Wir sind traurig und zornig, weil vier Kinder und Jugendliche zwischen acht und 17 Jahren
abgeschoben wurden, die wir kennenlernen durften, mit denen wir zusammen spielten,
sangen und herzlich lachten, mit denen wir im April einen „echt coolen“ Ausflug in den
Wildpark Schorfheide machten (s. Fotos unten). Von ihnen hörten wir immer wieder, wie froh
sie waren, dass sich Menschen aus Wandlitz und Umgebung für die Flüchtlinge interessieren,
aber auch wie traurig sie waren, dass sie nicht regulär eine Schule besuchen konnten und
dadurch nicht so rasch deutsch lernten. Sie wurden vertröstet mit der „kurzen Übergangszeit,
bis Sie eine Wohnung bekommen und dann Ihre Kinder eingeschult werden“…
Nach einem halben Jahr in Wandlitz mussten sie sich am 15.07.2013 um 5.00 Uhr im
Übergangswohnheim bereit halten. Die Ausländerbehörde des Landkreises Barnim hatte die
Eltern mit einer schriftlichen Belehrung, die sie zu unterzeichnen hatten, informiert, dass sie
dann abgeholt und zum Flughafen Berlin-Tegel gefahren werden. Weiter hieß es:
„Für den Fall, dass Sie zum genannten Termin nicht in Wandlitz sind, kann angenommen
werden, dass Sie sich der Ausreise entziehen wollen.
Ich wurde heute darüber informiert, dass in diesem Fall die jeweilige zuständige
Ausländerbehörde die Haft zur Sicherung der Abschiebung beantragen wird.
Über die Mitnahme von 31 kg Reisegepäck (23 kg Gepäck und 8 kg Handgepäck) wurde ich
gleichfalls belehrt.“ (fett gedruckt im Original)
Die mitleidslose Amtssprache und die nur noch vage Hoffnung auf Erfolg der anwaltlichen
Schreiben und Petitionen bewirkte letztlich ein lähmendes Gefühl von Bedrohung durch eine
für die Betroffenen unfassbare gesetzliche Macht.
Keine Rolle spielten im konkreten „Fall“ bei dieser Aufforderung solche Kleinigkeiten wie die
Fluchtursachen, die mögliche Bedrohung in Polen und in Russland, der 40. Geburtstag des
Vaters am Tag vor der Abschiebung, diverse Vorerkrankungen und eine dringend notwenige
Operation der Mutter in der Woche davor, sie wurde erst am 12.07. aus dem Krankenhaus
entlassen.
So wundert es auch nicht, wenn die erneute Erkrankung der Mutter, die einen weiteren
Aufenthalt im Krankenhaus notwendig machte, wenn die verzweifelte Intervention des Vaters
und das Weinen der Kinder bei der Abholung in Wandlitz, auf der Fahrt nach Berlin, auf dem
Flughafen Tegel und beim Einchecken („Wir wollen nicht ohne unsere Mutter fliegen!“)
ignoriert wurden.
„Es hat alles seine Richtigkeit, wenn deutsche Gesetze angewandt und umgesetzt werden“,
wird die innere Rechtfertigung der vollziehenden Bediensteten sein. Aber wie immer gab es
auch hier einen Spielraum, ein Ermessen, das den Abbruch der Abschiebung wegen der
drohenden Trennung der Familie erfordert und gerechtfertigt hätte. Um weiteren seelischen
Schaden von der Familie abzuwenden, sollte dieser Fehler durch Rückkehr der Familie rasch
geheilt werden. Gesetze und Verordnungen, die solche Maßnahmen wie die durchgeführte
legitimieren, können nicht weiter hingenommen werden. Sie müssen geändert werden!
„Wo du herkommst, ist doch egal, du hast doch sowieso keine Wahl
Du fällst vom Himmel, irgendwann-irgendwo, das nennen die dann Heimat oder so.“ singt Udo
Lindenberg in „Keine Nationen und keine Staaten mehr“
Damit sie nicht als namenlose Objekte der Abschiebung verschwinden, und weil wir wollen,
dass sie hier in Deutschland eine Chance bekommen, zeigen wir sie hier als Menschen, als
Persönlichkeiten die uns fehlen. Wir fordern ihre sofortige Rückkehr in den Barnim!
Traurige und zornige Mitglieder der Verbindungsgruppe Bernau, der Barnimer Kampagne
„Light me Amadeu“ und des Kreisjugendkonvents Barnim, die sich im Rahmen der
evangelischen Jugendarbeit um akzeptierende Kontakte bemühen.
Kategorie: (Anti-)Rassismus
Aufgrund der Vorkommnisse und Negativberichte der letzten Wochen errichteten am heutigen Dienstag ca. 30 Refugees und Aktivist*Innen ein Informations‑, Kommunikations- und Solidaritätszelt vor dem Eingang der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber*Innen (ZAST) in Eisenhüttenstadt. Politisch motivierte Aufhebung der Gewaltenteilung, Hungerstreik im Abschiebeknast, Abschiebungen, unterlassene ausreichende rechtliche und medizinische Versorgung sowie Suizidversuche sind die Hauptgründe dafür. Wir möchten durch unsere Aktion die unhaltbaren Zustände in Eisenhüttenstadt weiter offenlegen und mit den Flüchtlingen in einen dauerhaften Kontakt treten, um Isolation zu brechen und fehlende unterstützende Infrastruktur auf- und auszubauen. Das Zelt, dass wir direkt vor dem Eingang der ZAST aufgebaut haben, dient als Informations‑, Kommunikations und Vernetzungszentrum, als Zeichen für eine erste Infrastruktur. Wir wollen mit den Flüchtlingen in der ZAST und dem Abschiebeknast in engeren Austausch treten und die Flüchtlinge, die sich seit fünf Tagen im Hungerstreik befinden, in ihren Forderungen weiter unterstützen. Wir fordern von der herrschenden Politik und ihren Behörden, diese legitimen Proteste einschließlich der Kontaktaufnahme und die Unterstützung für die Flüchtlinge zuzulassen. Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen! Wir unterstützen folgende Forderungen: — Aufhebung der Haft! — Aufhebung aller Abschiebebescheide! — fairer Zugang zu einem Asylverfahren! — freier Zugang zu externer, unabhängiger medizinischer und psychotraumatischer Versorgung! — freien und kostenlosen Rechtsschutz ermöglichen! — Zugang zu unabhängigen Dolmetscher*Innen! Wir werden uns nicht wie der Leiter Herr Wendorf an Hungerstreiks gewöhnen! Jeder Hungerstreik ist ein Hungerstreik zu viel! Den menschenverachtenden Isolationspraktiken muss ein entschlossenes und solidarisches Zeichen entgegengesetzt werden! Das Abschiebe- und Schweigekartell sowie das intransparente Verschwinden von illegalisierten Menschen muss beendet werden. Wir möchten alle Akteure der Eisenhüttenstädter Abschiebemaschinerie öffentlich unter Druck setzen. Es kann nicht sein, dass Menschen eingesperrt werden, weil sie ihr Grundrecht auf Asyl wahrnehmen. Wir fordern den Stop aller Abschiebungen und die Schließung des Abschiebeknastes in Eisenhüttenstadt! Kommt nach Eisenhüttenstadt und unterstützt den Kampf der preotestierenden Flüchtlinge und ihrer Unterstützer*Innen. Heute findet um 20:00 Uhr in Berlin auf dem refugee-camp am Oranienplatz eine Infoveranstaltung statt. Für morgen ist eine gemeinsame Busanreise um 09:00 Uhr vom Oranienplatz nach Eisenhüttenstadt geplant. Der Zugtreffpunkt für die gemeinsame Anreise ist um 10:00 Uhr am Ostbahnhof! Wir haben vor, vorerst bis Freitag zu bleiben. Außerdem ist für Freitag eine Demonstration ab 14.00 Uhr in Eisenhüttenstadt geplant. Letzte Info: Genadi Kokoladze, der sich im trockenen Hungerstreik befindet, wurde soeben von der Bundespolizei ins Krankenhaus gebracht! Solidarität muss praktisch werden! Asyl ist Menschenrecht!
Seit einigen Monaten schon stehen die ZAST (Zentrale Erstaufnahmestelle) und die Abschiebepraktiken der Eisenhüttenstädter Behörden in der Kritik. Nun offenbarte eine ARD-Reportage weitere Methoden des institutionellen Rassismus in der Oderstadt. Die Richterin Heidemarie Petzoldt verurteilt Geflüchtete nach eindeutig rassistischen Argumentationsmustern. So bezeichnete sie angeklagte Asylsuchende u.a. als “Asyltouristen” und als ein “Heer der Illegalen”.
Doch auch die antirassitischen Proteste gegen die Zustände in Eisenhüttenstadt lassen nicht ab. Nach der Demonstration Anfang Juni, bei der aufgrund der unhaltbaren Zustände in der ZAST und des Suizids von Djamaa Isu 250 Menschen protestierten, solidarisierten sich am Montag Antira-Aktivist*Innen vor dem Amtsgericht mit dem von Abschiebung bedrohten Usman Manir. Auch innerhalb des isolierten Areals in der Poststraße regt sich weiter Widerstand. Drei in Abschiebehaft befindliche Asylsuchende aus Georgien befanden sich vergangene Woche für fünf Tage im Hungerstreik.
“Justiz Gnadenlos”
Unter diesem Titel veröffentlichte am 02. Juli das ARD Politmagazin “Report Mainz” einen sieben minütigen Beitrag über die rassistischen Urteile der am Amtsgericht Eisenhüttenstadt tätigen Richterin Heidemarie Petzoldt. Geflüchteten werde systematisch und in ausfallender Art und Weise ihr Grundrecht auf Asyl abgesprochen. Teilweise werden angeklagte Flüchtlinge innerhalb von zehn Minuten verurteilt. Weiter unterstellt sie Asylsuchenden, dass “deren Lebensunterhalt in der Regel durch Straftaten verdient wird.[…] meist Schwarzarbeit”. Der Flüchtlingsrat Brandenburg spricht von “rassistischen Entgleisungen” und fordert Aufklärung. Weder Sprecher des Amtsgerichts, noch das Justizministerium in Potsdam wollten sich zu den Vorfällen äußern. Mitterweile beschäftigt sich jedoch die Staatsanwaltschaft Frankfurt(Oder) mit den umstrittenen Urteilen und der Art der Rechtssprechung. Auch der Republikanische Anwältinnen und Anwaltsverein und der Rechtsanwalt Volker Gerloff kritisieren die Vorgänge am Amtsgericht und bezeichnen die rassistischen Urteilsbegründungen “als eine Art richterlichen nationalen Widerstand”.
Verhandlung vor dem Amtsgericht am Montag
Am vergangenen Montag versammelten sich um 8:30 Uhr zehn Unterstützer*Innen des von Abschiebung bedrohten Usman Manir vor dem Amtsgericht in Eisenhüttenstadt. In einer nicht-öffentlichen Verhandlung sollte entschieden werden, ob die derzeitige Haft verlängert und eine Abschiebung am 18. Juli durchgeführt werden kann. Zwar war bei dieser Verhandlung Heidemarie Petzoldt nicht verantwortlich, doch tat sich die Justiz in Eisenhüttenstadt durch einen eindeutigen Rechtsbruch hervor. So wurde der Rechtsanwalt des Betroffenen nicht über die anstehende Verhandlung vom Amtsgericht informiert, erfuhr durch Zufall einen Tag vorher von der Verhandlung.
Usman Manir floh über Ungarn nach Deutschland. Er war dort Opfer eines höchstwahrscheinlich von Neonazis verübtem Übergriffs. Er erlitt dabei einen Schädelbasisbruch. Seit dem leidet er unter teilweisem Gehörverlust, Panikattacken und Schlafstörungen. Mehr als 50 Tage lang befand sich der 27-jährige in Abschiebehaft, ohne die Chance einen Asylantrag stellen zu können und ohne Zugang zu psychologischer Betreuung und ausreichender medizinischer Versorgung. Die geplante Abschiebung am 20. Juni am Flughafen Berlin-Tegel konnte durch die Unterstützung von Antira-Aktivist*Innen und eines couragierten Flugpassagiers verhindert werden. Danach wurde eine Online-Petition initiiert, die mittlerweile von mehr als 1600 Menschen unterschrieben wurde. Nach Übergabe der Petition an das Bundesinnenministerium am vergangenen Donnerstag wurde ihm die Überstellung von Antragspapieren und die Möglichkeit einer psychologischen Betreuung zugesichert. Trotz der Zusagen strengten die Behörden ein erneutes Verfahren gegen ihn an, ohne dass er vorher einen Asylantrag stellen konnte. Die Verhandlung am Montag ergab, dass die Haft bis zum 17. Juli verlängert wurde. Ein neuer Abschiebetermin wurde jedoch nicht festgelegt. Eins haben die Proteste bisher trotzdem erreicht: ein unabhängiger Arzt hatte am Montag die Möglichkeit Usman Manir im Abschiebeknast zu untersuchen.
Die Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt geriet Anfang Juni in die Kritik, weil sich der 20-jährige, aus dem Tschad geflüchtete, Djamaa Isu das Leben nahm. Auch er hat keinen Zugang zu psychologischer Betreuung erhalten.
Besuch unerwünscht
Nach der Verhandlung am Amtsgericht wollten die Aktivist*Innen auf das Gelände der ZAST, um sich mit Bewohner*Innen auszutauschen. Dies wurde jedoch durch den zuständigen Leiter der Einrichtung, Norbert Wendorf, behindert. Ohne konkrete Begründung verwehrte er den zehn Personen den Zugang zum Gelände, auf Nachfrage begründete er seine Entscheidung mit der Aussage: “Ich bin hier der Hausherr!”. Nach einer halbstündigen Diskussion ließ er die Gruppe jedoch hinein.
Drei georgische Flüchtlinge befanden sich vergangene Woche für fünf Tage im Hungerstreik. Ein Grund dafür war unter anderem die nicht-Zustellung von benötigten Bescheiden durch die Ausländerbehörde. Sie befinden sich weiterhin in Abschiebehaft.
Update: Seit Mittwoch steht eine längere und umfangreichere Version des “Report Mainz”- Bericht zur Verfügung
Aufruf zur Demo am 19. Juni 2013 um 15 Uhr am Potsdamer Hauptbahnhof (Babelsberger Str.) gegen die geplante Unterbringung von Flüchltingen in Containern im Industriegebiet. Wir laden alle ein, gemeinsam mit uns dagegen zu protestieren!
- Keine Containerunterbringung für Flüchtlinge!
- Keine Isolation!
- Keine Stigmatisierung!
—> JA zu einer offenen Integrationspolitik!
11.00 Uhr: Flüchtlingsselbstorganisationen laden zur Presskonferenz zum Thema ein.
Ort: Büro Refugees Emancipation e.V. — Raum 215, Dortusstr. 46, 14467 Potsdam
15.00 Uhr: Wir ziehen gemeinsam vom Potsdamer Hauptbahnhof (Babelsberger Str.) vor das Rathaus Potsdam.
Kontakt:
Flüchtlinsinitative Berlin-Brandenburg — 017661229968
Women in Exile — 017632920586
Children Voices — 017666017007
Refugees Emancipation — 017636266043
Email: info@refugeesemancipation.com
Unterstützt von: Flüchtlingsrat Brandenburg
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Human beings are not Goods! No Containers for Refugees in Potsdam!
Demonstration from Potsdam Hauptbahnhof(Babelsberger str.) Wednesday,June 19, 2013 — 15:00HRS
All are invited to protest against the famous draft to put refugees on containers in Potsdam.
- No to container housing for Refugees
- No to Isolation
- No to stigmatisation
–> Yes to Open Integration
11:00 Press Conference (FSO) Dortustr 46; 14467 Potsdam in the Office of Refugees Emancipation, Room 215
3:00 p.m. Begin Demonstration from Potsdam Hauptbahnhof( Babelsberger str) towards the Rathaus Potsdam
Contact:
Flüchtlinsinitative Berlin-Brandenburg — 017661229968
Women in Exile — 017632920586
Children Voices — 017666017007
Refugees Emancipation — 017636266043
Email: info@refugeesemancipation.com
Supported by: Flüchtlingsrat Brandenburg
250 Menschen demonstrierten heute in Eisenhüttenstadt gegen die unhaltbaren Zustände in der Zentralen Erstaufnahmestelle (ZAST). Ein Grund für den Protest war der Suizid eines aus dem Tschad Geflüchteten, dem eine Abschiebung nach der Dublin-II Verordnung drohte. Vor Beginn der eigentlichen Demonstration verschafften sich die Protestierenden Zugang zu dem Gelände der ZAST, solidarisierten sich mit den Bewohner_innen und inhaftierten Flüchtlingen. Einige versuchten sogar, die Zäune zum Abschiebegefängnis zu überwinden. Nach den Geschehnissen zog eine lautstarke Demonstration durch das Zentrum der Stadt und endete wieder an der ZAST. Bereits am Samstag demonstrierten 150 Menschen in Göttingen.
Gegen 16 Uhr liefen nahzu alle angereisten Menschen auf das sonst streng bewachte Gelände und hielten eine Schweigeminute für den am vergangenen Dienstag gestorbenen Djamaa Isu im Innenhof der ZAST. Es wurden Kerzen entzündet und Blumen niedergelegt. Freund_innen und Bewohner_innen drückten ihren Unmut über die derzeitigen Lebensbedingungen in der ZAST aus und machten diese mitverantwortlich für die Selbsttötung. Danach gingen Bewohner_innen und Angereiste zu dem Abschiebegefängnis, welches sich in direkter Nähe zu dem Gelände der ZAST befindet. Neben lautstarken Solidaritätsbekundungen, versuchten Einige die Zäune zum Gelände des Abschiebegefängnisses zu überwinden, was für Jubelszenen unter den gefangenen Flüchtlingen sorgte.
Angeführt von zahlreichen Bewohner_innen der ZAST zog danach eine Demonstration zum Eisenhüttenstädter Rathaus. Lautstark und somit unüberhörbar verlief die Demonstration durch die Innenstadt und auf anderer Strecke wieder zurück zur Zentralen Aufnahmestelle. Passant_innen erhielten Flyer, die über den Suizid und die menschenunwürdigen Zustände in der Einrichtung informierten. Einige Jugendliche schloßen sich daraufhin der Demonstration an, andere Passant_innen äußerten sich aber auch abfällig über den Protest. Mindestens einmal provozierten Neonazis am Rand der Demonstration. Es wurde zudem einmal der Hitlergruß gezeigt. Auf der Rückreise Richtung Berlin provozierten Polizeibeamte mehrmals. Im Bahnhof Alexanderplatz wurden Teilnehmer_innen ohne ersichtlichen Grund geschlagen und in eine U‑Bahn Station getrieben.
Der Suizid von Djamaa Isu erregte überregionales Medieninteresse in der sonst eher beschaulichen Kleinstadt an der Oder. Auch die unhaltbaren Zustände in der ZAST wurden wieder verstärkt thematisiert. Der Flüchtlingsrat Brandenburg forderte zudem eine Untersuchung der Umstände, die zum Suizid führten. Der Leiter von ZAST und Abschiebegefängnis, Herr Wendorf, bezeichnete in einem RBB-Beitrag die Demonstration als „makaber“ und zeigte kein Verständnis für den Protest. Doch nicht nur die Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt steht nun unter Druck, auch das Innenminsterium und die rot-rote Landesregierung können nicht weiter tatenlos zusehen, wenn die regressive Asylpolitik Brandenburgs Menschen in den Tod treibt.
Wir wissen wenig über ihn und sein Leben: Er kam aus dem Tschad, war über Italien eingereist und seit dem 22. März 2013 in der Erstaufnahmeeinrichtung Brandenburgs. Von Karlsruhe war er nach Eisenhüttenstadt geschickt worden und auf seinem Weg dorthin in Dresden Opfer eines Überfalls, vermutlich von Rechtsradikalen, geworden. So hatte er berichtet.
Von der unabhängigen Beratungsstelle vor Ort und von seinen Freunden haben wir erfahren, dass er offensichtlich große psychische Probleme hatte. Seine Freunde berichten, er sei kaum noch aus seinem Zimmer gekommen. Sie machen eine drohende Überführung nach Italien für seinen Tod verantwortlich. Er habe einen Brief bekommen, dass er Deutschland wieder verlassen soll und habe angekündigt, sich selbst zu töten, als die Abschiebung fest stand.
DJAMAA ISUS TOD BESTÜRZT UNS UND WIRFT VIELE FRAGEN AUF:
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Wie konnte es geschehen, dass weder dem Betreuungs- noch dem medizinischen Personal auffiel, in welcher Verfassung er ist?
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Wie konnte es geschehen, dass ihm keine entsprechende therapeutische Unterstützung angeboten wurde?
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Wenn er tatsächlich seine Selbsttötung angekündigt hatte, warum konnten seine Freunde dies niemandem in der Erstaufnahmeeinrichtung anvertrauen und sie so möglicherweise verhindern?
WIR FORDERN DESHALB EINE UNTERSUCHUNG DER UMSTÄNDE, DIE ZUM SUIZID VON DJAMAA ISU FÜHRTEN. EINE UNTERSUCHUNG, UNTER BETEILIGUNG EINER UNABHÄNGIGEN UND FACHKUNDIGEN ORGANISATION, DIE DIESEN FRAGEN NACHGEHT UND MÖGLICHE KONSEQUENZEN EINLEITET.
WIR SORGEN UNS AUCH UM DJAMAA ISUS FAMILIE, UM SEINE FREUNDE UND SEIN UMFELD IN DER ERSTAUFNAHME IN EISENHÜTTENSTADT:
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Ist es gewährleistet, dass die Angehörigen im Heimatland in würdiger Form informiert werden?
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Gewährleisten die Verantwortlichen die psychologische und/oder seelsorgerische Begleitung der anderen Asylsuchenden in der Erstaufnahme, insbesondere der Zimmernachbarn und Freunde von Diamaa Isu?
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Werden sie angemessen dabei unterstützt, eine Trauerfeier zu gestalten?
WIR FORDERN DIE VERANTWORTLICHEN DESHALB AUF, TRANSPARENT ZU MACHEN, WELCHE SCHRITTE SIE UNTERNEHMEN, UM ALLE ASYLSUCHENDEN IN DER ERSTAUFNAHME ZU INFORMIEREN UND IN IHRER TRAUER ZU BEGLEITEN.
DJAMAAS ISUS TOD MACHT UNS BETROFFEN UND ZORNIG:
Gemeinsam mit dem Brandenburger Netzwerk KFB (Netzwerk für die Erfassung und Versorgung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge) haben wir das Innenministerium mehrfach auf die mangelhafte medizinische und psychologische Versorgung in Eisenhüttenstadt aufmerksam gemacht — ohne dass sich Wesentliches verändert hätte.
Seit langem fordern wir eine unabhängige Stelle, die bei allen Asylsuchenden zu Beginn ihres Aufenthalts feststellt, welcher individuelle Bedarf an psychotherapeutischer und psychosozialer Versorgung besteht.
WIR FORDERN DIE LANDESREGIERUNG DESHALB ERNEUT AUF, UNTER EINBEZIEHUNG VON PSYCHIATRISCHEN UND PSYCHOLOGISCHEN FACHPERSONAL EINE GEEIGNETE STELLE ZUR ERSTDIAGNOSTIK EINZURICHTEN.
Rassismus tötet
Am Mittwoch, den 28. Mai, nahm sich ein 21-jähriger Geflüchteter in der Zentralen Aufnahmestelle für Asylsuchende (ZAST) in Eisenhüttenstadt das Leben. Die Berliner Initative fels berichtet, dass der aus dem Tschad Geflohene noch am vergangegen Samstag an der Großdemonstration zum 20. Jahrestag der Abschaffung des Asylrechts in Berlin teilnahm. Dem jungen Mann, der nach Angaben des Flüchtlingsrats in Dresden Opfer eines rassistischen Übergriffs wurde, drohte im Rahmen der Dublin-II-Veordnung zum 29. Mai die Abschiebung nach Italien. Ein Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums teilte gegenüber dem RBB indes mit, zu den Hintergründen der Tat keine Angaben machen zu können. Ein Abschiedsbrief liege nicht vor.
Über die katastrophalen Lebensumstände in der ZAST wurde immer wieder berichtet (1 / 2 / 3 / 4). Laut dem Flüchtlingsrat Brandenburg gab es dort trotz aller Proteste, die unter anderem auf die mangelhafte psychosoziale Betreuung der Menschen vor Ort aufmerksam machten, keine wesentlichen Verbesserungen.
Bereits seit letzten Sonntag wird für eine Demonstration gegen Abschiebung, Lager und Residenzpflicht in Eisenhüttenstadt mobilisiert. Die Sprecherin von fels, Hannah Schuster, ruft nun „zur Solidarität mit den Geflüchteten und zur Teilnahme an der Demonstration in Eisenhüttenstadt am Montag auf.“ Die Demonstration startet um 16 Uhr an der Zentralen Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt und führt von dort aus ins Stadtzentrum. Zugtreffpunkt für aus Richtung Berlin Anreisende ist um 13 Uhr am Ostbahnhof.
Die letzte Demonstration gegen den Abschiebeknast und die ZAST in Eisenhüttenstadt fand 2009 statt. Damals wurden nicht nur die widrigen Lebensumstände und die restriktive Asylpolitik thematisiert, sondern auch auf den Fall von Alice K. aufmerksam gemacht. Sie wurde 2003 mehrere Stunden lang im Abschiebegefängnis durch Fesselung gefoltert.
Eisenhüttenstadt — Aus Eisenhüttenstadt erreichte uns die traurige Nachricht, dass sich ein junger Mann aus dem Tschad, der seit zwei Monaten in der ‘Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt’ war, das Leben genommen hat. Von der unabhängigen Beratungsstelle vor Ort und seinen Freunden haben wir erfahren, dass er offensichtlich große psychische Probleme hatte und zu dem befürchten musste, nach Italien überführt zu werden. Seine Freunde berichten, er sei kaum noch aus seinem Zimmer gekommen, Berater von außerhalb sagen, er sei psychisch auffällig gewesen. Das wirft die Frage auf warum weder das Betreungs- noch das Medizinische Personal davon Kenntnis hatten und eine entsprechende psychologische Versorgung eingeleitet haben. Gemeinsam mit dem brandenburger Netzwerk KFB (Netzwerk für die Erfassung und Versorgung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge) haben wir das Innenministerium mehrfach auf die mangelhafte medizinische und psychologische Versorgung in Eisenhüttenstadt aufmerksam gemacht – ohne dass sich Wesentliches verändert hätte.
Außerdem haben wir gerade erfahren, dass er auf seinem Weg durch Deutschland in Dresden Opfer eines rechtsradikalen Übergriffs wurde. Die Opferberatungsstelle in Dresden recherchiert noch. Wir werden weiter informieren.
In Eisenhüttenstadt befindet sich die “Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber” in Brandenburg. Das bedeutet, dass jeder Flüchtling, der in Brandenburg einen Asylantrag stellt, ins Lager in Eisenhüttenstadt geschickt wird, wo er oder sie während des Asylverfahrens leben muss, bis er oder sie entweder in ein anderes Brandenburger Lager umverteilt oder aber abgeschoben wird. Teil des Lagers ist ein Abschiebegefängnis, wo abgelehnte Asylbewerber_innen eingesperrt werden, um sie direkt abzuschieben.
Unter der Trägerschaft einer Sicherheits- und Wachschutzfirma namens B.O.S.S. ist die Situation im Lager zunehmend schlecht: die Räumlichkeiten sind überfüllt, die Toiletten- und Duschräume sind zu knapp und schmutzig. Den Flüchtlingen werden nötige Informationen vorenthalten. Security-Mitarbeiter sind überall. Die Flüchtlinge sind isoliert im Lager, für viele von ihnen ist es — wegen der “Residenzpflicht” — nicht erlaubt, nach Frankfurt oder Berlin zu fahren, um etwa eine Anwältin oder eine Beratungsstelle aufzusuchen, ohne dafür eine spezielle Erlaubnis zu beantragen. Die Flüchtlinge können nicht wählen, was sie essen möchten, da es jeden Tag das gleiche, schlechte Essen in der Heimkantine gibt. Menschen werden direkt aus ihren Zimmern abgeschoben, vor den Augen der anderen, Abschiebungen können jederzeit stattfinden. Das erzeugt eine Atmosphäre der Angst im ganzen Lager.
Kranke Flüchtlinge werden von einer der beiden Krankenschwestern, “Schwester Sabine”, angeschrien, warum sie kein Deutsch sprechen würden. Wer sich über diese rassistische Behandlung beschwert, bekommt Besuch von Lagermitarbeiter_innen, die sagen, dass sie sich nicht beschweren sollen. Erst vor wenigen Tagen verlor eine Frau ihr ungeborenes Baby, nachdem sie bereits über drei Monate schwanger geworden war, unter dem enormen Psychostress einer unmittelbar drohenden Abschiebung von ihr und ihrer Familie.
Aufgrund all dieser Tatsachen rufen wir zu einer Demonstration in Eisenhüttenstadt auf und fordern:
- Abschiebungen stoppen! Den Abschiebeknast abschaffen!
- Bessere Gesundheitsversorgung und Sanitäranlagen!
- Zugang zu notwendigen unabhängigen Informationen! / Keine Infos vorenthalten!
- Bewegungsfreiheit — Residenzpflicht (ganz) abschaffen!
- Keine Polizeikontrollen um das Lager herum!
- Besseres Essen — oder Geld, so dass die Flüchtlinge sich ihr Essen selbst kaufen können!
Schreckliche Neuigkeiten: Am 28. Mai hat sich ein Geflüchteter im Lager das Leben genommen, kurz vor seiner geplanten Abschiebung nach Italien.
In Trauer und Solidarität.
Treffpunkt, um gemeinsam von Berlin aus zur Demo in Eisenhüttenstadt zu fahren: Montag, 03.06., 13:00 Uhr, Ostbahnhof, Gleis 2 (Der Zug fährt um 13:31 Uhr, aber wir brauchen etwas Zeit, um Tickets zu organisieren etc., also lasst uns rechtzeitig treffen)
[en]
In Eisenhüttenstadt there is the “Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber”, the central refugee camp, in Brandenburg. That means that every refugee that is seeking asylum in Brandenburg is sent to the lager in Eisenhüttenstadt, where they have to live during their asylum process until they get transfered to another lager in Brandenburg or are deported. Part of the lager is a deportation prison where rejected asylum seekers are brought to deport them directly.
Governed by a security company named B.O.S.S., the situation is increasingly bad: the rooms are crowded, the toilet and shower rooms are insufficient and lacking hygiene. Necessary and important information withhold from the refugees. There is security staff present everywhere. Refugees are isolated in the camp. For the majority of them it’s not allowed to travel to Frankfurt or Berlin for a lawyer or councelling center without applying for a special permission, because of the “Residenzpflicht”. The refugees cannot select what they want to eat, because they served the same monotone, low quality canteen food every day. People are deported right from their rooms, in front of the eyes of the others. Deportations can happen at all times. This is creating a depressing atmosphere of fear in the entire camp.
Refugees who suffer from any kind of diseases are screamed at by the one of two nurses, called “Schwester Sabine”, when seeking medical advice. Doing this, she confronts the refugees with the question “why don’t You speak German”. Refugees who complain about this racist treatment are later on visited by other lager staff and pressured not to complain further. Just a few days ago, a woman lost her unborn baby after having been pregnant more than three months, under the enormous stress caused by the threatening deportation of her and her family.
Because of all these facts, we call out for a demonstration in Eisenhüttenstadt and demand:
- Stop deportation! Abolish the deportation prison!
- Better healthcare and sanitation!
- Access to independent information! / Stop keeping information away!
- Freedom of movement — abolish Residenzpflicht!
- Stop police controls around the camp!
- Better food – or the money directly so we can buy our own food!
Latest terrible news: The 28th of may, a refugee has committed suicide, shortly before his planned deportation to Italy.
In grief and solidarity.
Meeting point in Berlin to go by train to the demonstration in Eisenhüttenstadt: Monday, 3rd of June, 1 p.m., Ostbahnhof, platform 2 (the train leaves at 1:31, but we need a little time before to organize tickets etc., so let’s meet on time)
Um die 25 Neonazis aus Südbrandenburg, darunter auch aus Guben nahmen daran teil. Zu den Rednern gehörten unter anderem Pierre Dornbrach (Bundesvorstand der JN) und Ronny Zasowk (Leiter des Kreisverbandes Lausitz). Mit rassistischen Parolen gegenüber Geflüchteten und einen angeblichen “Asylmißbrauch” versuchten die Neonazis vor der Kulisse mehrerer Hundert Menschen, welche gleichzeitig am selben Ort die Jugendweihe feierten, Aufmerksamkeit zu erzielen.
Da die Polizei ihre Informationen bezüglich der Anmeldung der Veranstaltung gern für sich behält, war Protest gegen die Kundgebung nur bedingt und in kleinem Rahmen möglich. Vermutlich sollten die in der Stadthalle stattfindenden Feierlichkeiten zur Jugendweihe nicht gestört werden. So war nur spontaner antifaschistischer Protest möglich. Trotzdem versammelte sich eine kleine Gruppe von Antifaschist_Innen und stellten sich mit Transparenten und Fahnen der Neonazi-Kundgebung entgegen.