(MAZ, Gudrun Ott) MAHLOW Es waren Ausländer, Inländer, Mitmenschen. Sie wurden gedemütigt, getreten, geschlagen, weil sie anders aussahen, anders dachten, anders lebten. Und manchmal kostete sie dieses Anderssein das Leben, wie den Obdachlosen Dieter Manzke. Oder Noël Martin, der Brite, der sein Gastarbeiterdasein mit einer Querschnittslähmung bezahlte. Oder der jüngste Fall — “Ist es wirklich der jüngste?”, fragte Cordýline Bartz, einer der Initiatoren — bei dem Jugendliche den Russlanddeutschen Alexander P. überfielen und krankenhausreif schlugen. Diesen Spuren wollten Bürger der AG Tolerantes Mahlow erneut folgen. Sie hofften, andere würden sich anschließen. Aber man blieb weitgehend unter sich. Besonders enttäuscht war die AG, dass von Kommunalpolitikern allein Gerhard Kalinka, Gemeindevertreter und Kreistagsabgeordneter Bündnis 90/Die Grünen, teilnahm. Gemeinsam leidvolle Erfahrung aufarbeiten, zum Nachdenken anregen, Zivilcourage entwickeln helfen, das hatten sich die Veranstalter vorgestellt. Heinz-Jürgen Ostermann, der souverän und bemüht sachlich zu den Taten sprach, wünschte sich, “dass von derartigen Führungen ein Impuls ausgeht”. Das erfordert Geduld, vor allem aber Mitmacher. In Mahlow und Umgebung gibt es rund zwanzig Vereine, aber offensichtlich kein Interesse, die Initiative zu unterstützen. Ostermann lebt seit 1999 in Mahlow. Er las vom Überfall auf Alexander P. in der Zeitung. “Die Meldung ließ mich nicht mehr los, ich wollte nicht zur Tagesordnung übergehen”, erklärte er. Dass jeder Anschlag auch ein Anschlag auf Menscherechte sei, auf Grundlagen menschlichen Zusammenlebens, darüber sprachen die wenigen Teilnehmer, die wegen des schlechten Wetters noch weniger wurden, am Noël-Martin-Gedenkstein.
Autor: redax
Freispruch – so lautete am Dienstag, dem 10.Februar 2004, das Urteil im Verfahren gegen die beiden 15- und 17-jährigen Antifaschisten aus Rathenow, denen
vorgeworfen wurde im Januar 2003 mehrere Flyer als Werbung für eine antifaschistische Veranstaltung hergestellt und in Umlauf gebracht haben, auf denen u.a. die Parole „Let’s toast the rich with our choice of cocktail“ zu lesen
war.
In der Verhandlung stellte sich nun heraus, dass zwar einer der beiden Angeklagten für die Flyer verantwortlich war, aber die darauf platzierte Parole nicht bewusst benutzt hatte um gewalttätige Ausschreitungen gegen „Reiche“ zu
provozieren. Vielmehr sollte das Layout der Handzettel „szenemäßig“ gestaltet sein, um möglichst viele Jugendliche zu begeistern.
Weiterhin kam in der Verhandlung noch einmal zur Sprache, dass die beworbene damalige Veranstaltung absolut friedlich blieb. Sogar die Polizei denen die „gefährliche“ Veranstaltung sehr wohl bekannt war, schickte damals nur zwei Zivilbeamte der SoKo MEGA/TOMEG zur Beobachtung, die sich zeitweise sogar vom Veranstaltungsort entfernten.
Nein, der Straftatbestand der Aufforderung zu Straftaten konnte hier nicht gegeben sein – die beiden Antifas wurden freigesprochen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Siehe zum Sachverhalt auch folgende Meldungen:
(8.2.04)
Verfahren wegen Flyer eingestellt
(29.9.03)
Weitere Ermittlungen gegen Antifa in Rathenow
(7.3.03)
Staatliche Anti-Antifa schlug zu
(7.3.03)
In der Nacht zum 28. Januar verübten zwei 18- und 20-jährige junge Männer einen Brandanschlag auf einen Döner-Imbiss in Hörlitz bei Senftenberg. Der Betreiber, der
49-jährige Türke Mehmet Alatas, und seine vierköpfige Familie stehen vor dem Ruin. Für einen Neuanfang würde Herr Alatas 4000 Euro benötigen. Der Verein Opferperspektive ruft zu Spenden auf.
Herr Alatas kann es noch nicht fassen. “Wie kann man einfach so das Leben von acht Menschen zerstören?” Außer seinen beiden Söhnen in Hörlitz unterstützt er weitere
vier Kinder in der Türkei. Jetzt muss er den Gang zum Sozialamt antreten. Doch er sieht die Lage nicht aussichtslos. Eine Reihe von couragierten Bürgerinnen und
Bürgern aus Hörlitz hilft ihm, wo sie können. Ein Geschäftsmann will ihm günstig einen neuen Imbisswagen vermieten, für die Inneneinrichtung des Imbisses braucht
Herr Alatas noch 4000 Euro, um möglichst bald weitermachen zu können. Der Bürgermeister hat sich schon mit einem Spendenaufruf an die Bürgerinnen und Bürger der Großgemeinde Schipkau gewandt, auch der Verein Opferperspektive ruft zu Spenden auf:
Opferperspektive e.V.
Kto.-Nr. 350 202 30 41
Mittelbrandenburgische Sparkasse Potsdam
BLZ 160 500 00
Stichwort: Hörlitz
Kay Wendel vom Verein Opferperspektive bemerkt dazu: “Das ist der achte Brandanschlag auf einen ausländischen Imbiss in Brandenburg innerhalb von drei Monaten. Immer, wenn Tatverdächtige gefasst wurden, war Rassismus der Grund für die Gewalt. In Gegenden mit einem Prozent Ausländeranteil müssen offenbar die Imbisse als Symbol für alles Fremde herhalten. Die Betroffenen stehen vor dem Nichts. Es
darf nicht sein, dass rechtsextreme Gewalttäter Arbeitsplätze zerstören, die sich die Betreiber mühsam aufgebaut haben. Ich hoffe, dass die Bevölkerung ein klares
Zeichen der Solidarität setzt und den Betroffenen hilft, einen Neuanfang zu schaffen.”
Antifademo in Guben
Antifademo:
Samstag, 14.02.2004, um 15.30
Treff: Gedenkstein in der Hugo-Jentsch-tr. (parallel zur B97)
Am 13.2.1999 wurde der algerische Flüchtling Farid Guendoul von einer Gruppe Nazis im brandenburgischen Guben zu Tode gejagt.
Fünf Jahre danach sind FaschistInnen immer noch im Stadtbild präsent; sie gewinnen eher noch an Stärke, da linke Jugendliche am liebsten so schnell wie möglich der Stadt den Rücken kehren. Und das ist noch nicht alles: der
einzige alternative linke Jugendclub der Stadt, der Sanikasten, eine selbstverwaltete Begegnungsstätte des Internationalen Jugendvereins Guben/Gubin e.V. soll im Sommer im Rahmen des “Zukunft im Stadtteil”-Programmes abgerissen werden, um Platz für prestigeträchtigere
Prunkbauten in der Innenstadt zu schaffen.
Fünf Jahre nach dem Tod von Farid Guendoul rufen wir erneut zum Widerstand auf — Kein Vergeben; Kein Vergessen!
Wir wollen keine Nazis in Guben! Wir fordern den Erhalt des Sanikastens und eine Politik wider den rechten Mainstream!
Kommt zur antifaschistischen Demo am 14.02.2004 (Samstag) um 15.30; Startpunkt ist der Gedenkstein in der Hugo-Jentsch-Str. (parallel zur B97); danach bietet der Sanikasten einen Demoausklang mit leckerem Essen, einem
Theaterstück aus Auszügen der Prozessakten und einem Zusammenschnitt der unzähligen TV-Beiträge zum Rechtsextremismus in Guben.
Nun doch: Prozess wegen Flyer
Nach dem das Amtsgericht Rathenow die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen zwei Antifaschisten am 24. September 2003 abgelehnt hatte, legte die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Potsdam erfolgreich Beschwerde ein. Am 10.
Februar 2004 findet nun der nichtöffentlichen Prozess gegen die zum Tatzeitpunkt 15 und 17-jährigen Jugendlichen in Rathenow statt.
Hintergrund der Restriktions-Maßnahmen der Staatsgewalt waren angeblich von den Beschuldigten hergestellte und verbreitete Flyer, die mit aus Internetseiten übernommenen Motiven auf eine antifaschistische Veranstaltung im Januar
2003 in Rathenow hinwiesen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft stellten die verwendeten Bilder den Straftatsbestand der Aufforderung zu Gewaltaktionen
dar, insbesondere der in der Szene verbreitete Slogan „Lets toast the rich…with our choice of cocktail“ riefen bei den Behörden Horrorszenarien hervor.
Das die beworbene Veranstaltung der „Antifaschistischen Front Rathenow“ selbst nach Einschätzung der Polizei friedlich blieb und es zu keiner Zeit davor oder danach zu Brandanschläge auf wie auch immer definierbare „Reiche“ gekommen war spielt für die Staatsanwaltschaft aber anscheinend keine Rolle, sie will ein Exempel statuieren.
Fragt sich nur ob Staatsanwaltschaft gegen Rathenows Nationalisten genauso „gewissenhaft“ ermittelt, die in ihren, in einer Auflage von mehr als 1000, verbreiteten Aufklebern im Jahr 2003 u.a. NS – Kriegsverbrecher und ein
Deutschland in den Grenzen von 1941 glorifizierten — erfahrungsgemäß nicht.
Wir fordern die Einstellung des Verfahrens gegen die beiden Antifas.
Brandenburg bleibt recht extrem
(TAZ) Der Rechtsextremismus ist in Brandenburg weiterhin das größte Problem bei der politisch motivierten Gewaltkriminalität. Im vergangenen Jahr seien 87
rechts motivierte Gewalttaten registriert worden, 6 mehr als im Vorjahr, sagte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern in Potsdam. Damit sei erneut das Niveau von 2001 erreicht. Zugleich sei aber die Aufklärungsquote
rechter Gewalttaten von 72 auf 82 Prozent gestiegen.
Unter den rechts motivierten Gewalttaten waren 4 Brandstiftungen, 77 Körperverletzungen und 2 versuchte Morde durch Brandstiftungen bei ausländischen Imbissbetreibern in Hennigsdorf und Pritzwalk. Damit weicht
die offizielle Statistik erneut von der des Vereins Opferperspektive ab. Dieser registrierte mit 116 rechten Gewalttaten deutlich mehr Delikte.
Laut Schönbohm sind 84 Prozent der Täter 2003 erstmals im Bereich Rechtsextremismus in Erscheinung getreten, 75 Prozent waren jedoch bereits durch allgemeine Straftaten bekannt. Die Gesamtzahl rechts motivierter
Straftaten ist von 983 im Jahr 2002 auf 993 im vergangenen Jahr gestiegen.
Leichter Anstieg der politisch motivierten Straftaten
Hohe Gewaltbereitschaft — Brandanschlag gegen ausländischen Imbiss-Betreiber
(BM, Peter Schelling) Potsdam — Was hat die Landesregierung nicht alles getan, um der politisch
motivierten Gewalt Herr zu werden. Eine eigene schnelle Eingreiftruppe
namens Mega gegründet, die Brennpunkte im Auge behält. Ein Aktionsprogramm
namens Tomeg ins Leben gerufen, bei dem notorische Straftäter kontinuierlich
beobachtet werden. Und doch haben alle repressiven Maßnahmen eines nicht
geschafft: die Zahl extremistisch — und das heißt in Brandenburg fast
ausschließlich rechtsextremistisch — motivierter Gewalttaten zu verringern.
Gestern musste Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) für 2003 einen leichten
Anstieg der Zahlen bekannt geben. Schönbohm räumte ein: “Mit polizeilichen
Mitteln sind wir langsam am Ende.” Vielmehr müsse man sich gesellschaftlich
viel mehr Gedanken machen, wie des Problems Herr zu werden sei. Insgesamt
hat die Polizei im vergangenen Jahr 1571 politisch motivierte Straftaten
gezählt (2002: 1530). Das Spektrum reicht dabei von versuchten
Tötungsdelikten bis zu einem zweimal zwei Zentimeter großen, in ein
Fahrradschutzblech eingeritzten Hakenkreuz. “Auch solche Kleinigkeiten sind
wir nach einer Bundesverordnung gehalten, als Straftat zu verfolgen”, so der
Innenminister. Daran halte sich Brandenburg, auch wenn der Sinn fraglich
sei. Viel schwerer wiegt für Schönbohm, dass auch die Zahl der politisch
motivierten Gewalttaten auf hohem Niveau verharrt. Bei Körperverletzungen
mit 83 Delikten (2002: 75) und bei versuchten Tötungsdelikten mit drei
(2002: 2) musste sogar ein Anstieg verzeichnet werden. Da tröstet auch
wenig, dass die Aufklärungsquote auf 42 Prozent insgesamt (2002: 39) und bei
Gewalttaten auf 52 Prozent (2002: 46) verbessert worden ist. Auffällig sei,
dass 75 Prozent aller wegen politischer Straftaten von rechtsaußen dingfest
Gemachten schon vorher mit gewöhnlichen Straftaten auffällig gewesen waren.
Die meisten Straftaten geschehen aus der Gruppe heraus. “Vor allem die
Zunahme der Gewaltbereitschaft ist bedenklich”, so Schönbohm.
Zu der gesamten Bilanz passt eine Meldung aus der Nacht zum gestrigen
Freitag: Da wurde auf einen türkischen Imbiss in Brück (Potsdam-Mittelmark)
ein Brandsatz geschleudert. Der Besitzer befand sich in dem Imbiss. Mit Mühe
konnte er den Brand löschen. Wegen der guten Spurenlage, so die Polizei,
konnten schon gestern Morgen die Täter ermittelt werden. Sie waren
einschlägig als Rechtsextreme bekannt, handelten alkoholisiert und
wahrscheinlich aus der Gruppe. Auf sie wartet jetzt ein Prozess wegen
versuchten Totschlages.
Rechte Gewalttaten leicht angestiegen
Höhere Aufklärungsquote / Schönbohm mahnt Familie und Schulen zur Wachsamkeit
(Berliner Zeitung, Martin Klesmann) POTSDAM. Eigentlich wollte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Freitag nur
die neuesten Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität im Lande bekannt
geben. Doch zunächst einmal musste er über den jüngsten Brandanschlag der
rechtsextremistischen Szene in Brandenburg berichten. In der Nacht zum
Freitag hatten junge Neonazis einen Brandbeschleuniger in einen türkischen
Imbiss in Brück (Potsdam-Mittelmark) geworfen. Der Imbissbesitzer befand
sich noch im Gastraum und konnte den Brand schnell löschen. “Vor einer
halben Stunde habe ich erfahren, dass die Polizei bereits am Freitagmorgen
drei Tatverdächtige festgenommen hat”, sagte Schönbohm. Die jungen Männer
seien bereits als Rechtsextremisten polizeibekannt und gehörten einer
gewaltbereiten Gruppierung an.
Zwei Tötungsversuche
Dann kam der Minister auf die Statistik für das Jahr 2003 zu sprechen. Die
Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten stieg im Vergleich zum
Vorjahr leicht um sechs Delikte an. 87 rechtsextremistische Gewaltdelikte
waren es laut Innenministerium im vergangenen Jahr, darunter vier
Brandstiftungen, 77 Körperverletzungen sowie zwei versuchte Tötungsdelikte
durch Brandstiftungen gegen vietnamesische und türkische Imbissbetreiber in
Pritzwalk und Hennigsdorf. “Damit liegen wir im Vergleich der Bundesländer
leider mit an der Spitze”, sagte Rainer Grieger vom Landeskriminalamt.
Insgesamt ermittelte die Polizei 993 Straftaten mit rechtem Hintergrund, dar
unter viele so genannte Propagandadelikte wie das Zeigen verbotener Symbole.
Von diesen Straftaten hatten 211 Fälle einen fremdenfeindlichen Bezug, 96
waren antisemitisch motiviert.
Schönbohm verwies zugleich auf die gestiegene Aufklärungsquote der Polizei.
Bei 82 Prozent aller rechten Gewalttaten konnten laut Innenministerium im
vergangenen Jahr die Täter ermittelt werden — eine Steigerung von zehn
Prozent gegenüber dem Vorjahr. “So langsam kennen wir unsere Klientel”,
sagte Schönbohm. Gegen spontane Gewaltausbrüche aus einer alkoholisierten
Gruppe heraus könne die Polizei aber nur bedingt präventiv tätig werden.
Schönbohm machte klar, dass viele rechte Schläger bereits vorher als
Kriminelle bekannt geworden seien. Nach ersten statistischen Erhebungen
seien 46 Prozent jener Gewalttäter Schüler und Auszubildende, 15 Prozent
Facharbeiter und 34 Prozent sind arbeitslos. “Viele Täter sind also
gesellschaftlich eingebunden”, sagte Schönbohm. Familie und Schule seien
hier gefordert.
Den einzigen Terrorakt in Brandenburg verübten indes Linksextreme. Im
Februar 2003 verübte die “Militante Gruppe” einen Brandanschlag auf
Bundeswehrfahrzeuge in Strausberg. Die Ermittlungen übernahm die
Bundesanwaltschaft.
Rechte Gewalt bleibt auf hohem Niveau
Zehn Prozent mehr Delikte aufgeklärt
(MAZ, Frank Schauka) POTSDAM Die rechtsextreme Gewalt in Brandenburg hat 2003 leicht zugenommen
und sich auf hohem Niveau stabilisiert — trotz verstärkten Verfolgungsdrucks
der Polizei und einer Aufklärungsquote von 82 Prozent bei Gewaltdelikten.
206 Tatverdächtige aus der rechtsextremen Szene hatten 87 Gewalttaten
verübt, sechs mehr als 2002. Die Bekämpfung der rechten Gewalt bleibe ein
Schwerpunkt der Polizeiarbeit, betonte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU)
gestern in Potsdam bei der Vorstellung der Bilanz zur politisch motivierten
Kriminalität für das Jahr 2003.
Linksmotivierte Straftaten sind demnach weiter ein Randphänomen. Von den 104
politisch motivierten Gewalttaten entfielen 87 auf die rechte und 14 auf die
linke Szene. Nur vier der insgesamt 83 politisch motivierten
Körperverletzungen wurden von linken, 77 von rechten Tätern verübt.
Der Anstieg rechtsextremer Gewalt ist nicht auf Nachlässigkeiten der
Polizeibeamten zurückzuführen. Die Spezialeinheit “Mega” hat den Druck auf
die Szene sogar erhöht und 24 543 Personen kontrolliert, 3700 Personen mehr
als 2002. Dabei wurden 521 Personen vorläufig festgenommen. “Diese Zahlen
belegen deutlich, dass die Mega präsent ist und in erheblichem Umfang
handelt”, sagte Schönbohm.
Ein zusätzlicher Kontroll- und Ermittlungsdruck ist laut Schönbohm
“praktisch nicht zu erreichen”. Deshalb seien “in besonderem Maße alle
gesellschaftlichen Instanzen gefordert, besonders Familien und Schulen”.
Untersuchungen zeigen, dass rechtsextreme Gewalt hauptsächlich spontan
verübt wird. 63 Prozent der Gewalttaten entstehen ungeplant aus der
Situation heraus, in mehr als 75 Prozent der Fälle kannten sich Täter und
Opfer zuvor nicht. Gruppendynamik und Alkohol fördern rechtsextreme Gewalt
zudem. Etwa 70 Prozent der Delikte wurden aus einer Clique heraus begangen,
45 Prozent der Täter standen unter Alkoholeinfluss.
Dass rechtsextreme Gewalt wesentlich mit hoher Arbeitslosigkeit in
Brandenburg erklärbar sei, wies Schönbohm zurück. Zwar sind 34 Prozent der
rechten Tatverdächtigen ohne Arbeit, 46 Prozent sind hingegen Schüler und
Lehrlinge, 15 Prozent Facharbeiter.
Wie Schönbohm betonte, begehen rechtsextreme Gewalttäter oft auch
unpolitische Straftäter. 75 Prozent seien im Vorfeld bereits durch
allgemeine Straftaten in Erscheinung getreten. “Wir haben es hier also nicht
mit einseitig politisch motivierten Straftätern zu tun, sondern im
wesentlichen mit gemeinen Kriminellen, die ihre kriminellen Biographien um
politisch motivierte Taten lediglich erweitern.”
Diese Analyse dürfe “kein Vorwand werden”, rechtsextreme Gewalt “nur als ein
kriminelles Randphänomen abzutun”, warnte der Vorsitzende des
Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit,
Heinz Joachim Lohmann. Der Wittstocker Superintendent wies zudem auf die
vermutlich hohe Dunkelziffer hin, weil viele Opfer rechtsextremer Gewalt es
erfahrungsgemäß nicht wagten, Anzeige zu erstatten.
Gefährliche Kleinigkeiten
MAZ-Kommentar von Frank Schauka
Ein zwei Zentimeter großes Hakenkreuz in einer Schulbank wird in Brandenburg
in der Statistik für politisch motivierte Kriminalität konsequent als
Straftat registriert. Das Beispiel von Innenminister Schönbohm ist auf den
zweiten Blick dennoch nicht geeignet, den Kampf gegen Rechtsextremismus zu
karikieren. Denn es veranschaulicht im Detail die Verbreitung von
Fremdenhass bei Jugendlichen und ist insofern ein Symbol für die Erkenntnis,
dass 46 Prozent der rechtsextremen Gewalttäter Schüler und Lehrlinge sind.
Nur wenn die Polizeistatistik solche vermeintlichen Kleinigkeiten aufführt,
geht der Blick für den schleichenden Übergang vom Bagatelldelikt zur
Gewalttat nicht verloren. 2003 waren 84 Prozent der rechtsextremen Schläger
Ersttäter. Der sich seit Jahren stetig erneuernde Kreis prügelnder Neonazis
rekrutiert sich auch aus anfänglichen Schmierfinken. Deshalb müssen ihnen
schon frühzeitig mit den Mitteln des Rechtsstaats Grenzen aufgezeigt werden.
Rechte Schläger waren meist schon vorher kriminell
Leicht gestiegene Aufklärungsquote bei politisch motivierten Delikten
(Tagesspiegel) Potsdam. Es passte bestens zu der Bilanz, die Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU) am Freitag vorstellte: Nur einen Tag nach einem Brandanschlag auf
einen türkischen Imbiss in Brück bei Potsdam hat die Polizei gestern drei
Tatverdächtige festgenommen. Die drei Männer aus der Region seien durch
einschlägige, politisch motivierte Straftaten bekannt, sagte Schönbohm. Da
sich der Inhaber im Imbiss befand, geht die Staatsanwaltschaft von einem
versuchten Tötungsdelikt aus.
“Es zahlt sich aus, dass wir die Klientel inzwischen kennen”, kommentierte
Schönbohm den Fahndungserfolg, der mit der Bilanz des Innenministers
korrespondiert. Danach ist die Aufklärungsquote der Brandenburger Polizei
bei politisch motivierten Straftaten auf 42 Prozent gegenüber 39 Prozent im
Jahr 2002 gestiegen. Insgesamt wurden 1571 politisch motivierte Straftaten -
davon 993 mit rechtsextremem Hintergrund — registriert, im Jahr 2002 waren
es 41 Fälle weniger.
Dennoch sind diese drei Tatverdächtigen eher die Ausnahme: 82 Prozent der
Gewalttäter mit politischem Hintergrund sind bei diesen Delikten Ersttäter.
Schönbohm nannte dies Besorgnis erregend. Mit anderen Taten jedoch sind fast
70 Prozent dieser Straftäter vorher bereits aufgefallen. Schönbohm sagte, es
seien zumeist “gewöhnliche Kriminelle”, die irgendwann auch politische
Gewalttaten begingen.
Von diesen Taten zählte das Innenministerium wie im Vorjahr 104 — womit
Brandenburg weiterhin auch im Ländervergleich im Spitzenfeld liegt. 46
Prozent dieser Gewalttäter seien Schüler oder Auszubildende, 15 Prozent
Facharbeiter, nur 34 Prozent arbeitslos. Die Vorstellung, die hohe
Arbeitslosigkeit führe zu Rechtsextremismus, greife folglich zu kurz, so
Schönbohm. 70 Prozent der rechten Gewaltstraftaten würden aus Gruppen heraus
verübt, bei fast jeder zweiten sei Alkohol im Spiel.
Schönbohm an regte an, die Strategie für das “Tolerante Brandenburg” zu
überdenken — und insgesamt auf die wachsende Gewaltbereitschaft von
Jugendlichen zu reagieren, die die Keimzelle rechter Gewalt sei. Der
Kontroll- und Ermittlungsdruck auf den harten Kern der rechtsextremistischen
Szene sei nämlich kaum noch zu erhöhen.
Anstieg bei politisch motivierter Kriminalität
Minister: Schwerpunkt bleibt Kampf gegen Rechts
(LR) Die Fälle von politisch motivierter Kriminalität in Brandenburg haben im
vergangenen Jahr geringfügig zugenommen. Ihre Zahl stieg im Vergleich zu
2002 um 41 auf 1571 Fälle, wie Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern in
Potsdam mitteilte. Das sind 2,6 Prozent.
Zugleich sei die Aufklärungsquote um drei auf etwa 42 Prozent verbessert
worden. Bei Gewaltstraftaten in diesem Bereich wuchs die Quote sogar um zehn
auf 82 Prozent. Der leichte Anstieg wurde Schönbohm zufolge im Wesentlichen
durch eine Zunahme von Schmierereien verursacht (plus 49).
Im Bereich Terrorismus wurde mit einem linksextremistischen Brandanschlag
auf Bundeswehrfahrzeuge in Strausberg (Märkisch-Oderland) im Februar nur
eine Straftat im Land verzeichnet.
Nach Schönbohms Worten bleibt die Bekämpfung rechtsmotivierter Straftaten
ein Schwerpunkt polizeilichen Handelns. Auf diesem Gebiet wurden im
vergangenen Jahr mit 993 Fällen zehn mehr als ein Jahr zuvor registriert. Im
Zuge der Angleichung des bundesweiten Meldeverhaltens stufte das
Landeskriminalamt davon 982 Fälle als extremistisch ein. Insgesamt hatten
21,24 Prozent der Fälle (211) einen fremdenfeindlichen Bezug; 9,67 Prozent
(96) waren antisemitisch motiviert.
Schönbohm zeigte sich überzeugt, dass der hohe polizeiliche Druck auf die
rechtsextreme Szene Wirkung zeigt. So habe die Mobile Einsatzeinheit gegen
Gewalt und Ausländerfeindlichkeit (Mega) im vergangenen Jahr mehr als 24 500
Personen kontrolliert, 521 fest-oder in Gewahrsam genommen sowie 2000
Platzverweise ausgesprochen.
EBERSWALDE. Das Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg hat seit dem Jahr 2000 die Indizierung von 54 Tonträgern wegen rechtsextremer oder Gewalt verherrlichender Inhalte beantragt. In 35 Fällen habe die Bundesprüfstelle
die Jugendgefährdung bejaht und die CDs auf den Index gesetzt, teilte ein LKA-Sprecher am Freitag in Eberswalde mit. Elf der 18 im vergangenen Jahr vom LKA beanstandeten CDs seien von der Bundesprüfstelle bereits auf den
Index gesetzt worden, weitere Fälle würden geprüft. Seit Jahresbeginn wurde bereits für neun Tonträger die Indizierung beantragt.
Mahler leugnet Holocaust
Mit Tumulten vor dem Gerichtssaal, scharfen Attacken der Angeklagten auf den
Rechtsstaat und der Leugnung des Holocaust hat am Freitag in Berlin der
Prozess gegen den früheren NPD-Anwalt Horst Mahler wegen Volksverhetzung
begonnen.
Berlin · 6. Februar · ap/dpa · Der 68 Jahre alte Rechtsextremist und zwei 60
und 38 Jahre alte Mitangeklagte müssen sich vor dem Landgericht wegen eines
ausländerfeindlichen Pamphlets vom Oktober 2000 im Internet verantworten. In
ihrem so genannten Aufruf zum Aufstand der Anständigen fordern sie ein
100-Punkte-Programm der Regierung, um Ausländer in Deutschland nicht mehr zu
beschäftigen und auszuweisen. Mahler wird ferner vorgeworfen, in der
NPD-Zentrale in Berlin-Köpenick im Herbst 2002 volksverhetzende Schriften
verteilt zu haben, in denen er den Hass auf Juden als “völlig normal und
Zeichen geistiger Gesundheit” genannt habe.
Vor Gericht sprach Mahler von der so genannten Auschwitz-Lüge und rief zum
Sturz der “jüdischen Fremdherrschaft” auf. Nach Ende der Verhandlung sagte
er, es sei eine “Lüge, dass wir sechs Millionen Juden fabrikmäßig umgebracht
haben”. Er muss deshalb mit neuen Ermittlungen rechnen.
Während der Verhandlung kam es vor dem Saal zu Rangeleien, als abgewiesene
Zuhörer die Justizwachtmeister bedrängten, wiederholt gegen die Türen
hämmerten und lautstark Einlass begehrten. Einen Antrag der Angeklagten auf
einen größeren Sitzungssaal hatte das Gericht abgelehnt. Mahler, der früher
als Anwalt RAF-Terroristen verteidigt hatte, nannte das Verfahren einen
“politischen Schauprozess”.
Mord von Potzlow wird Theaterstück
Berlin/Potzlow. Der Berliner Filmemacher Andres Veiel will über den
grausamen Mord an einem 16-jährigen Schüler in Potzlow ein Theaterstück
herausbringen. Der Regisseur von “Black Box BRD” stehe mit dem Berliner
Maxim Gorki Theater in entsprechenden Verhandlungen, sagte Dramaturgin
Annette Reber am Freitag. Das Stück solle 2005 im Gorki und am Theater Basel
zu sehen sein.
Der 16-jährige Marinus Schöberl war im Juli 2002 von drei jungen Männern
gefoltert und brutal getötet worden. Die Leiche verscharrten die drei Täter
im Alter zwischen 18 und 24 Jahren in einer Jauchegrube, wo sie monatelang
unentdeckt blieb. “Es gibt überall ganz ähnliche Verdrängungsmechanismen und
latente Aggressivität” sagte die Dramaturgin. Das mache das Thema für das
Theater interessant. Das Landgericht Neuruppin hatte das Trio im Oktober
2003 zu Gefängnisstrafen zwischen 2 und 15 Jahren verurteilt.
Der 44-jährige Veiel wurde für den Dokumentarfilm “Black Box BRD” über die
terroristische “Rote Armee Fraktion” (RAF) mit zahlreichen Preisen
ausgezeichnet.
Er gilt als der härteste Gangster-Rapper Deutschlands. Viele seiner Texte
sind eine schnodderige Ode an die Gewalt. «Als Berliner boxt man sich halt
gern» , hat «Bushido» einmal in einem Interview gesagt. «Wenn du in einem
Ghetto lebst, ist der Sinn des Spiels, dass du immer der Erste bist, der
zuschlägt.» Bei «Bushidos» Gastspiel im Cottbuser Glad-House, dem Auftakt
einer geplanten Hip-Hop-Veranstaltungsreihe, ist in der Nacht von Mittwoch
auf Donnerstag aus diesem Spiel blutiger Ernst geworden.
Eigentlich soll der verbale Schlagabtausch zwischen Rappern und Publikum als
Ventil wirken, Aggressionen abbauen, verhindern, dass sich «echte Kerle»
immer gleich die Rübe einhauen. Doch einige rasteten nach dem heftigen
Wortgewitter, das von der Bühne auf sie niederging, aus. Noch während des
Auftritts kam es zu ersten Wortgefechten. So bat «Bushido» zum Beispiel
Hip-Hop-Radiomoderator André Langenfeld auf die Bühne, um «ihm die Fresse zu
polieren» . «Die haben getan, als ob sie die Größten wären. Das war alles
sehr provokant» , sagt Langenfeld. «Und dann spielten Alkohol und
Aggressionen im Publikum eine große Rolle.»
Das Feuerwerk wüster Beschimpfungen und Beleidigungen, das immer wieder über
die Köpfe hinweg prasselte, war für Langenfeld aber «nur Show, Getue. Ich
habe das gar nicht so ernst genommen» , sagt er. Andere im Publikum fühlten
sich indes «von der Band extrem provoziert» , wie die Polizei später zu
Protokoll nehmen sollte. «Fakt ist, dass eine Gruppe aggressive Stimmung
verbreitet hat im Saal» , bestätigt Ulf Hennicke, Leiter des
Glad-House-Veranstaltungsbüros. «So hat sich das Ganze langsam
aufgeschaukelt.» Und nach dem Konzert war noch lange nicht Schluss.
An der Bar flog dem Cottbuser Dirk F., wie Unbeteiligte bestätigen, eine
Flasche an den Kopf. Zudem sollen Bandmitglieder den Disput gesucht und ihn
bedrängt haben, wie er später aussagen wird. Es kam zu Handgreiflichkeiten.
Schließlich zog der 32-Jährige ein Schnitzmesser, stach wild um sich,
verletzte drei Männer im Alter von 18 bis 26 Jahren, die den Streit zum Teil
schlichten wollten — wohl aus Angst, vielleicht auch, weil ihn die
Erinnerung in diesem Moment einholte. Denn angeblich soll Dirk F. vor zehn
Jahren selbst Opfer einer Messerattacke gewesen sein. Damals verletzte ihn
eine Gruppe Rechtsextremer lebensgefährlich.
«Dirk F. hat bei der Vernehmung erklärt, dass er in Notwehr gehandelt hat» ,
sagt die Cottbuser Staatsanwältin Cäcilia Cramer-Krahforst. «Ein Haftbefehl
gegen ihn ist nicht erlassen worden. Dafür gibt es keinen Grund.» «Die
Aggression» , sagt einer der Verletzten, der am Donnerstag operiert wurde,
«ging an diesem Abend eindeutig von Aggro-Berlin aus. Das ist eben nicht
Hip-Hop, nicht in dieser Form.»
Die Veranstalter sind schockiert. Die geplante Veranstaltungsreihe
«Tonspielzeugtage — Ein Klang Party» ist abgesagt worden. «Wir wollten
Hip-Hop aus verschiedenen Städten und verschiedenen Nationalitäten
präsentieren, gerade weil diese Musik immer mit Gewalt in Verbindung
gebracht wird, um zu verdeutlichen: Es geht auch mit Toleranz» , erklärt
Glad-House-Leiter Jürgen Dulitz. «Doch wenn Gewalt zur
Selbstverständlichkeit wird, werden wir diese Szene als Kulturhaus nicht
mehr bedienen können. Dieses Ausmaß war erstmalig und einmalig.»