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Antifaschismus Law & Order

Verfahren gegen Oranienburger Antifaschist*innen eingestellt

Nach­dem bere­its im Juni das Lan­des­gericht Neu­rup­pin, die Haus­durch­suchung als rechtswidrig ein­stufte, fol­gte nun als Kon­se­quenz die Ein­stel­lung des Ver­fahrens wegen Ver­leum­dung und Ver­stoßes gegen Kunsturheberrecht.

Die Staat­san­waltschaft, welche die Ermit­tlun­gen führte und die Haus­durch­suchung beantragte, stellte nun „nach inter­nen Recherchen“ fest, dass Volk­er Hell­riegel „den recht­sori­en­tierten” Andreas Rokohl vertei­digt hat, sowie auch der Vertei­di­ger, von NPD Mit­gliedern aus Ober­hav­el ist (Reimar Leib­n­er, Lore Lierse). Weit­er­hin war festzustellen, das er ein­mal Vertei­di­ger eines Beschuldigten war, welchem vorge­wor­fen wurde, Plakate der Partei “Die Linke” beschädig zu haben”. (Fehler im Orig­i­nal) Das dies nicht schon in den 12 Monat­en Ermit­tlun­gen vor der Haus­durch­suchung „intern“ her­aus­ge­fun­den wurde, ist mehr als ver­wun­der­lich. Auf­grund dieser „inter­nen Recherche“, kommt die Staat­san­waltschaft zur sel­ben Schlussfol­gerung, wie bere­its der Anwalt der Genoss*innen, dass der Begriff Neon­azian­walt einen Anwalt meint, welch­er „Per­so­n­en mit rechter Gesin­nung ver­tritt und nicht – wie zuvor angenom­men – auss­chließlich die Gesin­nung dieses Anwalts widerspiegelt.“

Auch der Vor­wurf des Ver­stoßes gegen das Urhe­ber­recht, kon­nte nun die Staat­san­waltschaft nicht mehr sehen, da „sich keine Anhalt­spunk­te [ergeben], dass der Anzeigen­er­stat­ter [Volk­er Hell­riegel] die Home­page allein ver­fasst hat und damit Urhe­ber der Home­page ist“.

Ten­den­z­iöse Ermit­tlun­gen im Vorfeld

Im Laufe der acht Monate, seit der Haus­durch­suchung, haben die Genossen*innen Abfra­gen beim Lan­deskrim­i­nalamt und dem Bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutz gemacht, wodurch bekan­nt wurde, dass in den ver­gan­genen Jahren mehrere Ver­fahren, gegen einzelne Mit­glieder geführt wur­den. Nach Durch­sicht der Akten kam der „Antifa-Anwalt“ zu dem Entschluss, dass es sich um ten­den­z­iöse Ermit­tlun­gen durch den Staatss­chutz Ober­hav­el han­delt. Hier ein paar Auszüge der Ver­fahren, die zeigen mit welch­er Moti­va­tion der StaSchu Oranienburg/Oberhavel arbeitet.

U.a. wur­den Ver­fahren wegen „Vortäuschen ein­er Straftat” geführt, da in einem Artikel der Antifa Gruppe Oranien­burg zur Anti­ras­sis­mus­demon­stra­tion 2010 stand: „Einige Nazis grüßten mit dem Hit­ler­gruß aus ihren Woh­nun­gen in der Lehnitzs­traße“. Auf­grund dessen, dass ein Ver­stoß gegen §86a von Amtswe­gen ver­fol­gt wer­den muss, macht­en sich die Beamten sofort an die Ermit­tlun­gen. Dabei stellte der zuständi­ge Staatss­chutzbeamte fest, dass „nie­mand [gemeint sind die einge­set­zten Beamten] eine solche Straftat bemerkt [haben] und auch Zeu­gen melde­ten sich nicht“. (Fehler im Orig­i­nal). Die Schlussfol­gerung des Staatss­chutzbeamten ist daher, dass „die Straftat nur vor­getäuscht wurde, um […] als Antifa Oranien­burg […] Oranien­burg als eine Hochburg der recht­en Szene darstellen zu kön­nen“. Diese Ermit­tlun­gen, die man nun gegen Unbekan­nt führen sollte, wur­den allerd­ings sofort einem Genossen zuge­ord­net. Der Beamte schreibt dazu: „Die Anzeige richtet sich nun gegen den [Beschuldigten], weil dieser dafür bekan­nt ist Berichte dieser Art und Weise für Zeitun­gen und Plat­tfor­men […] zu ver­fassen“. Woher diese Erken­nt­nisse stam­men wird nicht mit­geteilt, auch nicht um welche Zeitun­gen oder Plat­tfor­men es sich dabei han­deln soll.

In einem ähn­lich gelagerten Ver­fahren, (es geht um einen Chronik Ein­trag vom 03.04.2010 wegen eines Hit­ler­grußes) ver­sucht­en die Staatss­chutzbeamten her­auszufind­en, wer unsere dama­lige E‑Mail-Adresse betreut. Dabei hat­ten sie bere­its „die Erken­nt­nis“, dass der Schreiber wieder nur der oben beschriebene Genosse sein könne, da dieser als Press­esprech­er in Zeitun­gen auftritt und auch an öffentlichen Ver­anstal­tun­gen, wie dem schein­bar vom Staatss­chutz überwacht­en Tre­f­fen des zivilge­sellschaftlichen Bünd­niss­es „Forum gegen Ras­sis­mus und rechte Gewalt Oranien­burg“ teil­nahm. Auch in diesem Fall erwäh­nen die Staatss­chutzbeamten, dass dieses Mit­glied Zeitungsar­tikel ver­fassen würde, ohne einen Nach­weis zu brin­gen. Um an die nöti­gen Erken­nt­nisse zu gelan­gen, wurde der Genosse polizeilich Vorge­laden. Sein Nichter­scheinen, sahen die Beamten als „unko­op­er­a­tives Ver­hal­ten“ an, weshalb sie nun Haus­durch­suchun­gen (ins­ge­samt drei) beantragten. Genauer ste­ht im Antrag, auf die Haus­durch­suchung, dass der Beschuldigte (ger­ade eben ging es noch darum, dass er Erken­nt­nisse zu Straftat­en geben kön­nte) durch den Staatss­chutz „immer mal ver­sucht [wurde] zu erre­ichen“, aber den Gespräch­sange­boten nicht nachkam. Oder anders gesagt: Auf­grund dessen, dass er seine Rechte wahrnahm, wurde hier ver­sucht seine Grun­drechte zu beschneiden. 

Die Staat­san­waltschaft, wollte allerd­ings keine Haus­durch­suchung zulassen, da die Ermit­tler „erneut darauf hingewiesen“ wur­den, dass es „eines begrün­de­ten Ver­dachts“ vor­raus­set­zt. Doch die Ermit­tlun­gen beruht­en auss­chließlich auf „vagen, vor­liegend zudem rein speku­la­tiv­en Annah­men“. Wegen, der Vortäuschung, der Straftat stellte die Staat­san­waltschaft fest, dass es hier eine „sehr vage Ver­mu­tung“ sei, da „die Fest­stel­lung, dass kein­er der […] Polizeibeamten [und auch keine Zeu­gen] auf der­ar­tige Hand­lungsweisen hin­wiesen, [diese bewusst] vor­getäuscht sind“. Klar­er kann eine Absage an ten­den­z­iös­er Ermit­tlung wohl nicht sein.

Auf den recht­en Auge (deut­lich) blind

Doch in den Ver­fahren, machte sich – neben dem Ver­fahren von Hell­riegel – der Staatss­chutz, auch gern zum Spiel­ball von Neon­azis. So tätigte, der Oranien­burg­er Neon­azi, Patrick Schulz eine Anzeige gegen Unbekan­nt, da in einem Bericht, zu einem Neon­azi­auf­marsch am 01.05.2010 in Berlin, an dem Schulz teil­nahm, sein Name und ein Foto der Demon­stra­tion zu sehen war. Außer­dem, standen bekan­nte Infor­ma­tio­nen über ihn, in dem Artikel, dass er eine Haft­strafe, wegen eines Bran­dan­schlags auf die Linksparteizen­trale absitzen musste und Mit­glied der neon­azis­tis­chen Kam­er­ad­schaften „Sturm Oranien­burg“ und „Kam­er­ad­schaft Märkisch Oder Barn­im“ war. Er sel­ber sagte aus, dass „die Angaben, welche in diesem Artikel enthal­ten sind, zwar der Wahrheit entsprechen, aber Nie­man­den was ange­hen.“ Es han­delt sich um einen – laut einem Oranien­burg­er Jugen­drichter – unbelehrbaren, welch­er mehrfach rechte Straftat­en beg­ing, in organ­isierten Kreisen unter­wegs ist und bin­nen 3 Jahren an mehr als ein Dutzend Neon­azi­aufmärschen teil­nahm. Dies sind sehr wohl Infor­ma­tio­nen, die von Inter­esse sind für Engagierte Men­schen in Oranienburg.

Der Gipfel der Absurdität

Ein weit­eres Ver­fahren wegen Ver­leum­dung, wurde durch den ehe­ma­li­gen Hohen Neuen­dor­fer Wirt, Rene Wern­er, aus­gelöst. In sein­er Anzeige ver­sucht Rene Wern­er, den Ham­mer als unpoli­tis­chen Wikinger­laden zu beschreiben, gibt aber zu, dass „vere­inzelt mal Rechte vor­bei“ kom­men, welche er an den Schriftzü­gen “White Pow­er oder 88“ erken­nen würde. Auch der Bekan­nte Neon­azi, Sascha Stein, sei „alle zwei Monate“ vor­beigekom­men, „weil es nur [im Ham­mer] Kirsch­porter gäbe“. Zu Stein habe er „gehört, dass [seine Nazi­ak­tiv­itäten] Ver­gan­gen­heit [sei] und er jet­zt nichts mehr der­gle­ichen macht“. Dass Stein einen recht­en Szeneladen in Oranien­burg zeit­nah betrieb, war wohl nur ein dum­mer Zufahl. Allerd­ings schien Wern­er, Steins Gesin­nung, wenig zu kümmern:
“Stein [ben­immt] sich wie jed­er andere Gast“. In ein­er weit­eren Anzeige, gab er erneut zu, dass „sich hin und wieder Per­so­n­en recht­en Klien­tels bei mir befind­en“ und beklagt „ich kann die nicht ein­fach rauss­chmeißen“. Gle­ichzeit­ig gab er zu, seine Tex­til­pro­duk­te, im neon­azis­tis­chen Laden, „On The Streets“ gedruckt zu haben. Als Grund gab er an, dass die Shirts nor­mal 24€ gekostet hät­ten und mit der ver­rä­ter­ischen „On The Streets“ Wer­bung, nur 8 € gekostet hät­ten und er ja „Geschäfts­mann“ sei. Die grund­sät­zliche Kri­tik daran, über­haupt bei Neon­azis druck­en zu lassen, ver­stand er nicht. So gab er sich pseu­do-geläutert: „[als] ich dann erfahren hat­te, was das für ein Laden war, habe ich die Logos nicht mehr rauf­druck­en lassen“. Außer­dem verkaufe er die Shirts nicht, son­dern ließ sie für seine „Bedi­enung anfer­ti­gen […] um zu zeigen, dass wir in den Laden gehören“. 

Im Laufe des Ver­fahrens, besucht­en zwei Staatss­chutzbeamte, Rene Wern­er in der Kneipe für ein „per­sön­lich­es Gespräch“. In diesem „per­sön­lichen Gespräch“ äußerte sich Rene Wern­er, bezüglich ein­er Sachbeschädi­gung, durch Farbe an sein­er Kneipe. Er habe „durch eine Per­son, dessen Namen er nicht näher ken­nt, erfahren, […] dass diese Aktion durch Mit­glieder der Antifa Oranien­burg durchge­führt wurde.“. Kurioser­weise, kon­nte Herr Wern­er einen Genossen beschreiben, ohne dass es je zu einem Kon­takt der bei­den kam. Dabei benan­nte Herr Wern­er ein offen­sichtlich­es Pseu­do­nym, welch­es der Staatss­chutz – ohne Hin­weis wie sie darauf kom­men – einem Genossen zuord­neten. Ohne, das der Genosse je zu ein­er poli­tis­chen Straftat verurteilt wurde, ist ein Akten­ver­merk mit den Worten „hin­re­ichend polizeilich bekan­nt“ und „Gewaltäter linksmo­tiviert“ zu lesen. Die unbekan­nte Mit­telsper­son von Rene Wern­er, hat­te ange­blich zu diesem Genossen Mailkon­takt, in dem der Genosse „ver­suchte ein­er direk­ten Antwort auszuwe­ichen [aber auch nichts] verneint“ habe. Fern­er soll der Genosse sich dahinge­hend geäußert haben weit­er­hin „gegen die Lokalität […] zu arbeit­en“. Inter­es­san­ter­weise gibt es keine Belege für diese Mails oder Aus­sagen, denn die Mails sind nicht mehr vorhan­den und der Mit­tels­mann ist sowohl Rene Wern­er und auch dem Staatss­chutz nicht bekan­nt. Doch dies, reichte den Beamten, um ein Ver­fahren wegen Sachbeschädi­gung, gegen den Genossen zu führen – noch mal – wegen nicht vorhan­den­er Mails, ein­er unbekan­nten Person.

Ein weit­er­er Neon­azi, Chris­t­ian Hei­dinger, stellte eben­falls Anzeige wegen Ver­leum­dung, da er als „rechter“ beze­ich­net wurde und dies nicht sei. Lei­der gab es in dem Artikel, gegen den er kämpfte, ein Bild von ihm, auf ein­er Neon­azide­mo in Berlin, mit dem Mot­to: „vom nationalen Wider­stand zum nationalen Angriff“. Was er als Nicht-Rechter dort suchte, bleibt wohl sein Geheimnis.

Faz­it

Es ist erschreck­end, zu sehen, wie sehr sich der Staatss­chutz Ober­hav­el, darin bemüht die Antifa Gruppe Oranien­burg bzw. einzelne Genossen zu krim­i­nal­isieren. Noch erschreck­ender wird es, wie gern Sie dabei Angaben von Neon­azis, für das Ver­fahren übernehmen und nicht nach­prüfen. In diesem Kon­text betra­chtet, kann die Haus­durch­suchung vom Feb­ru­ar, nur einen Grund haben: Ein geziel­ter Angriff auf die Unver­let­zlichkeit des Wohn- und Pri­va­traums. Fern­er, ist es ein Ver­such der psy­chis­chen Kriegs­führung und des Druck­auf­baus. Hier­bei, geht es um die Deu­tung­shoheit zum The­ma Neon­azis, welchen der Staatss­chutz nicht (mehr) hat. 

Hier zeigt sich auch, dass der Staatss­chutz, kein Bünd­nis­part­ner von zivilge­sellschaftlich­er Arbeit sein kann und darf, wie es lange Zeit in Oranien­burg üblich war. Er ist ein nicht demokratisch überwacht­es Organ, welch­es sich in Oranien­burg zum Werkzeug von Neon­azis gemacht hat und demokratis­che Ini­tia­tiv­en aus­nutzten, überwachen und Antifaschis­ten krim­i­nal­isieren wollte. Die demokratis­che Legit­i­ma­tion, für den Kampf gegen Neon­azis, in Oranien­burg, hat immer noch die örtliche Zivilge­sellschaft, in welch­er wir aktiv sind – und nicht bezahlte Rechtsbrecher!

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Antifaschismus Arbeit & Soziales Law & Order

Archiv e.V. lehnt jede Form von Gewalt ab und ruft zu kreativem Protest auf

Der Archiv e.V. tritt für eine friedliche Protestkul­tur ein und dis­tanziert sich ein­deutig von jeglich­er Form gewalt­täti­gen Handelns.

Der Vere­in wider­spricht der Darstel­lung der Polizei, dass es sich bei der spon­ta­nen Demon­stra­tion am 31.12.2012 um eine „Archiv-Demo“ gehan­delt hätte. Keines der Gremien des Archiv e.V. hat die Durch­führung ein­er solchen Demon­stra­tion beschlossen und oder war an deren Durch­führung beteiligt.

Bei dieser — nicht nur durch die Polizei getätigten — Fehlbe­haup­tung han­delt es sich zum wieder­holten Male um einen durch­schaubaren und ungerecht­fer­tigten Ver­such, den Vere­in öffentlich zu krim­i­nal­isieren, um so dessen Bemühun­gen für den Erhalt des offe­nen, unkom­merziellen und soziokul­turellen Stan­dortes Leipziger Str. 60 zu untergraben.

Bere­its 1997 wurde der Vere­in fälschlich­er Weise bezichtigt, für eine Demon­stra­tion in der Innen­stadt Pots­dams ver­ant­wortlich gewe­sen zu sein. In übereil­ter Reak­tion auf diese Falschdarstel­lung wurde das Archiv wenig später unter Ein­satz von exzes­siv­er Gewalt durch die Polizei geräumt – unrecht­mäßig und geset­zeswidrig, wie das zuständi­ge Gericht wenig später urteilte.

Der Archiv e.V. fordert eine dif­feren­zierte Bew­er­tung der Ereignisse ein und verurteilt jede pop­ulis­tisch-ten­den­z­iöse „Auss­chlach­tung“ der vor­liegen­den Sit­u­a­tion auf das Schärfste.

Mit nur wenig Recherche lässt sich eine auf­schlussre­iche Darstel­lung der Demonstrant_innen unter fol­gen­der Inter­net-Adresse find­en: https://linksunten.indymedia.org/de/node/74983

Kay-Uwe Kärsten, der Sprech­er des Archiv e.V., kom­men­tiert die Sach­lage mit den Worten: „Druck erzeugt Gegen­druck. Die Lan­deshaupt­stadt Pots­dam muss sich nicht wun­dern, das Men­schen ihr Recht auf selb­st­bes­timmte Leben­sräume ein­fordern, wenn ihnen diese ent­zo­gen wer­den. So wie auf der „Mieten­stopp jet­zt“ Demon­stra­tion vom 2. Juni. 2012 rufe ich alle Potsdamer_innen zu friedlichen und kreativ­en Protesten auf!“

 

Mit fre­undlichen Grüßen,

der Archiv e.V.

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Spontandemonstration gegen Gentrifizierung

Die anges­pan­nte Sit­u­a­tion auf dem Woh­nungs­markt, die stetig steigen­den Mieten ein­herge­hend mit fehlen­dem Wohn­raum im niedri­gen Preis­seg­ment sowie die Bedro­hung link­er Freiräume und beset­zter Häuser in Pots­dam ist in den Medi­en fast ein alltäglich­es The­ma. Während kom­mu­naler und preiswert­er Woh­nungs­be­stand ver­schwindet, wie aktuell die Debat­ten um den Abriss des Stau­den­hof, der Verkauf von städtis­chen Eigen­tum wie am Fin­d­ling und die Sanierung der let­zten kostengün­sti­gen Wohn­quartiere zeigen, baut die Stadt Pots­dam auf Tra­di­tion und Preußen­tum. Für die Errich­tung der his­torischen Mitte (Stadtschloss, Gar­nisonkirche und andere Baut­en) wer­den öffentliche Gelder ver­schwen­det und Wohn­raum abgeris­sen. Auch wenn die Stadt nach Außen von ein­er kri­tis­chen Sit­u­a­tion auf dem Woh­nungs­markt spricht, zeigt sie mit ihrer Poli­tik und mit der Bedro­hung von linken Wohn­pro­jek­ten Freiräu­men, wen sie in der Stadt haben wollen und wen nicht. Ein Pots­dam für Reiche, Besserver­di­enende und Preußen­fetis­chis­ten? Ohne uns!

Rund 70 größ­ten­teils ver­mummte Autonome zeigten heute, was sie von der städtis­chen Poli­tik hal­ten. Mit Sprechchören gegen die Woh­nungspoli­tik und für die Sol­i­dar­ität mit den linken Wohn- und Kul­tur­pro­jek­ten began­nen sie ihre Demon­stra­tion im Pots­damer Stadt­teil Bran­den­burg­er Vorstadt, wo Wei­h­nacht­en vor einem Jahr ein Haus beset­zt wurde. Die Beset­zung wurde zwar nach 24 Stun­den been­det, doch medi­al war die Beset­zung ein voller Erfolg. Über elf Monate stand das Haus leer, im Dezem­ber 2012 began­nen dann Arbeit­en am Haus.

Die Demon­stra­tion zog an den Wohn­pro­jek­ten in der Zep­pelin­straße vor­bei, die sich aktuell in Ver­hand­lun­gen mit der städtis­chen Woh­nungs­bauge­sellschaft Gewo­ba befind­en, weil die Gewo­ba durch ihre Pachter­höhun­gen und baulichen Aufla­gen die Exis­tenz von derzeit vier Wohn- und Kul­tur­pro­jek­ten gefährdet. Mit aller­hand Pyrotech­nik, Trans­par­enten und Sprechchören bewegte sich die Demon­stra­tion weit­er in die Einkauf­s­meile Pots­dams, die Bran­den­burg­er Straße. Mit Parolen wurde immer wieder auf die kri­tis­che Sit­u­a­tion des linken Kul­turzen­trums „Archiv“ einge­gan­gen, dessen Sta­tus und Zukun­ft weit­er­hin ungek­lärt sind. Schon seit Jahren ste­ht der Erhalt des Archivs auf dem Spiel, welch­es sich gegenüber ein­er im Bau befind­lichen Luxus­wohnan­lage befind­et. Auch die Zukun­ft des beset­zten Haus­es „La Datscha“ ist mehr als fraglich. So ver­sucht der unmit­tel­bare Nach­bar, die Stiftung Preußis­che Schlöss­er und Gärten, das Gelände von der Stadt zu erzwin­gen, um eine Schutz­zone zum Park Babels­berg zu erricht­en. Selb­st drin­gend benötigte Fußballplätze dür­fen in der Rand­lage des Parks nicht gebaut werden.

Nach­dem Schaufen­ster divers­er Geschäfte zer­stört wur­den und die antr­e­f­fende Polizei ange­grif­f­en wurde, löste sich die Demon­stra­tion nach ca. 20 Minuten auf. Die Polizei ver­suchte anschließend flüch­t­ende Teil­nehmende festzunehmen. Ob es zu Fes­t­nah­men gekom­men ist, kann derzeit noch nicht fest­gestellt wer­den. Jeden­falls war die Demon­stra­tion endlich wieder ein Weck­ruf sowohl an die linke Szene als auch an die Stadt Potsdam.

Nehmt ihr uns die Häuser ab, dann machen wir die City platt!

Wir bleiben Alle!

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(Anti-)Rassismus Law & Order

Keine Abschiebungen in Frost und Obdachlosigkeit — Winterabschiebstopp für Roma auch in Brandenburg!

Pots­dam — Schleswig-Hol­stein, Thürin­gen und Rhein­land-Pfalz haben einen Win­ter­ab­schiebestopp für beson­ders schutzbedürftige Asyl­suchende erlassen. PRO ASYL und der Flüchtlingsrat Bran­den­burg fordern die Lan­desregierung Bran­den­burg auf, dem zu fol­gen und einen Win­ter­ab­schiebestopp für Roma und andere Ange­hörige von diskri­m­inierten Min­der­heit­en zu erlassen.

In Ser­bi­en, Maze­donien und im Koso­vo sind Roma, Ashkali und Ägypter ras­sis­tis­ch­er Diskri­m­inierung aus­ge­set­zt, vor der der Staat sie nicht wirk­sam schützt. Die extreme Diskri­m­inierung führt dazu, dass viele Betrof­fene in kaum beheizbaren Behelf­ssied­lun­gen leben müssen und ihnen Obdachlosigkeit dro­ht. Im Win­ter ver­schärft sich ihre Lebenssi­t­u­a­tion dramatisch.

Im Erlass des Innen­min­is­teri­ums Schleswig-Hol­steins heißt es, „die wirtschaftliche und soziale Sit­u­a­tion der meis­ten Roma in Ser­bi­en und Maze­donien” sei „nach wie vor bekla­genswert.” Es sei zu erwarten, „dass sich diese Sit­u­a­tion in den Win­ter­monat­en noch ver­schärft”. Daher bit­tet das Min­is­teri­um die Behör­den, Abschiebun­gen beson­ders schutzbedürftiger aus­reisepflichtiger Roma nicht zu pri­or­isieren. Fam­i­lien mit min­der­jähri­gen Kindern, Frauen und alte Men­schen sowie kranke, schwan­gere und pflegebedürftige Per­so­n­en sollen nicht vor dem 1. April 2013 in die Balka­nstaat­en zurück­ge­führt wer­den. „Das Win­ter­mora­to­ri­um ist ein Gebot der Human­ität”, so Schleswig-Hol­steins Innen­min­is­ter Bre­it­ner in sein­er Pressemitteilung.

Das Innen­min­is­teri­um Thürin­gens hat die Kom­munen des Lan­des gebeten, sicherzustellen, dass schutzbedürftige Per­so­n­en, die den Min­der­heit­en­grup­pen der Roma, Ashkali und Ägypter ange­hören, bis ein­schließlich zum 31. März 2013 nicht nach Ser­bi­en, Maze­donien, Koso­vo, Mon­tene­gro, Bosnien-Herze­gow­ina und Alban­ien zurück­ge­führt wer­den. Es könne nicht aus­geschlossen wer­den, dass eine Rück­führung der beson­ders schutzbedürfti­gen Per­so­n­en in die Balka­nstaat­en „zu beson­deren Härten führen könnte”.

Auch Rhein­land-Pfalz wird laut ein­er Pressemit­teilung im Win­ter keine Men­schen abschieben, wenn dies für sie eine human­itäre Härte bedeuten würde. Die Aus­län­der­be­hör­den des Lan­des wur­den in einem Schreiben [5]gebeten, „win­terbe­d­ingte Härten” zu berück­sichti­gen und „nach Möglichkeit einzelfal­lo­ri­en­tiert zu vermeiden”.

Anfang Jan­u­ar sind die ersten Abschiebun­gen aus Bran­den­burg geplant. Wir fordern die Lan­desregierung angesichts des ver­heeren­den Win­tere­in­bruchs auf dem Balkan auf, diese Abschiebun­den umge­hend per Erlass auszusetzen!

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(Anti-)Rassismus Law & Order

Flüchtlingsrat Brandenburg fordert: Nicht reden, sondern handeln!

In ein­er aktuellen Stunde debat­tiert der Bran­den­bur­gis­che Land­tag heute über die Verbesserung der Flüchtlingsauf­nahme. Der Flüchtlingsrat befürchtet, dass es auch dieses Mal bei vagen Absicht­serk­lärun­gen bleibt und mah­nt Sofort­maß­nah­men an.

Im April let­zten Jahres fasste der Land­tag einen Beschluss mit der pro­gram­ma­tis­chen Über­schrift: “Eine men­schen­würdi­ge Unter­bringung von Flüchtlin­gen und Asyl­be­wer­berin­nen und Asyl­be­wer­bern im gesamten Land Bran­den­burg sich­er­stellen!” Seit­dem ist nichts geschehen, im Gegen­teil: die Sit­u­a­tion hat sich drama­tisch ver­schlechtert und die Lan­desregierung hat sich bish­er auf kos­metis­che Verbesserungsvorschläge beschränkt, die sich einzig dadurch ausze­ich­nen, dass sie keine Kosten verur­sachen [1]. Damit wird nach Jahren der Abschreck­ungspoli­tik die Ver­ant­wor­tung dafür, auf eine inte­gra­tionsori­en­tierte und men­schen­würdi­ge Flüchtlingsauf­nahme umzustellen, auf die Kreise abgewälzt.

Die aktuellen Prob­leme haben ihre Ursache nicht in steigen­den Flüchtlingszahlen. Sie sind haus­gemacht! Jahre­lang wur­den Unter­bringungska­paz­itäten konzept­los abge­baut, statt sich von der Sam­melun­ter­bringung zu tren­nen und auf die flex­i­blere und men­schen­würdi­ge Woh­nung­sun­ter­bringung umzustellen. Dass die Zahl der Asyl­suchen­den nicht so niedrig bleiben würde, wie in den Jahren 2005 — 2009, in denen sie weit unter 1000 pro Jahr lag, war spätestens seit Beginn des Bürg­erkriegs in Syrien abse­hbar. Angemessen reagiert wurde darauf wed­er von den Kreisen noch von der Lan­desregierung. Die Chance, die Weichen neu zu stellen, wurde bish­er nicht genutzt. Stattdessen wer­den neue Sam­melun­terkün­fte mit unverän­dert unzu­mut­baren Stan­dards eingerichtet.

Aktuell müssen bere­its min­destens 1500 Asyl­suchende im Land Bran­den­burg in solchen Sam­melun­terkün­ften leben. Das sind meist sanierungs­bedürftige Anla­gen, oft alte Kaser­nen, mit Sam­mel­duschen, Wach­per­son­al und Zim­mern, in denen jed­er Per­son 6 qm Fläche zuge­s­tanden wer­den. Es gibt keine Pri­vat­sphäre, keine Möglichkeit zur
selb­st­bes­timmten All­t­ags­gestal­tung, der Lärm ist unerträglich usw. Eine Sam­melun­terkun­ft mit abgeschlosse­nen, pri­vat­en Woh­nun­gen befind­et sich nur in Pots­dam. Will die Lan­desregierung ern­sthaft den Ermessensspiel­raum der Kreise im Sinne ein­er men­schen­würdi­gen Unter­bringung steuern, so sollte sie:

· das Lan­desauf­nah­mege­setz ändern. Die Verpflich­tung der Kreise zum Vorhal­ten von Gemein­schaft­sun­terkün­ften muss gestrichen und auf die Verpflich­tung zur Unter­bringung beschränkt werden.

· in den Min­dest­stan­dards fes­tle­gen, dass in Sam­melun­terkün­ften abge­tren­nter pri­vater Wohn­raum zur Ver­fü­gung gestellt wer­den muss und den dafür notwendi­gen Umbau der beste­hen­den Ein­rich­tun­gen finanziell unterstützen.

· den Flüchtlings­ber­atungsstellen zusät­zliche Per­sonalmit­tel zur Ver­fü­gung stellen, um Asyl­suchende bei der Woh­nungssuche unter­stützen zu können.

· ein Auf­nahme- und Teil­habekonzept entwick­eln, das Asyl­suchende ernst nimmt als Men­schen mit einem Recht auf ein selb­st­bes­timmtes Leben.

· die Woh­nung­sun­ter­bringung flankieren durch gut aus­ges­tat­tete Pro­gramme, die die Kom­munen bei der Förderung eines inte­gra­tions­fre­undlichen Kli­mas unter­stützen. Unbe­gleit­ete Woh­nungszuweisun­gen in Ortschaften, in denen die Neuankömm­linge die einzi­gen Aus­län­der sind, führen dage­gen zur ver­schärften Isolation.

Pressekon­takt: Dorothea Lin­den­berg 0176 99933631

[1] “Empfehlun­gen zum Änderungs­be­darf der Min­dest­be­din­gun­gen für den Betrieb von Gemein­schaft­sun­terkün­ften und die soziale Betreu­ung und Beratung” http://www.parldok.brandenburg.de/parladoku/w5/drs/ab_4500/4573.pdf

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(Anti-)Rassismus Law & Order

Stimmungsmache gegen Flüchtlinge in Wandlitz (Barnim)

Am ver­gan­genen Mon­tag fand in Wan­dlitz eine Bürger_innenversammlung anlässlich der Ein­rich­tung ein­er Asy­lun­terkun­ft statt. Ab Jan­u­ar sollen etwa 50 Asylbewerber_innen im ehe­ma­li­gen Ober­stufen­zen­trum in der Bernauer Chaussee unterge­bracht werden. 

In Bericht­en der Märkischen Oderzeitung (MOZ) und der Jun­gen Welt wird erk­lärt, dass die Ver­samm­lung ein­berufen wurde, um die Wandlitzer_innen über die Pläne des Land­kreis­es zu informieren. Auch die Frage, ob als Alter­na­tive zum Wohn­heim auch eine dezen­trale Unter­bringung in Woh­nung möglich sei, stand im Raum. Let­zteres hat­te eine Bürg­erini­tia­tive in der let­zten Woche gefordert. Laut Aus­sage der MOZ seien “sich alle darin einig, dass der dezen­tralen Unter­bringung von Asyl­be­wer­bern unbe­d­ingt der Vorzug zu geben ist”. Doch ist die Umset­zung der dezen­tralen Unter­bringung nicht so ohne weit­eres möglich, wie die Junge Welt berichtet. Das Heim werde ab Jan­u­ar zur Unter­bringung genutzt, erk­lärte Lan­drat Ihrke (SPD).

Während sich viele der Wandlitzer_innen gegen­seit­ig bekräftigten, sie hät­ten nichts gegen “Aus­län­der”* oder “Asy­lanten”*, aber man möge doch an die Sicher­heit der umliegen­den Anwohner_innen denken, brachte ein Mann seinen Ras­sis­mus deut­lich­er zum Aus­druck: Herr Tro­jahn aus Wan­dlitz brüllte ins Mikro­fon “Wir müssen die Zuwan­derung stop­pen” und “Wir wollen hier keine Mus­lime”. Anders als die anderen ras­sis­tis­chen Äußerun­gen ging diese auch den meis­ten Anwe­senden zu weit. Und so wurde Herr Tro­jahn des Raumes ver­wiesen und vom Podi­um klargestellt, dass “ras­sis­tis­che Stim­mungs­mache hier keinen Platz hat”, wie die Junge Welt berichtet. 

Die ras­sis­tis­chen Annah­men Asylbewerber_innen seien per se Krim­inelle und auch der ras­sis­tis­che Sprachge­brauch wurde allerd­ings von vie­len im Pub­likum benickt und beklatscht. Auch die Unter­stützung einiger Wandlitzer_innen für die dezen­trale Unter­bringung ist frag­würdig. So melde­ten sich jene zu Wort, die unmit­tel­bar an der geplanten Unterkun­ft wohnen, nach dem Mot­to: „Sie kön­nen hier leben, aber bitte nicht vor mein­er Haustür“. 

Auf den Bildern der MOZ ist zu erken­nen, dass auch die AktivistIn­nen der NPD und der Barn­imer Fre­und­schaft an der Ver­anstal­tung teil­nah­men. Die ras­sis­tis­chen Äußerun­gen sollen sie laut­stark begrüßt haben, berichteten Anwe­sende. Eigene inhaltliche Beiträge soll es von ihnen aber nicht gegeben haben. Den­noch ist davon auszuge­hen, dass sich die lokale Naziszene dem The­ma annehmen wird, so kündigt der NPD Ver­band Barn­im Uck­er­mark auf sein­er Inter­net­seite bere­its eine “Fülle von Kam­pag­nen” gegen die “unhalt­baren Pla­nun­gen um Wan­dlitz” an. Bere­its in den ver­gan­genen Wochen hat­te die NPD Stim­mung gegen den Flüchtling­sprotest­marsch machen wollen. Im Okto­ber hiel­ten sie eine Kundge­bung in Pots­dam ab.

*Hier­bei han­delt es sich um die Begriffe, die einige der Anwe­senden ver­wen­de­ten. Wir lehnen diese ab, da sie ras­sis­tis­che Kon­no­ta­tio­nen inne haben. Aus Doku­men­ta­tion­s­grün­den haben wir sie hier in Anführungsstrich gesetzt.

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Antifaschismus Law & Order

Repressionen gegen linke Strukturen verstärkt auch in Cottbus

Oft tauchen ger­ade in Zusam­men­hang mit den Diskus­sio­nen um die NSU-Mord­serie Zweifel und Fra­gen über die Arbeit von Geheim­di­en­sten und Polizei in öffentlichen Debat­ten auf. Dass Fehler passieren, wird als men­schlich ange­se­hen. Jedoch ste­ht dahin­ter vielmehr ein wach­sender und äußerst gefährlich­er Prozess, der auch vor Cot­tbus keinen Halt macht.

MEGA, TOMEG und Staatsschutz

Die Bran­den­burg­er Polizei ist in mehrere Polizeison­dere­in­heit­en unterteilt. Einige davon haben sich auss­chließlich der Ver­fol­gung von poli­tisch aktiv­en Men­schen ver­schrieben. Zum einen gibt es die MEGA, die soge­nan­nten Mobilen Ein­satztrup­ps gegen Gewalt und Aus­län­der­feindlichkeit.
Dies ist eine vom LKA Bran­den­burg entwick­elte Son­dere­in­heit der Polizei, die sich ursprünglich zum Ziel geset­zt hat­te, Men­schen im recht­en Milieu zu beobacht­en und diese an ein­er „Kar­riere“ in der Szene zu hin­dern. So weit so gut. Jedoch ver­schwimmt dieser Fokus auf die Neon­azi-Szene immer mehr und auch andere poli­tis­che Aktive ger­at­en zuse­hends in den Mit­telpunkt der Betra­ch­tun­gen, der Spi­onage und der Fah­n­dun­gen. Kaum eine linke-poli­tis­che Ver­anstal­tung find­et ohne die Begleitung von Polizist_innen in „Ziv­il“ statt, welche zur Durch­leuch­tung von Zusam­men­hän­gen mit anschließen­der „Berichter­stat­tung“ einge­set­zt werden.

Als weit­ere Stufe dieser Son­dere­in­heit­en ist die TOMEG – Täteror­i­en­tierte Maß­nah­men gegen extrem­istis­che Gewalt – zu nen­nen. „Diese Son­derkom­mis­sion befasst sich mit auf­fäl­lig gewor­de­nen Mit­gliedern der recht­en Szene.“1. Bere­its im Namen wird aber deut­lich, dass eine Fokussierung auf die Neon­azi-Szene nicht mehr gewollt ist und eben­so andere poli­tis­che Strö­mungen mit Kon­trollen und Repres­sio­nen seit­ens dieser Son­dere­in­heit zu rech­nen haben. Des Weit­eren ist hier die gezielte Überwachung Einzel­ner zen­traler Auf­gaben­schw­er­punkt, da von „täteror­i­en­tierten Maß­nah­men“ gesprochen wird.

Der Staatss­chutz als weit­eres drittes Schnüf­felor­gan set­zt sich – ähn­lich wie die TOMEG – der Bekämp­fung poli­tisch motiviert­er Krim­i­nal­ität zum Ziel und kann auch als polizeiliche Hand des Ver­fas­sungss­chutzes ver­standen wer­den. Das gemein­schaftliche Ziel der einzel­nen Son­derkom­mis­sio­nen ist – mit­tler­weile – die Krim­i­nal­isierung linkspoli­tis­chen und gesellschaft­skri­tis­chen Engage­ments und kann als steter Angriff und Überwachung auf emanzi­pa­torische Struk­turen ver­standen wer­den. Die Hand­lungs­fähigkeit­en jen­er sollen mit­tels Repres­sion, Ein­schüchterung und Iso­la­tion der Aktiv­en eingeschränkt und Kritiker_innen mund­tot gemacht wer­den. So wer­den jährlich im „Ver­fas­sungss­chutzbericht – Bran­den­burg“ einzelne Per­so­n­en und ganze Struk­turen als „extrem­istisch“ eingestuft und dann als das Ergeb­nis der Überwachung präsen­tiert und mit Repres­sio­nen überhäuft.

Die Extrem­is­mus­the­o­rie als fun­da­men­tale Ide­olo­gie polizeilich­er Strukturen

Gemein­sam ist all diesen Son­derkom­mis­sio­nen weit­er­hin, dass sie alle auf Grund­lage der soge­nan­nten Extrem­is­mus­the­o­rie han­deln. Es wird kein Unter­schied zwis­chen der men­schen­ver­ach­t­en­den Ide­olo­gie von Neon­azis und anderen gesellschaftsverän­dern­den poli­tis­chen Ansätzen gemacht. Der Extrem­is­mus­be­griff hat sich zur gängi­gen Formel für alles entwick­elt, was nicht ein­er aufrecht­en (nicht-extrem­istis­chen) »Mitte der Gesellschaft« zugerech­net wer­den soll, die als prinzip­iell ver­fas­sungstreu und »demokratisch« ange­se­hen wird. Die Stoßrich­tung, die sich hin­ter ein­er ange­blich objek­tiv­en Sicht auf die »Gefahren des demokratis­chen Rechtsstaates« ver­birgt, zielt vor allem auf die Isolierung gesellschaft­skri­tis­ch­er antikap­i­tal­is­tis­ch­er und antifaschis­tis­ch­er Posi­tio­nen. Feind_innen der Demokratie ste­hen vor­rangig am linken und nicht am recht­en Rand, so lautet die zen­trale Maxime
.
Diese schrit­tweise Etablierung des Extrem­is­mus­be­griffs hat ver­heerende Fol­gen unter anderem auch auf die Entwick­lung der Strafver­fol­gun­gen. So wer­den Ermit­tlun­gen gegen Nazis zurück geschraubt und linke Aktivst_innen rück­en ver­mehrt in den Fokus der Exeku­tivor­gane. Die grundle­gend unter­schiedlichen Aktions­for­men und Hand­lungsak­tiv­itäten dieser bei­den Felder begün­sti­gen diese Entwick­lung zuse­hends. So agieren Neon­azis eher anonym. Die einzig öffentlich Bekan­nten sind führende NPD-Mit­glieder. Dies wird auch beim jüng­sten Fall der Kick­box-Szene in Cot­tbus deut­lich. Sportler des Kick­box Team Cot­tbus (KB TC) sind jahre­lang als mil­i­tante Neon­azis unter­wegs und den­noch öffentlich kaum bekan­nt. In der linken Szene ist dies anders. Zum einen da häu­figer öffentliche Ver­anstal­tun­gen, wie beispiel­sweise Demon­stra­tio­nen, Kundge­bun­gen, Par­tys oder auch Infor­ma­tionsver­anstal­tun­gen durchge­führt wer­den. Dies führt dazu, dass der Anonymitäts­grad sinkt. Dies ist ein­er­seits auch gewollt, um neue Men­schen für linke, emanzi­pa­torische Poli­tik zu begeis­tern, jedoch erle­ichtert dies ander­seits natür­lich auch staatliche Schnüf­fel­maß­nah­men. So kommt es dazu, dass Per­so­n­en, die sich häu­figer an gesellschaft­skri­tis­chen Ver­anstal­tun­gen beteili­gen, in der Öffentlichkeit hin­länglich bekan­nt sind.
Dieser Prozess der Krim­i­nal­isierung emanzi­pa­torischen Engage­ments ist poli­tisch gewollt und eine seit mehreren Jahren zuse­hends etablierende Strate­gie. Klar: alles soll genau so bleiben wie es ist, mit all der Ungerechtigkeit und Aus­gren­zung in unser­er Gesellschaft. Es wird ver­sucht einzelne Per­so­n­en her­auszu­greifen, wegzus­per­ren und so als aktion­shem­mendes Sym­bol in Rich­tung viel­er Men­schen zu geben. Und es soll auch die Bünd­nis­fähigkeit kri­tis­ch­er Ini­tia­tiv­en schwächen – denn mit ange­blich krim­inellen oder extrem­istis­chen Organ­i­sa­tio­nen lässt sich in der öffentlichen Debat­te wenig erreichen.

Polizei und Neon­azis Hand in Hand 

Auch in Cot­tbus gibt es ver­mehrt Betrof­fene dieser gefährlichen Entwick­lung. So wur­den Per­so­n­en aus dem linken Spek­trum namen­haft für ganze Grup­pen gemacht. Es hieß in Ermit­tlerkreisen nun nicht mehr Gruppe XY, vielmehr wurde nur noch der Name ein­er Per­son kennze­ich­nend für die gesamte Gruppe ver­wen­det – ana­log zu Face­bookar­tikeln von Neon­azis, die eben­so diese namentliche Benen­nung zur Kennze­ich­nung von Struk­turen nutzen. Die Per­so­n­en wur­den von staatlichen Orga­nen ver­sucht einzuschüchtern, indem sie per­sön­lich ange­sprochen wor­den sind oder willkür­liche Strafanzeigen bekom­men haben, die jeglich­er Beweis­grund­lage ent­behren. Hier find­et eine Vorverurteilung getreu nach dem Mot­to: „Ach der wird schon dabei gewe­sen sein“ statt. Vorgeschobene und haarsträubende Gründe wer­den als Vor­wand genom­men, um Haus­durch­suchun­gen durchzuführen und somit Struk­turen durch­leucht­en zu kön­nen. Seit­ens der Ermit­tlun­gen wird sich ein gedanklich­es Phan­tasieszenario kon­stru­iert und dieses als Fun­da­ment für die Bew­er­tung und Darstel­lung von Straftat­en genutzt.
Dieses jeglichen rechtsstaatlichen Prinzip­i­en trotzende Vorge­hen führt schließlich zu ein­deutig poli­tisch motivierten Ermit­tlungsver­fahren, mit denen die tat­säch­liche Beweis­lage in den Hin­ter­grund gestellt wird und das Ziel der Son­derkom­mis­sio­nen – näm­lich die Krim­i­nal­isierung, Ein­schüchterung und Überwachung link­er Struk­turen – ver­wirk­licht wird. Schwammige Hin­weise von Neon­azis wur­den durch Mith­il­fe der Bullen konkretisiert und so argu­men­tierten diese in ihren Aus­sagen ana­log dem Mot­to der Bullen „der wird schon dabei gewe­sen sein“ ein erneutes Phan­tasiekon­strukt. So kon­nte eine neue Kom­mu­nika­tion­sstruk­tur zwis­chen Polizei und Neon­azis entwick­elt wer­den, um ihrem gemein­samen Ziel – der Schwächung emanzi­pa­torisch­er Struk­turen – näher zu kommen.

Unsere Sol­i­dar­ität gegen ihre Repression

Dieses gemein­schaftliche Han­deln von staatlichen Orga­nen und Neon­azis muss offen gelegt und skan­dal­isiert wer­den, um diese Entwick­lung zurück­zu­drän­gen und nicht salon­fähig wer­den zu lassen. Wir wer­den keine_n allein lassen. Betrof­fen sind einzelne – gemeint sind alle!
Also zeigt eure Sol­i­dar­ität und unter­stützt die Men­schen während ihren Ver­fahren. Kri­tis­che Beobachter_innen in Gerichtssälen kön­nen dazu führen willkür­liche Maß­nah­men einzudäm­men.
Lasst die betrof­fe­nen Leute nicht allein vor Gericht­en, Polizei und Neon­azis. Genauere Infor­ma­tio­nen und auch die nun anste­hen­den Prozesster­mine erfahrt ihr immer mon­tags ab 20 Uhr bei der Vokü in der Zelle79 oder am 25. Novem­ber beim Soli­brunch der Roten Hil­fe im qua­si­MONO. Also kommt vor­bei, informiert euch und seid solidarisch.

Rote Hil­fe OG Cottbus

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Antifaschismus Law & Order

Verfassungsschutz nicht Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems

Am 24.10.2012 um 14:00 Uhr soll im Stadtverord­neten­sitzungssaal Frank­furt (Oder) eine Podi­ums­diskus­sion zum The­ma „Ansätze präven­tiv­er Maß­nah­men im Umgang mit Recht­sex­trem­is­mus“ stat­tfind­en. Auf diesem Podi­um wer­den Matthias Jahr, Zen­tral­wohlfahrtsstelle der Juden, Heiko Hom­burg, Refer­at­sleit­er im Innen­min­is­teri­um des Lan­des Bran­den­burg, Ingo Schaper, Öku­menis­ch­er Rat Frank­furt (Oder), Robin Kendon, Bran­den­bur­gis­ches Insti­tut für Gemein­we­sen­ber­atung, sowie Janek Las­sau für das Bünd­nis „Kein Ort für Nazis in Frank­furt (Oder)“ sprechen.

Was  bei der Auswahl der Per­so­n­en für das Podi­um auf­fällt, ist, dass, bis auf den Vertreter des Bünd­niss­es „Kein Ort für Nazis in Frank­furt (Oder)“, weit­ere wesentliche Akteure in der Auseinan­der­set­zung mit Neon­azis in Frank­furt (Oder) fehlen. Beson­ders aber fällt der Geheim­di­en­st­mi­tar­beit­er des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes Heiko
Hom­burg auf. Bekan­nt wurde er durch ras­sis­tis­che Äußerun­gen und als lei­den­schaftlich­er Leser der „Jun­gen Frei­heit“, ein­er Wochen­zeitung, die als Sprachrohr der „Neuen Recht­en“ gilt und selb­st jahre­lang vom Lan­desamt für Ver­fas­sungss­chutz NRW beobachtet wurde.[1] Aus diesen Grün­den forderte die bran­den­bur­gis­che SPD Ende 2000 die Ent­las­sung Hom­burgs, lei­der erfol­g­los.[2]

Schlimm genug, dass Hom­burg über­haupt beim Bran­den­burg­er Inlands­ge­heim­di­enst  arbeit­et, so will er jet­zt in Frank­furt (Oder) als Experte für Präven­tion­sar­beit im Umgang mit Neon­azis­mus auftreten. Dies geht nicht nur weit über die eigentliche Auf­gabe als staatlich­es Beobach­tung­sor­gan hin­aus, son­dern erscheint auch grotesk, angesichts der Ver­strick­un­gen der diversen Ver­fas­sungss­chutz-Abteilun­gen und Lan­desämter in die ras­sis­tis­che Mord­serie des soge­nan­nten NSU und deren Vertuschung.

Eine Behörde, die recht­sradikale Struk­turen unter­stützt, über V‑Leute finanziert und somit hil­ft, sie aufzubauen, ist nicht Teil der Lösung, son­dern ein Teil des Prob­lems.“, so Kon­rad Hoff­mann vom anti­ras­sis­tis­chen und antifaschis­tis­chen Vere­in Utopia aus Frank­furt (Oder).

Präven­tions- und Bil­dungsar­beit in ein­er Demokratie ist die Auf­gabe von Bürg­erin­nen und Bürg­ern, der Zivilge­sellschaft oder Bil­dung­sein­rich­tun­gen, jedoch nicht von Geheim­di­en­sten. Deswe­gen fordern wir die Veranstalter_innen auf, dass Heiko Hom­burg als Vertreter des Inlands­ge­heim­di­en­stes aus­ge­laden wird und die Bil­dungsar­beit der emanzi­pa­tiv­en Zivilge­sellschaft über­lassen wird.

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(Anti-)Rassismus Law & Order

Solidarität mit Flüchtlingen: Über den “Refugee Protest March” in Potsdam

Man hört die Sprechchöre schon von weit­em. Als die kleine Gruppe der Flüchtlinge den Hügel zum Bran­den­burg­er Land­tag in Pots­dam hin­aufkommt, ziehen die Journalist*innen enger um Land­tagspräsi­dent Gunter Fritsch und Innen­min­is­ter Diet­mar Woid­ke (bei­de SPD) zusam­men, die das Mem­o­ran­dum der Forderun­gen an Bran­den­burg­er Landespolitiker*innen ent­ge­gen­nehmen wollen.

von Ali­na Valjent

Es sind unge­fähr zwanzig Flüchtlinge und Unterstützer*innen, die im Rah­men des “Refugee Protest March to Berlin” vor dem Land­tag ihr Ansin­nen vor­brin­gen wollen. Sie tra­gen ein Trans­par­ent mit der Auf­schrift “Bran­den­burg­er Flüchtlinge in Sol­i­dar­ität mit dem Protest March to Berlin”. “Wir fordern: Abschaf­fung der Dul­dung, Abschaf­fung der Abschiebung, Abschaf­fung der Gutscheine!” skandiert ein Demon­strant, “Wir fordern Bleiberecht und freie Bewe­gung im gesamten Bundesgebiet.”

Leben im Über­gangszu­s­tand und Arzneimit­tel­rezepte auf Taschentüchern

Der Innen­min­is­ter ist mit­tler­weile umringt von den Demonstrant*innen, die mit ihm reden möcht­en, ihm erzählen wollen, was sie bewegt und warum und woge­gen sie protestieren. “Keine Zukun­ft”, sagt ein­er, “und nev­er Urlaub”. We want to have our life, have our job”. Er hält ein grünes Papier­taschen­tuch hoch, darauf ste­ht, mit Kugelschreiber gekritzelt, “Ibuprophen”. Das ist ein “Rezept”, das er vom Arzt bekom­men hat. Er hat es aufge­hoben und trägt es zusam­men mit seinem Pass in ein­er kleinen Plas­tik­tüte mit sich.

 

Der Innen­min­is­ter hört den Flüchtlin­gen zu und ver­sichert, er und das Land Bran­den­burg wür­den sich für die Belange der Flüchtlinge weit­er­hin ein­set­zen, vor allem für die Abschaf­fung der Res­i­den­zpflicht. Er muss jedoch ein­räu­men, dass solche Prozesse oft lange dauern. Dass die Koop­er­a­tion mit anderen Bun­deslän­dern schon Früchte träge, zeige sich aber beispiel­sweise in dem Ver­trag, den Bran­den­burg und Berlin vor eini­gen Jahren abschlossen hät­ten. Dieser ermögliche es Flüchtlin­gen, sich frei zwis­chen Bran­den­burg und Berlin zu bewe­gen. Damit habe man “gute Erfahrun­gen gemacht”. Daraufhin schüt­teln viele der Flüchtlinge den Kopf. “It‘s not true”, sagt eine Frau, es gebe immer noch häu­fig Polizeikon­trollen, man könne nur kurz zu einem Besuch ausreisen.

Das Boot ist nicht voll”

Ein weit­eres Prob­lem seien die Gutscheine. Flüchtlinge bekä­men monatlich nur ein kleines “Taschen­geld”, Verpfle­gung und Hygiene wür­den über Gutscheine abgewick­elt. Für einen Deutschkurs reiche das Geld nicht, kosten­lose Ange­bote gäbe es nicht über­all. Auch darum solle sich der Innen­min­is­ter kümmern.

Zum Abschluss nimmt Woid­ke das Mem­o­ran­dum ent­ge­gen. Ein Flüchtling ruft noch “Refugees are wel­come here — das Boot ist nicht voll!” und fol­gt der kleinen Gruppe, die sich in Rich­tung Pots­damer Haupt­bahn­hof bewegt.

Trotz des Regens: Gute Stim­mung unter den Demonstrant*innen

Dort haben sich unge­fähr hun­dert Men­schen ver­sam­melt, die sich dem Flüchtlings­marsch in Sol­i­dar­ität anschließen wollen. Zusam­men läuft die Gruppe zum “Freiland”-Gelände, dem Pots­damer Zen­trum Linksin­tellek­tueller und Künstler*innen, wo eine weit­ere Gruppe von Flüchtlin­gen wartet. Hier begin­nt der Protest­marsch. Und hier begin­nt auch der Regen, der die näch­sten Stun­den andauern wird. Regen­schirme wer­den aufges­pan­nt, bunt beschriftet mit Slo­gans wie “Kein Men­sch ist ille­gal”. Sie gesellen sich zu Trans­par­enten, auf denen “I love Bleiberecht”, “No Nazis” und “Wir kämpfen für die Schließung der Iso­la­tion­slager” steht.

Vom “Freiland”-Gelände aus läuft die Gruppe, mit­tler­weile unge­fähr drei­hun­dert Men­schen, zum Rathaus. Aus einem Gelän­dewa­gen am Ende des Zuges klingt Reg­gae-Musik. Unter die Sprechchöre der Flüchtlinge mis­chen sich die der antifaschis­tis­chen Bewe­gun­gen: “Bleiberecht für alle und auf Dauer, um Europa keine Mauer!”

 

Am Rathaus wird zum ersten Mal Halt gemacht. Passant*innen, die an der Bahn­hal­testelle warten, schauen ver­wun­dert bis gen­ervt auf die bunte Gruppe, während aus den Fen­stern der umliegen­den Häuser inter­essierte Pots­damer Bürger*innen auf den Platz vor dem Rathaus blicken.

Was macht eigentlich die NPD?

Vom Rathaus geht es weit­er zur Glienick­er Brücke, wo die Abschlusskundge­bung stat­tfind­en soll. Je mehr sich der Zug der Glienick­er Brücke nähert, desto präsen­ter wird die Polizei. Während zunächst nur vere­inzelt Polizist*innen am Straßen­rand ste­hen, sam­meln sich hier nun Grup­pen von Polizist*innen, die den Zug jew­eils ein Stück des Weges begleit­en. “Deutsche Polizis­ten schützen die Faschis­ten” ruft die Antifa.

Kurz vor der Glienick­er Brücke erre­icht die Polizeipräsenz ihren Höhep­unkt. Hier soll eine Kundge­bung der NPD unter dem Mot­to “Asyl­recht ist kein Selb­st­be­di­enungsladen” stat­tfind­en. Angekündigt waren 20 bis 30 Gegendemonstrant*innen, angekom­men sind wohl bloß acht. Aber auch das ist nicht zu erken­nen. Vor dem Haus, an dem die NPD ihre Kundge­bung abhal­ten wollte, ste­hen ein Bah­n­wag­gon, mehrere Polizeiau­tos und etwa hun­dert Polizis­ten, die wie eine Mauer als Abschir­mung funk­tion­ieren. Und tat­säch­lich kann man die NPD-Kundge­bung wed­er sehen noch hören. Das einzige, was man sieht, ist eine Fahne, die ein­er der NPDler unbeir­rt schwingt. Ein­sam lugt sie hin­ter einem Polizeiau­to her­vor. Eine kurze Unruhe entste­ht, jemand wirft einen Regen­schirm in Rich­tung der Fah­nen, das war‘s.

 

Zeit für den näch­sten Schritt

Dass der Ansatz der Flüchtlings­de­mo nicht Sep­a­ra­tion durch Hass, son­dern Eini­gung durch Gemein­samkeit ist, zeigt sich kurz darauf wieder. Einige junge Män­ner schla­gen rhyth­misch auf ihre Pauken ein, es bildet sich ein klein­er Kreis, in dem zwei Flüchtlinge zu tanzen begin­nen. Die Umste­hen­den wip­pen dazu im Takt. Ein Demon­strant malt mit dem Fin­ger ein Herz auf das beschla­gene Fen­ster eines Polizeiau­tos, aus dem ein ver­dutzter Polizist herausschaut.

Die miss­glück­te NPD-Kundge­bung fügt sich indes in die Rei­he gescheit­ert­er Mobil­isierungsver­suche der recht­sex­tremen Partei in Pots­dam ein, während die Stadt beweist, dass sie kein öffentlich­er Schau­platz für recht­sradikale Ide­olo­gien seien will. Den näch­sten Schritt muss nun das Land Bran­den­burg machen — die geset­zliche Ver­ankerung der Flüchtlingsforderungen.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Refugees are welcome here”

INFORIOT- Über 500 Flüchtlinge und Unterstützer_innen demon­stri­erten heute für gle­iche Rechte von Flüchtlin­gen in der Bran­den­burg­er Lan­deshaupt­stadt Potsdam.

Nach über 500 Kilo­me­tern Weg erre­ichte ein Protest­marsch von Flüchtlin­gen am Don­ner­stag die Stadt Pots­dam auf dem Weg zum Zielpunkt in Berlin. Die Flüchtlinge waren in Würzburg aufge­brochen um gegen die unmen­schliche Behand­lung in Flüchtling­sheimen, gegen die Res­i­den­zpflicht und das Gutschein­sys­tem sowie gegen die deutsche Abschiebe­poli­tik zu protestieren. Ihr Ziel ist Berlin, der Ort “wo die Geset­ze, die sie unter­drück­en, gemacht wer­den”, wie es der Flüchtlingsrat Bran­den­burg for­muliert. Die Organ­i­sa­tion ist eine von vie­len Ini­tia­tiv­en, die den Marsch unter­stützen. Lokal organ­isierte Aktio­nen begleit­eten von Anfang an den Protest­marsch.

Kraftvolle Demon­stra­tion

Die Flüchtlinge starteten am Fre­itagvor­mit­tag vor dem Pots­damer Frei­land, in dem sie über­nachtet hat­ten. Zuvor über­gaben Aktivist_innen — unter anderem von Refugees Eman­ci­pa­tion, Women in Exile und der Flüchtlingsini­tia­tive Bran­den­burg — ein Mem­o­ran­dum mit Forderun­gen an den Bran­den­burg­er Land­tag. Darin forderten sie das Par­la­ment auf, die beste­hende Asylge­set­zge­bung zu verän­dern. Eine spon­tane Demon­stra­tion formierte sich am Bahn­hof und begrüßte die wartenden Flüchtlinge vor dem Frei­land. Von dort aus ging es durch die Innen­stadt zum Rathaus, um während ein­er Zwis­chenkundge­bung auf die Forderun­gen aufmerk­sam zu machen. Parolen wie “Refugees are wel­come here” und “We are here and we will fight — free­dom of move­ment is every­bod­ies right” wur­den gerufen.

Vor dem Rathaus wurde darauf hingewiesen, wie Gewalt und Zwangs­maß­nah­men zur Unter­drück­ung von Flüchtlin­gen benutzt wer­den. Der Marsch über die Kreis- und Län­der­gren­zen hin­weg, habe die Flüchtlinge unab­hängig von Geschlecht oder Nation­al­ität zusam­menge­bracht, erk­lärte ein Red­ner. Ein weit­er­er machte deut­lich, die Unter­stützung von Dik­taturen zum Beispiel in Afri­ka durch europäis­che Regierun­gen sei ein Prob­lem. Deswe­gen wür­den viele nach Europa flücht­en, um der Unter­drück­ung zu entkommen.

Trotz strö­menden Regens liefen die Aktivist_innen bis zur Berlin­er Stadt­gren­ze und über­querten die Glienick­er Brücke, wo sie von Berlin­er Aktivist_innen begrüßt wurden.

Kurz vor der Brücke 

Kurz vor der Glienick­er Brücke hat­te sich die Neon­azi­partei NPD zu ein­er kurzfristig angemelde­ten Kundge­bung gesam­melt, um gegen den Flüchtlings­marsch zu protestieren. “Die NPD ist eine eher fre­undliche Partei. Wir haben auch nichts gegen Aus­län­der” behauptete Ron­ny Zasowk, Vize-Chef der Bran­den­burg­er NPD. Dass dies gel­o­gen ist, zeigen nicht nur diverse Ver­fahren und Verurteilun­gen von Funk­tionären auf Grund ras­sis­tis­ch­er Äußerun­gen oder Gewalt­tat­en, auch der Nach­satz macht diese Aus­sage unglaub­würdig: “Aber vor­rangig haben von der deutschen Poli­tik deutsche Inter­essen vertreten zu wer­den und die Massenein­wan­derung, die hier in Deutsch­land seit Jahren prak­tiziert wird, ist nicht im deutschen Inter­esse.”, so Zasowk. Neben Ron­ny Zasowk waren auf der NPD-Kundge­bung weit­ere Bran­den­burg­er und Berlin­er Partei­funk­tionäre anwe­send: Detlef Appel (NPD Ober­hav­el), Frank Knuf­fke (NPD Dah­me­land), Bär­bel Redl­ham­mer-Raback (NPD aus Luck­en­walde) und Frank Maar (NPD Oder­land) aus Bran­den­burg. Aus Berlin kamen Sebas­t­ian Schmidtke (NPD Chef Berlin), Jan Sturm (NPD Neukölln), Maria Fank (RNF) und Uwe Mee­nen (Ex-Chef NPD Berlin).

Laut­stark wurde dem NPD-Gerede wider­sprochen. Der Protest­marsch zog an den ger­ade ein­mal neun Nazis vor­bei, die hin­ter ein­er Rei­he von Polizeifahrzeu­gen ver­steckt standen. Einige Flaschen und Bech­er flo­gen auf die NPD-Funktionäre.

Bere­its in den ver­gan­gen Tagen hat die NPD in Belzig und Brück (bei­des Pots­dam Mit­tel­mark) nach eige­nen Angaben Fly­er gegen den Flüchtling­sprotest verteilt — um damit eine ras­sis­tis­che Stim­mung gegen den Flüchtlings­marsch zu schüren. Erst vor knapp drei Wochen hat­te die NPD ver­sucht, eine Demon­stra­tion in Pots­dam durchzuführen. Sie scheit­erte an dem Protest von mehreren tausend Men­schen, die die Straßen rund um den Haupt­bahn­hof block­iert hatten.

Inforiot