Der brandenburgische Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin hat den Einsatz von V‑Leuten in der rechtsextremen Szene verteidigt. “V‑Leute sind und bleiben bei der Bekämpfung extremistischer sowie terroristischer Bestrebungen ein unverzichtbares Aufklärungsmittel. Dies gilt insbesondere für militante Skinhead- und Neonazistrukturen”, sagte Wegesin der Frankfurter Rundschau am Wochenende.
BERLIN, 10. November. Wegesin und sein Amt stehen im Zusammenhang mit einem V‑Mann-Prozess in Berlin unter Druck, in dem am heutigen Montag das Urteil erwartet wird. Ein V‑Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Toni S., ist vor dem Landgericht angeklagt, weil er in großem Stil mit rechtsextremen Hass-CDs gehandelt hat. Außerdem hatte er sich an der Herstellung und dem Vertrieb einer CD namens “Noten des Hasses” beteiligt, die Mordaufrufe gegen Prominente enthält. Der V‑Mann hatte diese Taten vor Gericht gestanden.
Die Berliner Staatsanwaltschaft wirft dem brandenburgischen Landesamt für Verfassungsschutz vor, dem Treiben des V‑Mannes zu lange zugesehen zu haben und nicht rechtzeitig die “Notbremse” gezogen zu haben. Staatsanwalt Jürgen Heinke hatte die Auffassung vertreten, dass die “Noten des Hasses” ohne Mitwirkung des Geheimdienstes gar nicht vertrieben worden wäre. Gegen den Ansprechpartner von Toni S. im Verfassungsschutz, der den Decknamen Dirk Bartok trägt, ermittelt die Justiz in Cottbus.
Verfassungsschutz-Chef Wegesin wollte sich nicht zu den laufenden Verfahren äußern. Er betonte allerdings: “Selbstverständlich ist beim Quelleneinsatz strikt auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen zu achten. Setzt sich eine Quelle entgegen ihrer klaren Weisungen über diese Grenzen hinweg, muss sie hierfür in eigener Verantwortung die strafrechtlichen Konsequenzen tragen.”
Toni S. hatte vor Gericht eingeräumt, dass Bartok die “Noten des Hasses” als “harten Tobak” bezeichnet hatte, der “nicht durchgehen kann”.
Der Potsdamer Behördenleiter Wegesin erinnerte daran, dass bei der Arbeit des Verfassungsschutzes das “Opportunitätsprinzip” gilt. Das bedeutet, dass Geheimdiensten in bestimmten Fällen kriminelle Handlungen erlaubt sind, um verfassungswidrige Bestrebungen abzuwehren.
Den Einsatz von V‑Leuten habe der Gesetzgeber den Verfassungsschützern ausdrücklich an die Hand gegeben, um Informationen zu gewinnen, sagte Wegesin. Dieses Mittel “müssen die Verfassungsschützer einsetzen, wenn offene Informationswege nicht zur Verfügung stehen”, unterstrich Wegesin. Dies gelte besonders bei der Informationbeschaffung “in sich systematisch abschottenden verfassungsfeindlichen Milieus”, hob er hervor.
Autor: redax
FRANKFURT (ODER) Die Polizei hat den am Volkstrauertag geplanten Aufmarsch von rund 1.000 Rechtsradikalen im brandenburgischen Halbe untersagt. Die Kundgebung verstieße gegen das Feiertagsgesetz, hieß es vom Polizeipräsidium. Auch die geplanten Gegendemonstrationen dürften nicht stattfinden. Der “Trauermarsch” unter dem Motto “Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten” sollte vom Hamburger Neonazi Christian Worch angeführt werden. Auf dem Soldatenfriedhof in Halbe hatten Rechtsextremisten Anfang der 90er-Jahre mehrfach Fackelmärsche und Kundgebungen abgehalten. Weitere Aufmärsche rechter Organisationen wurden in den folgenden Jahren verboten. In Halbe fand Ende April 1945 eine der letzten “Kesselschlachten” des Zweiten Weltkrieges statt. Mehr als 40.000 sowjetische und deutsche Soldaten kamen dabei ums Leben.
Halbe wird zur demofreien Zone
Ein zum Volkstrauertag auf dem Soldatenfriedhof im brandenburgischen Halbe geplanter Neonazi-Aufmarsch ist von der Polizei verboten worden. Alle politisch motivierten Veranstaltungen, auch zwei Gegenveranstaltungen, seien untersagt worden, erklärte ein Polizeisprecher gestern in Frankfurt (Oder). Die geplanten Demonstrationen verstießen gegen das Feiertagsgesetz und stellten einen Missbrauch des als Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs gedachten Friedhofs dar, hieß es zur Begründung. Unter dem Motto “Ruhm und Ehre den deutschen Frontsoldaten” wollten Neonazis am 17. November in Halbe eine so genannte “Heldengedenkfeier” mit bis zu 1.000 Teilnehmern abhalten. Die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) lastete das Verbot ihrer Gegendemonstration Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) an, dem es um Einschränkungen im Versammlungsrecht gehe. Sie forderte weiterhin zur Fahrt nach Halbe auf.
Rechter Aufmarsch in Halbe verboten
Polizei untersagt auch Gegenveranstaltungen auf dem größten Soldatenfriedhof
Deutschlands
(Tagesspiegel) Halbe. Die Polizei hat den geplanten Aufzug von Neonazis am Volkstrauertag in Halbe
(Dahme-Spreewald) verboten. Auch die Gegenveranstaltungen wurden untersagt, wie ein
Polizeisprecher am Montag in Frankfurt (Oder) mitteilte. Politische Kundgebung an
dem Friedhof widersprächen dem Charakter des Volkstrauertags, hieß es zur
Begründung. Die Anmelder können gegen die Verbote gerichtlich vorgehen. Auf dem
größten deutschen Soldatenfriedhof sind rund 27 000 Menschen bestattet. Die
Gedenkstätte in Halbe solle durch die Veranstaltungen mit politischer Ausrichtung
missbraucht werden, erläuterte ein Polizeisprecher zur Begründung. Die Anmelder
können gegen diese Entscheidungen Rechtsmittel beim Verwaltungsgericht einlegen. In
der Vergangenheit waren ähnliche polizeiliche Verbote unter anderem in Berlin von
den Gerichten aufgehoben worden. Für den rechten Aufzug und die beiden
Gegenveranstaltungen aus dem linken Spektrum waren jeweils rund 1000 Menschen
angemeldet. Auf dem größten deutschen Soldatenfriedhof sind rund 22 000 Soldaten und
Zivilisten bestattet, die bei einer Kesselschlacht im Frühjahr 1945 starben. Hinzu
kommen 6000 Opfer des sowjetischen Internierungslagers Ketschendorf. Der etwa 40
Kilometer südlich von Berlin gelegene Friedhof war bereits 1990 und 1991 am
Volkstrauertag Schauplatz rechter Aufmärsche.
Schleife. Durch eine Streife der Bundesgrenzschutzinspektion Bad Muskau wurde am Montagvormittag in Schleife eine Familie aus Afghanistan kontrolliert. Die Eltern wie auch die 14-jährige Tochter waren nicht im Besitz von Personaldokumenten. Eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland konnten sie nicht vorlegen. Es bestand der Verdacht der unerlaubten Einreise und Aufenthalts in Deutschland. Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Ausländergesetz wurden eingeleitet, so der BGS. Die Abschiebung der drei Personen nach Polen erfolgte am Dienstag. Über den Aufenthalt der Personen in Schleife wurde der BGS durch einen Bürger informiert.
Das Polizeipräsidium Frankfurt/Oder hat am Montag, dem 11.11.2002, sowohl den für Sonntag (17.11.2002) in Halbe/bei Berlin geplanten Naziaufmarsch, als auch sämtliche antifaschistischen Gegenveranstaltungen vorerst verboten.
Die geplanten Demonstrationen verstießen gegen das Feiertagsgesetz am sogenannten “Volkstrauertag” und stellten einen Missbrauch des als Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkrieges gedachten Friedhofs dar, heißt es in den fast identisch lautenden Begründungen, die gestern den Nazis
und den AnmelderInnen der Gegenaktionen zugestellt wurden.
Der Veranstalter des Nazi-Aufmarsches hat daraufhin Rechtsmittel gegen das
Verbot beim zuständigen Verwaltungsgericht eingelegt und angekündigt, bis in
die höchste Instanz zu klagen, um eine erneute Genehmigung des Aufmarsches
herbeizuführen. Wegen der äußerst fragwürdigen Begründung des Verbotes ist
es wahrscheinlich, dass der Nazi-Aufmarsch in den nächsten Tagen wieder
erlaubt wird und mehrere Hundert Nazis durch Halbe marschieren dürfen.
Die Anmelder der antifaschistischen Gegenveranstaltungen klagen ebenfalls
gegen das unverhältnismäßige und fadenscheinige Verbot ihrer Veranstaltungen
und gehen davon aus, dass alle Kundgebungen und die Demonstration wie
geplant stattfinden können. Eine Entscheidung des Gerichts ist nicht vor dem
14.11. zu erwarten.
Mit den durch den nationalkonservativen brandenburgischen Innenminister,
Jörg Schönbohm, lancierten Verboten sowohl der Naziaktivitäten als auch der
antifaschistischen Gegenmobilisierung soll der Eindruck entstehen, es gäbe
eine vergleichbare Bedrohung durch “Extremisten von rechts und links” und
Nazis und Antifaschisten müssten gleichermaßen mit polizeistaatlichen
Mitteln bekämpft werden. Damit will der brandenburgische Innenminister eine
erneute Verschärfung des Demonstrationsrechtes ins Gespräch bringen und
außerdem jeglichen praktischen antifaschistischen Widerstand mundtot machen.
Das werden wir uns nicht bieten lassen!
Deshalb hält die Antifaschistische Aktion Berlin [AAB] daran fest, dem
Naziaufmarsch in Halbe mit entschlossenem Widerstand entgegenzutreten
Die Mobilisierung für antifaschistische Aktionen gegen den Naziaufmarsch
läuft unterdessen auch weiter. Wir rufen alle Antifaschistinnen und
Antifaschisten dazu auf, nach Halbe zu fahren und sich an unseren
Veranstaltungen zu beteiligen.
Treffpunkt in Halbe: 17.11.2002 — 10 Uhr Bahnhof
Treffpunkt in Berlin: 17.11.2002 — 09 Uhr S‑Bahnhof Schöneweide
Busse nach Halbe:
Weiterhin gibt es für 5,- ? Bustickets für die Fahrt zu den Aktionen gegen den Naziaufmarsch in Halbe: Die Busse fahren in Berlin um 9 Uhr am S‑Bahnhof Schöneweide ab. Auch der
Treffpunkt für diejenigen, die mit dem Zug nach Halbe wollen ist um 9 Uhr am selbigen S Bhf.
Die Fahrkarten für die Busse gibt es in Berlin:
Buchladen Schwarze Risse (Gneisenaustr/Kreuzberg und
Kastanienallee/Prenzlauerberg)
Schreinercafé (Schreinerstr. Friedrichshain)
OH 21 (Oranienstrasse/Kreuzberg)
Infocafé Pankow (Grabbeallee 33, Pankow).
Aktuelle Infos können ab heute unter folgender Nummer abgefragt werden:
(030) 27 56 07 56
Mehr Infos im Internet: www.antifa.de oder Inforiot
oder www.halbe.da.ru
POTSDAM — Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) wird wegen seiner Schelte am Berliner Prozess gegen den brandenburgischen V‑Mann Toni S. scharf kritisiert. Die Unterstellung, Gericht und Staatsanwaltschaft hätten in dem Verfahren eine “Art politischen Prozess” gegen den märkischen Verfassungsschutz geführt, müsse zurückgenommen werden, verlangte der Richterbund. Die PDS-Opposition forderte Schönbohm zum Rücktritt auf. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Schönbohm betonten, sie wollten vor einer Stellungnahme zunächst einmal die Urteilsbegründung studieren.
Platzeck bekräftigte jedoch, dass es einen “gläsernen” Verfassungsschutz nicht geben werde. Dass die Opposition die Demission Schönbohms verlange, sei “nicht so außergewöhnlich”. Der Innenminister unterstrich, dass Brandenburg einen “leistungsfähigen” Verfassungsschutz brauche und “keinen gläsernen”. Eine solche Behörde könne gleich abgeschafft werden, weil sie keine Ansprechpartner mehr hätte.
PDS-Fraktionschef Lothar Bisky sagte: “Ich verstehe nicht, wie ein Innenminister so großfressig mit Gerichten umgehen kann.” Das werfe einen Schatten auf die brandenburgische Landesregierung insgesamt. Er erwarte deshalb auch eine Positionierung von Platzeck. Ein Innenminister, der dulde, dass der “Verfassungsschutz mit rechtsextremen Straftätern kungelt, hat in der Regierung nichts verloren”, konstatierte Bisky. Die V‑Männer spielten “Staat im Staate”.
Die Berliner Staatsanwaltschaft und das Berliner Landgericht haben nach Darstellung der Berliner und Brandenburger Landesverbände im Deutschen Richterbund die Ermittlungen und den Prozess “streng nach rechtsstaatlichen Grundsätzen” geführt. Sie seien keinerlei politischem Einfluss unterlegen, noch hätten sie solchen ausgeübt. Der Innenminister eines Bundeslandes sollte auch dem Gericht eines anderen Bundeslandes keine rechtsstaatswidrige Praxis unterstellen.
Das Landgericht Berlin hatte Toni S. am Montag zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 28-jährige “unter den Augen einer staatlichen Behörde” rund 3000 CDs einer rechtsextremistischen Musikgruppe herstellte und verbreitete.
Die Polizei Frankfurt/Oder hat die für den Volkstrauertag am kommenden Sonntag geplante antifaschistische Gedenkkundgebung in Halbe (Dahme-Spreewald) und sämtliche
Ersatzveranstaltungen in der Region verboten. Das Gedenken an die ermordeten sowjetischen ZwangsarbeiterInnen und Wehrmachtsdeserteure verstieße nach Auffassung
der Behörde gegen das Feiertagsgesetz. Auf der antifaschistischen Gedenkkundgebung unter dem Motto: “Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!” vor dem Friedhof sollten der ehemalige Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann (Bundesvereinigung der Opfer der NS-Miltärjustiz e.V.) und Lothar Eberhardt (Interessensgemeinschaft ehemaliger
Zwangsarbeiter unter dem NS-Regime) in ihren Reden ihrer ermordeten Leidensgenossen gedenken. Hinsichtlich des Verbotes der Gedenkkundgebung äußerte Silvio Kurz,
Sprecher des unabhängigen Antifa-Bündnisses: “Es ist eine schamlose Verhöhnung aller Opfer des Naziterrors, dass ihr Gedenken vor ihren Gräbern polizeilich verboten
wird.” Die VeranstalterInnen werden selbstverständlich juristisch gegen das Verbot vorgehen.
Die genauen Informationen zu den antifaschistischen Aktivitäten am 17. November 2002 können Sie der Internetseite www.halbe.da.ru entnehmen.
Mit freundlichen Grüßen Silvio Kurz
Treptower Antifa Gruppe (T.A.G.)
c/o Infoladen Daneben
Liebigstr. 34
10247 Berlin
(tel) 0173.107.06.26
Enttarnter V‑Mann wird wegen Vertriebs von rechtsextremen Hass-CDs zu Bewährungsstrafe verurteilt. Landgericht wertet Rückendeckung durch den Verfassungsschutz als strafmildernd
BERLIN taz Mit einer schallenden Ohrfeige für den Brandenburger Verfassungsschutz endete gestern vor dem Landgericht Berlin der Prozess gegen den brandenburgischen V‑Mann Toni S. Dessen Straftaten, insbesondere der Vertrieb von rund 3.000 Exemplaren der illegalen Neonazi-CD “Noten des Hasses”, seien “unter den Augen und in Kenntnis einer staatlichen Behörde” verübt worden, sagte der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Brüning.
Er verurteilte den 28-jährigen Toni S. im Zusammenhang mit dessen Rolle bei der bundesweiten Verbreitung der “Noten des Hasses” und dem Besitz von hunderten größtenteils indizierten CDs zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe. S. habe sich in seinen Aktivitäten durch den Potsdamer Verfassungsschutz geschützt und gedeckt gefühlt, begründete das Gericht sein mildes Urteil für die mit rassistischen und antisemitischen Mordaufrufen und Hakenkreuzen versehene CD-Produktion. Der Verfassungsschutz, der den langjährigen Gubener Neonazi im Sommer 2000 als Informanten angeworben hatte, hätte den Vertrieb der CD stoppen müssen. Eine endgültige Aufarbeitung des Falls könne jedoch nur “im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Brandenburg stattfinden”.
Bei dem richterlichen Wunsch dürfte es denn auch bleiben. Zwar begrüßte der Sprecher des Brandenburgischen Innenministeriums, Heiko Homburg, die Verurteilung von Toni S. als “konsequent”. Die Vorwürfe gegen den landeseigenen Verfassungsschutz seien im Prozess jedoch keineswegs erhärtet worden. Ganz im Stil der letzten Monate, in denen sich Berliner und Brandenburger Sicherheitsbehörden wechselseitig Inkompetenz und Indiskretionen vorwarfen, bestritt Homburg ein Fehlverhalten des V‑Mann-Führers. Homburg weiß die SPD- und CDU-geführte Parlamentarische Kontrollkommission des Potsdamer Landtags hinter sich. Sie hat bislang jede Kritik an Brandenburgs Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin zurückgewiesen. Nur die oppositionelle PDS-Abgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht drängt weiterhin — und bislang vergeblich — auf vollständige Akteneinsicht für die Geheimdienstkontrolleure.
Richter fordert politisches Nachspiel
Der brandenburgische V‑Mann und rechtsextreme Musikproduzent Toni S. kommt mit Bewährung davon. Berliner Richter: Ein Untersuchungsausschuss soll Verhalten des Verfassungsschutzes klären. Brandenburgs Innenministerium reagiert verschnupft
In der V‑Mann-Affäre um den Neonazimusikhändler und von der Berliner Polizei verhafteten Informanten des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Toni S., hat die Berliner Justiz gestern den ersten klaren Punktsieg errungen. Zwei Jahre Haft auf vier Jahre Bewährung wegen Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen lautete das Urteil für Toni S. vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin.
Deutliche Worte fand der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Brüning aber vor allem für die staatlichen Auftraggeber von Toni S.: Der brandenburgische Verfassungsschutz hätte den Vertrieb der neonazistischen CD “Noten des Hasses” stoppen müssen, nachdem Toni S. als V‑Mann im Sommer 2000 angeworben worden war und alle Vertriebswege mitsamt Kontaktpersonen und Lieferadressen ausgeplaudert hatte. Doch anstatt die 3.000 CDs mit Liedern wie “Diese Kugel ist für dich”, in denen zum Mord an Juden, Schwarzen und Politikern aufgerufen wird, aus dem Verkehr zu ziehen, habe der V‑Mann-Führer Dirk Bartok seinen Schützling noch zum Schutz bei etwaigen Durchsuchungen mit einem behördeneigenen “sauberen” Computer und Handy ausgestattet. Auch bei den Plänen für eine zweite Auflage der “Noten des Hasses” habe der Brandenburger Verfassungsschutz lediglich zugeschaut, wie das Produzenten-Trio — bestehend aus zwei rechten V‑Männern und einem langjährigen Berliner Neonazikader — vorging. Neben Toni S. mit dabei: der Berliner Rechtsextremist Lars Burmeister, der als Verantwortlicher für die Liedtexte schon im September zu einer 22-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde, und der V‑Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Mirko Hesse aus Sebnitz.
Während das Strafmaß für Toni S., der nach knapp vier Monaten Untersuchungshaft aus dem Gerichtssaal direkt ins Zeugenschutzprogramm des brandenburgischen Landeskriminalamts überführt wurde, für Beobachter kaum überraschend kam — schließlich war das Gericht damit den Anträgen von Verteidigung und Staatsanwaltschaft gefolgt -, sorgte die Urteilsbegründung für erstauntes Raunen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss sei notwendig, um das Vorgehen der Brandenburger Verfassungsschützer aufzuklären, sagte Richter Brüning. Denn Toni S. habe seine Straftaten nach Ansicht des Gerichts mit “Wissen und Duldung” des Verfassungsschutzes begangen.
Toni S. fand in seinem Schlusswort zur Überraschung seines Verteidigers noch einmal lobende Worte für das “professionellen Vorgehen” des Verfassungsschutzes. Sein Mandant sei nun im Zeugenschutzprogramm weiter auf die Brandenburger Behörden angewiesen, lautete der lakonische Kommentar von Verteidiger Klaus Linten.
Das Gericht habe einen “virtuellen Prozess gegen den Brandenburger Verfassungsschutz geführt”, kritisierte hingegen Heiko Homburg, Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums, die Berliner Justiz. Toni S. habe seinen V‑Mann-Führer belastet, um sich selbst zu schützen, lautete das Resümee des Ministeriumssprechers. Die Verurteilung von Toni S. sei konsequent, da er Weisungen seines V‑Mann-Führers missachtet habe.
Doch ganz so locker scheint der Fall auch verfassungsschutzintern nicht behandelt zu werden. V‑Mann-Führer Dirk Bartok wurde bis zum Abschluss von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in Cottbus aus dem “operativen Dienst” entfernt. Nun bleibt abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft in Cottbus eine Anklage auf den Weg bringen wird.
Schere Kritik gegen Verfassungsschutz
V‑Mann bekommt Bewährungsstrafe
BERLIN Der enttarnte V‑Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Toni S., hat wegen Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und Verwendung von Nazi-Symbolen zwei Jahre Haft auf Bewährung bekommen. Die Staatsschutzkammer des Berliner Landgerichts sah es in ihrem Urteil gestern als erwiesen an, dass der 28-Jährige aus Cottbus an Produktion und Vertrieb der rechtsextremen CD “Noten des Hasses” beteiligt war. Jedoch habe Toni S. Straftaten mit Wissen und Duldung des Verfassungsschutzes begehen können, sagte der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Brüning.
Auf der CD der Neonazi-Band “White Aryan Rebels”, von der knapp 3000 Stück illegal vertrieben wurden, wird zum Mord an Prominenten wie dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman oder der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth aufgerufen. Mit dem Urteil entsprach das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Initiator und Texter der CD war laut Gericht der verurteilte Lars B., der ebenfalls eine Bewährungsstrafe bekam.
Nach Ansicht des Gerichts hatte Toni S. ein illegales Lager mit rechten CDs, Plakaten, T‑Shirts und Aufklebern in Cottbus erst nach Hinweisen seines V‑Mann-Führers erheblich ausgebaut. Durch Zusicherungen des Verfassungsschutzes habe sich To
ni S. sicher gefühlt. Er sei von dem V‑Mann-Führer, gegen den in Cottbus ein Verfahren läuft, vor Durchsuchungen der Polizei gewarnt worden und bekam auch einen “jungfräulichen Computer”.
“Der Verfassungsschutz war nicht berechtigt, Straftaten zu erlauben, auch nicht für integere Fernziele”, sagte Brüning. Diese Ziele seien zudem nicht erkennbar gewesen. Der Verfassungsschutz hätte die CD stoppen müssen, nachdem er von Toni S. über Konten und Vertriebswege informiert worden war. Es sei jedoch nicht Aufgabe des Gerichts gewesen, die Aktivitäten des Verfassungsschutzes zu bewerten, sagte der Richter. Die Aufarbeitung könne nur in einem Parlamentarischen Kontrollgremium erfolgen.
Die Brandenburger Seite hatte den Berliner Ermittlern vorgeworfen, durch die Festnahme von Toni S. Ermittlungen in der rechten Musikszene vereitelt zu haben. Der Spitzel war im Juli in Berlin bei einer Razzia in der rechten Szene ohne Wissen der Brandenburger festgenommen und enttarnt worden. Dies hatte zu Streit zwischen den Behörden beider Länder geführt.
Der Haftbefehl gegen Toni S., der in U‑Haft saß, wurde aufgehoben. Laut Gericht soll er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Er sei “verbrannt” und werde in der rechten Szene als Verräter angesehen, sagte der Richter. Erst durch sein umfassendes Geständnis sei es möglich gewesen, Hintergründe in der Szene aufzuhellen und gegen andere Mittäter zu ermitteln. In einer persönlichen Erklärung hatte Toni S. jedoch seinen früheren Auftraggeber entlastet. Er sei nie zu Straftaten aufgefordert worden, sagte er.
Das brandenburgische Innenministerium hat die Verurteilung als “konsequent” bezeichnet. Sprecher Heiko Homburg sagte, Toni S. habe klare Weisungen missachtet und sich durch eigenmächtige Aktionen strafbar gemacht.
Die innenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion im Landtag, Kerstin Kaiser-Nicht, sagte, das Urteil verdeutliche einen politischen Skandal. Die Befürchtungen, dass durch den Verfassungsschutz ein rechtsextremer Straftäter animiert und motiviert wurde, seien durch das Urteil bestätigt worden. Der Verfassungsschutz habe “ganz klar” den gesetzlich gegebenen Auftrag verlassen.
Nazi-Schmiererei in Sachsenhausen
ORANIENBURG Hakenkreuz-Schmierereien im Gästebuch der 1992 durch einen antisemitisch motivierten Brandanschlag teilweise zerstörten Baracke 38 entdeckten am Freitag um 15.50 Uhr Mitarbeiter der Gedenkstätte Sachsenhausen. Sie alarmierten sofort die Polizei. Die Beamten der Wache Oranienburg konnten noch auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers zwei junge Männer aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern stellen. Einer von beiden war ihnen durch einen rechtsradikalen Aufnäher auf der Jacke aufgefallen. Bei der anschließenden Vernehmung gestand der 23-Jährige seine Tat.
POTSDAM. Mehr als neun Wochen nach der Schändung der Gedenkstätte für NS-Opfer im Belower Wald sind die Täter noch nicht gefasst. Die Belohnung für entscheidende Hinweise auf sie wurde am Sonntag auf 25 000 Euro aufgestockt. Das teilten Brandenburgs Justizministerin Barbara Richstein und Innenminister Jörg Schönbohm (beide CDU) mit. In der Nacht zum 5. September hatten Unbekannte einen Brandanschlag auf die Gedenkstätte für die Opfer des Todesmarsches aus dem KZ Sachsenhausen nahe Wittstock verübt. Ein Ausstellungsraum des Museums brannte völlig aus.
Rechtsextremistischer Anschlag
“Es wird auch weiterhin alles daran gesetzt, die Täter zu ermitteln und ihrer gerechten Strafe zuzuführen”, teilten die beiden Minister mit. Sie gehen laut Mitteilung weiter davon aus, dass es sich um einen rechtsextremistisch und antisemitisch motivierten Anschlag handelt. “Die Täter zielten darauf ab, die Opfer von damals erneut zu Opfern zu machen.” Mit der erhöhten Belohnung für Hinweise sollen Mitwisser bewogen werden, ihre Kenntnisse mitzuteilen.
Eine 15-köpfige Sonderkommission führe die Ermittlungen in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern. In dem benachbarten Bundesland hatte es ähnliche Anschläge gegeben. Laut Mitteilung bringt die Polizei eine etwa 1,80 bis 1,85 Meter große Person aus dem rechtsextremen Spektrum — vermutlich mit Glatze — mit der Gedenkstättenschändung im Belower Wald in Verbindung. Diese Person habe einen Stoffbeutel, vermutlich einen Seesack, bei sich gehabt. Bei dem Anschlag hatten die Täter auch eine Mahnsäule mit antisemitischen und Parolen beschmiert.
Wieder einmal wollen Neonazis die Toten auf dem Soldatenfriedhof in Halbe für ihre revanchistischen Ziele missbrauchen. Als einer, der bei der Kesselschlacht von Halbe dabei war, möchte ich darüber berichten, wie es zu diesem großen Massengrab kam.
1944 begann für mich als damals Sechzehnjährigen wie für die meisten meines Jahrgangs mit sechs Wochen militärischer Vorausbildung in einem so genannten Wehrertüchtigungslager bei Wangerin (Pommern). Im August erfolgte die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst (RAD) nach Südostpreußen bei Mielau. Von morgens bis abends galt es zu marschieren, Schießübungen zu veranstalten, Stellungen zu bauen und Schikanen zu ertragen. Der Dienst für uns Sechzehn- und Siebzehnjährige war sehr hart. Wir unterschieden uns kaum von Pioniereinheiten der rückwärtigen Fronttruppe. Bei klarem Wetter konnte man in der Ferne die Artillerie der immer näher rückenden Front vernehmen.
Mitte November wurden wir plötzlich als RAD-Lager aufgelöst und in die Heimatorte entlassen. Die Meldung beim Wehrkreiskommando war Pflicht. Die Front im Osten wie im Westen rückte immer näher in Richtung Berlin. Ich möchte erzählen von einer der schlimmsten Schlachten auf deutschem Boden, die ich als siebzehnjähriger Soldat (eingezogen am 15.12.1944 nach Dresden) erleben musste.
Mitte Januar erfolgte der Zusammenbruch der Ostfront. Am 12. Januar 1945 — wir waren als Soldaten bei der sog. Putz- und Flickstunde — bekam ich von zu Hause ein Paket. Mit großer Freude wurden die Leckereien von meinen Eltern in Empfang genommen. Im selben Moment, als ich das Paket noch in der Hand hielt, kam ein Durchruf: “Alles fertig machen zum Fronteinsatz!” In großer Eile verteilte ich den Inhalt an alle Kameraden. Wir wurden neu eingekleidet, mit Waffen und Munition versehen, und ab ging es in Richtung Bobersberg, Sommerfeld, Christianstadt (Niederschlesien).
Die deutsche Front wurde von der vordringenden Roten Armee immer mehr zurückgedrängt, und wir kamen in die ersten Kampfhandlungen. Wir kamen in den Fronteinsatz und erlebten die ersten Verluste. Für uns junge Menschen war das der Beginn einer großen Tragödie. Die Truppeneinheiten wurden zurückgeschlagen.
Wir waren verlaust, verdreckt, viele hatten die Krätze, darunter auch ich. In einer Kampfpause meldete ich mich daher von meiner Einheit ab, um das Lazarett aufzusuchen. Aber es gab so viele Verwundete, dass eine Behandlung nicht möglich war. Ich bekam daher auch nicht die übliche Bestätigung, dass ich tatsächlich im Lazarett gewesen war.
Bevor ich zu meiner Truppe zurückkehren konnte, setzten wieder heftige Kämpfe ein. Kompanien, ja ganze Regimenter gingen in den blutigen Kämpfen zugrunde bzw. wurden in alle Himmelsrichtungen versprengt. Jeder versuchte, in Autos, Pferdewagen usw. unterzukommen, um der anrückenden Roten Armee zu entkommen. Auch meine Kompanie war nicht mehr auffindbar. Im Dorf Steinsdorf (Oder) erfuhr ich schließlich, dass Reste der aufgelösten Kompanie sowie der Regimentsstab sich im nächsten Dorf befanden.
Ein verwundeter Soldat, dem ich mich angeschlossen hatte, ging in Richtung dieses Dorfes. Der Weg wurde unterbrochen, indem eine Wagenkolonne uns entgegenkam und hielt. Im zweiten, einem offenen Wagen, saß ein General mit seinem Stab und fragte, was wir hier auf der Chaussee zu suchen hätten. Der andere Soldat, der einen Armschuss bekommen hatte und im Lazarett medizinisch versorgt worden war, konnte seine Bestätigung vorweisen, ich jedoch nicht. Der General packte mich und zog mich in sein Auto, fuhr mit mir in ein Haus in Steinsdorf, wo ein Divisionsstab lag und wo er unbedingt mit der Front telefonieren musste.
Dieser General war der Kommandierende General der 9. Armee, Theodor Busse, wie ich von seinem Adjutanten erfuhr. Nachdem ich ihm die Zusammenhänge der Kämpfe und mein Entfernen von diesem Chaos, das zur Auflösung der Einheiten führte, geschildert hatte, antwortete er, dies sei nicht stichhaltig, ich wäre geflüchtet. Der General ging in eine Besprechung, kam wieder raus, sah mich und sagte: “Ich werde Sie erschießen.” Er ging zurück in sein Zimmer und telefonierte mit einigen Befehlshabern. Durch sein lautes Organ erfuhr ich den Zustand der Front. Sie war erbärmlich. Der General schilderte Generaloberst Heinrici die Lage der Front als in Auflösung begriffen, mit schweren Verlusten, nicht mehr imstande, größere Kampfhandlungen zu führen, und es drohe eine Einschließung der Armee.
Nach diesem Gespräch eilte der General wie ein Wahnsinniger wieder durch mehrere Zimmer, sah mich und sprach zum Adjutanten, sie sollten mich abführen. Über nacht war ich in einer Scheune untergebracht. Morgens wurde ich von der Feldgendarmerie, drei Kettenhunden, wie sie genannt wurden — das waren teilweise fliegende Feldgerichte, Zubringer für Todesurteile — zu meinem Regimentsstab geführt, der im nächsten Dorf lag. Der Befehl lautete: das kriegsgerichtliche Verfahren sollte zwar eingestellt werden, ich aber sofort zum Bewährungsbataillon im vordersten Fronteinsatz gebracht werden. Vorher sollte ich 20 Stockhiebe wegen angeblicher Entfernung vom Truppenteil erhalten. Dies unterblieb zwar, weil der Adjutant, der mir den Befehl zeigte, das unter den Tisch fallen ließ.
So begann der große Marsch über Guben, Mülrose in Richtung Teupitz. Inzwischen war die 9. Armee eingeschlossen. Wir wurden von der Luftflotte der Roten Armee mit Bomben belegt. Zu bemerken ist dabei, dass sich dem Treck der Armee Zehntausende von Flüchtlingen angeschlossen hatten: Frauen und Kinder, alte Leute. Wir erfuhren, dass es Aufgabe war, einen Durchbruch zu machen, und wurden dann informiert, dass Berlin fast eingeschlossen wäre und wir zusammen mit der 12. Armee von General Wenck Berlin entlasten sollten. Von dieser Armee hörten wir dann aber nichts mehr. Wir fanden uns wieder im Waldgelände und erlebten eine Kanonade nach der anderen. Wir verloren immer mehr die Orientierung.
Von Befehlen galt nur einer: Wir müssen durch. Wir haben die Aufgabe, Berlin zu entlasten. Wir müssen aber erst den Kessel aufsprengen, in dem wir uns befanden. Das war der große Kessel, wo sich die 9. Armee befand, Teupitz, Halbe, Märkisch-Buchholz. Ich befand mich hinter den Panzern dieser Armeetruppe. Es hieß auf einmal: Alles Stopp! Parlamentär nach vorn!
Es war ein Oberstleutnant, der ausersehen war, Verhandlungen mit dem Stab der Roten Armee zu führen. Die Russen boten uns an, zu kapitulieren und das Leben der Menschen zu schonen. Wir erfuhren das aus einem Gespräch mit einem Begleiter des Parlamentärs.
Nach kurzer Zeit erfolgte die Ablehnung von General Busse, und der Feuerzauber begann erneut. Tausende von Menschen wurden sinnlos geopfert. Soldaten, Frauen und Kinder starben in dieser Feuerhölle. SS-Einheiten mit Vierlingsflakgeschützen trieben uns zum Sturmangriff mit der Androhung, uns bei Nichtbefolgung niederzuschießen. General Busse selbst mit überschweren Tigerpanzern — so wie ich das in Erinnerung habe, sechs an der Zahl — durchbrach die Panzersperre bei Halbe. Halbe ist ein kleine Ortschaft im Märkischen, nicht mal ein Dorf. Der einzige Betrieb in diesem Ort, ein Sägewerk, brannte lichterloh. Busses Panzer durchbrachen die Straße, die voll gestopft war mit Menschen und Fahrzeugen aller Art. Menschen wurden wie Briefmarken plattgewalzt. Menschenleiber wurden durch Granaten zerrissen und in die Luft gewirbelt. Busse konnte seine überschweren Panzer zu den amerikanischen Linien durchstoßen und sich dort ergeben. Die Reste dieser Armee gingen jämmerlich in dieser Schlacht zugrunde.
20 000 deutsche
Soldaten sind auf dem Friedhof in Halbe begraben worden. Davon sind viele in Massengräbern beigesetzt, Menschen, die nicht mehr identifiziert werden konnten. Die Gesamtverluste betrugen weit über 40000.
Und dieser Durchhaltegeneral, der 1956 die Bundeswehr mit aus der Taufe gehoben hat, wurde 1966 mit dem Bundesverdienstkreuz vom damaligen Bundespräsidenten Lübke, dem bekannten KZ-Baumeister, ausgezeichnet. Welch ein Hohn angesichts dieses Massenmordes, untermauert durch Befehle, die nur den Krieg und das Elend um Stunden verlängern konnten, aber nicht mehr die endgültige Niederlage des faschistischen Deutschland aufhalten konnten.
Diese meine Darlegungen sollen Mahnung und Verpflichtung sein, nie wieder von deutschem Boden einen Krieg ausgehen zu lassen. Darum sind revanchistisch-militaristische Aufmärsche zur Verherrlichung der Schlachten des verbrecherischen Hitler-Krieges generell zu verbieten. Alle Antifaschisten sind aufgefordert, diesem Unwesen ein Ende zu setzen.
Heinz Maether