Die Demonstration von POGIDA/BÄRGIDA am 11. Januar 2016 in Potsdam wurde verhindert. Etwa 1.500 bis 2.500 Menschen stellten sich dem rassistischen Aufmarsch entgegen.
Nach einem HipHop-Konzert und Breakdance auf dem Bassinplatz gab es im Anschluss lautstarken Protest, Blockaden und entschlossene Gegenwehr gegen den dreisten Versuch von Pogida in Potsdam zu demonstrieren. Den etwa 100 Rassist_innen und “besorgten Bürger_innen” blieb nichts anderes übrig, als sich auf dem finsteren Bassinplatz die Beine in den Bauch zu stehen. Währenddessen sorgten hunderte Demonstrant_innen im Umfeld des Platzes dafür, dass die zwei angekündigten BÄRGIDA-Busse samt Insass_innen aus Berlin nur mit heftiger Verzögerung und Glasbruch ankamen.
Antifaschistische Blockaden rund um den Bassinplatz stellten sicher, dass es zu keiner Demonstration seitens der Rassist_innen kommen konnte. Um etwa 22:15 Uhr wurden diese dann durch die Polizei unter massiven Protesten zum Hauptbahnhof geleitet.
Der Abend war geprägt von wütender und direkter Gegenwehr gegen Rassist_innen, “besorgte Bürger_innen”, Neonazis und andere Menschenfeinde. Aber auch massive Polizeigewalt, der unkontrollierte Einsatz von Pfefferspray und
Prügelorgien gegen linke Demonstrant_innen war Teil dieses Abends. Ohne Einsatzkonzept und offenbar mental überfordert sorgten die eingesetzten Beamt_innen für zusätzlichen Frust bei den Blockierenden, kein Wunder, dass sich dieser regelmäßig durch gezielte Wut entlud.
Alyssa Schmidt, die Sprecherin des ak_antifa sagt zum heutigen Abend: “Wir haben den Rassist_innen von Pogida heute genau die Blamage bereitet, die wir gestern angekündigt haben. Offensiver Antifaschismus ist und bleibt ein
bewährtes Konzept in Potsdam.”
Autor: Simon
Babelsberger Fußballfans rufen in einem Aufruf zur Teilnahme an der antifaschistischen Demonstration in Brandenburg/Havel und zu stärkerem politischen Engagement auf. Dazu gibt es in den nächsten Tagen und Wochen reichliche Möglichkeiten.
Aufruf zur Teilnahme an der Antifa-Demo in Brandenburg/Havel
Fußball und Politik – passt das zusammen? Klar, denn politische Debatten gibt es ja auch im Fußball. Angefangen bei der Ausländerregelung mit der Begrenzung ausländischer Fußballer im Fußballbetrieb, über den Nationalhype zu den Weltmeisterschaften bis hin zu Debatten über die Kommerzialisierung des Fußballs gibt es politische Diskurse, die auch von Fans der Klubs mitgetragen werden, die sonst aber antirassistisches Engagement als zu politische Einmischung in den Fußball sehen. Babelsberg ist da anders, auch wenn der Verein wegen seiner aktiven und politischen Fans nicht von Diskursen wie „Fußball ist unpolitisch“ befreit ist.
Das Fußballstadion ist ein Spiegel der Gesellschaft, demzufolge gibt es hier gesamtgesellschaftliche Anschauungen, Meinungen und Weltbilder. Während eine deutsche Fußballmehrheit sich die Politik aus dem Stadion wünscht, ihren nationalistischen, sexistischen oder rassistischen Verhalten aber hemmungslos hingeben, nutzen oftmals jedoch organisierte Nazis und deren Sympathisanten die anonyme Masse, um im männerdominierten Fankontext ihre politischen Vorstellungen und Stimmungen zu verbreiten. Für antidiskriminierende Anschauungen, wie Antisemitismus, Rassismus und Sexismus kommen ihnen der Fußball und das Stadion wie gerufen.
Natürlich hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten im Fußball- und Fankontext vieles zum Guten gewandelt. Vorbei sind die Zeiten, als Hooligans per se Nazis waren, Fußballfans nur konsumierende und unpolitische Mitläufer und Fankurven Orte von rechter Hegemonie. Stattdessen gibt es immer mehr Fankurven und organisierte Fanszenen, die sich in politischen und sozialen Projekten engagieren. Klar, es gibt rechte Fangruppen – und noch immer viel zu viel. Aber viel häufiger haben jedoch die Gruppen von sich Reden gemacht, die sich klar gegen Faschismus und Rassismus positionieren. Hierzu zählt nicht nur Babelsberg 03, sondern mit dem BSC Süd 05 gibt es auch in Brandenburg/Havel eine Fanszene die mit antifaschistischen Statements auf sich aufmerksam gemacht hat.
Auch wir in Babelsberg haben seit zwei Jahrzehnten die Erfahrungen mit rechter Gewalt im Fußball- und Fankontext gemacht. Als linke Fanbewegung eines unbedeutenden Vereins in den Niederungen der brandenburgischen Fußballiga, die sich in den 1990er Jahren aus einigen alternativen Personen herauskristallisierte, entwickelte sich schließlich eine linke Kurve eines Vereins mit vielen jungen Gesichtern. Diese linke Kurve bzw. deren Fans wurden immer wieder Feindbild von anderen Fangruppen. Auf der anderen Seite gab es innerhalb von Babelsberg bundesweit und international viel Anerkennung für die politische Ausrichtung und die politische Arbeit.
Wir in Babelsberg befinden uns in einer respektablen Situation. Das Stadion ist ein öffentlicher Raum, in dem menschenfeindliche Einstellungen keine Chance haben. Im Gegenteil: Das Stadion und die Kurve ist ein Schutzraum für Menschen, die sonst Diskriminierungen und Gewalt ausgesetzt sind. Die Fans und der Verein engagieren sich gegen Homophobie, Rassismus und Sexismus. Wurden vor zwei Jahrzehnten Babelsberger Fußballfans innerhalb der linken Szene noch belächelt, ist die Kurve nun Teil der alternativen und antifaschistischen Bewegung in Potsdam. Bis in die 1990er Jahre waren die Linke und der Sport noch zwei Dinge, die nicht so recht zueinander passen wollten. In Babelsberg bzw. in Potsdam hat sich das Blatt schon lange gewandelt.
Mit politischen Statements, nicht nur im Stadion, sondern darüber hinaus, wurden der Verein und die Stadt maßgeblich geprägt. Die Kurve ist so, weil die linke Szene ein wesentlicher Bestandteil der Stadt war und auch noch immer ist. Doch sollen wir uns darauf ausruhen, dass wir in Babelsberg und in Potsdam eine komfortable Situation geschaffen haben? Sollten wir nicht Solidarität über den Stadionzaun und über die Stadt hinaus zeigen? Sind wir es nicht, die klar gegen das „Unpolitische“ Stellung beziehen? Sind wir es nicht, die sich gegen Kommerzialisierung und Konsumverhalten positionieren? Warum also abseits des Fußballs damit aufhören?
Antifaschistische Solidarität zu zeigen heißt eben auch, den Arsch hoch zu bekommen. Gesellschaftliches Engagement heißt eben auch, mal ein paar Stunden seiner Freizeit abzuknipsen oder sein Viertel und seine Stadt für ein paar Stunden zu verlassen. Hinter dem Tellerrand gibt es auch eine Welt, die gefördert und unterstützt gehört. Unsere Solidarität muss sich auf verschiedene Projekte und auch auf die ländlichen Regionen übertragen. Darum wird der Anfang am 20. Februar 2016 in Brandenburg/Havel zur antifaschistischen Demonstration gemacht! Für eine alternative und antifaschistische Jugendkultur – in Brandenburg/Havel, in Potsdam und überall!
Antifaschistische Demonstration in Brandenburg/Havel »fighting for 20 years« am 20. Februar 2016 um 11 Uhr (Hauptbahnhof Brandenburg/Havel)
Zugtreffpunkt in Potsdam für den RE1 10:30 Uhr
Antifas und Ultras aus der Nordkurve Babelsberg
Termine:
Montag, 11.01.2016, 20 Uhr, Bassinplatz Potsdam: Nazis stören und aus der Stadt vertreiben!
Freitag, 15.01.2016, 18 Uhr, Lustgarten Potsdam: Alternatives Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg
Mittwoch, 27.01.2016, 18 Uhr, Platz der Einheit Potsdam: Antifaschistische Gedenkkundgebung in Erinnerung an die Opfer der Shoa und die Befreiung von Auschwitz
Samstag, 20.02.2016, 11 Uhr, Brandenburg/Havel: Antifaschistische Demonstration »fighting for 20 years«
Anbei ein etwas älterer, aber durchaus aktueller Text der Ultragruppe „Filmstadtinferno´99“ aus Babelsberg:
Unpolitisch macht Hirntot! – Warum Fußball und Politik untrennbar sind
Uiuiui, was schreibt der denn da! Fußball und Politik kann man nicht trennen? Dabei bezeichnen sich die meisten Fans und Ultras doch als unpolitisch. Jaja, das ich nicht lache! Als erstes empfehle ich, die Rubrik „Ultra“ auf dieser Seite zu lesen. Da steht nämlich schon einiges über dieses Thema drin. Wer allerdings nicht glaubt, das gegen Versitzplatzung, Kommerz und Sicherheitsschikanen vorzugehen auch automatisch heißt, politisch zu sein, dem empfehle ich diesen Artikel zu überspringen. Und wer auch noch was dagegen hat, dass wir, das FI99, gegen Rassismus, Kommerz und so manch anderen Schwachsinn sind, der sollte lieber die Internetseite wechseln.
Der Mensch ist in seinem ganzen Handeln politisch. Er vertritt eine Meinung, er macht sich Gedanken um bestimmte gesellschaftliche und politische Themen und er versucht sein Wesen nach außen hin so gut wie möglich darzustellen. Hierbei kommt es darauf an, dass seine Interessen anderen gegenüber vertreten werden. Dies passiert sowohl in der Schule, wenn man sich beispielsweise vom Lehrkörper ungerecht behandelt fühlt, als auch in der Ausbildung, weil der Polier einen wieder mal herumkommandiert oder auf der Arbeit, weil man selbst eine andere Auffassung vom Arbeiten hat als der Chef. Dort wird überall probiert, seine eigenen Interessen darzulegen und/oder durchzusetzen.
So ist es im gesamten Leben, ob beruflich oder privat. Der Mensch kann denken und sinnbewusst danach handeln, er hat also gewisse (mehr oder wenige) politische Auffassungen in seinem Leben. Beim Fußball ist es natürlich genauso. Wir lassen beim Betreten des Stadions ja nicht unser Gehirn draußen. Zwar gibt es beim Fußball einen gemeinsamen Nenner, das Team erfolgreich spielen zu sehen und nebenbei Freunde zu treffen und Spaß zu haben. Doch im Fußball, als Bestandteil und Spiegelbild der Gesellschaft, prallen aufgrund der vielen Menschen auch viele Meinungen aufeinander. Und wieder wird versucht, die Interessen einer/m anderen gegenüber klar zu machen. Seien es nun die Gästefans, das eigene Team der/die Nachbar/in oder den Ordnungskräften.
Jeder von uns hat sich schon mal über die Bierpreise in einem Stadion aufgeregt. Vielleicht war auch der Eintritt viel zu unangemessen, den du mal zahlen musstest. Die Ordnungskräfte haben jemand willkürlich aus dem Block gezogen, oder dich so behandelt, dass du dich in deinen persönlichen Rechten eingeschränkt sahst (BSP.: Kontrolle am Eingang, Videoüberwachung während des Spiels). Das Team spielt seit Wochen beschissen Fußball, obwohl die Spieler eine Menge Kohle verdienen. Dein/e Nachbar/in hat einen ausländischen Spieler vollgepöbelt, was dir tierisch auf den Keks ging. Alles Situationen, welche vielleicht nicht zu deiner eigenen politischen Einstellung oder zu deinen Interessen passten. Der/die eine will kiffen, der/die andere keine Rassisten mehr in der Kurve sehen, die anderen wollen Pyro zünden und wiederum andere wollen kostenlos Alk ausgeschenkt bekommen. Jede/r hat so seine Vorstellung beim Fußball. Unpolitisch gibt es also nicht!
Dies trifft für den allgemeinen Stadionbesucher, wie für Fangruppen genauso zu. In der Gruppe finden sich Personen zusammen, die alle auf ein gemeinsames Ziel hin arbeiten, bzw. dieselben Interessen haben. Im FI99 ist es halt an erster Stelle die bestmögliche Unterstützung der Mannschaft. Nebenbei werden unter anderem auf humanistische Grundeinstellungen wie Antirassismus oder Gewaltfreiheit wert gelegt, letztendlich müssen sie den meisten Mitglieder/innen relativ sympathisch sein oder dürfen diesen angesprochenen Werten nicht allzu weit entfernt sein (Mehr dazu gibt es in der Vorstellung der Gruppe zu lesen.). Gibt es nun Personen im Stadion oder in der Gruppe, die anderweitig auffallen, oder die sich nonkonform mit den Werten der Gruppe verhalten, dann kann es zu Auseinandersetzungen kommen (z.B. verbal, körperlich, Ausschluss).
Der Fußball ist nun mal, wie der gesamte Lebensprozess, kein Bereich der unpolitisch ist. Politische Grundeinstellungen und Entscheidungen sind natürlich und wichtig, und natürlich wichtig, gerade in Zeiten, wo rassistische und faschistische Tendenzen vor keinem Fußballplatz halt machen und die Fußballfans in ihren Persönlichkeitsrechten mehr und mehr eingeschränkt werden.
Wir werden auch weiterhin z.B. gegen totalen Sicherheitswahn, Versitzplatzung, Kommerz und Rassismus kämpfen.
Warum? Weil wir es für nötig halten!
https://www.ultras-babelsberg.de
facebook.com/nordkurvebabelsberg
INFORIOT Erneut marschierten Neonazis und Rassist_innen durch Oranienburg. Bei dem neunten sog. “Abendspaziergang” nahmen am gestrigen Freitag etwa 250–300 Demonstrant_innen teil. Entgegen der Behauptung von “Nein zum Heim in Oranienburg” stieg die Zahl der Demonstrierenden nicht exorbitant an sondern blieb nahezu konstant, obwohl der Termin auf einen Freitag verschoben wurde. Ein Dutzend Antifaschist_innen versuchten auf die Route zu gelangen, wurden jedoch durch die Polizei daran gehindert.

NPD dominiert die Organisation
Bei der gestrigen Demonstration zeigte sich wieder ein Mal deutlich, dass die sog. “Abendspaziergänge” durch die örtliche NPD gesteuert und ausgerichtet werden. Bereits zum Beginn der Demonstration verteilte der Veltener NPD-Stadtverordnete Robert Wolinski Banner und Schilder an die Teilnehmenden. Auch das NPD-Banner “Asylbetrug macht uns arm” war wieder auf der Demonstration vertreten. Auf der Auftaktkundgebung kündigte der Anmelder Carlo-Eik Christopeit an, dass neben Tee auch “freie Lektüre” angeboten wird. Bei diesen “freie Lektüre” handelte es sich um die Zeitung “Deutsche Stimme”, die durch den NPD-Bundesvorstand herausgegeben wird. Robert Wolinski verteilte die “Deutsche Stimme” auf der Auftaktkundgebung und drum herum. Das mutmaßliche JN-Mitglied Martin Ulbrecht sprach wieder auf der Demonstration.
Die Ordnertätigkeiten wurden ebenfalls weitestgehend von NPD- und NPD-nahnen Aktivisten übernommen, darunter Robert Wegner und Maik Neuber. Neuber hat bereits in Velten die “Abendspaziergänge” am 6. November 2015 und am 7. Januar 2016 angemeldet. Bei der letzten Demonstration in Velten nahmen etwa 300 Rassist_innen und Neonazis teil. Außerdem ist Neuber Oberfeuerwehrmann bei der “Freiwillige Feuerwehr Marwitz 1909 e.V.”. Seine Parteizugehörigkeit bzw. Gesinnung soll der Feuerwehr in Marwitz schon länger bekannt sein.

Mit Verschwörungstheorien gegen Geflüchtete
Die Reden zeugten erneut von flüchtlingsfeindlicher Hetze, antimuslimischem Rassismus, Antisemitismus und kruder Verschwörungstheorien. Der erste Redner, der sich unter den Namen “Sven” vorgestellt hat, sprach von einer “laufenden Umvolkung” und einer “gelenkten Invasion” von sog. Flüchtlingsströmen, der einen angeblichen “Bevölkerungsaustausch” vorantreiben würde. Angeblich werden Moscheen auch in den ländlichen Gebieten entstehen und die “moslemische Kultur” (Fehler im Original) soll die Deutsche verdrängen. Eine derartige Rhetorik gleicht der Losung des sog. “Volkstodes”, die viele neonazistische Gruppen propagieren. Nach Ansicht des Redners soll eine “schleichende Auflösung der deutschen Ethnie drohen”, auch so soll die “ganze Flüchtlingsgeschichte auf einer Lüge aufgebaut sein”. In einem Atemzug erklärte er Geflüchtete zu Tätern, “die bei uns die Chance wittern ihre kriminellen Machenschaften besser und erfolgreicher zu betreiben”.

Im weiteren Verlauf seiner Rede driftete er ab in krude Verschwörungstheorien. So soll die “Massenemigration eine der Auswirkungen der Schaffung der sogenannten Neuen Weltordnung (NWO)” sein, so “Sven”. Die NWO wird in verschiedenen Verschwörungstheorien beschrieben als ein geheimes Bestreben der Eliten, bzw. der USA, um eine autoritäre, supranationale Weltregierung zu schaffen. Im rassistischen Duktus konstruierte der Redner “Sven”, dass die NWO mit den angeblichen Zustrom von Geflüchteten die Souveränität der Staaten negieren, Nationalstaaten auflösen und die Regierungen abschaffen würden und eine Auflösung “der Völker als homogene Ethnien” forcieren. Die “homogenen Ethnien” sollen den angeblichen Plänen der NWO im Weg stehen, die “deutschen Nationalvölker” sollen sich daher gegen die Bestrebungen wehren. Zum Schluss rief er zu einem “zivilen Ungehorsam” und einem “Generalstreik nach Artikel 20 Absatz 4”, die gleichen Forderungen, die auf den rechten Montagsaufmärschen in Berlin, bei Bärgida, geäußert werden.
Verzweifelt um “friedliches” Bild bemüht
Zu Beginn der Demonstration wies Robert Wolinski die Teilnehmenden an in Aufstellung zu gehen, wobei er explizit Frauen vorschickte, um ein eher “harmloseres” Bild der Demonstrationsspitze zu zeichnen. Nicht nur er war bemüht um ein friedlicheres Bild der Demonstration. Auch der Anmelder Carlo-Eik Christopeit wies die Demonstrant_innen an sich ruhig zu verhalten und sich nicht provozieren zu lassen, nachdem es bei der letzten Demonstration mehrere Übergriffe von sog. “AbendspaziergängerInnen” auf Gegendemonstrant_innen gab. Dennoch pöbelte ein Teil der Demonstration in Höhe der Fischerstraße gegen die Gegenkundgebung der Linksjugend [’solid] Oberhavel, die sich auf dem Parkplatz vor Rossmann versammelt hatten.
Nächste Demonstration mit prominentem Islamhasser
Zu Beginn der Demonstration verkündete der Anmelder Carlo-Eik Christopeit den Termin der nächste Demonstration an. Am 26. Februar soll der zehnte “Abendspaziergang” vor dem Schloss in Oranienburg stattfinden. Als Redner kündigte er den Islamhasser Michael Mannheimer an. Hinter dem Pseudonym “Michael Mannheimer” steht der rechte Blogger Karl-Michael Merkle, der als Autor und Referent für den rechtspopulistischen Blog “Politically Incorrect” (PI) tätig ist und als Redner bei diversen PEGIDA-Ablegern im süddeutschen Raum geladen war. Merkle soll die virtuelle Prangerseite “Nürnberg 2.0” betreiben. “Nürnberg 2.0” versteht sich laut Eigenangabe als “Erfassungsstelle zur Dokumentation der systematischen und rechtswidrigen Islamisierung Deutschlands” und der “grundgesetzfeindlichen Entdemokratisierung, der Entrechtung des Bürgers und der Straftaten linker Faschisten zur Unterdrückung des Volkes”. Auf der Seite werden Namen von Journalist_innen, Politiker_innen und Künstler_innen veröffentlicht, die durch ein “Tribunal” bestraft werden sollen. Unter seinem Pseudonym hat Merkle dort und auf seinen Blog zu “bewaffneten Widerstand” gegen die angebliche “Islamisierung Deutschlands” aufgerufen.
Zudem ergriff Christian Müller aus Saarmund das Mikrophon am Ende der Veranstaltung und warb für den Aufmarsch am 11. Januar in Potsdam. Er stellte sich als Anmelder der Demonstration in Potsdam vor und gab an, dass der Berliner PEGIDA-Ableger, Bärgida, sich ebenfalls den Aufmarsch, der gegen 20 Uhr auf dem Bassinplatz beginnen soll, anschließen würde. Das Bündnis “Potsdam bekennt Farbe” meldete eine Gegenveransaltung am Alten Markt an. Weitere Proteste sollen folgen.
Mehr Bilder: hier.
Im Jahr 2015 nahmen neonazistische und rassistische Aktivitäten in Brandenburg an der Havel zu. Es gab insgesamt fünf Demonstrationen, zwei Kundgebungen und sechsmal wurde das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zur Anzeige gebracht. Des Weiteren nahmen bei vier Informationsveranstaltungen zu geplanten Geflüchtetenunterkünften Neonazis teil. Sie verhielten sich jedoch immer auffällig ruhig. Während eines Gedenkspazierganges am 21. Februar für den ermordeten Sven Beuter, provozierten fünf Neonazis, unter ihnen der verurteilte Totschläger Beuters, die Teilnehmenden. Des Weiteren gab es drei zur Anzeige gebrachte und nachweislich rassistisch motivierte Übergriffe auf Geflüchtete. Es gab noch mindestens zwei weitere Übergriffe, bei denen Menschen mit Migrationshintergrund Opfer waren, ob es sich hierbei um rassistisch motivierte Angriffe handelt ist noch nicht abschließend geklärt. Hinzu kommen drei Verhandlungen gegen Neonazis am Amtsgericht der Havelstadt.
Insgesamt wurden im Laufe des Jahres drei rassistische Facebookseiten gegründet: »Nein zum Heim in Kirchmöser«, »Nein zum Heim in Brandenburg« und »Brandenburg sagt NEIN zur aktuellen Flüchtlingspolitik«.
Im vergangenen Jahr rückte auch wieder der »Hof Märkische Heide«, er befindet sich im Besitz des »Bundes für Gotterkenntnis«, in den Fokus, denn dieser warb öffentlich für ein Seminarwochenende im März. Hierbei wurden krude Verschwörungstheorien und Geschichtsrevisionismus verbreitet. Nach eigener Aussage finden dort jeweils im Frühjahr und im Herbst Seminarwochenenden statt.
Im Folgenden werden einige Akteure und ihre Aktionen in der Havelstadt näher beleuchtet.
BraMM und Freiheitliche Liga
Die Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung (BraMM) sind eine Gruppierung, die sich die Ziele der PEGIDA-Bewegung zu eigen machte und sie auf das Land Brandenburg zu übertragen versucht. Bevor sie ihren ersten selbstorganisierten »Spaziergang« durchführten, nahmen sie mit einem Hochtransparent mit der Aufschrift »Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung« an den Montagsdemonstrationen in Dresden im Jahr 2014 teil.
Zu Beginn des Jahres 2015 begann das Organisationsteam der BraMM mit der Mobilisierung für einen »Spaziergang« am 26. Januar in der Havelstadt. Sie versammelten sich an der Ecke Steinstraße/Hauptstraße. Nach einer Kundgebung vor circa 150 Personen setzten sie sich in Bewegung. Die Route führt einmal durch die Steinstraße und endete auf dem Trauerberg mit einer kleinen Abschlusskundgebung. An den drei darauffolgenden Montagen organisierte die BraMM weitere »Spaziergänge«. Die Teilnehmer_innenzahlen nahmen dabei kontinuierlich ab, sodass bei der vierten Veranstaltung nur noch circa 70 Personen teilnahmen. Im Anschluss veranstalteten die Organisator_innen in anderen Städten weitere »Spaziergänge« mit unterschiedlichem Erfolg. Am 01. Juni wurde ein weiterer »Spaziergang« in der Havelstadt, diesmal nicht im Zentrum sondern im Stadtteil Görden, angemeldet. Dem Aufruf folgen nur circa 20 Personen. Am sich anschließenden »Spaziergang« nahm nur noch die Hälfte dieser teil. Seither ist die BraMM in der Havelstadt nicht mehr aktiv.
Der Organisationskreis setzt sich primär aus Mitgliedern und Sympahtisant_innen der Partei »Die Republikaner« zusammen. Der Landesvorsitzende Heiko Müller trat nach dem Bekanntwerden seiner parteipolitischen Aktivitäten aus der Partei aus und widmete sich nun ausschließlich der BraMM. Die Spaziergänge zogen neben rassistischen Bürger_innen zahlreiche Neonazis aus Brandenburg an der Havel und den umliegenden Landkreisen an. Sie stellten zwischen 25 % bis 50 % der Teilnehmer_innen. Es nahmen Personen aus folgenden neonazistischen Gruppierungen teil: NPD, III. Weg und Ein Licht für Deutschland. Lediglich die letztgenannte Gruppierung viel durch ein eigenes Transparent und Schilder auf, die andern beiden hielten sich mit ihren Parteiemblemen zurück. Diese Taktik ist bei zahlreichen asylfeindlichen Demonstrationen im Land Brandenburg zu beobachten: Neonazistische Gruppierungen stellen oftmals Technik, Ordner_innen und Redner_innen, die sich häufig als Anwohner_innen inszenieren, und dominieren so verdeckt die Kundgebungen und Demonstrationen.
Obwohl die BraMM mittlerweile offizieller PEGIDA-Ableger im Land Brandenburg ist, wurde sie von der PEGIDA-freundlichen Alternative für Deutschland bei einer Kundgebung am 23. September in Potsdam nicht herzlich empfangen. So wurde auf der BraMM-Facebookpräsenz geschrieben, dass die BraMM-Mitglieder vom Veranstalter nur geduldet wurden, bis sie das BraMM-Banner entrollten (Der Post wurde mittlerweile gelöscht, die Bilder sind jedoch noch online, eine Bildschirmkopie vom Post existiert). Das AfD Landtagsmitglied Steffen Königer versuchte das Banner zu verdeckten und fordert die BraMM-Mitglieder auf es wieder einzurollen und bekräftigte dies, in dem er über die Lautsprecheranlage verkünden ließ das man sich »gegen eine Vereinnahmung der Demonstration durch beide Seite (gemeint sind »Linke, Grüne und die üblichen Antifanten«)« verwehre. Damit ordnete Königer die BraMM als rechts von der AfD stehend ein. Ein Schulterschluss zwischen BraMM und AfD scheint somit vorerst nicht realistisch.
Neben der Gründung der BraMM, gründete der gleiche Personenkreis noch die Freiheitliche Liga. Am 19. Juni 2015 postete diese auf ihrer Facebookpräsenz ein Bild mit dem Text: »Die Eintragung im Vereinsregister ist nun endlich geschafft und die Freiheitliche Liga kann ihre Arbeit aufnehmen!«. Neben dem Personenkreis ist auch der politische Inhalt der gleiche, denn auf der Website der Freiheitlichen Liga wird sich auf die »Grundgedanken der BraMM-PEGIDA« bezogen. Vorsitzender ist Heiko Müller, stellvertretender Vorsitzender Patrick Holler, weitere Beisitzer sind Detlef Stamm, Peter Kleemann und Andreas Jahnke. Alle fünf Männer fanden sich vor der Gründung der Freiheitlichen Liga auf zahlreichen Bildern der Facebookpräsenz der Partei »Die Republikaner Brandenburg«. Ob sie nun alle Mitglieder waren, kann nicht sicher geklärt werden. Peter Kleemann wird auf der Internetseite der Partei immer noch als Beisitzer des Landesvorstandes genannt.
Beide Labels verfügen jeweils über eine Internetseite und eine Facebookpräsenz, wobei die primäre Aktivität bei der Facebookseite liegt. Während auf der Seite der Freiheitlichen Liga hauptsächlich Bilder von Informationsveranstaltungen und Stammtischen zu finden sind, finden sich auf der BraMM-Seite wahllos Onlinezeitungsartikel die negativ über Geflüchtete berichten. Hinzu kommen die Aufrufe zu ihren Demonstrationen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Partei »Die Republikaner« die Zeichen der Zeit erkannt hat, nämlich das die Partei in der Bedeutungslosigkeit versinkt und sogenannte Bürgerbewegungen auf dem Vormarsch sind. Aus diesem Grund heraus gründeten sie, beziehungsweise Personen aus dem Parteiumfeld, die BraMM und die Freiheitliche Liga um weiterhin politisch wirken zu können. Während das BraMM-Label primär für Demonstrationen und Kundgebungen benutzt wird, wird das der Freiheitlichen Liga für die Bewerbung von Informations- und Bildungsveranstaltungen verwendet. Beide Labels schließen sich jedoch nicht aus, sodass bei den Demonstrationen auch das Banner der Freiheitlichen Liga auftaucht und umgedreht. Zwar schaffen sie es immer wieder mehrere hundert Leute zu ihren Demonstrationen zu bewegen, ein wirkliches politisches Ziel, beispielsweise ein Hinarbeiten auf Mandate in politischen Parlamenten ist bisher nicht zu erkennen.
Der III. Weg
Am 18. April führte der III. Weg unter anderem in der Havelstadt eine Kundgebung durch. An diesem Tag verkündeten Parteimitglieder die Gründung des Verbandes »Potsdam/Mittelmark«. In den darauffolgenden Monaten tauchten wiederholt Aufkleber und Plakate der Partei im Stadtgebiet auf. Zusätzlich werden in unregelmäßigen Abständen Flyer in Briefkästen gesteckt. Sowohl Flyer als auch Plakate konzentrieren sich hierbei im Bereich der Innenstadt. Einige Neonazis aus der Havelstadt nehmen regelmäßig an Kundgebungen des III. Weges im ganzen Land Brandenburg Teil und tragen dabei T‑Shirts der Kleinstpartei. Auch reisten einige Neonazis aus der Havelstadt am 01. Mai zur Demonstration nach Saalfeld, bei der es zu Auseinandersetzungen zwischen den Neonazis und der Polizei, als auch zu Übergriffen auf Antifaschist_innen, kam. Mindestens drei Neonazis aus Brandenburg an der Havel nahmen am Sommerfest der Partei in der Uckermark teil, es macht somit den Anschein, dass versucht wird die lokalen Neonazis für die Partei zu werben und zu integrieren. Dies bleibt auch vom Brandenburger Verfassungsschutz nicht unbemerkt, denn dieser machte bei einem Mitglied der Partei, das in Brandenburg an der Havel wohnt, einen sogenannten Anquatschversuch, der, laut der Internetpräsenz des III. Weges, erfolglos blieb.
Insgesamt ist die Partei in der Havelstadt nur mäßig aktiv. Die Aktivist_innen vor Ort beschränken sich auf die Teilnahme an Kundgebungen und Demonstrationen. Eigene Veranstaltungen werden nicht organisiert. Es scheint an einer lokalen Führungsfigur zu fehlen. Der Einfluss innerhalb der lokalen Szene scheint auch nur gering zu sein, denn die Aktivist_innen nehmen an allen neonazistischen Veranstaltungen in der Havelstadt teil, egal ob BraMM, NPD oder der III. Weg diese organisiert. Auch übernehmen die Neonazis aus der Havelstadt vorerst keine wichtigen Aufgaben (Ordner_in, Redner_in). Die Flyerverteilaktion werden entweder aus Werder/Havel oder aus dem Raum Bad Belzig gesteuert, wo es jeweils sehr aktive Mitglieder der Partei gibt, welche regelmäßig durch ihre Teilnahme an Kundgebungen und Demonstrationen, sowie Flyer verteilen auffallen. Der III. Weg scheint aufgrund seiner starken Orientierung am Nationalsozialismus, der hohen Aggressivität bei Kundgebungen und Demonstrationen und des engen Kameradschaftsgeist, der durch eigene T‑Shirts, Jacken, etc. manifestiert wird, für die lokale Szene am interessantesten zu sein.
Die NPD
Die NPD verliert auch in Brandenburg an der Havel nach und nach an Einfluss. Ein aktiver Stadtverband existiert nicht und alle Aktionen innerhalb der Stadt werden primär vom Kreisverband Havel-Nuthe koordiniert. Dieser organisierte gemeinsam mit dem Stadtverband Bad Belzig am 29. Oktober eine Kundgebung auf dem Neustädtischen Markt. Insgesamt haben an dieser 29 Menschen teilgenommen. Aus der Havelstadt kamen ungefähr zehn Personen. Unter diesen waren auch Neonazis, die wiederholt beim Verteilen von Flyern des III. Weges beobachtet wurden. Seit der Kundgebung im Oktober finden sich vermehrt Aufkleber in der Innenstadt.
Auch bei der NPD fällt auf, dass sie keine feste Struktur in der Havelstadt besitzen, stattdessen werden die Aktionen von außerhalb gesteuert. Des Weiteren nahmen zahlreiche NPD-Aktivist_innen bei den Demonstrationen der BraMM in der Havelstadt teil, jedoch ohne die Verwendung von Parteiwerbung. Sie ist auf politischer Ebene in Brandenburg an der Havel von sehr geringer Bedeutung.
AfD
In der Havelstadt existiert ein Parteibüro der AfD, welche mit drei Personen in der Stadtverordnetenversammlung vertreten ist. Nachdem Skandal um den ehemaligen Kreisverbandsvorsitzenden ist dieser zurückgetreten und seither ist es extrem ruhig um die AfD geworden. Von den BraMM-Spaziergängen nahmen sie Abstand und wollten diese nach eigenen Aussagen erst einmal beobachten. Aufgrund der Tatsache, dass sie bei keinem der Spaziergänge teilnahmen, ist davon auszugehen, dass sie sich nicht mit den Zielen der BraMM identifizieren oder sie die hohe Neonazipräsenz, die deutlich medial thematisiert wurde, abschreckte. Als ein weiterer Grund kann das AfD-Landtagsmitglied Steffen Königer angeführt werden, dessen Parteibüro sich in der Havelstadt befindet. Der gemäßigte Königer verlor vor kurzem bei dem Landesparteitag die Wahl zum Stellvertreter der Landespartei.
Die lokale AfD gilt es zwar weiterhin im Fokus zu behalten, momentan konzentriert sich diese jedoch primär auf ihr politisches Wirken in der SVV, wo sich kaum Platz für die typischen Parolen der AfD finden, sondern die Abgeordneten mit der realen Politik konfrontiert werden.
»Nein zum Heim in…«
Am 27. August, einen Tag bevor die Geflüchtetennotunterkunft im Stadtteil Kirchmöser bezogen werden sollte, ist die Facebookpräsenz »Nein zum Heim in Kirchmöser« gegründet worden. Diese kann mittlerweile 219 Klicks auf sich vereinen. Dass die Seite nicht von Personen aus Brandenburg an der Havel oder Kirchmöser betrieben wird, lässt unter anderem das Titelbild vermuten. Es zeigt das Ortseingangsschild des Brandenburger Stadtteils. Bei der Eingabe des Wortes »Kirchmöser« bei Google, findet sich auf Seite 3 ein identisches Bild, es gehört zu einem Artikel des »SPD-Unterbezirks Brandenburg an der Havel« vom 26.06.2007. Schon im Jahr 2014 war zu beobachten, dass überall dort »Nein zum Heim in …«-Seiten auftauchten, wo es neue Geflüchtetenunterkünfte geben sollte. Häufig hatten und haben diese ein sich stark ähnelndes Aussehen, sodass die Vermutung nahe liegt, dass sie gezielt von einer Personengruppe gegründet wurden. Dafür spricht aus das Posten von zahlreichen asylkritischen Artikeln, die keinen Bezug zum eigentlichen Ort der Seite haben. Diese ist auch auf den Facebookseiten zu Brandenburg und Kirchmöser zu beobachten.
Am 01. Oktober wird die Seite »Nein zum Heim in Brandenburg« gegründet. Sie wurde bisher von 220 Personen geliked. Inhaltlich ist sie nahezu identisch mit der Seite »Nein zum Heim in Kirchmöser«.
Bei »Brandenburg sagt NEIN zur aktuellen Flüchtlingspolitik« handelt es sich ebenfalls um eine Facebookseite mit Bezug zur Havelstadt. Dies kann aufgrund des Titelbildes, welches das Stadtwappen zeigt, vermutet werden. Sie wurde bisher von 282 Personen geliked und am 30. September gegründet. Auf dieser werden, ähnlich den beiden anderen Seiten, zahlreiche asylkritische Beiträge von diversen Internetseiten und Medienportalen geteilt.
Bis auf einige seltene Kommentare, scheinen die drei Seiten lediglich der Verlinkung von asylkritischen Texten zu dienen. Aufrufe zu Demonstrationen und Kundgebungen werden ab und zu, jedoch nicht regelmäßig, geteilt. Ob hinter den Seiten jeweils die gleichen Personen stehen, bleibt zweifelhaft. Die nahezu zeitgleichen Posts auf den Seiten von »Nein zum Heim in Kirchmöser« und »Nein zum Heim in Brandenburg« sprechen jedoch dafür, dass sich hinter diesen die gleiche Person oder Personengruppe verbirgt.
Alle drei Seiten haben nur einen sehr geringen Einfluss in Brandenburg an der Havel, dies liegt zum einen an den Postings, welche sich auf die ganze Bundesrepublik beziehen und anderen an fehlenden eigenen Analysen und Stellungnahmen sowie Aktivitäten auf der Straße.
Fazit und Ausblick
Alle größeren Aktivitäten werden in der Havelstadt von Gruppierungen außerhalb der Stadt organisiert. Zwar nehmen regelmäßig lokale Neonazis und Rassist_innen an diesen teil, eine aktive Mitarbeit ist jedoch nicht zu beobachten. Bei der Betrachtung der die Stadt umgebenden Landkreise Potsdam-Mittelmark und Havelland, fällt auf, dass gerade da NPD (Havelland/Potsdam-Mittelmark) und der III. Weg (Potsdam-Mittelmark) besonders stark sind. Dort verteilen sie regelmäßig Flyer und die NPD sitzt in den lokalen Parlamenten.
Insgesamt kann die neonazistische Szene in der Havelstadt auf zehn bis fünfzehn Personen geschätzt werden. Sie wird durch vornehmlich junge Männer dominiert die sich um den verurteilten Totschläger Sascha L. gruppieren, denn wo er auftaucht, finden sich die Jungneonazis häufig auch. Gleichzeitig hat L. immer noch Kontakt zu anderen Neonazis, welche seit den 1990er Jahren aktiv sind oder mit ihm im Knast saßen. L. sorgt immer wieder für Provokationen, so marschierte er schon im Jahr 2012 bei einer NPD-Demonstration unter Zeigen des Victory-Zeichens mit. Während des ersten BraMM-Spaziergangs wurden seine Personalien aufgenommen, weil er den Kühnengruß zeigt, mittlerweile wurde er dafür auch verurteilt. Des Weiteren provozierte er mit weiteren Neonazis bei einem Gedenksparziergang in Erinnerung des von ihm ermordeten Sven Beuter.
Eine Bedrohung durch Neonazis und Rassist_innen ist in der Havelstadt gegeben, dafür sprechen die zahlreichen Kundgebungen und Spaziergänge, der Brandanschlag auf eine geplant, noch nicht bewohnte Notunterkunft für Geflüchtete sowie die Übergriffe und der Alltagsrassismus gegenüber diesen. Aus diesen Gründen heraus ist es wichtig, weiter kontinuierliche antifaschistische Arbeit zu leisten.
Neonazistische Aktivitäten in Brandenburg an der Havel im Jahr 2015
Demonstrationen, Kundgebungen, Übergriffe, Gerichtsverhandlungen
(Die Quellenangabe beziehen sich nicht ausschließlich auf Artikel, sondern auf Fotos, welche zahlreiche Journalist_innen online frei zur Verfügung stellen.)
25. Januar
In der Nacht vom 24. zum 25. Trampeln Unbekannte drei Hakenkreuze, zweimal den Schriftzug »Hitler« und einmal »Adolf« in den Schnee. Der Tatort findet sich unweit des Übergangswohnheims für Geflüchtete Menschen in der Flämingstraße.
(Meetingpoint Brandenburg, 25. Januar 2015)
26. Januar
150 Personen, darunter zahlreiche organisierte Neonazis aus der Havelstadt und der Umgebung, nehmen an einem sogenannten Spaziergang der »Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung« (BraMM) teil. Etliche Neonazis stammen aus der Havelstadt, einer von ihnen war als Ordner tätig. Der Totschläger des von Sven Beuter, der bekennende Neonazi Sascha L. wurde kurzzeitig verhaftet, da er einen verbotenen Gruß gezeigt hat.
(Presseservice Rathenow, 26. Januar 2015; MAZ, 27. Januar 2015; AG Antifa, 29. Januar 2015; MAZ 31. Januar 2015)
02. Februar
Circa 100 Personen nehmen an einem Spaziergang der BraMM teil. Unter den Teilnehmer_innen befinden sich circa 40 Neonazis. Etliche von diesen stammen aus Brandenburg an der Havel.
(Presseservice Rathenow, 02. Februar 2015; AG Antifa, 03. Februar 2015; MAZ 04. Februar 2015)
05. Februar
Bei einer Informationsveranstaltung der SPD zum Thema Geflüchtete in der Havelstadt nimmt mindestens ein Neonazi teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
09. Februar
Circa 80 Personen folgen dem BraMM-Aufruf zu einem dritten Spaziergang. Der Anteil der Neonazis wächst auf 50 Personen, unter ihnen zahlreiche Menschen aus Brandenburg an der Havel.
(Presseservice Rathenow, 09. Februar 2015; AG Antifa, 22. Februar 2015; MAZ 10. Februar 2015)
16. Februar
70 Personen nehmen an einem Spaziergang der BraMM teil. 50 bis 60 Teilnehmende sind dem neonazistischen Spektrum zuzurechnen, darunter zahlreiche Personen aus der Havelstadt.
(Presseservice Rathenow, 16. Februar 2015¸ AG Antifa, 17. Februar 2015)
20. Februar
Während eines antifaschistischen Gedenkspaziergangs zu Erinnerung an den ermordeten Sven Beuter provozieren fünf Neonazis, darunter der Totschläger von Beuter Sascha L., die Teilnehmenden.
(Presseservice Rathenow, 20. Februar 2015; AG Antifa, 22. Februar 2015)
21. Februar
Bei einer Kundgebung der neonazistischen Partei der »III. Weg« in Eisenhüttenstadt, nehmen zwei in Brandenburg an der Havel wohnhafte Neonazis und der Totschläger Sascha L. teil.
(Presseservice Rathenow, 21. Februar 2015; MAZ, 23. Februar 2015)
09. März
Am Abend wird ein Kenianer in der Straßenbahn beleidigt und, nachdem er an der Haltestelle in der Nähe der Gördenbrücke ausgestiegen ist, ins Gesicht geschlagen.
(MAZ, 10. März 2015)
14. März
Bei einer NPD-Kundgebung in Nauen nimmt ein in Brandenburg an der Havel wohnender Kader der Freien Kräfte Neuruppin und Osthavelland (FKN) gemeinsam mit seiner Freundin teil.
(Presseservice Rathenow, 14. März 2015)
14.–15. März
Am Samstag und Sonntag führt der »Hof Märkische Heide«, er befindet sich im Besitz des »Bundes für Gotterkenntnis«, ein Seminarwochenende durch.
(AG Antifa, 15. März 2015; MAZ, 19. März 2015)
25. März
Eine Parteimitglied des neonazistischen »III. Wegs« wurde vom Verfassungsschutz Brandenburg angesprochen und sollte für eine zukünftige Zusammenarbeit geworben werden.
(Antifa Jugend Brandenburg)
28. März
Ein in der Havelstadt wohnhafter Neonazi und Kader von FKN nimmt an einer Demonstration in Wittstock/Dosse teil. Begleitet wird er dabei von seiner neonazistischen Freundin.
(Presseservice Rathenow, 28. März 2015)
28. März
Ein Neonazi aus Frankfurt/Oder wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Während eines Fußballspiels der WM 2014 skandierte er im Audimax der Fachhochschule wiederholt neonazistische Parolen. Ein Zuschauer versuchte dies zu unterbinden. Nachdem Spiel wurde er von dem Neonazi brutal zusammengeschlagen.
(MAZ, 29. März 2015)
14. April
Ein betrunkener 43 Jahre alter Neonazi ruf am Hauptbahnhof wiederholt »Sieg Heil«. Des Weiteren zerschlug er zwei Bierflaschen auf dem Boden. Der Mann ist wegen ähnlicher Delikte schon vorbestraft. Die Polizei ermittelt wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
(MAZ, 15. April 2015)
18. April
Bei Kundgebungen des neonazistischen »III. Wegs« in Werder/Havel und Brandenburg an der Havel nehmen unteranderem fünf Neonazis aus Brandenburg an der Havel teil. Unter den Teilnehmenden ist auch der Totschläger Sascha L. Sie erhalten auf der Kundgebung Flyer, welche sie am 19. April im Bereich der Bahnhofsvorstadt und der Neustadt verteilen.
(Presseservice Rathenow, 18. April 2015; AG Antifa, 20. April 2015)
19. April
Zwei bekannte Neonazis verteilen Flyer des neonazistischen »III. Wegs« in der Bahnhofsvorstadt und in der Innenstadt.
(Antifa Jugend Brandenburg)
25. April
Bei einem rassistischen Aufmarsch in Frankfurt/Oder nimmt unter anderem der Totschläger Sascha L. teil.
(Presseservice Rathenow, 25. April 2015)
01. Mai
Bei der 1. Mai-Demonstration des neonazistischen »III. Wegs« in Saalfeld nehmen der Totschläger Sascha L. und mindestens zwei weitere Neonazis aus Brandenburg an der Havel teil.
(Antifa)
11. Mai
Der in Brandenburg an der Havel wohnhafte Kader der Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland wird wegen Landfriedensbruch zu einer Haftstrafe von vier Monaten verurteilt. Diese ist auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt. Am 12. Oktober 2013 stachelte er in Viereck circa 100 Neonazis auf, eine Polizeikette zu durchbrechen und die Beamt_innen mit Flaschen und Steinen zu attackieren. Bei dem Versuch, wurden mehre Polizist_innen verletzt. Der Beschuldigte hat Rechtsmittel eingelegt, das Verfahren ist folglich noch nicht abgeschlossen.
(Gegenrede.info, 12. Mai 2015; MAZ, 12. Mai 2015; MOZ, 19. Mai 2015)
15. Mai
Ein in Brandenburg an der Havel wohnhafter Kader der Freien Kräfte Neuruppin und Osthavelland nimmt gemeinsam mit seiner Freundin an einer rassistischen Demonstration in Nauen teil. Er fungiert sowohl als Ordner und Redner.
(Presseservice Rathenow, 15. Mai 2015)
01. Juni
Die BraMM ruft zu einem weiteren Spaziergang auf. An diesem nehmen nur noch 20 Personen teil, unter ihnen mindestens vier Neonazis aus der Havelstadt und der Totschläger Sascha L.
(Presseservice Rathenow, 01. Juni 2015; AG Antifa, 02. Juni 2015)
05. Juni
Eine junge Frau wird aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von einem Mann bedroht. Er beleidigt sie und versucht sie zu schlagen. Dies kann sie abwehren.
(Opferperspektive)
06. Juni
Mindestens drei Neonazis aus der Havelstadt, darunter ein Kader der Freien Kräfte Neuruppin und Osthavelland und seine Freundin, nehmen an der Demonstration »Tag der deutschen Zukunft« in Neuruppin teil. Der Kader ist unter anderem als Redner tätig.
(Presseservice Rathenow, 06. Juni 2015)
26. Juni
Ein in Brandenburg an der Havel wohnhafter Kader der Freien Kräfte Neuruppin und Osthavelland nimmt an einer neonazistischen Kundgebung in Wittstock/Dosse teil. Er ist hier als »Anti-Antifa«-Fotograf und Redner tätig.
(Presseservice Rathenow, 26. Juni 2015)
30. Juni
Der Totschläger Sascha L. wird wegen des Zeigens des »Kühnengrußes« zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 300 € verurteilt.
(Presseservice Rathenow, 30. Juni 2015; MAZ, 02. Juli 2015)
01. Juli
Während einer antifaschistischen Gedenkkundgebung in Neuruppin provozieren circa 20 Neonazis. Unter diesen befindet sich ein in der Havelstadt wohnender Kader der Freien Kräfte Neuruppin und Osthavelland und seine Freundin. Er ist hier als »Anti-Antifa«-Fotograf tätig.
(Presseservice Rathenow, 01. Juli 2015)
06. Juli
Vor dem Amtsgericht in der Havelstadt wird gegen den ehemaligen NPD-Abgeordneten und jetziges Parteimitglied des neonazistischen »III. Weges« wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verhandelt. Der Angeklagte wird zu einer Geldstrafe von 900 € verurteilt.
(Presseservice Rathenow, 06. Juli 2015; MAZ 15. Juli 2015)
10. Juli
Ein in der Havelstadt wohnender Kader der Freien Kräfte Neuruppin und Osthavelland und seine Freundin nehmen an einer Kundgebung der NPD und Freien Kräfte in Nauen teil. Der Kader ist als Redner, die Freundin als Fahnenhalterin aktiv.
(Presseservice Rathenow, 10. Juli 2015)
24. Juli
Nachdem ein Mann einen 29-jährigen Tunesier rassistisch und sexuell diskriminierend beleidigt, schlägt er auf ihn ein.
(Polizei)
01. August
Bei Kundgebungen des neonazistischen »III. Weges« in Damsdorf und Zossen nehmen mindestens drei Neonazis aus der Havelstadt und der Totschläger Sascha L. teil.
(Presseservice Rathenow, 01. August 2015)
06. August
Als Polizist_innen in einem Streifenwagen die Haltestelle »Fouqèstraße« passieren, hob ein wartender Mann den Arm zum »Kühnengruß«. Die Beamt_innen nahmen die Personalien des 26-Jährigen Brandenburgers auf und erstatten Anzeige. Die Kripo ermittelt wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
(Polizei, 26. August 2015)
09. August
Mindestens drei Neonazis aus Brandenburg an der Havel nehmen an dem Sommerfest des neonazistischen »III. Weges« in der Uckermark teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
14. August
Im Veilchenweg skandierte eine Gruppe von Personen strafrechtlich relevante neonazistische Parolen. Polizeibeamte nahmen die Personalien auf und erstatteten Anzeigen.
(Polizei, 14. August 2015)
24. August
Bei einer Versammlung zu einer geplanten Notunterkunft für Geflüchtete im Stadtteil Kirchmöser, nimmt mindestens ein Neonazi teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
27. August
Im Laufe des Tages wird die Facebookseite »Nein zum Heim in Kirchmöser« gegründet.
(Antifa Jugend Brandenburg)
29. August
In der Nacht vom 28. zum 29. August pöbeln zwei Männer vor der Notunterkunft in Kirchmöser. Die herbeigerufene Polizei kann die Täter nicht ergreifen.
(Antifa Jugend Brandenburg)
29. August
Ein in der Havelstadt wohnender Kader der Freien Kräfte Neuruppin und Osthavelland und seine Freundin nehmen an Kundgebungen der NPD in Wusterhausen/Dosse, Wittstock/Dosse und Rheinsberg teil. Der Kader ist als »Anti-Antifa«-Fotograf und Redner, die Freundin als Bannerhalterin aktiv.
(Presseservice Rathenow, 29. August 2015)
12. September
Bei einer Kundgebung der NPD in Bad Belzig nimmt mindestens ein Neonazi aus der Havelstadt teil.
(Presseservice Rathenow, 12. September 2015)
16. September
Bei einer Bürger_innenversammlung im Stadtteil Hohenstücken nimmt mindestens ein Neonazi aus der Havelstadt teil. Thematisch ging es bei der Veranstaltung um die Errichtung einer Notunterkunft für Geflüchtete.
(Antifa Jugend Brandenburg)
28. September
Die Freiheitliche Liga führt einen Info-Stammtisch in der Havelstadt durch.
(Antifa Jugend Brandenburg)
30. September
Im Laufe des Tages wird die Facebookseite »Brandenburg sagt NEIN zur aktuellen Flüchtlingspolitik« gegründet.
(Antifa Jugend Brandenburg)
01. Oktober
Im Laufe des Tages wird die Facebookseite »Nein zum Heim in Brandenburg« gegründet.
(Antifa Jugend Brandenburg)
12. Oktober
Bei einer Veranstaltung zur Errichtung einer Notunterkunft auf dem Gelände der Regattastrecke nimmt mindestens ein Neonazi teil
(Antifa Jugend Brandenburg)
31. Oktober
Die NPD führt mit 29 Personen eine Kundgebung auf dem Parkplatz am Neustädtischen Markt durch. Unter diesen waren mindestens sieben Personen aus der Havelstadt.
(Presseservice Rathenow, 31. Oktober 2015)
01. November
Der Totschläger Sascha L. nimmt an einer asylfeindlichen Demonstration in Frankfurt/Oder teil. Er trägt das Banner der neonazistischen Organisation »Ein Licht für Deutschland«.
(Pressedienst Frankfurt/Oder, 01. November 2015)
13. November
Ein Journalist des Stadtkanals Brandenburg wird Aufgrund seiner Berichterstattung über eine asylkritische Kundgebung in Rathenow eingeschüchtert.
(Antifa Jugend Brandenburg)
21. November
An einer Neonazidemonstration in Remagen, Rheinland-Pfalz, nimmt ein in der Havelstadt wohnender Kader der Freien Kräfte Neuruppin und Osthavelland mit seiner Freundin teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
23. November
Der AfD-Landtagsabgeordnete Steffen Königer nimmt an einem »Zukunftsdialog« zum Themenbereich der Geflüchtetenunterstützung teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
27. November
Auf eine geplante Notunterkunft wird in der Nacht vom 26. auf den 27. November ein Brandanschlag verübt.
(MAZ, 27. November 2015)
Wir sind keine Gruppe von erfahrenen Antira- Aktivist*innen, sondern trafen uns vor Kurzem im Zuge der »Willkommenseuphorie« und merkten schnell, dass uns vor lauter »Helfen« die politischen Entwicklungen überrollten. Uns wurde klar, dass ohne eine politische Debatte mögliche Analysen und Perspektiven fehlten. Die brauch(t)en wir aber, da wir plötzlich Arbeiten und Aufgaben erledigten, die wir mit einem linksradikalen Selbstverständnis nicht vereinbaren konnten.
Deswegen luden wir zu einem Kongress ein. Wir wollten diskutieren. Und das vor allem mit den Migrant*innen selber. Wir wollten dieser überheblichen Perspektive des »Wir helfen euch Armen« entfliehen und die vergangenen wie die aktuellen Kämpfe von Migrant*innen, aber auch unsere eigenen, in den Mittelpunkt rücken und nach den Verbindungen dazwischen fragen.
Letztlich waren über den Tag verteilt 100 teils organisierte Leute aus Berlin und Brandenburg anwesend. Der Anteil von MigrantInnen war für unseren Erfahrungshorizont recht hoch. Inhaltlich bereiteten wir Thesen und Workshops vor, die in zwei Blöcken über den Tag hinweg parallel liefen.
Einstiegsthesen beim Kongress
1. Die Lagerverwaltung der „Refugees“ hat zwei Ziele: Selbstbestimmte Mobilität von Migrant*innen zu unterbinden, um sie effizient zu registrieren und zu kategorisieren. Gleichzeitig werden sie in einen Status gezwungen (Duldung), in dem sie selbst mobil und flexibel jede Arbeit annehmen müssen. Gelingt ihnen das nicht und es fallen staatliche Kosten an, droht Abschiebung.
2. Vor 25 Jahren gab es bereits eine Verschärfung der Asylgesetze in Deutschland. Die dort erprobten Maßnahmen wurden 10 Jahre später mit den Hartz-Gesetzen in der Breite umgesetzt. Was für die damaligen Asylbewerber*innen an Lebens – Arbeitsbedingungen galt, sollte später für weite Teile der »unteren Berufsgruppen« (auch viele radikale Linke) gelten.
3. Weder gegen die Asylrechtseinschränkungen noch gegen die Hartz-Gesetze gab es erfolgreichen Widerstand, denn soziale oder berufliche Gruppen kämpften politisch isoliert voneinander: Student*innen gegen die Bedingungen an der Uni, Hausbesetzer*innen in ihren Immobilien, die Erzieher*innen & Lehrer*innen in Schule und Kita, die Industriearbeiter*innen in den Fabriken, die von Hartz IV Drangsalierten montags auf der Straße, der Einzelhandel im Supermarkt, die Bahner*innen auf dem Bahnhof und die Migrant*innen gegen Residenzpflicht, Sachgutscheine, Lagerhaltung und Abschiebungen.
4. Die aktuelle Situation stellt uns vor eine ähnliche Entwicklung mit dem Unterschied, dass wir es nicht mit bundesdeutschen, sondern mit weltweiten Verschärfungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu tun haben.
5. Wir müssen aus den letzten 25 Jahren viel lernen. Zwei Dinge ganz besonders: Dieser Staat kennt nur die kapitalistische Logik. Diese zeigt sich überall: In Waffenexporten, Kriegen, unternehmerischer Lagerverwaltung von Migrant*innen, in den Reformen des Bildungswesens und des Arbeitsmarktes, … Wir müssen uns klar von dieser Logik der Verwaltung und Inwertsetzung distanzieren. Wir können nicht als Verwalter*innen für diesen Staat auftreten. Wir können uns nur auf Augenhöhe begegnen, die zunehmende Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt rücken und wieder gemeinsam kämpfen.
Workshops
1. »Experiences in self-organization in Syrian/Kurdistan«
Die »Refugees« sind keine Opfer. Sie sind Subjekte ihrer Geschichte. Die Anschläge in Paris zeigen die Ausweitung des »War on terror« vom Süden in den Norden. Lasst uns aus Syrien lernen, wie sich in solchen Zeiten politisch organisieren lässt.
2. »Experiences in breaking through the croatian border«
Die Erfahrungen in Potsdam zeigen, wie schnell wir in staatliche Strukturen gezogen werden. Eine antistaatliche Organisierung ist nötig. Die Unterstützung an der kroatischen Grenze setzte sich explizit über staatliche Politik hinweg. Aber hat diese Art von Politik ein Perspektive?
3. »Migrant House occupations — a subversive answer or institutionalization?«
Hausbesetzungen eröffnen meist autonome Räume. Erfahrungen aus Italien zeigen jedoch, dass angesichts massiver Wohnungsnot diese Räume nicht per se unabhängig bleiben.
4. »‘Industry of welfare’ of DRK, Caritas, AWO and Co.«
Viele Leute versuchen politische Arbeit mit und für »Geflüchtete« zu leisten. Problematisch ist, dass sie meist gefangen sind zwischen dem Zwang Geld zu verdienen und der kommerziellen Verwaltung von »Geflüchteten«. Die politische Handlungsfähigkeit in solchen Strukturen ist stark begrenzt, nicht wenige verausgaben sich und vereinzeln.
5. »Administration of concurrence — ‘Life’ & Work between ‘Duldung’ & Deportation«
Lohnarbeit ist für »Geflüchtete« die einzige Chance dem Duldungsstatus zu entkommen. Andernfalls droht ihnen die Abschiebung. Zu welchen Arbeitsbedingungen lassen sich die Leute ausbeuten und was hat dies mit den Arbeitsverhältnissen allgemein zu tun?
6. Interregional Mobilization in the Lager
Abschließend stellt sich die folgende Frage: Wie lässt sich mit verstreuten, mehr oder minder organisierten Gruppen gemeinsam politisch handeln? Die Lagerverwaltung ist ein überregionaler Mechanismus, dem wir nur überregional begegnen können.
Zusammenfassung des Feedbacks zum Kongress
Der DIY Charakter des Kongresses sollte eine Ansage sein. Wir wollten ohne Anträge bei irgendwelchen Stiftungen auskommen und auch vermeiden, dass wir uns finanziell ein riesiges Gerüst aufbauen, was uns dann zu bestimmten Formen zwingen kann. Wir wollten sagen: »Hey jede*r kann so einen Kongress ins Leben rufen!«
DIY war aber auch eine Notlösung. Die Vorbereitungsgruppe blieb sehr klein und die Potsdamer Szene konnte trotz ihrer großen Aktivität innerhalb der »Willkommenseuphorie« weder in die Vorbereitung einbezogen noch zur Teilnahme bewegt werden. Dies hat zwei Gründe. Die aktiven Leute sind mit Arbeit und Verantwortung überschüttet und finden keine Zeit für eine politische Auseinandersetzung. Und unsere Idee die politischen Küchentische zu mobilisieren, war eine Illusion. Wir verzichteten bewusst auf Einladungsbündnisse, die in unseren Augen nur Marketing- oder Lippenbekenntnisse sind, sondern sprachen gezielt Wohngemeinschaften an. Wir erhoff(t)en uns eine Debatte unter kritischen Menschen und nicht unter Politiker*innen.
Die Übersetzung während des Kongresses war für uns die größte Herausforderung und hat nur teilweise geklappt. Wichtig war mehrsprachig einzuladen und Englisch als Hauptsprache zu nutzen. Da gerade die älteren Brandenburger*innen, zum Teil aber auch Migrant*innen (die die ganze Zeit drangsaliert werden Deutsch zu lernen) dies nicht gewohnt sind, mussten wir spontan auch andere Lösungen finden. Zwei Dinge haben wir dabei gelernt: 1. Eine gut vorbereitete Moderation ist wichtig, die nicht nur einen Blick für den Inhalt, sondern vor allem für die Leute in der Runde hat. 2. Alle Menschen sollten sich über ihre (nicht) vorhandenen Sprachkenntnisse bewusst sein und im Zweifelsfall Freund*innen mitbringen, die mittels »stiller« Übersetzungen in Diskussionen und Workshops aushelfen können.
Beim Kongress ist sehr deutlich geworden, dass es ein Bedürfnis zu diskutieren gibt. Wir waren überrascht, wie viele Leute bereits am Samstag Morgen teilnahmen. Die Inhalte der Workshops stießen auf positive Resonanz, wobei die eingangs gestellten Thesen nur teilweise inhaltlich bearbeitet wurden. Dies hat vorrangig mit dem »Kommen und Gehen« über den Tag hinweg zu tun und führte letztlich auch zu einer Überforderung im Abschlussplenum. Teilweise wurde beklagt, dass wir nicht zielorientiert auftraten, sondern das Treffen offen formulierten. Wir wollten keinen großen Kongress mit Perspektive anbieten, sondern einen »Stich ins Wespennest« wagen. Rückblickend hätten wir es inhaltlich nicht so breit fächern müssen. Deswegen spitzen wir nun die uns wichtigen Punkte zu. Denn es gibt Redebedarf, es gibt ähnliche Kongresse und es gibt politische Entwicklungen, die wir nicht hinnehmen werden!
Weiter im Stoff – die »eigene Rolle« hinterfragen
Lager abschaffen!
Ausgangspunkt unserer Zweifel und Fragen waren die spezifische Erfahrung und die Beobachtungen, welche wir an unterschiedlichen Stellen in Potsdam machen mussten. Hier zeigte sich zuerst innerhalb der hauptsächlich von der linken Szene in wenigen Tagen aufgebauten Außenstelle der Erstaufnahme, wie schnell wir in staatliche Strukturen gezogen werden und uns plötzlich in der Rolle der Knastaufseher wiederfinden. Kurz darauf bescherte uns die Diskussion um die Errichtung von Leichtbauhallen auf dem Gelände des alternativen Kulturzentrums freiLand die bittere Erkenntnis, dass die Stadtverwaltung bewusst dieses Gelände gewählt hat, in der nicht unbegründeten Hoffnung, dass sich die dortigen Aktiven als dankenswerte Steigbügelhalter_innen eines repressiven Asylsystems erweisen werden. Ähnliche Fälle der Unterbringung in unmittelbarer Nähe zu linken Zentren wurden auch aus anderen Städten berichtet.
Von Lagern außerhalb Deutschlands vermittelte der Workshop zu Erfahrungen an der kroatischen Grenze einen Eindruck. Was als antistaatliche, grenzüberwindende Aktion begann, wurde schnell von sogenannten Sachzwängen bestimmt. Statt politisch frei agieren zu können, wurde man immer wieder auf eine rein versorgende Unterstützung zurückgeworfen. Zudem ließ sich in den drei vor Ort besuchten Lagern folgendes Dilemma formulieren: Während es auf der einen Seite Lager gibt (bspw. Presova/Slowakei), in dem eine chaotische Lage und schlechte hygienische Situation herrscht, aber die Migrant*innen eine mehr oder weniger uneingeschränkte Bewegungsfreiheit haben, existieren auf der anderen Seite Lager (bspw. Dobova/Slowenien), in denen eine erstklassige (auch humanitäre) Infrastruktur und grundlegende Versorgung sicher gestellt ist. Allerdings ist dieses Lager komplett militarisiert und abgeriegelt. Es gibt keine selbstbestimmte Bewegungs- und Handlungsfreiheit.
Unabhängig von den jeweiligen Bedingungen in Lagern und Heimen erweist sich eine politische Mobilisierung in diesen Strukturen als kaum durchführbar. Im Workshop zur interregionalen Lagermobilisierung wurden diesbezüglich kontinuierliche Anstrengungen und Misserfolge der letzten Jahre geschildert. Als besondere Hindernisse wurden die oft schwer erreichbare geografische Lage, die Zugangsverweigerung durch die jeweiligen Betreiber, die starke Fluktuation der Bewohner*innen sowie deren prekäre Lebensumstände benannt.
Als naheliegende Alternative zur Schaffung von freiem, kollektivem Wohnraum gab/gibt es in Potsdam die Idee leer stehende Objekte einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Dafür wollen wir an bereits gemachte Erfahrungen anknüpfen.
Häuser besetzen!
Nicht nur in Italien und Frankreich werden seit Jahren wieder Häuser besetzt, auch in der BRD gibt es wieder Besetzungen. Die Motivation hierfür ist jedoch sehr unterschiedlich. Der Nenner scheint die Migration zu sein. Uns war es wichtig, aus der jüngeren Vergangenheit zu lernen, das »Rad nicht neu zu erfinden« und vor allem nicht bereits begangene Fehler zu kopieren. Hierfür haben wir Erfahrungen von italienischen Hausbesetzungen gesammelt und Leute von der Besetzung in der Ohlauer Straße (Berlin) eingeladen.
Die italienischen Erfahrungen lassen sich in drei Strängen fassen. 1. Die alten besetzten Strukturen sind überfordert oder existieren nicht mehr. Migrant*innen nutzen seit Jahren die Räumlichkeiten, privatisieren diese aber gleichzeitig. 2. Neue Besetzungen werden meist von Linken initiiert und dann für die Migrant*innen geöffnet. Meist geht es hier um die Legalen, die in Italien den kleineren Anteil unter den Migrant*innen ausmachen. Die Häuser sind offiziell besetzt, werden geduldet und italienische Vereine übernehmen dann im Einklang mit dem Staat/der Stadt die »Verwaltung« der Leute. Das heißt, es gibt Geld vom Staat für die Integration der Asylsuchenden. Dies aber nur über den Umweg italienischer Träger. Diesen Job übernehmen meist die Besetzer*innen, also Sprachkurse, Rechtshilfe, Beratung, etc. Hierbei kommt es auch zu Überschneidungen mit der Mafia, die ebenfalls daran verdient. 3. Es gibt Armutsbesetzungen, die oft mit erst kürzlich verarmten Italiener*innen, denen nichts anders übrig bleibt, gemeinsam stattfinden, wobei es weder eine kollektive noch eine wirkliche politische Perspektive gibt. Die Häuser sind oft gut verwaltet und werden von staatlicher/städtischer Seite geduldet.
Die Schulbesetzung in der Ohlauer Straße in Berlin ist drei Jahr her. Im Zuge des Protestcamps auf dem Oranienplatz wurde aufgrund der Wetterlage eine leerstehende Schule besetzt. Es wurde ein festes Gebäude zum Schlafen gebraucht. Die Schule wurde besetzt, der Bürgermeister wurde angerufen und mit dem Kälteschutz-Argument konfrontiert. Das hat funktioniert. Es war eine Doppelbesetzung. Der Hauptteil der Schule war als Unterkunft gedacht, ein kleinerer Teil, ein Pavillon als politischer Aktionsraum. Die Idee ist jedoch nicht aufgegangen, da plötzlich über 300 wohnungslose Menschen meist in Familienzusammenschlüssen kamen, die keinen Beitrag zum vorherigen (oder nachfolgenden) politischen Kampf leisteten. Das hat alle komplett überfordert.
Die Besetzung war keine rechtliche, sondern eine politische Frage. Ein Jahr lang wollte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Regeln bestimmen und einführen. Gleichzeitig hat der Bezirk auf Zuspitzung und Eskalation gesetzt. Das hat funktioniert, es kam zwangsläufig zu Streit und einem Toten. Im Zuge dessen gab es mehr Security auf dem Gelände, die die Leute voneinander isolierten, vor allem die Aktivist*innen mit deutschem Pass von denen ohne.
Es sollte ein Haus geöffnet und politische Gruppen eingeladen werden. Das hat nicht funktioniert. Denn schnell war der Großteil des Hauses eine Notunterkunft, in der die individuellen Probleme der Leute wichtiger waren als die politische Dimension, in der sie entstehen. Letztlich haben die Aktivist*innen mit und ohne Migrationserfahrung sehr darunter gelitten, weil sie in eine Situation rutschten, die sie nicht mehr unter Kontrolle hatten, aber auch nicht einfach aufgeben konnten. Ein ähnliches Beispiel des Ausgeliefertseins an scheinbare Sachzwänge wurde aus Frankreich berichtet, wo die Besetzer*innen eines Hauses, das als Frauenschutzraum gedacht war, sich letztlich unfreiwillig als 24/7‑Einlasskontrolleur*innen wiederfanden. Fazit: Es muss sofort von Anfang an um politische Standards gehen. Ein ausschließlich humanitärer Anspruch reicht nicht aus! Denn wohin augenscheinlich »humanitäre« Arbeit ohne politischen Anspruch führt, zeigt uns in makabrer Art und Weise die »Wohlfahrtsindustrie«, die sich derzeit ganz besonders an der Verwaltung von Migrant*innen labt.
»Wohlfahrtsindustrie«? Ohne uns!
»Refugees« sind momentan ein großes Geschäft: Milliarden Euro fließen in Unterbringung, Versorgung, Gebäudereinigung, Sicherheitsdienste, Baugewerbe, Verwaltung, Bullen, Aufrüstung, Sprachkurse, “Staats-Antifa”, Lehrer*innen, Erzieher*innen, etc.
Viele profitieren massiv von der sogenannten »Flüchtlingskrise«. Viele, nur nicht die Betroffenen selbst. Zu den Profiteuren gehören als gemeinnützig eingestufte und private Träger von »Flüchtlings«unterkünften, z.B. das Diakonische Werk, die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz und andere. Es ist wichtig zu erkennen, dass es sich hierbei um Unternehmen handelt, deren Umsätze in Millionen gerechnet werden. Jedes einzelne funktioniert mit Hunderttausenden Hauptamtlichen sowie der Unterstützung von mindestens ebenso vielen (meistens jedoch mehr) Ehrenamtlichen. Insgesamt arbeiten für Caritas und Diakonie zusammen, circa 1 Million Menschen. Damit sind sie, nach dem Staat, der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Dabei schlagen diese Unternehmen nicht nur aus Freiwilligen und Angestellten Profit, sondern auch aus den Menschen, die sie »betreuen«. Solche Verbände stellen sich gern als »Wohltäter_innen« dar. Besonders aktuell versuchen sie als »soziale Versorger_innen« von Migrant_innen zu punkten.
In Bund und Ländern werden derzeit Haushalte überarbeitet, um Geld für die »Bewältigung« der sogenannten »Krise« bereitzustellen. Das Geld wandert dann – zumeist über Pauschalen – vom Bund über die Länder und Kreise zu den Kommunen. Verantwortlichkeiten und Gelder werden hin- und hergeschoben bis zur absoluten und scheinbar forcierten Undurchsichtigkeit. Auch bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen wird mittlerweile auf Ausschreibungsstandards verzichtet. Ein Schelm, wer Vetternwirtschaft unterstellt.
Abgesehen von den nur schwer nachvollziehbaren Geldströmen fungieren Träger von »Flüchtlings«unterkünften schlicht als verlängerter Arm des Staates. Sie erfüllen einen staatlichen Auftrag, d.h. Lagerhaltung, Kontrolle, Repression und Ermöglichung von Abschiebung. Es ist eine Irrtum zu glauben, ein menschlicherer Umgang mit den »Geflüchteten« würde daran etwas ändern. Kein*e noch so nette*r Sozialarbeiter*in kann die fehlende Bewegungsfreiheit wett machen oder die Tatsache kompensieren, dass Menschen, die in Deutschland als »Geflüchtete« gelabelt werden, kaum Rechte haben. Selbst wenn Menschen hier im Heim ein paar angenehme Monate haben sollten, in Zeiten von Massenabschiebungen ist das nicht von Bedeutung.
Polemisch gesprochen spielen komfortable Gemeinschaftsunterkünfte mit engagiertem Personal eine noch perfidere Rolle, denn sie verhindern im Zweifelsfall, dass sich die Betroffenen ihrer Entmachtung und Inhaftierung gewahr werden und die Kurve kratzen.
Nun stehen wir vor einer Situation, in der viele Menschen, die sich eigentlich linken und linksradikalen Positionen verpflichtet fühlen, beginnen für solche Träger der Wohlfahrtsindustrie zu arbeiten, in dem Irrglauben, sie täten etwas Gutes.
In diesen Strukturen ökonomisch abhängig zu arbeiten, führt zu einer krassen Reduktion individueller und kollektiver Handlungsfähigkeit.Ein gleichberechtigtes solidarisches Verhältnisses der »Betreuungsperson« zu den »zu betreuenden« Menschen, in diesem Fall Migrant*innen, ist, strukturell bedingt, nicht möglich.
Neben den ökonomischen Vorteilen, welche die staatliche Struktur aus den Netzwerken von Ehrenamtlichen oder schlecht bezahlten, aber engagierten Angestellten zieht, gibt es auch ein großes Interesse an dem Wissen, das in linken Netzwerken und Supportgruppen vorhanden ist.
Indem der Staat ehemals außerstaatliche oder gar antistaatliche Strukturen bezuschusst, zum Beispiel durch Projektfonds, und in die regionalen Verwaltungs- oder Bildungsprogramme einbindet, erhält er aus erster Hand Einblicke in bestimmte Zusammenhänge, die ihm sonst verwehrt bleiben würden. Mit der »Staats-Antifa« Initiative um das Jahr 2000 wurden autonome Antifa-Strukturen angegriffen und nachhaltig geschwächt. 15 Jahre später haben wir es mit der Neuauflage dieses Prinzips, sprich mit einer »Staats-Antira«-Offensive zu tun.
Die Bild-Zeitung titelt »Refugees Welcome«, während über Nacht sämtliche Errungenschaften der selbstorganisierten Kämpfe von Migrant*innen zunichte gemacht werden und das repressivste Asylgesetz in der Geschichte der BRD verabschiedet wird. Hunderttausende Freiwillige übernehmen die Erstversorgung der Neuankommenden und ersparen den lokalen Behörden jede Menge Kosten, während die Menschen von nun an nur entsprechend wirtschaftlicher Verwertbarkeit sortiert werden sollen. Die Rolle der Sozialarbeiter*innen in diesem Kontext ist wieder einmal Befrieden und Verwertbarmachen.
In der Konsequenz kann die Zielvorstellung nur lauten: Heime und Lager abschaffen, Grenzen öffnen, Bewegungsfreiheit für alle.
Genau das sind die Forderungen, die seit Jahrzehnten von selbstorganisierten Migrant*innengruppen formuliert werden und im gesellschaftlichen Diskurs allgemein, aber auch in innerlinken Debatten ungehört untergehen. Viele von uns haben weder Kenntnisse über die Selbstorganisationsstrukturen noch Kontakte zu Migrant*innen(-gruppen). Demzufolge muss der erste Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen, solidarischen Agieren jetzt erst einmal die Auseinandersetzung mit den bisherigen migrantischen Kämpfen sowie den existierenden Gruppen sein.
Wenn sich linke Menschen trotzdem entscheiden, in die geschilderte Verwaltungsindustrie einzusteigen, müssen sie sich sowohl der Verwertung ihrer Arbeitskraft und ihres Wissens, als auch der möglichen Konsequenzen für ihre politischen Aktivitäten bewusst sein. Sozialarbeit ist meistens Lohnarbeit zu extrem schlechten Bedingungen, die wiederum zu miserablen Konditionen in der jeweiligen Einrichtung führen. Aus diesem Teufelskreis können wir nur ausbrechen, indem die gesamte Logik der staatlichen Flüchtlingsverwaltung – und dazu gehört auch die entsprechende Lohnarbeit/Verwertbarmachung des Menschen – in Frage gestellt wird.
Arbeit verweigern!
Hierbei kommen wir nicht an der Frage vorbei: Wie verdiene ich meine Brötchen?
In Vorbereitung zu einem Workshop haben wir Menschen mit und ohne deutschen Pass zu ihren Möglichkeiten Geld zu verdienen interviewt. Für uns war die These zentral: Die Lagerverwaltung der »Refugees« hat zwei Ziele: Selbstbestimmte Mobilität zu unterbinden, um sie effizient zu registrieren und zu kategorisieren. Gleichzeitig werden sie in einen Status gezwungen (Duldung), in dem sie selbst mobil und flexibel jede Arbeit annehmen müssen. Gelingt ihnen das nicht und es fallen staatliche Kosten an, droht ihnen die Abschiebung.
Wir sprachen länger über das Wechselspiel mit Arbeitsamt und Ausländerbehörde, welche Arbeitsvertragszeiten und Duldungszeiten koppeln. Teilweise führt die Bürokratie zu zirkulären Widersprüchen, da die Leute ohne Arbeit keine Duldung und ohne Duldung keine Arbeit bekommen. Das sind aber nur Randerscheinungen, konkret geht es darum, dass die Leute alle Jobs annehmen müssen, und die Unternehmen sie jederzeit wieder loswerden können. Anders als bei Deutschen, die dann einfach wieder zum Amt gehen (oft weil sie das System auch besser kennen) sind die Migrant*innen durch ihren Duldungsstatus zur Arbeit gezwungen. Erscheinst du nicht auf Arbeit, wird die Duldung nicht verlängert.
Das ist aber nur die eine Seite. Überraschend und neu waren für uns die Dimensionen der Illegalität. Sowohl bei der Registrierung als auch bei der Jobsuche. Das ist sicherlich kein neues Phänomen, aber es drängt sich die Frage auf, die wir auch an uns selber stellen können. In die Illegalität zu gehen bedeutet in die völlige Vereinzelung unterzutauchen. Eine Tatsache, die auch Linke, wenn auch auf einer anderen Ebene, kennen. Wie sollen vereinzelte Leute kämpfen?
Die Antwort müsste lauten: Indem sie über ihren Alltag überhaupt mal reden!
Allgemein glauben die betroffenen Menschen, dass sie durchhalten müssen, wenn nötig auch über Jahre, irgendwann wird es besser. Die Deutschen denken dabei oft an Karriereleitern, Migrant*innen ans schlichte Überleben und das bedeutet Geld zu verdienen.
Doch dieser Durchhaltewille ist eine Selbsttäuschung. Die derzeitige Politik von EU und BRD verfolgt keinen vorgefertigten Plan und ist zugleich auch kein Versagen gegenüber Krisenerscheinungen. Vielmehr zeigt sich eine Transformation des politisch-ökonomischen Systems, zu der man sich nicht nicht verhalten kann. Die stattfindenden Veränderungen drängen jede*n von uns zu einer klaren Positionierung – »Neutralität« ausgeschlossen.
Es wäre ein guter Zeitpunkt mal wieder gemeinsam nach dem »Oben« und »Unten« zu fragen und (gerade als Linke) unser Verhältnis zum Staat zu hinterfragen.
Eure Vorbereitungsgruppe »M. Pitsow« — Januar 2016
INFORIOT Der erste Aufmarsch im Jahr begann für die Neonazis in Beeskow mit einer großen Pleite. Am letzten Sonntag blockierten Antifaschist_innen die Neonazidemonstration. Später hielten sie eine kleinere Kundgebung am Beeskower Marktplatz ab. Dabei kam es zu einem Übergriff auf einen Gegendemonstranten.

Brauner Schulterschluss kommt nicht gegen Blockade an
Unter dem Motto “Stopp den Asylwahn” hatte die rassistische Facebook-Initiative “Beeskow wehrt sich” für den 3. Januar eine Demonstration durch die Kreisstadt Beeskow (Oder-Spree) angekündigt. Dem Aufruf folgten Neonazis der Kleinstpartei “Der Dritte Weg”, aber auch Vertreter_innen der NPD und der Partei “Die Rechte”. Kurz nach 15 Uhr sollte der Aufmarsch nach einer kleinen Ansprache des Anmelders und “Dritte Weg”-Kaders Michael Fischer vom Bahnhof Beeskow starten. Dazu kam es jedoch nicht, denn knapp 50 Antifaschist_innen blockierten in der Bahnhofsstraße die Route, die in die Innenstadt führen sollte. Einige Meter weiter hielten außerdem 30 Aktivist_innen vom Bündnis “Beeskow gegen Rassismus” eine Kundgebung ab.

Auf Grund der Blockade lösten die Neonazis ihre Versammlung nach etwa einer halben Stunde am Beeskower Bahnhof auf. Ein Großteil der Demonstration lief unkontrolliert und grölend zur antifaschistischen Blockade in der Bahnhofsstraße. Es kam zu Pöbeleien. Die Polizei griff jedoch nicht ein. Die Neonazis versuchten anschließend auf verschiedenen Wegen in Richtung Markplatz zu gelangen.

Aggressive Kundgebung auf dem Marktplatz
Gegen 16.30 Uhr hatten sich inzwischen etwa 30 der zuvor 50 Neonazis zu einer spontanen Kundgebung auf den Beeskower Marktplatz versammelt. Dort sprach die NPDlerin Manuela Kokott. Kokott nahm kein Blatt vor den Mund und hetzte nicht nur gegen Asylsuchende, sondern auch direkt gegen einige Gegendemonstrant_innen, die den Weg zum Marktplatz gefunden hatten und ihren Unmut über die rassistischen Ausfälle der Rednerin Kund taten. Über das Mikrofon beschimpfte Kokott einen Gegendemonstranten und forderte ihn auf, doch “her zu kommen”. Als sich dieser der Neonazikundgebung näherte, wurde er von Kokotts Lebensgefährten Frank Odoy, ebenfalls bei der NPD, erst geschubbst und dann geschlagen. Weitere Naziordner strömten in schnelleren Schritt auf den Gegendemonstranten zu. Die Polizei, die in Beeskow mit einer Hundertschaft im Einsatz war, griff nur zögerlich ein. Der Gegendemonstrant wurde vom Platz geschickt.

Weitere Bilder: hier und hier.
In den vergangenen Monaten lösten sich etliche große Antifazusammenhänge auf und es konnte viel darüber gelesen werden, dass sich die antifaschistische Bewegung in der Krise befindet. Nahezu ausnahmslos wird diese Diskussion nur in größeren Städten geführt, wobei allen klar sein muss, dass gerade außerhalb von Großstädten die Situation mit der in den Städten nur schwer vergleichbar ist und es für viele Dorfantifas, zu denen wir uns auch zählen, ein Schlag ins Gesicht war.
Die Situation in den Großstädten aus Sicht der Dorfantifas
Für viele ist gerade Berlin oder auch Leipzig ein großes Vorbild, sobald es neonazistische Aktivitäten gibt, wird gehandelt. Neonaziaufmärsche werden blockiert. Diese Situation hat sich jedoch in den vergangenen Monaten deutlich geändert, Neonazis und Rassist_innen gehen in die Randbezirke von Berlin und haben dort immer leichtes Spiel, denn viele berliner Antifaschist_innen verlassen die eigene Wohlfühlzone, diese endet häufig am S‑Bahn-Ring, nur selten. Gleichzeitig beobachten wir, dass zahlreiche Antifaschist_innen aus dem Land Brandenburg nicht nur immer und immer wieder nach Berlin fahren sondern auch quer durch das Land Brandenburg um Proteste gegen Neonazis und Rassist_innen zu unterstützen. Dieses solidarische Verhalten muss sich auf die Menschen in Berlin übertragen, denn nur durch eine gelebte Solidarität kann verhindert werden, dass die Dörfer und Städte im Land Brandenburg nach und nach aufgegeben werden müssen.
Durch die starke antifaschistische Szene innerhalb des S‑Bahn-Rings und teilweise gefährliche Situation in zahlreichen Gemeinden und Städten im Land Brandenburg, ziehen immer mehr antifaschistische und linksgerichtete Personen nach Berlin. Sie tun dies nicht nur in der Hoffnung sicher zu sein, sondern auch um politisch weiter voran zu kommen, das Gegenteil ist häufig zu beobachten. Die Menschen versacken in den Szenelokalen, während in ihren Heimatstädten wöchentlich Neonazis und Rassist_innen auf die Straße gehen und Geflüchtete angegriffen werden. Gleichzeitig lähmt sich die Szene durch interne Richtungsstreitigkeiten. Zwar sind Diskussionen notwendig und müssen geführt werden, dies ist jedoch häufig ein Privileg von Großstädten. Wir wollen jedoch die Szenen in Berlin, Leipzig und anderen Städten jedoch nicht allgemein schlecht machen, denn es gibt immer wieder Gruppen, die regelmäßig die Homezone verlassen und ländliche Strukturen unterstützen.
Des Weiteren wurde vor kurzem eine neue Debatte mit dem Spruch „Die Zeit der Sitzblockaden ist vorbei“ aufgemacht. Diese Forderung kann sicherlich vereinzelt unterstützt werden, jedoch muss die Wahl der politischen Mittel auch immer an die Situation vor Ort angepasst werden. Es darf nicht vergessen werden, dass gerade Sitzblockaden in vielen ländlichen Regionen eine gute Möglichkeit sind, um effektiv gegen Neonaziaufmärsche aktiv zu werden. Sie bieten gute Anschlussmöglichkeiten für gemäßigte oder bürgerliche Antifaschist_innen, die in Klein- und Mittelstädten bei Protesten unverzichtbar sind.
Die Situation in Brandenburg an der Havel und den umgebenden Gemeinden
Richten wir den Blick auf Brandenburg an der Havel, einer Stadt mit rund 71.000 Einwohner_innen, scheint die Situation nicht unbedingt schlecht. Es gibt zwar keine wirklichen alternativen, selbstverwalteten Häuser oder Räume, wie sie in anderen brandenburgischen Städten zu finden sind, trotzdem existiert seit den 1990er Jahren eine kontinuierliche antifaschistische Bewegung. Diese ist zwar nicht auf einem gleichbleibenden Niveau aktiv, trotzdem ist sie immer da. Gerade durch diese permanente Arbeit gelang es über die letzten Jahre hinweg die verschiedenen neonazistischen Strukturen immer wieder zurückzudrängen. Zu Beginn des Jahres 2015 waren Antifaschist_innen aus der Havelstadt mit vier aufeinanderfolgenden rassistischen Aufmärschen des lokalen PEGIDA-Ablegers BraMM (Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung) konfrontiert und hier zeigte sich ein stark eingeschränkter Handlungsspielraum. Es war eine bittere Erkenntnis, dass es keine entsprechende Reaktion auf bis zu 150 Rassist_innen die durch die Straßen marschierten gegeben hat.
Je weiter wir in die ländlichen Regionen fahren, umso schwieriger wird die Situation. Zum einen werden junge Menschen selten politisiert, da weder linke Strukturen noch etablierte Parteien vor Ort sind und zum anderen finden sich dort häufig Vorurteile gegenüber Geflüchteten und emanzipatorischer Politik. Gleichzeitig dienen kleine Dörfer häufig Neonazis als Rückzugsräume. Sich in kleinen Dörfern als links erkennen zu geben, geht häufig mit Problemen einher und eben darum müssen wir genau diese jungen Menschen unterstützen und ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind.
Eigene Akzente setzen
Wir sind der festen Überzeugung, dass es nicht sinnvoll ist, immer nur den rassistischen und neonazistischen Demonstrationen und Kundgebungen hinterher zu reisen und auf diese zu reagieren, wenn eine antifaschistische Intervention sowieso keine Aussicht auf Erfolg hat. Eine Begleitung dieser Kundgebungen und Demonstrationen aus Recherchezwecken ist jedoch weiterhin sinnvoll und notwendig.
Eine starke antifaschistische Bewegung muss eigene Akzente setzen, sie muss aktiv Politik betreiben und für interessierte Menschen einen Anlaufpunkt bilden. Um Menschen wieder in die Szene zu bekommen, beziehungsweise konsumorientierte Antifaschist_innen wieder aus ihrer Wohlfühlzone herauszuholen, sind politische Angebote unverzichtbar. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden nicht nur am Todestag von Sven Beuter eine antifaschistische Demonstration in der Havelstadt zu organisieren, sondern diese mit einer Kampagne zu umgeben. Dadurch wollen wir genau die Leute ansprechen, die sich engagieren wollen, die keine Lust mehr haben einfach nur auf der Couch zu sitzen und sich über die aktuellen Zustände zu echauffieren, sondern aktiv werden möchten. Wir sehen die Demonstrationen als ein klares Signal an alle Dorfantifas nicht aufzugeben und weiter aktiv für eine bessere Welt zu kämpfen. Wir hoffen, dass sich anderen Strukturen im Land dem anschließen und antifaschistische und linke Politik wieder etablieren.
Ausblick
Strategiediskussionen sind notwendig um angemessen auf neue Entwicklungen reagieren zu können, doch sie dürfen nicht dazu führen, dass die Aktionsbereitschaft, gerade im Bezug auf Berliner Randgebiete und den brandenburgischen Outback, sinkt. Neue Strategien nutzen nichts, wenn sie nur partiell umgesetzt werden, da an anderen Orten einfach zu wenig Aktivist_innen vorhanden sind. Auch die Absage an alte, aber gerade auf dem Dorf wirksame, Aktionsformen wie Sitzblockaden, darf nicht absolut sein. Es gab und wird wahrscheinlich nie eine Aktionsform geben, die zu jeder Situation passt. Flexibilität und Solidarität sind probate Mittel, die genutzt werden müssen. Es kann auch nicht nur darum gehen ein Event zu organisieren, damit organisierte Gruppen aus größeren Städten anreisen. Wir brauchen auch Unterstützung bei Kundgebungen und Mahnwachen, denn manchmal sind diese Aktionsformen diejenigen, welche sich für die Gegebenheiten vor Ort am besten eignen.
Gerade im havelländischen Rathenow marschieren alle zwei Wochen 500 bis 600 Rassist_innen und Neonazis. Der bürgerliche Protest schafft es gerade mal 200 Menschen zu mobilisieren. Nun ist es in diesem Fall einfach unrealistisch, Blockaden als Aktionsform zu diskutieren. Dies liegt hauptsächlich an den örtlichen Begebenheiten. Gleichzeitig wäre es ein starkes Signal, wenn organisierte Gruppen gemeinsam mit Menschen vor Ort eine gemeinsame Demonstration organisieren oder die angemeldeten Kundgebungen unterstützen. Antifaschist_innen müssen dahin gehen, wo es den Neonazis und Rassist_innen wehtut und wo es auch gefährlich sein kann, denn Geflüchtete und Dorfantifas leben genau in diesen Städten und Regionen.
Kommt in die Provinz und unterstützt die lokalen Antifaschist_innen!
Solidarität muss praktisch werden!
INFORIOT Zum Jahrestag der rassistischen „Abendspaziergänge“ eskalierte es in Oranienburg. Sowohl aus der Demonstration heraus, als auch nach der Demonstration gingen die AbendspaziergängengerInnen auf Gegendemonstrant_innen los.

Scheinbar neue Demonstrationsleitung
Mit knapp 200 Personen war der heutige achte „Abendspaziergang“ der schlechtbesuchteste Aufmarsch in Oranienburg. Anders als die Aufmärsche zuvor, änderten die OrganisatorInnen den Ablauf der asylfeindlichen Demonstration. Anstatt mit den Reden des vermeintlichen JN Mitglieds Martin Ulbrecht und des Anmelders Carlo-Eik Christopeit zu beginnen, wurde auf die Auftaktreden verzichtet. Stattdessen begrüßte die Zehdenickerin Nicol Schwarze die „AbendspaziergängerInnen“. Schon seit dem letzten Aufmarsch kursierte die Vermutung, dass die Demonstrationsleitung gewächselt hat. Schwarze scheint eine NPD-Sympathisantin zu sein. Auf ihrer Facebook-Seite teilt sie Beiträge der NPD Oberhavel und liked gleichzeitig Beiträge auf der Seite des Kreisverbandes. Schwarze trat in der Vergangenheit mehrfach als Rednerin auf den „Abendspaziergängen“ auf.

NPD mischt weiterhin mit
An der Demonstration nahmen, wie üblich, eine Vielzahl von NPD-Mitgliedern und ‑Verordneten teil. Direkt an dem Fronttransparent lief der Oranienburger Stadtverordnete Reimar Leibner. Der Oberhaveler NPD-Kreisvorsitzende Burkhard Sahner betreute die Technik auf der Abschlusskundgebung. Auch der Kremmener Stadtverordnete Björn Beuchel lief in der Demonstration mit, sowie u.a. weitere NPDler wie Robert Wolinski, Robert Wegner, Henry Prang, Marco Fichte und Maik Naumann. Wie schon die letzten Demonstration im November hatte die NPD ein Transparent mitgeführt zur aktuellen asylfeindlichen Kampagne „Asylbetrug stoppen“.
„Identitäre Aktion“ auch in Oranienburg
Erstmals nahm auch die “Identitäre Aktion” an der Demonstration in Oranienburg teil. Eine kleinere Gruppe führte eine Fahne der Identitären mit sich. Auf der Abschlusskundgebung hielt eine Person der Identitären einen Redebeitrag ab. Die gleiche Person sprach bereits vergangenen Sonnabend in Strausberg. Die “Identitäre Aktion” hat in einem Podcast auf Youtube angekündigt, eine „Märkische Offensive“ für das Jahr 2016. In den Städten Luckenwalde, Neuruppin und Cottbus sollen Aktionen folgen.

Unfreiwilliger Spendenlauf
Zum zweiten Mal veranstaltete das Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg einen Spendenlauf. Unfreiwillig sammelten die „AbendspziergängerInnen“ mit ihrem Aufmarsch Spenden an Willkommensinitiativen vor Ort. Anders als bei dem Aufmarsch im November, wurde die Aktion in der Öffentlichkeit breiter angekündigt. Bei dem letzten Spendenlauf wurden 900€ gesammelt. An diesem Mittwoch bastelte das Forum satirische Plakate, die die “AbendspaziergängerInnen” zum Laufen anfeuern sollten.

Aggressive Stimmung eskalierte
Vor Beginn der Demonstration zeigten zwei Personen, an dem Asia Imbiss gegenüber des Antreteplatz, den Hitlergruß. Nur einer davon wurde durch die Polizei zur Kenntnis genommen. Sie nahmen die Personalien des Mannes auf. Auf der Höhe der Volksbank in der Bernauer Straße kam es dann zu mehreren Schubsereien. Aus der Demonstration heraus gingen die „AbendspaziergängerInnen“ auf die Gegendemonstrant_innen los und versuchten ihnen Plakate zu entreißen. Auf den Rückweg zur Abschlusskundgebung gab es weitere Angriffe auf Gegendemonstrant_innen. An mehreren Stellen, u.a. am Louise-Henrietten-Steg griff die Polizei ein und nahm Personalien der Angreifenden auf.
Demonstrationsoffensive in Oberhavel
Indes erweitern die „Abendspaziergänge“ ihren Aktionsradius im Landkreis Oberhavel aus. Für den kommenden Freitag soll erstmals in Fürstenberg eine asylfeindliche Demonstration stattfinden, nachdem das neonazistische Netzwerk bereits nach Zehdenick und Velten expandiert hatte. Erst letzten Freitag fand die vierte Demonstration mit mehr als Hundert TeilnehmerInnen in Zehdenick statt. Für den 7. Januar ist ein weiterer Aufmarsch in Velten angekündigt. Laut der Facebook-Seite der NPD Oberhavel sollen außerdem Aufmärsche in Hennigsdorf und Kremmen folgen.
Weitere Bilder: hier.
Im Folgenden geben wir unsere Einschätzung zu den vergangenen zwei Monaten in Cottbus wieder. Unser Text ist zuerst in der Blicklicht (Ausgabe Dezember 2015) erschienen. Er soll es ermöglichen einen groben Überblick zu bekommen wie es zur Zeit in Cottbus aussieht. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben wir dabei nicht.
Da es momentan nicht mehr jede Woche eine rechte Veranstaltung im Stadtgebiet gibt, scheint die Lage bis zum Jahreswechsel relativ entspannt zu bleiben. Wir haben allerdings Grund zur Annahme das mit dem neuen Jahr eine neue Welle rechter Mobilisierung auftreten wird. Organisationen wie die AfD oder Zukunft-Heimat werden weiterhin Südbrandenburg als Spielplatz für ihre Hetze missbrauchen wollen.
Antifaschistischer Lagebericht – Oktober und November 2015
Cottbus am 09. Oktober 2015: 400 Leute versammeln sich auf dem Norma Parkplatz in Sachsendorf und zogen vor die Erstaufnahmeeinrichtung in der Poznaner Straße, wo ein Willkommensfest stattfand. Eine Situation, die die Erinnerungen an die Pogrome von 1992 wachrief. Unter diesen 400 waren organisierte und unorganisierte Neonazis sowie ein breiter Schnitt durch die Cottbuser Gesellschaft. Einige Personen brachten selbst ihre Kinder mit.
In den folgenden Tagen wurde vor allem auf Facebook die Stimmung gegen Geflüchtete weiter angeheizt und die NPD meldete für den darauf folgenden Freitag ihre erste Demonstration in Sachsendorf an. Die Vereinnahmung des Protestes durch die neonazistische Partei spaltete die aufkeimende Bewegung. Etwa 400 Personen trafen sich am 16.10. um 18 Uhr bei NORMA, an ihre Spitze setzte sich der Reichsbürger Rico Handta aus Großräschen. Nur etwa die Hälfte von ihnen versuchte später um 19 Uhr noch an der NPD-Demonstration auf der Gelsenkirchener Allee teilzunehmen.
Der Ausgangspunkt für die neue rassistische Mobilisierung in Cottbus war die Ankündigung „1000 Flüchtlinge in 72 Stunden“ Tatsächlich kamen in den nächsten Tage nicht einmal 100 Personen. Trotz des schnellen Aufbaus eines breiten Solidaritätsnetzwerks löste die Kriseninszenierung bei einem Teil der Cottbuser Bevölkerung sehr viel Unruhe und Angst aus.
Seit Anfang Oktober wird nun auch hier öffentlich gegen Geflüchtete mobil gemacht. In nicht einmal zwei Monaten wurden in Cottbus und Umgebung 18 Versammlungen durchgeführt. Die rechten Parteien NPD und AfD versuchen aus der rassistischen Stimmung Kapital zu schlagen und auch ein „Reichsbürger“ versucht die Stimmung für das eigene Image zu instrumentalisieren. Um nicht den Überblick zu verlieren, haben wir im Folgenden eine Übersicht der Akteure in Cottbus erstellt.
NPD
Die NPD ist mit ihren jährlichen als Gedenken getarnten Aufmärschen zum 15. Februar in Cottbus gescheitert und sucht neue politische Entfaltungsmöglichkeiten. Die Partei konnte durch langjährige und konsequente antifaschistische Arbeit immer wieder als Neonazi-Organisation offengelegt werden. Sie hat inzwischen einen so schlechten Ruf, dass sie ihre Kampagnen „Nein-zum-Heim“ bzw. „Stadt XY wehrt sich“ als vermeintlich unabhängigen Bürgerprotest tarnen muss. Die NPD versucht gezielt über das Thema „Flüchtlinge“ eine breitere Masse anzusprechen. Sie möchte bürgerlich und durch das Auftreten ehemaliger JN-Kader jünger wirken.
Für Cottbus hat der NPD-Kader Ronny Zasowk das Ziel ausgegeben, alle zwei Wochen einen Aufmarsch in Sachsendorf zu machen bis die Erstaufnahmeeinrichtung geschlossen wird. Das Equipment, die Ordner*Innen und Redner*Innen bei den bisherigen Demonstrationen wurden von auswärtigen NPD-Strukturen gestellt. Zasowk selbst stammt zwar aus Cottbus, doch ist er vor allem auf Bundesebene aktiv und nur noch sehr selten in Cottbus zu sehen. Die Organisator*innen und Redner kamen bis jetzt vor allem von Auswärts. So waren vor allem bekannte Gesichter und NPD-Kader wie Benjamin Mertsch, Markus Noack, Stefan Lux, Oliver Schierack und der verurteilte Neonazi und Totschläger Alexander Bode aus Guben anzutreffen. Die stumpfe rechtsradikale Rhetorik und Parolen wie „Wir wollen keine Asylantenschweine“ wirkten bei den beiden ersten Aufmärschen offenbar schon so abschreckend auf parteifremde Teilnehmer*innen, dass viele die Demonstration bereits vor der Abschlusskundgebung wieder verließen. Der Gebrauch von Reichsfahnen und das teilweise aggressive Auftreten taten ihr übriges.
Reichsbürger
Diejenigen, die sich mit ihren „Sorgen“ nicht der NPD anschließen wollten, blieben am 16.10. bei NORMA. Hier wurden sie allerdings mit dem Reichsbürger Rico Handta aus Großräschen konfrontiert. Dieser ist u.a. in die Organisation der selbsternannten „Montagsdemos“ in Großräschen involviert, wo sich wöchentlich ca. 100–150 Neonazis und Wutbürger zusammen finden. In einer einstündigen Kundgebung wird dort gegen die bestehende Asylpolitik und gegen den Antifaschismus gewettert. Handta hat, wie die NPD, das Ziel ausgegeben, sich alle zwei Wochen Freitags in Cottbus zu versammeln, doch verlegte er mit seinen Anhängern zum 06.11. auf den Altmarkt in die Innenstadt. Sowohl räumlich als auch inhaltlich hat er sich von dem ursprünglichen Protestanlass schnell gelöst. Ihm geht es vor allem um die Verbreitung der These, dass das Deutsche Reich fortbesteht. Seine Verschwörungstheorien vermischen sich immer wieder mit verkürzter Kapitalismuskritik und PEGIDA-Parolen sowie Anekdoten über seinen Umgang mit der Stadtverwaltung, wo er sich scheinbar abwechselnd auf Recht der BRD oder des Deutschen Reiches beruft Handta ist ein umtriebiger Aktivist in der Reichsbürger-Szene und hat schon in der Vergangenheit jede mögliche Bühne genutzt. Er selbst bezeichnet sich als „links“, doch hält ihn dies nicht davon ab, in Cottbus mit Neonazis zusammenzuarbeiten. Der Personenkreis der Demoorganisation ist nahezu deckungsgleich mit denjenigen, die bereits im Februar 2015 den Cottbuser PEGIDA-Ableger „Cogida“ organisiert haben. Eine einheitliche und kosequente politische Linie ist bei Handta nicht zu erkennen. Seine bisherigen Bündnispartner lassen allerdings den Schluss zu, dass er ein klassischer Vertreter der Querfront-Strategie ist. Preußen- und umgedrehten Deutschlandfahnen prägen das Bild der 14-tägigen Kundgebungen wobei die Mobilisierung vor allem über Facebook erfolgt.
AfD
Wenn es um Wähler*innenfang mit Rassismus geht, darf die AfD nicht fehlen. Auch sie kündigte zum ersten Mal am 26.10. einen „Bürgerdialog“ im Stadthaus an, um zum „Widerstand gegen das Asylchaos“ aufzurufen. Dazu wurde die Vorsitzende der AfD Sachsen Frauke Petry angeheuert. Mit einem Aufmarsch am 04. November unter dem Motto „Asylchaos stoppen“ versuchte die AfD den Anschluss an die „Proteste“ zu schaffen und wollte von der sich aufheizenden Stimmung in Cottbus profitieren. Der Aufmarsch fand unter der Federführung des AfD Vorsitzenden Alexander Gauland statt. An den Aktionen der AfD beteiligten sich 150 Menschen im Stadthaus und rund 500 beim Aufmarsch. Cottbus ist für die AfD von strategischem Interesse. So soll der Brückenschlag von Dresden nach Berlin gelingen und sich die sächsischen Verhältnisse auch in Brandenburg ausbreiten. Cottbus wurde als Ort für die „Herbstoffensive“ der AfD unter dem Motto „Heißer Herbst in Deutschland – Heißer Herbst in Cottbus“ ausgewählt. Nachdem die radikalen rechten Strömungen innerhalb der AfD die Hoheit erlangt haben, setzt diese vermehrt auf eine offen rassistiche und nationalistische Rhetorik. Wenn Gauland von „Umvolkung“ und „der Auflösung Deutschlands in einem Strom fremder Menschen“ spricht, ist das ein klares Zeichen, dass der bürgerliche Mantel abgelegt wurde. Am 25.11. gab es erneut einen Aufmarsch gegen gefüchtete Menschen.
Unorganisierte Neonazis
Seien es NPD, Reichis oder AfD: im Umfeld der Veranstaltungen dieser Kreise finden sich immer die gleichen Gesichter wieder. Altbekannte und „neue“ Neonazis, sei es aus dem Fußballumfeld oder vom verbotenen „Widerstand Südbrandenburg“ sind auf oder in der Nähe dieser Veranstaltung anzutreffen. Es liegt nahe, dass ihnen momentan eine politische Heimat fehlt und sie in den „Protesten“ durchaus Anschlusspunkte erkennen. Meist sind diese zurückhaltend und fallen beim ersten Blick nicht weiter auf, jedoch ist das versteckte Gewaltpotenzial bei genauerer Betrachtung klar zu erkennen. Oft sind Kleingruppen im Umfeld der Aufmärsche und vor allem im Anschluss in den Stadtteilen unterwegs auf der Suche nach „Zielen“. Diese können im politischen Gegner, Flüchtlingen oder „normalen“ Bürger gefunden werden. Seit dem Beginn der „Proteste“ Anfang Oktober kam es im Stadtgebiet wieder vermehrt zu rechten Übergriffen.
Ereignisse
Nach der Demonstration am 23.10. in Sachsendorf kam es zu mehreren rechten Übergriffen im gesamten Stadtgebiet.
– Auch im Fußballmilieu bilden sich neue rechte Ableger.
Fazit
Wenn Staatsversagen inszeniert wird und Geflüchtete in den Medien vor allem als Problem erscheinen, gibt dies der rechten Bewegung Auftrieb. Auf der einen Seite verkünden unterschiedliche Parteien lautstark, dass „geflüchtete Menschen willkommen sind“ und auf der anderen Seite haben sie erst vor kurzem der Verschärfung des Asylrechts zugestimmt. Hier wird die ideologische Aufteilung in „legitime“ und „illegitime“ Menschen zugespitzt.
Aber auch die lokale Politik trägt ihren Teil bei, wenn der Cottbuser Bürgermeister davon spricht, dass „der Hahn zugedreht werden muss“ und der Präsident von Energie Cottbus einen Elternbrief gegen die vorübergehende Unterbringung von Geflüchteten in Turnhallen mitinitiiert. So bilden die Schreibtischtäter*innen aus Bundestag und Bundesrat, sowie lokale politische Größen den Nährboden für rassistische Hetze.
Unter diesen Bedingungen fühlen sich Neonazis, Reichsbürger*innen und Rechtspopulist*innen als Vertreter*innen des „wahren“ Volkswillens und glauben, selbst die vermeintlich bedrohte Deutsche Souveränität verteidigen zu müssen.
Nach der ersten Erregung hat sich das Protestpotenzial in Cottbus gerade etwas abgeschwächt, was sich im Zuge der Anschläge von Paris aber auch wieder ändern kann. Die Konkurrenz unterschiedlicher Parteien und Gruppierungen in Cottbus zersplittert die rechte Bewegung. Die Gemeinsamkeit ist der positive Bezug auf „das Volk“, doch ob damit das Staatsvolk, ein rassisch definiertes Volk oder ggf. die staatenlosen Deutschen gemeint ist, da gehen die Sichtweisen schon weit auseinander. Eine weitere Gemeinsamkeit ist „Merkel muss weg“, doch auch hier stehen die NPD und die AfD in direkter Konkurrenz zueinander und es bleibt unklar, ob lediglich bspw. Die Kanzleri ausgetauscht werden soll, oder aber ein Regime errichtet werden soll.
Trotz der Differenzen der einzelnen Akteure sehen wir das Resultat auf der Straße. Zwar sind in Cottbus die pogromartigen Krawalle wie in Heidenau oder Freital ausgeblieben, jedoch mehrt sich die Zahl rechter Angriffe doch immens. Weiterhin kam es im Südbrandenburger Raum zu Brandanschlägen, welche einen rechten Hintergrund sehr nahe legen.
Gegenproteste konnten in Cottbus ihre Wirksamkeit zeigen, indem sich verschiedene Gruppen frühzeitig mit den Geflüchteten solidarisierten. Organisationen und Parteien, welche sich für Geflüchtete stark machen, arbeiten trotz der Kritik an politischen Entscheidungen der Stadtspitze (Unterbringungskonzept) sowie auf Bundesebene (Asylrechtsverschärfung) zusammen. Das bedeutet Stärke und Schwäche zugleich, da rassistische Ansichten und Methoden in den staatlichen Institutionen hinter dem Mob, der sich auf den Straßen formiert, unbehelligt bleiben.
Insgesamt gilt es, dem rassistischen Grundton dieser Tage aktiv entgegenzutreten und vor allem Alternativen anzubieten. Dort wo es weiterhin Massenabschiebungen, immer höhere Grenzzäune und verschärfte Gesetze gibt, wo der rassistische Mob angsteinflößend durch die Straßen zieht und Schlipsträger das ganze legitimieren, dort brauchen wir Solidarität. Für ein menschliches Miteinander bedarf es nicht viel, lediglich dem Verständnis und den Respekt gegenüber den Bedürfnissen unserer Mitmenschen. Rassimus ist KEINE Alternative.
[Autonome Antifa Cottbus][November ’15]
Strausberg die BUNTE Stadt am See
Miteinander, Zusammenhalt und Solidarität werden bei uns großgeschrieben. So konnten wir schon eine Menge Aufgaben lösen, neue Ideen entwickeln und diese auch umsetzen. Die Ankunft vieler, vor Krieg, Gewalt und Hunger geflüchteter, Menschen hier bei uns, ist ohne Zweifel eine große Herausforderung.
Die Versorgung und Unterbringung notleidender Flüchtlinge, das Zusammenleben und ihre Integration verlangt allen Beteiligten viel ab: uns als Einwohnerinnen und Einwohner, den Gemeindeverwaltungen, Vereinen und Verbänden, Unternehmern, den vielen ehrenamtlich Engagierten. Auch für die geflüchteten Menschen ist es schwer, in der Fremde anzukommen.
Unsere Probleme, wie z.B. Wartelisten bei Kitas, zu große Klassen in Schulen, unzuverlässige S‑Bahnen, zu hohe Mieten, Hartz 4 etc. gibt es seit Jahren. Diese Probleme sind „made in Germany“. Anstatt aber die Probleme zu lösen, werden „plötzlich“ geflüchtete Menschen dafür verantwortlich gemacht.
Gegen alle Fakten will uns nun die selbsternannte „Bürgerbewegung Heimatland“ das Gegenteil einreden. Mit verlogenen und unmenschlichen Parolen behauptet sie, sich am 12.12. mit einer Demo in Strausberg-Vorstadt gegen „Asylbetrug“ und „Islamisierung“ wehren zu müssen. Sie tun so, als würden sie damit unser aller Meinung vertreten.
Doch Flüchtlinge als Sündenböcke auszumachen, hilft kein Stück, unsere Probleme zu lösen. Rassisten und Fremdenfeinde wollen drängende Fragen nicht beantworten, sondern für ihre Zwecke Unsicherheit schüren und ausnutzen. Keine einzige plausible Lösung schlagen sie vor.
Wir wollen und müssen uns gegen solche Leute und ihre Politik wehren, die fremdenfeindlich, rassistisch und deutschtümelnd daherkommen.