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Antifaschismus Law & Order Parlamentarismus

Freiland zu Anschuldigungen des Verfassungsschutz

Hal­lo Welt, hier unsere Stel­lung­nahme zu den Anschuldigun­gen des Ver­fas­sungss­chutz gegenüber dem frei­Land und der hier stattge­fun­de­nen Ver­anstal­tung rand.gestalten.

-> 2019-10-16 Stel­lung­nahme frei­Land rand.gestalten.pdf

Diese Stel­lung­nahme haben wir auf Anforderung des Ober­bürg­er­meis­ters der Stadt Pots­dam geschrieben. Sie sollte darauf­fol­gend den Stadtverord­neten durch den Ober­bürg­er­meis­ter mit ein­er Bew­er­tung der Ver­wal­tung sowie ein­er Stel­lung­nahme des Ver­fas­sungss­chutz zur Ken­nt­nis gegeben wer­den. Aus unbekan­nten Grün­den erlaubt der Ver­fas­sungss­chutz nun nicht, dass seine Stel­lung­nahme – welche dem Ober­bürg­er­meis­ter bere­its vor­liegt – eben­falls für die Stadtverord­neten und damit eigentlich auch der bre­it­en Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Lieber möcht­en sie sich mit der Ver­wal­tung im geheimen Gespräch austauschen.

Aus unser­er Sicht ist der Ver­fas­sungss­chutz ein Geheim­di­enst mit eigen­er poli­tis­ch­er Agen­da; ins­beson­dere wenn es darum geht, die Extrem­is­mus­the­o­rie und Gle­ich­set­zung von Links und Rechts zu befeuern. Ganz aktuell sieht man das mal wieder daran, dass sie sich endlich dazu entsch­ieden haben, ein paar der führen­den Nazis der AfD unter Beobach­tung zu stellen — natür­lich nicht ohne gle­ichzeit­ig her­aus zu posaunen, dass man auch Überwachung einiger Abge­ord­neter der Linkspartei erwäge. [1]

Des weit­eren entzieht sich der VS immer wieder jed­er par­la­men­tarischen Kon­trolle – in unserem aktuellen Fall sieht man das exem­plar­isch. Erst eine Stel­lung­nahme an einen aus­gewählten Empfänger*innenkreis raus­geben, aber wenn diese dann veröf­fentlicht wer­den soll, wird alles zurück­ge­zo­gen und das „per­sön­liche Gespräch” gesucht.

Wir haben unter diesen Vorze­ichen daher gestern die Pots­damer Ver­wal­tung gebeten, zumin­d­est unsere Stel­lung­nahme veröf­fentlichen zu dür­fen, welche wir aus oben genan­nten Grün­den bish­er nicht selb­st her­aus­gegeben haben.

Das Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um hat übri­gens kür­zlich auf eine Anfrage der AfD zu den rand.gestalten fol­gende Antwort gefunden:

In diesem Sinne liegen keine Erken­nt­nisse vor, dass es sich bei der Liegen­schaft des Kul­turzen­trums Frei­land in Pots­dam um ein Szeneob­jekt gewal­to­ri­en­tiert­er Link­sex­trem­is­ten han­delt. Zudem wur­den öffentlich auf dem Gelände des Frei­lands bis­lang keine extrem­istis­chen Ver­anstal­tun­gen bewor­ben.” [2]

By the way: Das ist das selbe Innen­min­is­teri­um, dem auch der Ver­fas­sungss­chutz unter­stellt ist. Aber egal.

Dieser Ken­nt­nis­stand liegt der Lan­deshaupt­stadt Pots­dam vor. Wir sind daher sehr irri­tiert, dass sie sich nicht selb­st­be­wusst vor ein seit Jahren von ihr gefördertes Kul­turzen­trum stellt.

[1] https://www.tagesspiegel.de/politik/hoecke-kalbitz-und-tillschneider-im-visier-verfassungsschutz-beginnt-mit-ueberwachung-von-drei-afd-politikern/25542650.html

[2] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w7/drs/ab_0100/104.pdf (Kopie auf inforiot.de)

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Stadtwerke wollen keine Erinnerung an Reichspogromnacht

Am Fre­itag den 9. Novem­ber jähren sich die Novem­ber­pogrome der Nazis zum 80. Mal. Um diesem his­torischen Ereig­nis angemessen zu gedenken wurde ein Bünd­nis ver­schieden­er Grup­pen und Einzelper­so­n­en gegrün­det. Aber nicht nur das Gedenken an Ver­gan­ge­nes ist das Ziel des Bünd­niss­es, son­dern auch zu verdeut­lichen, dass diese Ver­gan­gen­heit bis heute nach­wirkt, auf unser alltäglich­es Leben Auswirkun­gen hat und keines­falls ein­fach abgeschlossen ist. Auch in Pots­dam kam es z.B. zu Ver­haf­tun­gen von Jüdin­nen und Juden, die Syn­a­goge wurde ver­wüstet und eben­so der jüdis­che Fried­hof. Die Opfer waren Potsdamer*innen und die Täter*innen eben­so. Diesen Fakt woll­ten wir den Büch­ern und Akten entreißen und auf der Straße sicht­bar machen. Nicht nur für die über 50 Per­so­n­en die alljährlich an der Gedenk­feier am Mah­n­mal für die Opfer des Faschis­mus teil­nehmen, son­dern für alle Potsdamer*innen. Deshalb planten wir, nach his­torisch­er Recherche in Archiv­en und Bib­lio­theken, Plakate aufzuhän­gen um Orte zu kennze­ich­nen die exem­plar­isch einen Ein­blick in die Ver­gan­gen­heit ermöglichen. Es soll­ten „Orte der Täter*innen“ und „Orte der Opfer“ gekennze­ich­net werden.

Nun stellen sich die Pots­damer Stadtwerke quer. Ihre Lat­er­nen seien nicht dafür da zusät­zliche Plakate oder Schilder anzubrin­gen. Schreiben sie und lassen regelmäßig Wahlplakate von der SPD bis zur AfD zu. Dieses geschichtsvergessene Ver­hal­ten find­en wir skandalös!

Dazu sagt Melyssa Diedrich von der EAP: „Es scheint in diesem stadteige­nen Unternehmen wed­er Anstand noch auch nur ein Fünkchen his­torischen Sachver­stand zu geben. Im näch­sten Jahr wer­den wir die Pots­damer Stadtwerke ver­stärkt in den Fokus nehmen. Und zwar nicht nur als ‚Ort der Täter*innen‘ son­dern als ein­er der Prof­i­teure der sys­tem­a­tis­chen Aus­beu­tung von Men­schen durch die Nazis“.

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NEIN zum PAG

Auch in Bran­den­burg soll ein neues Polizeiauf­gabenge­setz (PAG) durch den Land­tag gebracht wer­den. Dabei geht es, wie in anderen Bun­deslän­dern auch, um eine mas­sive Ver­schär­fung des Polizeige­set­zes und eine Erweiterung der Befug­nisse. Das neue Gesetz ermöglicht es, Men­schen auch ohne konkreten Ver­dacht anzuhal­ten und zu durch­suchen, in Präven­tivge­wahrsam zu nehmen oder mit Hausar­rest zu bele­gen. Die Polizei soll damit ohne richter­lichen Beschluss dig­i­tale Razz­ien durch­führen kön­nen, wie z.B. Smart­phones hack­en dür­fen, um Mes­sen­ger wie What­sApp mitzule­sen – nicht nur von ver­meintlich verdächti­gen Per­so­n­en, son­dern auch in deren sozialen Umfeld. Zudem soll die Videoüberwachung des öffentlichen Raums noch stärk­er aus­geweit­et werden.

Der gesellschaftliche Kontext

Diese Geset­zesver­schär­fun­gen sind vor dem Hin­ter­grund ein­er generellen autoritären Entwick­lung in Poli­tik und Gesellschaft zu sehen, die sich icht zulet­zt in ver­schärfter Repres­sion gegen alle äußert, die gegen die beste­hen­den Ver­hält­nisse rebel­lieren. Dies zeigte sich etwa in dem bru­tal­en Vorge­hen der Polizei, mit dem während des G20-Gipfels in Ham­burg ver­sucht wurde, jede Äußerung von Wider­stand auf den Straßen zu ver­hin­dern. Nach dem Gipfel bemüht sich der Staat darum, mit öffentlichen Fah­n­dungsaufrufen, die die Springer­presse bere­itwillig ver­bre­it­ete, dem Ver­bot ein­er oppo­si­tionellen Inter­net­plat­tform (linksunten.indymedia.org), exem­plar­ischen Strafen und Haus­durch­suchun­gen, die bis heute anhal­ten, diejeni­gen einzuschüchtern, die sich nach grund­sät­zlich­er Verän­derung sehnen.

Das neue Polizeige­setz soll solch ein­er staatlichen Repres­sion erweit­erte Möglichkeit­en ver­schaf­fen. Davon sind wir alle betrof­fen. Let­zlich richtet sich die Repres­sion gegen alle, die nicht in das Bild des „angepassten Bürg­ers“ passen, die eine andere Vorstel­lung vom Leben haben oder den Frei­heits­be­griff anders bele­gen. Egal ob Aktivist*innen, Migrant*innen, Woh­nungslose, Fußball­fans, Grafitti-Zeichner*innen, usw. – alle sind bedro­ht. Und mit der fak­tis­chen Abkehr von der Unschuldsver­mu­tung soll es der Polizei und den Repres­sions­be­hör­den ermöglicht wer­den immer und über­all einzugreifen.

Uns kann es nicht allein darum gehen, das aktuell geplante Polizeige­setz zu ver­hin­dern. Wir wollen nicht den lib­eralen Rechtsstaat gegen autoritäre Entwick­lun­gen vertei­di­gen, die er auf­grund sein­er eige­nen Wider­sprüche her­vor­bringt. Auch unter lib­eralen Bedin­gun­gen gehört es zu den selb­stver­ständlichen Auf­gaben der Polizei, Leute aus ihren Woh­nun­gen zu wer­fen, wenn sie die Miete nicht bezahlen kön­nen, die Besit­zlosen daran zu hin­dern, sich aus den prall gefüll­ten Waren­häusern die Dinge zu nehmen, die sie zum Leben brauchen oder haben wollen und Men­schen ins Elend abzuschieben, wenn sie den Aufen­thalts­bes­tim­mungen der Obrigkeit nicht entsprechen. Let­z­tendlich beste­ht die Auf­gabe der Polizei ein­fach darin, die beste­hen­den Eigen­tumsver­hält­nisse und Hier­ar­chien aufrecht zu erhal­ten. Selb­st die lib­er­al­ste Polizei wird ungemütlich, wenn Men­schen die kap­i­tal­is­tis­chen Ver­hält­nisse oder Aspek­te der­sel­ben bewusst in Frage stellen. Immer wieder gut daran zu erken­nen, mit welch­er Vehe­menz beset­zte Häuser geräumt wer­den. Die Vertei­di­gung des heili­gen Eigen­tums ist auch für diese sich gern sozial- und mieter*innenfreundlichgebende Lan­desregierung ober­ste Pflicht. Das zeigt: Wir brauchen keinen sozialeren Staat oder lib­eraleren Kapitalismus!

Wir hal­ten den­noch an der Hypothese fest, dass eine Gesellschaft ohne Zwang und Aus­beu­tung möglich und wün­schenswert ist. Kämpfen wir dafür, die Wahrheit dieser Hypothese prak­tisch zu beweisen! Nehmen wir die Proteste gegen das neue Polizeige­setz zum Anlass, uns zum Kampf gegen das Sys­tem zu organ­isieren, das dieses Gesetz her­vorge­bracht hat und braucht, um seine ver­heerende Entwick­lung auch in Zukun­ft fort­set­zen zu können!

Darum kommt in den antikap­i­tal­is­tis­chen Block auf der Demo gegen das neue Polizeige­setz am 10.11.2018 in Potsdam.

Für weit­ere Infos über die Demo und das Polizeige­setz: nopolgbbg.de

Mit diesem Aufruf wollen wir allen ermöglichen, sich an der Demo zu beteili­gen, denen es um mehr geht, als um die Ver­hin­derung des neuen Polizeige­set­zes. Wir sehen in ein­er gemein­samen Demo aber auch einen guten Anlass, dass alle Men­schen ein­mal die Gren­zen ihrer jew­eili­gen Milieus über­winden und sich zu einem gemein­samen Wider­stand gegen diesen staatlichen Angriff zusam­men­find­en, den eine Gruppe von Betrof­fe­nen allein sich­er nicht wird abwehren können.

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Antifaschismus

Identitären Dietmar Gröper geoutet

Wir haben das Mit­glied der Iden­titären Bewe­gung Berlin/Brandenburg Diemar Gröper in seinem Wohnum­feld in Berlin-Steglitz geoutet: Diet­mar Gröper | Hack­er­straße 13 | 12163 Berlin Steglitz

Gröper ist Mit­glied der ‘Iden­titären Bewe­gung (IB)’. Die Iden­titäre Bewe­gung ver­sucht mit antifem­i­nis­tis­chen, ras­sis­tis­chen und islam­feindlichen Aktio­nen eine außer­par­la­men­tarische recht­sex­treme Bewe­gung zu etablieren.

Die let­zten Aktio­nen der ‘IB’ waren die Beset­zung des Bran­den­burg­er Tors und die Störung ein­er Ver­anstal­tung im Max­im-Gor­ki-The­ater. Die IB schüchtert gezielt ein und hat per­son­ell große Über­schnei­dun­gen mit der Jugen­dor­gan­i­sa­tion der AfD ‘Junge Alter­na­tive’. ‘Iden­titäre’ wie Diet­mar Gröper arbeit­en auch mit den gewalt­bere­it­en Nazis der Kam­er­ad­schaften, der NPD und des ‘Drit­ten Wegs’ zusammen.

Gröper war in den let­zten Jahren an vie­len Aktio­nen der IB beteiligt, unter anderem beim Auf­marsch der IB in Wien (10.06.2016) und Berlin (17.06.2016) oder der Störung ein­er SPD-Ver­anstal­tung zum The­ma Flucht und Migra­tion in Dall­gow-Döberitz (31.05.2016).

Auch den Kon­takt zu weit­eren recht­sradikalen Grup­pen scheut Gröper nicht. So nahm er unter anderem am Auf­marsch des 3. Wegs in Frankfurt/Oder (03.09.2016) oder dem Hooli­ganauf­marsch in Molen­beek (Bel­gien, 02.04.2016) teil.

Wir haben keine Lust auf solche Nach­barn. Nicht in Steglitz, nicht in Berlin, nirgendwo.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Politisches Motiv im Urteil nicht benannt

Gestern verurteilte das Amts­gericht Sen­ften­berg nach einem Prozesstag den 19-jähri­gen Matthias W. zu ein­er Jugend­strafe von acht Monat­en, aus­ge­set­zt auf zwei Jahre Bewährung sowie zum Ableis­ten gemein­nütziger Arbeit im Umfang von 100 Stun­den wegen des Angriffes auf eine schwan­gere Frau sowie weit­er­er Frauen und Kinder. Die Opfer­per­spek­tive kri­tisiert die fehlende Nen­nung des poli­tis­chen Motives in der Urteilsbegründung.

Die Aus­sagen der Ver­let­zten, die als Zeug­in­nen gehört wur­den, waren bedrück­end: Der sichtlich angetrunk­ene Täter hat­te sich am 25. August 2017 auf einem Spielplatz in Großräschen ziel­stre­big vor ein­er Gruppe von vier türkischen Frauen und ihren elf Kindern aufge­baut, sie ras­sis­tisch belei­digt und dann mit dem Fin­ger auf einzelne Frauen gezeigt und sie nacheinan­der mit dem Tode bedro­ht. Er schlug ein­er offenkundig schwan­geren Frau zunächst ins Gesicht und trat ihr mit erhobe­nen Bein in den Bauch als sie sich mit zwei kleinen Kindern auf dem Arm nicht schnell genug ent­fer­nen kon­nte. Einen 5‑jährigen Jun­gen, der vor ihm weglaufen wollte, trat er in den Rück­en. Ein weit­eres Mäd­chen flüchtete sich panisch auf die angren­zende befahrene Straße.

Nur durch glück­liche Umstände erlit­ten die Betrof­fe­nen keine schw­er­wiegen­den kör­per­lichen Schä­den, auch das Kind der Schwan­geren wurde gesund geboren. Die psy­chis­chen Tat­fol­gen dauern dage­gen bis heute an, schilderten die Betrof­fe­nen: Die Kinder hät­ten große Angst in der Öffentlichkeit und ver­mieden es z.B. auf Spielplätze zu gehen.

Anne Brüg­mann, Bera­terin beim Vere­in Opfer­per­spek­tive e.V., der die Betrof­fe­nen Frauen nach dem Angriff unter­stützt und im Ver­fahren begleit­et hat­te, kom­men­tierte den Prozess:

Aus Sicht der Betrof­fe­nen ist es pos­i­tiv, dass das Gericht mit der Ver­hän­gung ein­er Jugend­strafe die Schwere der Schuld des Täters anerkan­nt hat. Das Ver­fahren gab ihnen die Gele­gen­heit, aus­führlich von ihrem Erleben öffentlich zu bericht­en und wahrgenom­men zu wer­den. Allerd­ings war dies fast auss­chließlich durch eine engagierte Neben­klagev­ertre­tung möglich. Ins­beson­dere die Rich­terin hat sich so gut wie gar nicht für den ras­sis­tis­chen Hin­ter­grund der Tat und wenig für die Fol­gen für die Betrof­fe­nen inter­essiert. Es ist nicht nachvol­lziehbar, warum die poli­tis­che Moti­va­tion des Angriffs in der Urteils­be­grün­dung mit keinem Wort erwäh­nt wurde“.

Auch das Plä­doy­er des Staat­san­walts, die Tat sei „zwar aus­län­der­feindlich, aber nicht poli­tisch motiviert“ gewe­sen, ist aus Sicht der Opfer­per­spek­tive eine Farce. Es reduziert Ras­sis­mus bzw. „Aus­län­der­feindlichkeit“ auf einen ver­meintlichen Rand der Gesellschaft. Dabei sind es nicht allein organ­isierte Rechte, die poli­tisch motivierte ras­sis­tis­che Gewalt­straftat­en bege­hen. Der Angriff in Großräschen war die typ­is­che Tat eines Ras­sis­ten, der bei Gele­gen­heit vorsät­zlich han­delte. Wie alltäglich die Betrof­fe­nen den Ras­sis­mus erlei­den, zeigte sich auch an diesem Ver­hand­lungstag: „Zwar ver­ste­he ich kein deutsch, aber ‚Scheiß Aus­län­der’ kon­nte ich ver­ste­hen, da wir diese Worte wirk­lich sehr oft hören”, äußerte eine der Betroffenen.

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Antifaschismus Law & Order

Das extrem rechte Kampfsportturnier „Tiwaz – Kampf der freien Männer“

Im Ort­steil Grün­hain der Gemeinde Grün­hain-Beier­feld im säch­sis­chen Erzge­birge trafen sich am 9. Juni 2018 bis zu 250 Neon­azis zum Kampf­s­port­turnier „Tiwaz“. Die Ver­anstal­tung wurde seit Sep­tem­ber 2017 angekündigt und im Inter­net bewor­ben. Seit Ende Jan­u­ar 2018 kon­nten sich Kämpfer anmelden, Zuschauerkarten wur­den ab dem 16. März 2018 für 20 Euro pro Stück angeboten.

Das erst­mals durchge­führte „Tiwaz“ schließt naht­los an rechte Kampf­s­port-Ver­anstal­tun­gen wie den „Kampf der Nibelun­gen“ in Deutsch­land, den „Day of Glo­ry“ in Frankre­ich oder den „Tri­umph of Will“ in Ungarn an. Dementsprechend ver­net­zt kon­nte das „Tiwaz“ auf eine bre­ite Unter­stützung inner­halb der neon­azis­tis­chen Kampf­s­port­szene blick­en. So wurde das Event von der deutschen Train­ings­gruppe „War­don 21“, dem Kampf­s­port­net­zw­erk „Kampf der Nibelun­gen“, dem rus­sis­chen Neon­azi-Net­zw­erk „White Rex“, dem „Son­nenkreuz Ver­sand“ und den Neon­azi-Marken „Black Legion Wear“ und „Greifvo­gel Wear“ unterstützt.


Inhalt:

Kon­spir­a­tive Organ­i­sa­tion und inter­na­tionale Vernetzung

Die Kämpfer und die soge­nan­nte „Kampfge­mein­schaft“
– Kämpfer aus dem nord­deutschen Raum –
– Bran­den­burg­er Kämpfer –
– Kämpfer aus Thüringen –
– Ein alter Bekan­nter aus Sachsen-Anhalt –
– Kämpfer aus Sachsen –
– Bish­er unbekan­ntes Team aus Bayern –
– Kämpfer aus Rus­s­land und Bulgarien –

Die BesucherIn­nen

Faz­it


Die Teil­nehmerIn­nen reis­ten aus dem ganzen Bun­des­ge­bi­et sowie aus dem europäis­chen Aus­land an. Das Turnier bein­hal­tete 15 Kampf­paarun­gen und den Vor­trag eines Zeitzeu­gen, der über seine Erfahrun­gen mit Boxs­port im Nation­al­sozial­is­mus referiert haben soll.

Die Polizei führte Per­so­n­enkon­trollen an den Ort­se­ingän­gen durch und war laut eigen­er Aus­sage nicht bestrebt, „große Aufmerk­samkeit (…) auf eine der­ar­tige Ver­anstal­tung zu gener­ieren“ (twitter.com/PolizeiSachsen). Dementsprechend störungs­frei kon­nte das neon­azis­tis­che Kampf­s­port­turnier durchge­führt wer­den. Als Aus­tra­gung­sort diente das Miet­lokal „Tre­ff­punkt Grün­hain“ in der Bahn­hof­s­traße 4, auch bekan­nt als „VEM Kul­tur­saal Grün­hain“. In dem Gebäude, in dem son­st regelmäßig „Ü30-Par­tys“ stat­tfind­en, sitzt auch die Ver­mi­eter­fir­ma „Zehn­der Grund­stücksver­wal­tung GmbH“.

Der „Tre­ff­punkt Grün­hain“, in dem das „Tiwaz“ stat­tfand (Quelle: Pixelarchiv)

Die Organ­i­sa­tion des Events erfol­gte kon­spir­a­tiv. Ähn­lich wie bei intern bewor­be­nen neon­azis­tis­chen Konz­erten benutzten die Ver­anstal­ter des „Tiwaz“ einen Schleusungspunkt, den die Teil­nehmerIn­nen passieren mussten, um den genauen Ort der Ver­anstal­tung zu erfahren. Damit stell­ten die Ver­anstal­ter sich­er, dass uner­wün­schte ZuschauerIn­nen oder Pres­sev­ertreterIn­nen die Lokalität nicht im Voraus erfahren. Ein solch­es Konzept verdeut­licht, dass die Teil­nahme an diesem Turnier nicht zufäl­lig erfol­gte, son­dern die teil­nehmenden Kämpfer und ZuschauerIn­nen sehr wohl wussten, in welchem Rah­men die Ver­anstal­tung aus­ge­tra­gen wird.

Konspirative Organisation und internationale Vernetzung

Bei der Organ­i­sa­tion kon­nte augen­schein­lich auf die Exper­tise des extrem recht­en Kampf­s­port­net­zw­erkes des „Kampf der Nibelun­gen“ (KdN) zurück­ge­grif­f­en wer­den, das seit 2013 der­ar­tige Turniere veranstaltet.

Die regionale Vor­bere­itung des Events wurde vorder­gründig durch den Chem­nitzer Neon­azi Tim Kühn koor­diniert. Er warb schon früh für das „Tiwaz“ und ver­laut­barte später, dass über ihn Karten erhältlich seien. Kühn betreute zudem den Verkaufs- und Infor­ma­tion­s­stand des „Tiwaz“ auf dem Neon­azi-Fes­ti­val „Schild und Schw­ert“ am 20. und 21. April 2018 im säch­sis­chen Ostritz. Er ist seit Jahren in der organ­isierten Neon­azi-Szene aktiv. Bere­its im Umfeld der „Nationalen Sozial­is­ten Chem­nitz“ (NSC) nahm er an Demon­stra­tio­nen und Aktio­nen teil. Die Organ­i­sa­tion war maßge­blich für neon­azis­tis­che Aktiv­itäten in Chem­nitz und Umland ver­ant­wortlich und wurde im März 2014 ver­boten. Ihr gehörten auch Per­so­n­en aus dem Unter­stützerIn­nenkreis der recht­ster­ror­is­tis­chen Gruppe „Nation­al­sozial­is­tis­ch­er Unter­grund“ (NSU) an.

Tim Kühn selb­st war zwis­chen­zeitlich auch bei den „Nationalen Sozial­is­ten Erzge­birge“ aktiv und trat 2013 vor allem als Teil des Sicher­heits­di­en­stes der NPD auf, der Wahlkampfver­anstal­tun­gen der Partei absicherte. Ab 2016 beteiligte er sich an den Aktio­nen der kur­zlebi­gen Chem­nitzer Neon­azi-Grup­pierung „Recht­es Plenum“, welche von den nieder­säch­sis­chen Neon­azi-Kadern Patrick Kruse und Karl Schit­tko ins Leben gerufen wurde. Kühn ist auf eini­gen der „PR-Fotos“ dieser Gruppe zu sehen und organ­isierte u.a. großflächige Stick­er-Aktio­nen im Chem­nitzer Stadt­teil Sonnenberg.

Neben der lokalen Organ­isi­a­tions-Struk­tur garantierte vor allem das rechte Kampf­s­port­net­zw­erk „Kampf der Nibelun­gen“ den rei­bungslosen Ablauf der Ver­anstal­tung. Neben dem Dort­munder Alexan­der Dep­tol­la als Ansprech­part­ner des KdN war Jim Koal für die Betreu­ung des KdN-Verkauf­s­standes in Grün­hain zuständig. Koal stammt aus dem Raum Chem­nitz, wohnt aber seit einiger Zeit in Dort­mund. Dort, im eng­sten Kreis der Neon­azi-Partei „Die Rechte“, ist auch Franz Pauße aktiv, der dem KdN-Organ­i­sa­tion­steam ange­hört und eben­so bei „Tiwaz“ anwe­send war. Die Chem­nitz-Dort­mund-Con­nec­tion kommt dabei nicht von unge­fähr. Seit Jahren weisen die Nazistruk­turen bei­der Städte eine enge Bindung auf. Neben Jim Koal ist dabei vor allem Steve Rein­hold, ehe­mals NSC und „Recht­es Plenum“ in Chem­nitz, häu­fig im Anhang der Dort­munder Neon­azis der Partei „Die Rechte“ zu find­en. Der stel­lvertre­tende Vor­sitzende der Partei, Christoph Drew­er aus Dort­mund, ist indes regelmäßig in Chem­nitz zu Gast. Im Okto­ber 2016 trat er für die Hooli­gan­gruppe „Kaot­ic Chem­nitz“ zum KdN-Turnier im hes­sis­chen Gemün­den an. Beim „Schild & Schwert“-Festival in Ostritz stieg er für das „Team Kampf der Nibelun­gen“ in den Ring.

Zum Team des KdN im säch­sis­chen Grün­hain gehörte auch der aus Thürin­gen stam­mende Philipp Liebe­trau. Seine „Kar­riere“ in der Neon­azi-Szene begann er in den Struk­turen der „Freien Kräfte Südthürin­gen“, die bis zu Auflö­sung im Jahr 2008 maßge­blich das Image der „Autonomen Nation­al­is­ten“ bee­in­flussten. Liebe­trau gehörte auch zur ersten Gen­er­a­tion des extrem recht­en „Medi­enkollek­tiv Media Pro Patria“. Nach deren Auflö­sung war Liebe­trau regelmäßiger Teil­nehmer von Kundge­bun­gen des „Nationaler Wider­stand Dort­mund“ um Christoph Drew­er, Michael Brück und Alexan­der Dep­tol­la. Seit dessen Ver­bot im Jahr 2012 gilt die Neon­azi-Partei „Die Rechte“ als Auf­fang­beck­en der lokalen Neon­azi-Szene. Dass Liebe­trau beim „Tiwaz“ als Abge­sandter des KdN auf­trat, ist dem­nach nicht ver­wun­der­lich. Schon 2017 trat er in Frankre­ich beim Neon­azi-Turnier „Force & Hon­neur“ als Vertreter dieser Struk­tur auf, wo er den KdN-Kämpfer Kai Zim­mer­mann, Kad­er der Neon­azi-Partei „Der III. Weg“ in Bay­ern, betreute. Phillip Lieb­trau ist fern­er Grün­dungsmit­glied der Neon­azi-Train­ings­gruppe „War­don 21“ und spielt mit dem Öster­re­ich­er Manuel Eder – eben­falls Kern­mit­glied bei „Wardon21“ – in der NS-Hard­core-Band „Ter­ror­sphära“.

Die seit 2017 aktive Grup­pierung „War­don 21“ war in Grün­hain durch den aus Thürin­gen stam­menden Philipp Oer­tel und den in Sprem­berg (Bran­den­burg) als Tätowier­er arbei­t­en­den Heiko Drews vertreten. Drews ist eines der neuesten Mit­glieder der bun­desweit agieren­den Neon­azi-Gruppe und gehört darüber hin­aus dem Sprem­berg­er Ableger des „Gremi­um MC“ an, der für seine Verbindun­gen in die Neon­azi-Szene bekan­nt ist. „War­don 21“ propagiert vor allem einen „NS-Straight Edge“-Lifestyle, der in der Neon­azi-Szene aktuell zunehmend Ver­bre­itung find­et. Mit Manuel Eder ist die Gruppe zudem an die Neon­azi-Marke „Greifvo­gel Wear“ ange­bun­den. Während die Marke vom ehe­ma­li­gen „Blood & Honour“-Kader Sebas­t­ian Raack aus Süd­bran­den­burg angemeldet wurde, wirkt Eder als Verbindungs­mann in die inter­na­tionale Neon­azi-Szene. Einen Tag vor dem „Tiwaz“ betreute er etwa den Verkauf­s­stand von „Greifvo­gel Wear“ auf dem Neon­azi-Fes­ti­val „Tage der nationalen Bewe­gung“ in Thürin­gen. Dass Eder die Marke auch in Grün­hain repräsen­tierte, ist wahrscheinlich.

Beteiligte Per­so­n­en und Organ­i­sa­tio­nen, (v.l.n.r.) Philipp Oer­tel („War­don 21“), Alexan­der Dep­tol­la („Kampf der Nibelun­gen“), Tim Kühn („Tiwaz“), Tomasz Skatul­sky („Pride France“), Denis Nikitin („White Rex“) und zwei Per­so­n­en von „Black Legion“

Die extrem rechte Cot­tbuser Kampf­s­port- und Streetwear­marke „Black Legion“ fand sich eben­falls mit einem Team sowie einem Dutzend Anhän­gerIn­nen in Grün­hain ein. Inhab­er der Marke ist Mar­tin Sei­del aus Cot­tbus, der auch den Neon­azi-Laden „The Dev­ils Right Hand Store“ und das Neon­azi-Musik­la­bel „Rebel Records“ betreibt. Er selb­st war am Tag des „Tiwaz“ mit einem Verkauf­s­stand beim Neon­azi-Fes­ti­val „Tage der nationalen Bewe­gung“ in The­mar vertreten. Seine Band „Haus­mannkost“ stand dort am sel­ben Tag auch auf der Bühne. Es ist denkbar, dass Sei­del nur als Strohmann für „Black Legion“ fungiert.

Aus der Region Köln war mit dem „Son­nenkreuz Ver­sand“ ein weit­er­er bekan­nter Akteur der organ­isierten Neon­azi-Szene am „Tiwaz“ beteiligt. Der Ver­sand wird von Frank Krämer betrieben, der auch für den Video-Blog „Der dritte Blick­winkel“ ver­ant­wortlich ist, als Gesprächspart­ner im For­mat „Mul­ti­kul­ti trifft Nation­al­is­mus“ mitwirkt und darüber hin­aus Stu­diomusik­er und Grün­dungsmit­glied der neon­azis­tis­chen Band „Stahlge­wit­ter“ ist. Fern­er ist Krämer auch bei der extrem recht­en Neo­folk-Band „Hal­gadom“ aktiv. Seine Anbindung an das „Tiwaz“ dürfte jedoch nicht vor­rangig auf seine musikalis­chen Aktiv­itäten zurück zu führen sein, son­dern auf das Ange­bot seines Ver­sand­han­dels. Dort bietet Krämer, der seit eini­gen Jahren Kraft­sport betreibt, u.a. Nahrungsergänzungsmit­tel und soge­nan­nte „Boost­er“ an, die sich vor allem im Bere­ich Kraft­sport an Beliebtheit erfreuen.

Mit dem rus­sis­chen Neon­azi-Kampf­s­port­net­zw­erk „White Rex“ war „Tiwaz“ nicht nur inter­na­tion­al beset­zt, son­dern kann mit Kon­tak­ten zu dessen Grün­der Denis Nikitin auf einen erfahre­nen Ver­anstal­ter neon­azis­tis­ch­er Turniere zählen. Nikitin ist nicht nur Hooli­gan und aktiv­er Sportler im Bere­ich Box­en, son­dern vor allem Net­zw­erk­er. Seine Bemühun­gen um den Aus­bau der extrem recht­en Kampf­s­port­szene, den er seit spätestens 2013 in Deutsch­land vorantreibt, scheinen Früchte zu tra­gen. Denn mit dem „Kampf der Nibelun­gen“, den er maßge­blich bee­in­flusste, beste­ht ein aus der Naziszene heute nicht mehr wegzu­denk­endes Net­zw­erk und Event. Durch das Turnier in Ostritz im April 2018, das „Tiwaz“ in Grün­hain und zwei weit­ere angekündigte Kampf­s­port-Events im Okto­ber und Novem­ber 2018 wächst dieses Net­zw­erk rasant.

Auch die franzö­sis­che extrem rechte Kampf­s­port­marke „Pride France“ find­et sich stets auf den Events der Szene wieder. Tomasz Skatul­sky, Marken­grün­der und aktiv­er Kampf­s­portler im Bere­ich MMA, war selb­st – neben Denis Nikitin – Mitor­gan­isator des recht­en Kampf­s­port-Events „Day of Glo­ry“, das unter Mitwirken der franzö­sis­chen Sek­tion von „Blood & Hon­our“ in den Jahren 2014, 2015 und 2016 in der Nähe von Lyon aus­ge­tra­gen wurde. Auch dessen Nach­fol­ger „Force & Hon­neur“, der im Juni 2017 in der Nähe von Genf stat­tfand, wurde fed­er­führend von Skatul­sky organ­isiert. Statt dem „Blood & Honour“-Netzwerk standen ihm dort Mit­glieder und Unter­stützer der Neon­azi-Brud­er­schaft „Ham­mer­skins“ aus Frankre­ich und der Schweiz helfend zur Seite. Auch der „Kampf der Nibelun­gen“ ver­weist auf eine starke Anbindung an die „Ham­mer­skins“.

Die Kämpfer und die sogenannte „Kampfgemeinschaft“

In den Bere­ichen MMA, Box­en und K1 trat­en ins­ge­samt 30 Kämpfer in den Ring. Der Fokus lag dabei auf „Män­ner“, schließlich trug das Turnier den Beina­men „Kampf der freien Män­ner“. Eine bewusst antifem­i­nis­tis­che For­mulierung, die wohlwol­lend angenom­men wurde. So kündigte die NS-Hard­core-Band „Ter­ror­sphära“ das „Tiwaz“ mit fol­gen­den Worten an: „Für alle aufrecht­en Rauf­bolde, kampfes­lusti­gen Waldläufer und schlagfer­ti­gen Weiber­sleut: TIWAZ ruft Euch in den Ring. Gebt euer Bestes und zeigt, dass unser Volk nicht nur noch aus vol­lkom­men degener­ierten Fotzenknecht­en und Femen­bäl­gern beste­ht!“. Dementsprechend waren nur wenige Neon­azi-Aktivistin­nen anwe­send. Warum „schlagfer­tige Weiber­sleut“ zum „Kampf der freien Män­ner“ in den Ring ein­ge­laden wur­den, erschließt sich dabei nicht. Im Ring standen auss­chließlich männliche Kämpfer.

Die Kämpfer entstam­men dabei allen möglichen Struk­turen und Erleb­niswel­ten der Neon­azi-Szene und reis­ten aus dem gesamten Bun­des­ge­bi­et sowie dem europäis­chen Aus­land an. Anhand ein­er geografis­chen Zuord­nung wer­den wir im Fol­gen­den die uns bekan­nten Kämpfer porträtieren.

Kämpfer aus dem nord­deutschem Raum

Tat­säch­lich reiste eine nicht uner­he­bliche Anzahl von Kämpfern an, die in Nord­deutsch­land wohn­haft sind und dort in unauf­fäl­li­gen Kampf­s­portvere­inen trainieren. Etwa Sören Radtke aus der Region Itze­hoe (Schleswig-Hol­stein). In der Kle­in­stadt Wilster trainiert der Neon­azi im „Nordic Sport Club“ und gab Selb­stvertei­di­gungskurse für Kinder. Radtke war bere­its auf dem Neon­azi-Fes­ti­val „Schild & Schw­ert“ als Kämpfer iden­ti­fiziert wor­den. Zulet­zt nahm er am drit­ten „Europakongress“ der NPD-Jugen­dor­gan­i­sa­tion „Junge Nation­al­is­ten“ im Mai 2018 im säch­sis­chen Riesa teil.

Nur rund 30 km von Radtkes Wohnort ent­fer­nt trainiert ein weit­er­er Kämpfer des „Tiwaz“: Hen­ry Ludewig. Für seinen Vere­in, die „Lem­mens Mar­tial Arts Acad­e­my“ in Marne, stand er min­destens zweimal in der Diszi­plin K1 im Ring.

Gre­gor Nebel

Weit­er südlich in Rode­wald, zwis­chen Bre­men und Han­nover, wohnt seit ger­aumer Zeit Gre­gor Nebel, der auf dem „Tiwaz“ eben­falls im Bere­ich K1 antrat. Nebel stammt ursprünglich aus Mannheim und gehörte dort – zusam­men mit anderen Neon­azis wie dem NPD-Poli­tik­er Chris­t­ian Hehl – den Hooli­gans des SV Wald­hof Mannheim an. Gre­gor Nebel ist außer­dem Mit­glied des „Gremi­um MC“ in Vech­ta (Nieder­sach­sen). Beim „Tiwaz“ reiste Nebel mit seinem Train­ingspart­ner Mar­tin Kelch an. Bei­de trainieren in Neustadt am Rüber­berge, nördlich von Han­nover, im „Kick­box Team Thürkau“.

Pikant an der Anwe­sen­heit von Nebel und Kelch bei dem Neon­azi-Event ist, dass bei­de als Sozialpäd­a­gogen bei dem Träger „Haus Wild­fang GmbH“ arbeit­en. Deut­lich wird dieser Bezug nicht zulet­zt an der Tat­sache, dass bei­de mit einem Auto dieser Jugend­hil­feein­rich­tung anreis­ten. Das Konzept der sozialpäd­a­gogis­chen Ein­rich­tung ist es, schw­er erziehbare Kinder und Jugendliche u.a. durch Sport- und Aus­dauer­train­ing zu „bändi­gen“. Solche Aus­flüge wer­den u.a. von Gre­gor Nebel betreut. Schon in sein­er Heimat­stadt Mannheim war Nebel in ein­er sozialen Ein­rich­tung der Stadt als Erzieher angestellt. Im Jahr 2014 war er Teil eines Mobs rechter Hooli­gans, die sich in Mannheim ver­sam­melt hat­ten, um eine Kundge­bung von Salafis­ten anzu­greifen. Im Laufe dessen wur­den nicht nur ras­sis­tis­che Parolen gerufen, son­dern es gab auch Angriffe auf AntifaschistIn­nen und die Polizei.

Linkes Bild: Mar­tin Kelch (Beifahrer) reiste gemein­sam mit Gre­gor Nebel im Auto der sozialpäd­a­gogis­chen Ein­rich­tung „Haus Wild­fang“ an. Recht­es Bild: David Mal­low (1.v.r) und Andreas „Klat­ti“ Klatt (2.v.l, aus Neubran­den­burg) bei der Anreise (Quelle: Pixelarchiv)

Aus dem Raum Ros­tock nahm David Mal­low als Kämpfer teil. Er wird den „Nationalen Sozial­is­ten Ros­tock / Aktions­blog“ zugerech­net und pflegt beste Kon­tak­te zum „White Rex“-Gründer Denis Nikitin. An den in den let­zten bei­den Jahren organ­isierten Sem­i­naren von Nikitin in Meck­len­burg-Vor­pom­mern war Mal­low ste­hts zu Gast. Dass er auf dem „Tiwaz“ für das Team „Kampf der Nibelun­gen – White Rex“ in den Ring trat, ist somit nicht ver­wun­der­lich. Erst wenige Wochen vor dem Turnier in Grün­hain kündigten Denis Nikitin und Alexan­der Dep­tol­la auf ein­er inter­nen Kon­ferenz von „Wardon21“ an, die Koop­er­a­tion zwis­chen dem KdN und „White Rex“ zu inten­sivieren. Ein erstes Pro­dukt dieser Part­ner­schaft scheint ein gemein­sames Team zu sein.

Bran­den­burg­er Kämpfer

Wie im Voraus angekündigt, trat­en für die „Kampfge­mein­schaft“ der extrem recht­en Kampf­s­port-und Streetwear­marke „Black Legion“ aus Cot­tbus min­destens drei Kämpfer beim „Tiwaz“ an. Ein­er der Kämpfer, Andy Schotte, ver­trat das Team schon beim „Kampf der Nibelun­gen“ 2017 in Kirch­hun­dem. Nicht beson­ders uner­wartet, aber den­noch beachtlich ist die Teil­nahme von William „Willi“ Pud­er als Kämpfer des Teams beim „Tiwaz“. Der Cot­tbuser ist ein­er der führen­den Köpfe der extrem recht­en Ultra-Gruppe „Infer­no Cottbus/IC99“ des FC Energie Cot­tbus, die sich im Mai 2017 selb­st auflöste. Die Grup­pierung, deren Vorsänger nie­mand geringer als William Pud­er war, zeich­nete sich für zahlre­iche rechts-motivierte Straftat­en ver­ant­wortlich, u.a. im Rah­men von Spie­len gegen den als alter­na­tiv gel­tenden SV Babels­berg 03. Etwa im Novem­ber 2016, als der Pots­damer Vere­in in Cot­tbus spielte und rund 50 Per­so­n­en ver­sucht­en, die Gäste­fans anzu­greifen. Unter den Angreifern befan­den sich auch Christoph Drew­er aus Dort­mund und Chem­nitzer Hooli­gans und Szene­größen wie Robert Andres, Chris Junghänel und Rick Bochert.

Linkes Bild: William Pud­er erre­icht den 1. Platz in der Dis­z­plin „Box­en / MMA / K1“. Mit­tleres Bild: William „Willi“ Pud­er in den Räu­men des „Kampf­s­port Lausitz e.V.“ Recht­es Bild: William Pud­er (mit­tig) als Kämpfer des Teams „Black Legion“, darunter auch Andy Schotte, links im Bild (Bild: Screen­shot Instagram)

Die Verbindung der Cot­tbuser Fan­szene zu recht­en Ultra- und Hooli­gan­grup­pen des Chem­nitzer FC wie „New Soci­ety Chem­nitz“ (genan­nt „NS-Boys“) und „Kaot­ic Chem­nitz“, zu der auch Drew­er zählt, ist seit Jahren bekan­nt. Eine Verbindung, die sich­er auch auf­grund der Ähn­lichkeit bei­der Regio­nen hin­sichtlich der organ­isierten Neon­azi-Szene entste­hen kon­nte. Denn sowohl in Chem­nitz als auch in Cot­tbus kon­nten sich ein­flussre­iche rechte Ultra-Grup­pen bilden, die sich per­son­ell aus der Kampf­s­port- und Türste­herszene sowie der neon­azis­tis­chen Musik­szene zusam­menset­zen. Struk­turen wie die „Wider­stands­be­we­gung in Süd­bran­den­burg“ aus der Region Cot­tbus und die „Nationalen Sozial­is­ten Chem­nitz“ grif­f­en häu­fig auf ähn­liche Konzepte zurück und waren dominierend in ihren Regio­nen. Im Zuge des Ver­bots der Bran­den­burg­er Neon­azi-Struk­tur im Jahr 2012 wurde auch William Pud­ers Woh­nung durch­sucht. Als die „Nationalen Sozial­is­ten Chem­nitz“ 2014 eben­falls ver­boten wur­den, fand man in einem der von ihnen genutzten Objek­te eine Zaun­fahne der „New Soci­ety Chem­nitz“. Pud­er erhielt nach den Auss­chre­itun­gen bei einem Spiel der Cot­tbuser gegen den SV Babels­berg 03 ein bun­desweites Sta­dion­ver­bot, gegen das er Ende des let­zten Jahres Klage ein­re­ichte. Vor Gericht demen­tierte er seine Verbindun­gen zu IC99. Schon im Som­mer 2012, kurz nach­dem er die Ver­botsver­fü­gung gegen die „Wider­stands­be­we­gung in Süd­bran­den­burg“ erhal­ten hat­te, soll er sich an seinen Vere­in gewandt haben. Im Nach­gang ließen Vertreter des FC Energie Cot­tbus ver­laut­baren: „Willi habe jedoch ver­sichert, er habe mit diesen Neon­azis nichts zu tun.“

Die Teil­nahme William Pud­ers am „Tiwaz“ zeigt somit ein­mal mehr, wie stark die Bindung rechter Hooli­gans aus Cot­tbus an die organ­isierte extrem rechte Kampf­s­port­szene ist. Dass Vere­ine wie der „Kampf­s­port Lausitz e.V.“ solche Struk­turen fördern, indem sie Neon­azis wie William Pud­er bei sich trainieren lassen, ist inner­halb dieses Kom­plex­es das viel größere Problem.

Neben Pud­er trat mit Tobias Vogt aus Straus­berg bei Berlin ein weit­er­er Bran­den­burg­er Neon­azi als Kämpfer an. Er trat bish­er nicht auf öffentlichen Kampf­s­port-Events in Erschei­n­ung, seine Affinität zum Kraft- und Kampf­s­port lässt sich jedoch schon seit Län­gerem beobacht­en. Span­nen­der ist die Tat­sache, dass Vogt in der neon­azis­tis­chen Musik­szene eine nicht unbe­deu­tende Rolle spielt. Er ist Sänger der seit 2010 beste­hen­den Band „Exzess“ und war bis vor Kurzem auch Live-Bassist der ein­flussre­ichen Neon­azi-Band „Die Lunikoff Ver­schwörung“. Let­ztere ist das Nach­fol­ge­pro­jekt der bis Anfang der 2000er Jahre wirk­enden Band „Landser“, die let­ztlich als krim­inelle Vere­ini­gung eingestuft und ver­boten wurde.

Linkes Bild: Tobias Vogt im T‑Shirt mit der beze­ich­nen­den Inschrift „Nation­al­ist Fight Club“ auf der Rück­seite, Recht­es Bild: Tobias Vogt (links) hier im Gespräch mit einem Kämpfer des Teams „Kampf der Nibelun­gen – White Rex. Bei­de reis­ten zusam­men an. (Quelle: Pixelarchiv)

Wie stark das Bran­den­burg­er Recht­srock-Milieu an die extrem rechte Kampf­s­port­szene ange­bun­den ist, lässt sich auch anhand eines Neon­azi-Konz­erts am 4. Novem­ber 2017 sehen. Als Tobias Vogt mit sein­er Band „Exzess“ in ein­er bekan­nten Konz­ert-Loca­tion in Tor­gau-Staupitz auf der Bühne stand, stellte die extrem rechte Grup­pierung „North­side­crew“ aus Lübben/Spreewald die Secu­ri­ty. In Lübben selb­st unter­hält die Gruppe eigene Train­ingsräume, in denen sich bekan­nte Neon­azis wie Ste­fan Baer, Lucien Schön­bach und Mar­tin Ruck­ert auch auf öffentliche Turniere vor­bere­it­en kön­nte. Alle drei nah­men unter dem Label „Box­club Lübben / Team Greifvo­gel“ am „Kampf der Nibelun­gen“ 2016 und 2017 teil. Der in Lübbe­nau wohn­hafte Ste­fan Baer kon­nte eben­falls als Kämpfer des „Team Greifvo­gel“ beim „Tiwaz“ iden­ti­fiziert wer­den. Baer ist außer­dem in Süd­bran­den­burg regelmäßig auf Aufmärschen der recht­en Ini­tia­tive „Zukun­ft Heimat“ anzutreffen.

Kämpfer aus Thüringen

Wie zu erwarten, fan­den sich auch aus Thürin­gen eine hand­voll extrem rechte Kampf­s­portler auf dem „Tiwaz“ ein. U.a. die Bar­baria Sport­ge­mein­schaft aus Schmölln, die bere­its zum „Kampf der Nibelun­gen“ 2017 in Kirch­hun­dem ihr Mit­glied Mor­ris Sae­mann in den Ring schick­te, begleit­et von Train­er Mar­tin Langn­er. Eine ähn­liche Kon­stel­la­tion war zum KdN-Turnier auf dem „Schild & Schwert“-Festival am 21. April in Ostritz erkennbar. Auch da trat das Team aus Schmölln an, vertreten durch Langn­er, Sae­mann und Philipp Fre­und. Let­zter­er ist auch häu­fig beim „KSSV Box­club Zwick­au“ zu Gast, der schon oft durch seine Ver­strick­un­gen in die Neon­azi- und Hooli­gan­szene auffiel.

Nur rund 15 km west­lich von Schmölln liegt der kleine Ort Ron­neb­urg. Dort, im Team Bäum­ler – ASC Ron­neb­urg wird bzw. wurde ein weit­er­er Kämpfer des „Tiwaz“ trainiert: Sven Huber aus Gera. Huber stammt ursprünglich aus Chem­nitz und war dort in der neon­azis­tis­chen Ultra-Gruppe „NS-Boys“ aktiv. Huber nahm regelmäßiger an neon­azis­tis­chen Aufmärschen teil, wo er oft zusam­men mit den „Nationalen Sozial­is­ten Chem­nitz“ marschierte.

Sven Huber aus Gera (rechts) (Quelle: Pixelarchiv)

Er trat bere­its 2015 auf zwei Events der recht­sof­fe­nen Leipziger „Imperi­um Fight­ing Cham­pi­onship“ (IFC) für das „Team Bäum­ler“ um Train­er Peter Bäum­ler in den Ring. Die IFC war mehrmals Sam­mel­beck­en für Kämpfer mit extrem recht­en Hin­ter­grund. Ein nicht uner­he­blich­er Teil der Kämpfer der Events – vor­rangig aus dem „Imperi­um Fight Team“ um den recht­en Hooli­gan Ben­jamin Brin­sa – erlangte 2016 bun­desweit Aufmerk­samkeit: Am 11. Jan­u­ar 2016 wur­den 215 Per­so­n­en aus der Neon­azi-und Hooli­gan­szene in Leizig-Con­newitz von der Polizei fest­ge­set­zt, nach­dem sie Geschäfte, Restau­rants und Kneipen in dem als links-alter­na­tiv gel­tenden Stadt­teil mas­siv und koor­diniert ange­grif­f­en hat­ten. Unter den fest­ge­set­zten Per­so­n­en befan­den sich Sven Huber und drei weit­ere Per­so­n­en, die im „Team Bäum­ler“ in Ron­neb­urg trainierten bzw. bis heute trainieren. Brisant ist auch, dass bis min­destens Ende 2017 auch Daniel Stein­müller in Peter Bäum­lers Team trainierte. Stein­müller ist nicht nur Anhänger der Ultra-Szene der BSG Wis­mut Gera, son­dern wird auch dem engen Kreis der rechts-ter­ror­is­tis­chen Gruppe „Com­bat 18“ zugerech­net. Die inter­na­tion­al agierende Gruppe beze­ich­net sich selb­st als bewaffneter Arm des in Deutsch­land ver­bote­nen „Blood & Honour“-Netzwerkes. Ein Beken­nt­nis zur Gruppe trägt Stein­müller großflächig als Tat­too auf seinem Bauch.

Wie erwartet, trat außer­dem der Thüringer Kevin Görke als K1-Kämpfer beim „Tiwaz“ an. Er wird in der „Invic­tus Kick & Thai­boxschule“ in Saalfeld von John Kallen­bach trainiert. Kallen­bach genießt in der Kampf­s­port­szene hohe Anerken­nung als Profi-Kämpfer, nicht zulet­zt durch seinen Welt­meis­ter­ti­tel der „World Kick­box­ing and Karate Union/WKU“ im K1/Kickboxen. Kevin Görke wiederum ist seit Jahren an die regionale Neon­azi-Szene ange­bun­den und trat beim „Kampf der Nibelun­gen“ 2017 in Kirch­hun­dem als Train­er von Sebas­t­ian Dahl auf. Dahl war bis zu seinem Umzug nach Thürin­gen 2011/2012 maßge­blich am Auf­bau der mil­i­tan­ten Neon­azi-Szene in Berlin beteiligt. So griff er 2001 in Königs Wuster­hausen Jugendliche, die auf der Bühne eines linken Musik­fes­ti­vals schliefen, mit Molo­tov-Cock­tails an. Dahl, der für den Über­fall mehrere Jahre in Haft saß, wohnt heute in ein­er Neon­azi-WG in Kahla, knapp 30 km von Saalfeld entfernt.
Kevin Görke fiel schon zuvor als Teil­nehmer an extrem recht­en Turnieren auf, etwa beim „Kampf der Nibelungen“-Gastspiel in Ostritz im April 2018. Derzeit ist ein Bild Görkes als Kämpfer des „Tiwaz“ auf deren Face­book-Seite als Titel­bild zu sehen. Auf seinem Rück­en prangt in alt­deutsch­er Schrift der Slo­gan „Leben heißt Kampf“. Görke soll außer­dem bei der kom­menden „3. Invic­tus Fight­night“ am 18. August 2018 in Saalfeld im Ring ste­hen. Haup­tor­gan­isator dieses Events ist Kallen­bachs Gym.

Ein alter Bekan­nter aus Sachsen-Anhalt

Aus Köthen, ein­er Kle­in­stadt zwis­chen Halle (Saale) und Magde­burg, reiste Stef­fen Bösen­er als Kämpfer zum „Tiwaz“ an. Bösen­er galt bere­its Mitte der 90er Jahre als „Mach­er“ inner­halb der Kam­er­ad­schaftsszene Sach­sen-Anhalts. Dabei war er maßge­blich an den Aktiv­itäten der „Kam­er­ad­schaft Köthen“ beteiligt, die 1999 eigene Räum­lichkeit­en besaßen und ein extrem recht­es Jugendzen­trum zu etablieren ver­sucht­en. Die Kam­er­ad­schaft war im Sep­tem­ber 1999 gemein­sam mit dem Bran­den­burg­er Ableger des heute ver­bote­nen Neon­azi-Net­zw­erks „Blood & Hon­our“ (B&H) an der Organ­i­sa­tion eines bedeu­ten­den Recht­srock-Konz­ertes beteiligt: Das „Ian Stu­art Don­ald­son Memo­r­i­al“, ein Gedenkkonz­ert für den 1993 ver­stor­be­nen Grün­der von B&H, in Garitz bei Zerb­st zog über 2000 Neon­azis an, die u.a. zu den bekan­nten Bands „Blue Eyed Dev­ils“ (USA) und „Kraftschlag“ feierten. Die B&H‑Ableger in Bran­den­burg, Thürin­gen und Sach­sen gel­ten mit­tler­weile als eng­stes Unter­stützerIn­nen-Umfeld der 1998 unter­ge­taucht­en rechts-ter­ror­is­tis­chen Gruppe „Nation­al­sozial­is­tis­ch­er Unter­grund“ (NSU).

Stef­fen Bösen­er aus Köthen (4. v.l.) (Quelle: Pixelarchiv)

Bösen­er war später vor allem als Betreiber des Recht­srock-Labels und Ver­sandes „Odins Eye Records“ und als Geschäfts­führer des recht­en Szeneladens „Nordic Flame“ bekan­nt. Zudem kan­di­dierte er 2011 zur Land­tagswahl in Sach­sen-Anhalt für die NPD. Sein Beken­nt­nis zum his­torischen Nation­al­sozial­is­mus trägt Bösen­er bis heute auf der Brust – das Sym­bol der „SS-Divi­sion Totenkopf“, ger­ahmt von einem Kel­tenkreuz, welch­es in der recht­en Szene inter­na­tion­al als Erken­nungsze­ichen der „White Power“-Bewegung gilt.

Bis zu sein­er beleg­baren Teil­nahme am „Tiwaz“ war Bösen­ers Engage­ment in recht­en Kampf­s­port­net­zw­erken nur ver­mutet wor­den, weshalb ihn Ver­anstal­terIn­nen größer­er Events bish­er nicht kon­se­quent aus­laden kon­nten. So kon­nte er ungestört im April 2016 einen K1-Kampf beim „Shuri Fight­club“ in Frau­reuth bei Zwick­au absolvieren, stand im Sep­tem­ber 2016 beim „Bat­tle Roy­al“ im Ring und wurde für ein weit­eres Event des „Shuri Fight­club“ in Plauen im Novem­ber 2017 als K1-Kämpfer angekündigt.

Kämpfer aus Sachsen

Nicht uner­he­bliche Teile der säch­sis­chen Kampf­s­port­szene sind seit Jahren für ihre Nähe zur extremen Recht­en bekan­nt. Durch die Anfang der 2000er Jahre ver­anstal­teten Events „Fight Club Karl Marx Stadt“ geprägt, sind Neon­azis auf kom­merziellen Kampf­s­port-Events in Sach­sen heute kaum wegzu­denken. Vor allem die Events des west­säch­sis­chen „Shuri Gyms“ gel­ten als Sam­mel­beck­en für rechte Hooli­gans und organ­isierte Neon­azis – im Ring und auf den Rän­gen. Auch der inhaftierte, im NSU-Prozess als Unter­stützer angeklagte André Eminger besuchte die Events in Zwick­au regelmäßig. Während Eminger in der ersten Rei­he saß, stand z.B. Thore Prob­st im Ring. Er ist der Sohn von Antje Prob­st, heute Böhm, die mit Michael Prob­st lange Zeit den Neon­azi-Laden „Son­nen­tanz“ betrieb – in Aue, nur 10 km vom „Tiwaz“-Austragungsort Grün­hain ent­fer­nt. Antje Prob­st galt als eine der weni­gen Frauen, die inner­halb des säch­sis­chen „Blood & Honour“-Ablegers Ein­fluss hat­ten und den Ton angaben.

Ob ihr beim „Tiwaz“ anwe­sender Sohn Thore dort eben­falls in den Ring trat, ist nicht bestätigt. Auf­grund sein­er engen Anbindung an die Neon­azi-Szene des Chem­nitzer Umlan­des wäre es jedoch wahrschein­lich. Eine Per­son aus Thore Prob­sts engeren Umfeld kämpfte nach­weis­lich beim „Tiwaz“: Michél Sajovitz aus Oed­er­an. Sajovitz ist außer­dem Gitar­rist der Neon­azi-Bands „Kil­lu­mi­nati“ und „Heiliges Reich“. Auf dem Weg zum „Tiwaz“-Turnier war er in einem T‑Shirt der Neon­azi-Kle­in­st­partei „Der III. Weg“ bek­lei­det. Auf die Rolle der sich elitär geben­den Partei wer­den wir später im Text näher eingehen.

Auch Sajovitz‘ enger Mit­stre­it­er Mar­co Münz­er reiste zum „Tiwaz“ an. Er kon­nte als Teil ein­er Per­so­n­en­gruppe aus­gemacht wer­den, die offen­sichtlich einem Team ange­hörten – darauf deutet die Farbe seines Ein­tritts­bänd­chens hin. Während die ZuschauerIn­nen rote Bänd­chen aus­ge­händigt beka­men, waren Kämpfer und deren Anhang mit blauen Bänd­chen verse­hen. In der Gruppe um Mar­co Münz­er trug eine Per­son zudem ein T‑Shirt des „Box­club Dynamo“. Münz­er selb­st trainiert Judo im Sportvere­in TSG Oederan.

Bish­er unbekan­ntes Team aus Bayern

Linkes Bild: Michél Sajovitz im Shirt der Neon­azi-Partei „Der III. Weg“. Recht­es Bild: Das Team der „Ikarus Kampfkun­st Akademie“, v.l.n.r. Raphael Ernst, Chris­t­ian Altegger, Simon Men­hard (Quelle: Pixelarchiv)

Ein­heitlich in T‑Shirts der Ikarus Kampfkun­st Akademie aus Königs­brunn bei Augs­burg gek­lei­det, reis­ten drei bis­lang unbekan­nte Per­so­n­en zum „Tiwaz“ an: Simon Men­hard und Raphael Ernst als mut­maßliche Kämpfer, begleit­et von ihrem Teamkol­le­gen Chris­t­ian Altegger. Alle drei wer­den in dem Gym in Königs­brunn von Stephan Morykin trainiert, dessen Name eben­falls in großen Let­tern auf den in Grün­hain präsen­tierten T‑Shirts abge­bildet ist. Morykin ist Sifu (Lehrmeis­ter) in Wing Tsun. Er teilt Beiträge recht­spop­ulis­tis­ch­er Plat­tfor­men, seine Schüler Altegger, Ernst und Men­hard unter­hal­ten Kon­tak­te zu Per­so­n­en aus dem Umfeld der „Alter­na­tive für Deutsch­land“ und sym­pa­thisieren mit extrem recht­en Plat­tfor­men wie „Ein­Prozent“ oder PEGIDA. Die Teil­nahme der drei unauf­fäl­li­gen Kämpfer aus Königs­brunn an ein­er offen­sichtlichen Neon­azi-Ver­anstal­tung spricht für eine bre­ite Mobil­isierung seit­ens der Ver­anstal­terIn­nen des „Tiwaz“.

Weit­ere Kämpfer aus Rus­s­land und Bulgarien

Nach eige­nen Angaben nahm Denis Nikitin selb­st als Kämpfer in Grün­hain teil. Auch dadurch sichert er sich seinen Sta­tus und seine Authen­tiz­ität inner­halb der extrem recht­en Kampf­s­port­szene. Seinen let­zten bekan­nten Kampf vor „Tiwaz“ absolvierte Nikitin im Dezem­ber 2017 beim „Recon­quista Fight Club“ in Kiew. Nur wenige Monate später, Ende April 2018, war er erneut in der ukrainis­chen Haupt­stadt und mod­erierte die Kämpfe der extrem recht­en Ver­anstal­tungsrei­he. Im Nikitins Gefolge befan­den sich in Kiew auch Mit­glieder des ras­sis­tis­chen „Rise Above Move­ment“ aus dem Süden Kali­forniens. Ein­er von ihnen, Robert Run­do, trat im Rah­men des ukrainis­chen Events eben­falls in den Ring. Run­do hat­te schon beim „Kampf der Nibelungen“-Turnier im April 2018 in Ostritz auf der Mat­te gestanden.

In Kiew, Ostritz und zulet­zt auch in Grün­hain trat wie angekündigt auch der franzö­sis­che Neon­azi Tomasz Skatul­sky als Kämpfer an. Darüber hin­aus sollen auch Kämpfer aus Bul­gar­ien beim „Tiwaz“-Turnier ange­treten sein. Mit hoher Wahrschein­lichkeit dürfte es sich dabei um Neon­azis aus dem NS Fight­club Bul­gar­ia“ gehan­delt haben. Diesen besucht­en u.a. Alexan­der Dep­tol­la und Christoph Drew­er vom „Kampf der Nibelun­gen“ im Rah­men ein­er Bul­gar­ien-Reise im März 2018. Die bul­gar­ischen Neon­azis trat­en auch KdN-Turnier in Ostritz an und sind für die Hauptver­anstal­tung des KdN im Okto­ber 2018 angekündigt.

Die BesucherInnen

Chris­t­ian Wolf und Mar­cel Ben­del bei der Anreise (Quelle: Pixelarchiv)

Unter den ZuschauerIn­nen aus der Region Chem­nitz befan­den sich zahlre­iche alte Bekan­nte. Darunter Neon­azi-AktivistIn­nen aus den Rei­hen der ver­bote­nen Kam­er­ad­schaft „Nationale Sozial­is­ten Chem­nitz“ (NSC), der recht­en Ultra­gruppe „New Soci­ety Chem­nitz“ (NS Boys) und der kurzzeit­ig aktiv­en Gruppe „Recht­es Plenum“. So etwa der regelmäßige Demogänger Mar­tin Pfeil, der Chem­nitzer Jörg Endes­felder, der als öffentlichkeitss­cheuer Aktivist eine organ­isatorische Rolle bei den NSC spielte, Mar­cel Ben­del, NSC-Aktivist und heute bei der Partei „Der III. Weg“ aktiv, oder Chris­t­ian Wolf aus Lugau, aktives Mit­glied der ehe­ma­li­gen Kam­er­ad­schaft „Nationale Sozial­is­ten Erzgebirge“.

Linkes Bild: Jörg Endes­felder (rechts, „Nationale Sozial­is­ten Chem­nitz“) Recht­es Bild: Mar­tin Pfeil (im Bron­son-Shirt, 2.v.l.) wartend vor der Polizeikon­trolle (Quelle: Pixelarchiv)

Sie wur­den begleit­et von weit­eren Per­so­n­en aus dem recht­en Fan-Umfeld des Chem­nitzer FC sowie der Chem­nitzer Neonazi-Szene.

Her­vorheben möcht­en wir die Anwe­sen­heit des Chem­nitzer Neon­azis Anton Ehrhardt. Er gehörte dem Umfeld der Kam­er­ad­schaft „Nationale Sozial­is­ten Chem­nitz“ an und war später im „Recht­en Plenum“ aktiv.

Anton Ehrhardt beim Abkleben seines KFZ-Kennze­ichens (Quelle: Pixelarchiv)

Ehrhardt gilt heute vor allem aber als ein­flussre­iche Per­son inner­halb der recht­en Hooli­gan­gruppe „Kaot­ic Chem­nitz“. Bilder zeigen ihn im Rah­men der 10-Jahres-Feier der Gruppe gemein­sam mit u.a. Christoph Drew­er. Auch zu dessen Brud­er Matthias Drew­er unter­hält Anton Ehrhardt beste Kon­tak­te. Der Chem­nitzer ist zudem häu­fig im Umfeld der recht­en Cot­tbuser Fan­szene zuge­gen. So feierte er mit William „Willi“ Pud­er, der wie erwäh­nt als Kämpfer beim „Tiwaz“ antrat, den Auf­stieg des FC Energie Cot­tbus. Poli­tisch müssten sich bei­de eben­so glänzend ver­ste­hen, denn bei­de waren Teil des Konzepts der „Unsterblichen“, eines Pro­jek­ts der „Spreelichter / Wider­stands­be­we­gung in Süd­bran­den­burg“, denen auch William Pud­er bis zu ihrem Ver­bot ange­hörte. Eine der medi­al wirk­sam­sten Aktions­for­men der Grup­pen waren kon­spir­a­tiv organ­isierte Fack­elmärsche, an denen sich bis zu 140 Neon­azis beteiligten. Ein­heitlich in schwarz und mit weißen Masken gek­lei­det, woll­ten die Neon­azis auf den „dro­hen­den Volk­stod“ aufmerk­sam machen. Ehrhardt war Teil­nehmer eines solchen Auf­marsches am 30. Sep­tem­ber 2011 im säch­sis­chen Stolpen.

Neben Pro­tag­o­nis­ten neon­azis­tis­ch­er Kam­er­ad­schaft­struk­ten waren auch führende AkteurIn­nen aus dem extrem recht­en Net­zw­erk „Heimat & Tra­di­tion Chem­nitz Erzge­birge“ im Pub­likum des „Tiwaz“ vertreten, u.a. Sven Math­es und Peg­gy Thal­mann. Die Gruppe war nicht nur an den ras­sis­tis­chen Mobil­isierun­gen gegen eine Geflüchtete­nun­terkun­ft im säch­sis­chen Ein­siedel beteiligt, son­dern ist bis heute auf Aufmärschen von lokalen PEGI­DA-Ablegern und diversen „Nein zum Heim“-Initiativen anzutreffen.

Sven Math­es und Peg­gy Thal­mann bei der Anreise in der lan­gen Autoschlange, die durch die Polizeikon­trolle erzeugt wurde (Quelle: Pixelarchiv)

Nach außen hin pfle­gen sie ein bürg­er­lich­es Image, das ihnen auch in organ­isatorisch­er Rolle die Anknüp­fungs­fähigkeit an ras­sis­tis­che „Bürg­er­proteste“ bewahrt. Ihre Teil­nahme am „Tiwaz“ sowie am Nazi­auf­marsch am 1. Mai 2018 in Chem­nitz lässt an ihrer neon­azis­tis­chen Ide­olo­gie jedoch keinen Zweifel.

Dem Chem­nitzer Neon­azi Robert Andres kam beim „Tiwaz“ offen­bar eine spezielle Rolle zu: Er postierte sich am Ein­gang und musste anreisenden Neon­azis ohne Tick­et anscheinend ver­mit­teln, dass sie keinen Zutritt erhal­ten. Dies war bere­its im Vor­feld online angekündigt wor­den und hätte ein Sicher­heit­srisiko für die Ver­anstal­tung bedeutet, da der Schleusungspunkt dann auch Per­so­n­en ohne erwor­benes Tick­et hätte mit­geteilt wer­den müssen. Andres, der ursprünglich aus Cot­tbus stammt, ist Teil der recht­en Partei „PRO CHEMNITZ“, für die er 2014 zur Stad­tratswahl kan­di­dierte. Die selb­ster­nan­nte „Bürg­er­be­we­gung“ wurde 2009 von dem Burschen­schaftler und Recht­san­walt Mar­tin Kohlmann ins Leben gerufen, der heute im Chem­nitzer Stad­trat sitzt und neben­bei in der Chem­nitzer Brauhausstraße 6 ein Haus erwarb, das neben sein­er Kan­zlei auch eine neon­azis­tis­chen Gruppe aus dem Umfeld der CFC-Fan­szene beherbergt. Robert Andres betätigt sich derzeit zusam­men mit dem Man­ag­er der ver­bote­nen „Nationalen Sozial­is­ten Chem­nitz“, Eric Fröh­lich, als Organ­isator von Vor­trags- und Zeitzeug­In­nen-Ver­anstal­tun­gen im Raum Chem­nitz. Er ver­mei­det es mit­tler­weile, sich öffentlich in direk­tem Zusam­men­hang mit Neon­azi-Struk­turen zu zeigen. Sein Aktivis­mus wird unter­dessen zunehmend pro­fes­sioneller, weshalb Robert Andres heute als ein­er der bedeu­tend­sten Köpfe der organ­isierten Naziszene der Stadt Chem­nitz gese­hen wer­den kann.

Unter den Anreisenden aus Chem­nitz befan­den sich nicht nur bekan­nte Neon­azis. Auch bis­lang unauf­fäl­lige Chem­nitzer wie der im Sicher­heits­gewerbe tätige Stephan Heinl nah­men den beschw­er­lichen Weg über Tick­etkauf und Schleusungspunkt auf sich und dürften nicht erst zu Beginn der Ver­anstal­tung gewusst haben, in welchem ide­ol­o­gis­chen Umfeld sie sich damit bewe­gen. Heinl war mit dem Fir­men­wa­gen seines Arbeit­ge­bers „SCC Group“ angereist, gemein­sam mit drei Kampf­s­portlern der „Jabman“-Selbstverteidigungsgruppe, die im Stu­dio des „Germano’s Team“ in Chem­nitz trainieren.

Linkes Bild: Stephan Heinl (1.v.l.) und Max Woidtke (1.v.r.) aus „Germano’s Team“, (Chem­nitz), Recht­es Bild: Mario Wolf (1.v.l.) und Nor­man Albrecht (2.v.l.) aus Chem­nitz aus „Germano’s Team“ bzw. „Jab­man Chem­nitz“ (Quelle: Pixelarchiv)

Neben Nor­man Albrecht und Max Woidtke befand sich in der Gruppe auch Mario Wolf, der als Train­er in „Germano’s Team“ arbeit­et und als offizieller Men­tor der Selb­stvertei­di­gungsart „Jab­man“ für Chem­nitz einge­tra­gen ist.

Ein beträchtlich­er Teil der zum „Tiwaz“ angereis­ten Neon­azis kam aus der Region Zwick­au und aus dem Erzge­birge. Darunter befand sich auch der Annaberg­er NPD-Funk­tionär Rico Hentschel. Andere reis­ten aus Mit­tel­sach­sen, dem Land­kreis Gör­litz, Freis­ing, Fürsten­feld­bruck, Ober­spree­wald-Lausitz, Neubran­den­burg und Fürth an.

Linkes Bild: Rico Hentschel (NPD) Mit­tleres Bild: David Dschi­et­zig (Leipzig) Recht­es Bild: Ben­jamin Leine und Nic­ki Schwake auf der Suche nach einem Park­platz (Quelle: Pixelarchiv)

Aus Leipzig war David Dschi­et­zig anwe­send. Früher in der NPD und deren Jugen­dor­gan­i­sa­tion JN aktiv, wird er heute der Neon­azi-Partei „Der III. Weg“ zugerech­net. Er befand sich auch unter den 215 Neon­azis und Hooli­gans, die im Jan­u­ar 2016 nach einem koor­dinierten Angriff auf Leipzig-Con­newitz von der Polizei in Gewahrsam genom­men wur­den. Den Weg nach Grün­hain fand auch der Con­newitz-Angreifer Jason Senst aus Wurzen. Teil des in Con­newitz fest­ge­set­zten Nazi-Mobs war weit­er­hin Ben­jamin Leine aus dem nord­säch­sis­chen Delitzsch. Er reiste eben­falls zum „Tiwaz“ an, gemein­sam mit sein­er Fre­undin Nic­ki Schwake, die Mit­glied der Chem­nitzer Nazi­gruppe „Recht­es Plenum“ war. Bei­de scheinen heute erneut an aktivis­tis­chen Aufwind zu gewin­nen – zulet­zt waren das Paar beim „3. Europakongress der Jun­gen Nation­al­is­ten“ am 11. und 12. Mai 2018 im säch­sis­chen Riesa anzutr­e­f­fen. Leine nahm eben­so am Auf­marsch der Partei „Der III. Weg“ am 1. Mai 2018 in Chem­nitz teil.

Die neon­azis­tis­che Kle­in­st­partei „Der III. Weg“ schien beim „Tiwaz“ einen nicht uner­he­blichen Teil inner­halb der Organ­i­sa­tion beige­tra­gen zu haben. So waren nicht nur zahlre­iche BesucherIn­nen, etwa der fränkische Parteikad­er Sascha Rud­isch aus Fürth, mit T‑Shirts der Partei bek­lei­det. Auch David Dschi­et­zig war als Parteiabge­sandter zu erkennen.

Seit ger­aumer Zeit unter­hält die sich elitär gebende Neon­azi-Partei eine „Arbeits­gruppe Kör­p­er & Geist“, die sich mit Kampf­s­port­train­ing, Selb­stvertei­di­gungskursen (u.a. für Kinder) und Vorträ­gen dem Aspekt der „Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes“ wid­met. Auf dem „Tiwaz“ wurde die AG Kör­p­er & Geist“ mit drei Kämpfern auch im Ring vertreten

Linkes Bild: Ein­er der Kämpfer, hier im beigen Shirt der „AG Kör­p­er & Geist“, kennze­ich­nend durch den stil­isierten Wolf­skopf im Ehrenkranz. Mit ihm reiste eine Besucherin an, die eine Kette mit der ver­bote­nen Wolf­san­gel trug. Recht­es Bild: Sascha Rud­isch (rechts, „Der III. Weg“) (Quelle: Pixelarchiv)

Die Anbindung rechter Kampf­s­portler aus den Rei­hen der Partei zeigt sich auch am Beispiel des „Kampf der Nibelun­gen“. Für deren Team trat u.a. Kai Andreas Zim­mer­mann im Juni 2017 beim „Force & Hon­neur“ in der Nähe von Genf an. Zim­mer­mann ist Kad­er des bayrischen Lan­desver­bands des „III. Weg“. Im Okto­ber 2017 besuchte er mit weit­eren Pro­tag­o­nis­ten der Partei die zahlre­ichen Immo­bilien der „Nation­al Korps“ in Kiew (Ukraine), dem par­la­men­tarische Arm des faschis­tis­chen „Azow“-Regiments. Eines der vere­inen­den Ele­mente der Gäste und Gast­ge­berIn­nen dürfte Kampf­s­port gewe­sen sein. Das „Nation­al Korps“ unter­hält diverse Train­ingsräume und richtet in regelmäßi­gen Abstän­den den soge­nan­nten „Recon­quista Fight Club“ aus.

Auch Pro­tag­o­nis­ten des Berlin­er „Stützpunk­ts“ der Neon­azi-Partei waren beim „Tiwaz“ anwe­send, etwa Oliv­er Oeltze. Dieser durch­lief in Berlin mehrere mil­i­tante Net­zw­erke und Kam­er­ad­schaften – ange­fan­gen bei der 2005 ver­bote­nen „Kam­er­ad­schaft Tor“, über Struk­turen des „Nationalen Wider­stand Berlin“ bis hin zur 2016 ver­bote­nen, bun­desweit aufgestell­ten Kam­er­ad­schaft „Weisse Wölfe Ter­ror­crew“. Oeltze war zudem ein­er der 215 Neon­azis und Hooli­gans, die im Jan­u­ar 2016 den alter­na­tiv­en Leipziger Stadt­teil Con­newitz angrif­f­en. Der Berlin­er Neon­azi ist heute nicht nur in den Struk­turen der Partei „Der III. Weg“ aktiv, son­dern ist seit min­destens einem Jahr Vollmit­glied der Berlin­er Neon­azi-Brud­er­schaft „Van­dalen – Ari­oger­man­is­che Kampfge­mein­schaft“. Die ein­flussre­iche Grup­pierung ste­ht maßge­blich unter der Regie von Michael „Lunikoff“ Regen­er, ehe­mals Sänger der ver­bote­nen Recht­srock-Band „Landser“ und heute Sänger bei „Die Lunikoff Verschwörung“.

Im Rah­men des Ver­bots der Kam­er­ad­schaft „Weisse Wölfe Ter­ror­crew“ wurde auch u.a. die Woh­nung von Pierre Schu­mann in Wittstock/Dosse in Bran­den­burg durch­sucht. Dieser nahm gemein­sam mit Nico Goll­nick aus Köthen (Sach­sen-Anhalt) am Neon­azi-Turnier „Force & Hon­neur“ im Juni 2017 in der Nähe von Genf teil. Der Kraft­sportler Goll­nick reiste eben­falls zum „Tiwaz“ an, gemein­sam mit seinem Train­ingskol­le­gen, dem Neon­azi Maik Schu­bert. Nico Goll­nick holte 2013 auf einem Kraft­sport-Turnier in Eilen­burg für sein Gym, den „Köthen­er Sportvere­in 2009 e.V“, einen deutschen Reko­rd der Junioren im Bankdrück­en und begleit­ete noch 2017 seinen Train­ingspart­ner, den Neon­azi Ron Krieg, auf diversen Kraft­sport-Wet­tkämpfen. Auch Maik Schu­bert ist auf Bildern des „Köthen­er Sportvere­in 2009 e.V.“ zu sehen.

Mit dem aus Wist­edt (Nieder­sach­sen) stam­menden André Bostel­mann als Zuschauer des „Tiwaz“ ist eine weit­ere Verbindung zur mil­i­tan­ten Kam­er­ad­schaft „Weisse Wölfe Ter­ror­crew“ (WWT) erkennbar. Neben 16 anderen Woh­nun­gen von Pro­tag­o­nis­ten der WWT wurde im März 2012 auch Bostel­manns Wohn­sitz durch­sucht. Grund dafür war ein kon­spir­a­tiv organ­isiert­er Auf­marsch im Stil der „Unsterblichen“ im Dezem­ber 2011 in Ham­burg-Har­burg. 35 Neon­azis zogen damals mask­iert und mit Fack­eln flankiert kurzweilig durch die Straßen des Bezirks, bis sie die Polizei stoppte und ein­er Per­son­alien­fest­stel­lung unter­zog. Der Kampf­s­portler Bostel­mann zählt heute zur Tost­edter Neon­azi-Schläger­clique um den vor allem im Recht­srock-Geschäft aktiv­en Ste­fan Win­kler (ehe­mals Silar).

Let­ztlich war beim „Tiwaz“ mit Kevin Seifert aus Köthen auch ein Vertreter der neon­azis­tis­chen Medi­en­plat­tform „Media Pro Patria“ anwe­send. Fotografen der Gruppe begleit­en regelmäßig Neon­azi-Konz­erte, rechte Parteita­gun­gen und Aufmärsche. Auch Aktiv­itäten im Bere­ich „Anti-Antifa“ wer­den von der Gruppe abgedeckt.

Erwäh­nenswert ist auch ein Vor­fall am sel­ben Abend. Auf dem Volks­fest „Annaberg­er Kät“ im nahen Annaberg-Buch­holz kam es zu ein­er Auseinan­der­set­zung von bis zu 30 Per­so­n­en mit der Polizei. Nach­dem ein 26-Jähriger sich geweigert hat­te, nach Pöbeleien gegen die Polizei seine Per­son­alien fest­stellen zu lassen und stattdessen nach den BeamtIn­nen schlug und trat, ver­suchte die Gruppe zunächst ein Polizeifahrzeug anzu­greifen. Später belagerte die Gruppe die Polizei­wache (Quelle: Freie Presse). Ob es sich hier­bei um BesucherIn­nen des „Tiwaz“ han­delt, kann nicht mit Sicher­heit gesagt wer­den. Es ist allerd­ings bestätigt, dass es nach Ende des Turniers noch einige Teil­nehmerInnnen zum dem nahegele­ge­nen Stadt­fest zog.

Linkes Bild: Kevin Seifert von „Media Pro Patria“ Recht­es Bild: Teil­nehmer des „Black Legion“-Teams auf dem Weg zum Ver­anstal­tung­sort (Quelle: Pixelarchiv)

Fazit

Mit dem „Tiwaz“-Turnier kann die neon­azis­tis­che Kampf­s­port­szene auf ein weit­eres Event blick­en. Neben der Tat­sache, dass die anwe­senden Per­so­n­en aus allen Him­mel­srich­tun­gen anreis­ten, ist vor allem auf­fäl­lig, dass fast alle rel­e­van­ten Neon­azi-Struk­turen aus den unter­schiedlich­sten Erleb­niswel­ten der Naziszene vertreten waren. Unter den Teil­nehmerIn­nen befan­den sich Anhänger divers­er rechter Ultra-und Hooli­gan­grup­pen, Mit­glieder bun­desweit bedeu­ten­der Mot­torad­clubs, Angestellte aus dem Sicher­heits­gewerbe und Recht­srock-Musik­er. Dazu VertreterIn­nen aus dem gesamten recht­en Parteien-Spek­trum und dem neon­azis­tis­chen Kameradschafts-Milieu.

Mit der Beteili­gung lokaler Neon­azis Organ­i­sa­tion des „Tiwaz“ kon­nten etablierte Net­zw­erke wie „White Rex“ und „Kampf der Nibelun­gen“ auf ver­lässliche Part­ner­In­nen zählen. Die Region zwis­chen Chem­nitz und dem Erzge­birge bietet außer­dem gün­stige Umstände, ein solch­es Event störungs­frei durch­führen zu kön­nen. Dies verdeut­licht auch die steigende Zahl ander­er kon­spir­a­tiv organ­isiert­er Ver­anstal­tun­gen in der Region – etwa regelmäßig stat­tfind­ende „Nation­al Social­ist Black Metal“-Konzerte oder sich jüngst häufende Zeitzeu­gen­vorträge mit bis zu 300 ZuschauerInnen.

Begün­stigt wird dies auch durch das Auftreten der Polizei, die zum „Tiwaz“ zwar Per­son­alien­fest­stel­lun­gen an den Ort­se­ingän­gen durch­führte, aber sichtlich kein Inter­esse hat­te, die Teil­nehmerIn­nen im Ver­anstal­tungsablauf einzuschränken. Bere­its jet­zt ist eine Fort­set­zung des „Tiwaz“ für das kom­mende Jahr angekündigt. Es ist davon auszuge­hen, dass die Fort­set­zung Zulauf gewin­nen wird – die ver­gan­gene Ver­anstal­tung wird in Neon­azikreisen als Erfolg gewertet.

Mehr Bilder des „Tiwaz“-Turniers find­et ihr unter pixelarchiv.org.

Der Text ist ein Gemein­schaftswerk von „Antifaschis­tis­che Recherche Chem­nitz“ und der Kam­pagne „Runter von der Mat­te – Kein Hand­shake mit Nazis“.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Rassistische Komplizenschaft

Seit Anfang Juni 2018 beobacht­en wir einen Prozess gegen zwei kur­dis­che Geschäft­sleute aus Bran­den­burg. Der Vor­wurf: gefährliche Körperverletzung.
Ver­meintlich Geschädigter und Neben­kläger in dem Prozess ist Herr S. Dieser ist im Ort kein Unbekan­nter. Seit Jahren ter­ror­isiert er vor allem migrantis­che Geschäft­streibende, pöbelt in ihren Gast­stät­ten, belei­digt sie ras­sis­tisch, weigert sich seine Speisen und Getränke zu zahlen und wird hand­grei­flich, sobald er darauf ange­sprochen wird. Wieder­holt übte er kör­per­liche Gewalt aus. Fast über­all hat er deshalb Hausver­bot. Die Betrof­fe­nen sind von S. jedoch so stark eingeschüchtert, dass kaum ein Vor­fall je zur Anzeige kommt.

Auch Herr F. und Herr L., Angeklagte im oben genan­nten Prozess, haben seit Jahren Prob­leme mit S. Über das Hausver­bot in ihrem Laden hat er sich wieder­holt hin­wegset­zt. Die Lage ist so bedrohlich, dass F. und L.s Kund*innen weg­bleiben und sie Schwierigkeit­en haben, Mitarbeiter*innen zu find­en. An einem Abend im Früh­jahr 2015 eskaliert die Sit­u­a­tion erneut: S. häm­mert an die Scheibe, zeigt einen Hit­ler­gruß und den emporgestreck­ten Mit­telfin­ger und beschimpft die Inhab­er ras­sis­tisch. Diese stellen S. zur Rede, ver­weisen auf ihr Haus­recht und rufen die Polizei, um Anzeige zu erstat­ten. Was dann passiert, gle­icht einem Alb­traum: Denn wie so oft bei solchen Vor­fällen geriert sich der eigentliche Täter als Opfer und erstat­tet eine Gege­nanzeige wegen ange­blich­er Kör­per­ver­let­zung. Diese Strate­gie baut auf ein­er ras­sis­tis­chen Kom­plizen­schaft zwis­chen Täter und Polizei auf, für die keine Absprache notwendig ist und sie hat Erfolg: Die Beamt*innen ermit­teln nur lück­en­haft und gehen den Vor­wür­fen von S. nach, während sie die der bei­den Laden­in­hab­er fall­en lassen. In der Folge stellt die Staat­san­waltschaft das Ver­fahren gegen S. ein und erhebt stattdessen Anklage gegen F. und L. Das liegt nicht nur an der ras­sis­tis­chen Ermit­tlungsar­beit der Polizei, son­dern auch daran, dass sich kaum Zeug*innen find­en lassen, die bere­it sind, gegen S. auszusagen. Zu groß ist die Angst vor seinen Gewaltausbrüchen.

Im Prozess set­zt sich die Täter-Opfer-Umkehr weit­ge­hend fort. Die Vertei­di­gung kommt trotz guter Vor­bere­itung nicht gegen den ras­sis­tis­chen Grund­ver­dacht an, der besagt, dass ein „ver­meintlich oder tat­säch­lich aus­ländis­ches Opfer zunächst immer ein Täter ist“. Trotz zum Teil wirrer und wider­sprüch­lich­er Zeu­ge­naus­sagen ist eine Verurteilung von F. und L. nicht unwahrschein­lich. Für die bei­den Angeklagten ste­ht viel dem Spiel: Dieser und ähn­liche Vor­fälle bedro­hen ihre Exis­tenz. Sollte es zu ein­er Verurteilung kom­men, wären sie außer­dem vorbe­straft, was für F. auch neg­a­tive Auswirkun­gen auf sein Aufen­thalt­srecht in Deutsch­land haben kann.

Ras­sis­tis­che Gewalt, ein­seit­ige Ermit­tlun­gen der Polizei, Krim­i­nal­isierung und Aufen­thalt­sregime, auch für Bran­den­burg scheint zu gel­ten: „Staat und Nazis Hand in Hand“. Wir sol­i­darisieren uns mit den Angeklagten, fordern die sofor­tige Ein­stel­lung dieses absur­den Ver­fahrens gegen F. und L. sowie ein Ende der ras­sis­tis­chen Gewalt!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Aktion zum Wahlkampf der AFD

Neulich sollte es in unser­er Stadt eine Wahlkampf-Ver­anstal­tung der AFD geben. Aus diesem Anlass haben wir in der Umge­bung des vorge­se­henen Ortes Infor­ma­tion­s­ma­te­r­i­al verteilt. (Es muss vielle­icht gesagt wer­den, dass wir das nicht alle Tage machen.) Die ganze Aktion war nicht mit viel Aufwand ver­bun­den, weil es dankenswert­er­weise unter www.aufstehen-gegen-rassismus.de vor­bere­it­etes Mate­r­i­al gibt. Eine Stunde vor dem geplanten Beginn, sind wir in der Umge­bung die Läden abgeklap­pert – in Nul­lkom­manix waren 40 Plakate verteilt, viele davon kon­nten wir selb­st sofort aufhän­gen, einige weit­ere fol­gten schon bald nach­dem zum Beispiel Angestellte mit den BesitzerIn­nen der Läden gesprochen hatten.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es bei den Plakat­en gut ist, ein biss­chen Auswahl zu haben (z.B. Plakat „Stoppt die AfD“, oder Plakat „Nie wieder“, oder Plakat „Nein zur Het­ze gegen Mus­lime“, oder Plakat „Ras­sis­mus ist keine Alter­na­tive“.
Als Ergänzung haben Fly­er (Down­load z.B. hier: „Warum die AfD KEINE Alter­na­tive ist“ Außen­seite // Innen­seite) super funk­tion­iert … unsere hun­dert Stück waren schnell gedruckt und eben­so schnell weg und ver­grif­f­en. Eigentlich woll­ten wir sie den Pas­san­tInnen zum Tausch gegen die Fly­er der AFD anbi­eten … aber die AFD hat­te offen­bar ver­pen­nt und ist nicht gekommen.
Gefreut haben wir uns über die fast auss­chließlich pos­i­tive Res­o­nanz – ins­beson­dere auch in den Geschäften! … dies wird ver­mut­lich nicht unser let­zter Aus­flug gegen die Nazi-Umtriebe in der Gegend gewe­sen sein.
Eine Begeg­nung hätte etwas bren­zlig wer­den kön­nen … da sind wir wohl an einen AFD-Anhänger ger­at­en. Deshalb zu guter Let­zt noch ein Tipp: Macht euch, machen Sie sich schlau, wie es um die Nazis und andere Rechte in Ihrer Gegend ste­ht und gehen Sie im Zweifel nicht allein.

Inforiot