vermeintlichen Ängste der deutschen Bevölkerung einzugehen. So verschärfte die Bundesregierung in den letzten Monaten die Asyl– und Einreisegesetze. In Sachsen wurden gar Sondereinheiten der Polizei gegen „straffällige Asylbewerber“ gegründet.
Dieses Vorgehen spiegelt die allgemeine Stimmung der Bevölkerung. PEGIDA ist dabei nichts mehr und nichts weniger als ein Ausdruck dieser Stimmungslage. Nationalismus, Rassismus und krude Verschwörungstheorien brechen sich hier Bahn. Diese dienen dazu sich von „dem Anderen“, „dem Fremden“ abzugrenzen die damit automatisch zur Bedrohung werden für den entweder gutsituierten oder von Abstiegsängsten beherrschten Alltag. Im Schutz der Masse und von dieser bestärkt, traut sich der bedauernswerte, marginalisierte, weiße, männliche, heterosexuelle Deutsche gegen seine vermeintlichen Unterdrücker*innen vorzugehen. Unter dem Deckmantel von „Ängsten und Sorgen“, tritt hier menschenverachtendes Gedankengut zu Tage. Auch und grade im Internet, wo die Reaktionen auf den Tod Khaleds in Schadenfreude und widerlicher Selbstbestätigung gipfelte.
Es ist eine unangenehme Mischung aus Stärke und Größe einerseits, und dem nach außen getragenen Gefühl der Bedrohung andererseits die Pegida da über sich selbst verbreitet. Und es sind Medien und Politiker*innen von CDU bis Linkspartei, die diese Impulse aufgreifen. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge, wird durch veränderte Gesetzgebung, nicht gebaute Unterkünfte, an Stadtränder gedrängte Asylbewerber*innen dem „Druck der Straße“ nachgegeben. Angeblich um Schlimmeres zu verhindern.
Eine sinnvolle, nachdrückliche Antwort auf Rassismus, PEGIDA und rassistische Morde kann und wird niemals von staatlicher Seite kommen. Und erst Recht nicht von einem Staat dessen Repressionsorgane eine Hellseherin beauftragen, statt an Neonazis als mordende Terroristen zu denken, so wie es beim NSU geschah. Staatlichen Organen und Amtsträger*innen geht es nicht um ein sorgenfreies Leben für alle Menschen, ja noch nicht einmal um ein angstfreies aller hier Lebenden. Ihnen geht es um den Schutz und den Ausbau der Grundlage all ihres Schaffens und Seins, um den Schutz der kapitalistischen Ausbeutung auf dem deutschen Staatsgebiet und für deutsche Konzerne. Ihr Denken hangelt sich entlang von Begriffen wie Exportweltmeister, Arbeitsplatzsicherheit und ihre anstehende Wiederwahl. Sie wollen und wollten rassistische Morde nicht verhindern oder im Nachhinein aufklären um des menschenverachtenden Charakters einer solchen Tat willen. Das Ziel der Staatsoffiziellen ist es ein sauberes, weltoffenes Bild von Deutschland in der Welt zu verbreiten.
Auf Aufklärung und den Schutz des Staates darf also kein Verlass sein, so sehr wir auch nachvollziehen können, dass Menschen darauf angewiesen sein können. Parallel dazu zeigt die deutsche Mittelschicht dass wir ihr und ihren bürgerlich-aufgeklärten Idealen nicht weiter trauen sollten als wir spucken können. Ihren Rassismus tarnen sie mittlerweile in Phrasen und Codes wie ihrer „Angst vor Islamismus“, wobei ihnen schon die Begegnung mit nicht genuin kartoffeldeutsch aussehenden unter Dreißigjährigen als Beweis herhalten muss. Dass dies im „Tal der Ahnungslosen“ geschieht, dem Bundesland in dem nur 0,2 % der Bevölkerung muslimischen Glaubens sind, macht deutlich wie konstruiert die angebliche „Islamisierung des Abendlandes“ ist. Das ist von Rassist*innen geäußerter Rassismus, genau SO sollte dies benannt werden und ein dementsprechender Umgang damit erfolgen!
Dem Gefühl von Ohnmacht angesichts der 25.000 Pegida-Anhänger*innen wollen wir endlich etwas entgegensetzen! Wir wollen unserer Wut Ausdruck verleihen über einen rassistisch durchsetzten Alltag in dem auch vor Mord nicht zurückgeschreckt wird. Deshalb demonstrieren wir heute auf Potsdams Straßen.
Lasst uns gemeinsam in die Offensive drängen!
In Gedenken an Khaled Idris Bahray und alle diejenigen, die rassistischen Mörderbanden zum Opfer gefallen sind.