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Sonstiges

Ein Jahr besetzte Datscha

Am 26.09.2009 jährte sich das ein­jährige Beste­hen des beset­zen Haus „la datscha“ in Pots­dam- Babels­berg. Mit mehreren Hun­dert Gästen, Freunden_Inne und Unterstützer_Innen wurde der erste Geburt­stag aus­giebig gefeiert. Dass es zu ein­er Jahres­feier über­haupt kom­men kön­nte, so weit war zu Beginn der Beset­zung gar nicht zu denken, angesichts der Schwierigkeit in heuti­gen Tagen ein (neu)besetztes Haus zu hal­ten und nicht sofort geräumt zu wer­den. Inner­halb eines Jahres hat sich die datscha nun zu einem neuen, aktiv­en linken Zen­trum in Pots­dam entwick­elt. Eine Entwick­lung, die in Pots­dam neu und ungewöhn­lich ist, ging die Stadt doch gegen die let­zten beset­zen Häuser aus­ge­sprochen restrik­tiv und brachial vor. Zum Beispiel bei der Räu­mung des „Boumanns“ (2000) und der „Bre­iti“ (2001). War in den Neun­ziger Jahren Pots­dam eine „Hochburg“ der Besetzer_Innen mit Dutzen­den Squats über die Jahre, kam es seit den let­zten Räu­mungen nur noch zu ein­er Beset­zung (in der Johannsen­strasse / 2006), die nach eini­gen Wochen been­det wurde. Ein Grossteil der Pro­jek­te konzen­tri­erte sich viel mehr in den let­zten Jahren auf eine Ver­hand­lung mit der Stadt um langfristige Verträge. Ergeb­nis der Ver­hand­lun­gen sind mehrere Haus­pro­jek­te mit einem Pachtver­trag. Andere Pro­jek­te kauften ein Haus, z.B. das Pro­jek­thaus in Babelsberg.

Doch neben der pos­i­tiv­en Entwick­lung für die datscha kämpfen andere Haus- und Kul­tur­pro­jek­te seit Monat­en um eine Lösung mit der Stadt. So ist vor allem aktuell das „Archiv“ von ein­er dro­hen­den Schlies­sung betrof­fen, wenn es nicht bis zum Jahre­sende zu ein­er langfristi­gen ver­traglichen Eini­gung mit der Stadt und zu einem tragfähi­gen Konzept zur Sanierung des Haus­es kommt. Das „Archiv“ ist das älteste und ver­anstal­tung­stech­nisch grösste ehe­mals beset­zte Haus in Pots­dam. Zu dem ist der seit über einem Jahr heimat­lose „Spar­ta­cus“, ein selb­st ver­wal­teter club immer noch auf der Suche nach neuen Räum­lichkeit­en. Die Ver­hand­lun­gen mit der Stadt ziehen sich seit Monat­en hin. Ein Vorschlag, der wesentliche Bestandteil der Diskus­sion ist, ist das Pro­jekt „Frei­land“. Ein Gelände auf dem mehrere „Jugendkultur“-Initiativen und clubs Platz find­en sollen. Durch die Beset­zung vor einem Jahr wurde in Pots­dam nicht nur eine neue Debat­te um linke Freiräume angeschoben, son­dern ver­net­zten sich die Pro­jek­te in Pots­dam und trat­en mit zwei grossen Freiraumdemos entschlossen in die Öffentlichkeit. In den näch­sten Wochen und Monat­en wird sich nun zeigen, ob die Stadt Pots­dam gewil­lt ist bei­de Pro­jek­te, das „Archiv“ und das „Freiland“/ „Spar­ta­cus“ zu unter­stützen bzw. zu erhal­ten. Und auch bleibt es natür­lich abzuwarten, wie es weit­er gehen wird mit der datscha.

Sol­i­dar­ität mit allen bedro­ht­en Haus- und Kul­tur­pro­jek­ten in Pots­dam und ander­swo! Freiräume für alle! Und natür­lich bleiben wir alle!!

Eine Erk­lärung aus der datscha zum ein­jähri­gen Bestehen: 

Ein Jahr la datscha!

Es gibt viele Gründe ein Haus zu beset­zen: Ange­fan­gen von fehlen­dem bezahlbaren Wohn­raum, über die Suche nach einem Ort, an dem men­sch neue und eigene Ideen pro­bieren und ver­wirk­lichen kann abseits gesellschaftlich­er Kon­ven­tio­nen, bis hin zur Beset­zung als eine mögliche Protest­form gegen die uns umgeben­den herrschen­den Verhältnisse.

So war die Beset­zung der ehe­ma­li­gen „Vil­la Wild­wuchs“ am 26. Sep­tem­ber 2008 zuerst ein­mal eine Artikulierung von Protest gegen die Poli­tik der Stadt Pots­dam im Umgang mit alter­na­tiv­en und autonomen Haus- und Kul­tur­pro­jek­ten. Doch über die Idee ein­er sym­bol­is­chen Aktion hin­aus entwick­elte sich in den fol­gen­den Monat­en nach der Beset­zung die datscha zu einem unab­hängi­gen, neuem Ort; zu einem neuen, linken Zen­trum in Pots­dam. Dazu beige­tra­gen hat zum einen, dass die datscha bish­er von der Stadt Pots­dam geduldet wird (wieso, weshalb, warum, darüber lässt sich spekulieren). Zum Anderen gab es von Beginn an großes Inter­esse viel­er Men­schen, die mit­tler­weile die datscha mit­gestal­ten und mit Leben und Ideen fühlen. So ent­stand ein gut gefüll­ter Umson­st­laden, die Selb­sthil­fe-Fahrrad­w­erk­statt „reudi­gRad“, eine regelmäßige Volxküche und ein Beachvol­ley­ballplatz neben dem Haus. Darüber hin­aus gab es großen Bedarf an einem neuen nicht-kom­merziellen Ver­anstal­tung­sort (gut 50 Ver­anstal­tun­gen, Konz­erte, Par­tys in einem Jahr). Damit füllen wir als datscha vielle­icht unfrei­willig ein Lücke, die durch die Schlies­sung des Spar­ta­cus ent­standen ist. Doch die datscha ist und kann kein Ersatz für den Spar­ta­cus sein. Von Anfang an ist es uns ein Anliegen gewe­sen die Ver­net­zung mit anderen Haus­pro­jek­ten in Pots­dam zu suchen und gemein­same Inter­essen und Anliegen nach Außen zu tra­gen. Höhep­unk­te ein­er gemein­samen Arbeit waren sich­er die „Freiraum“-Demonstrationen im Novem­ber 2008 und im Juni 2009, sowie die furiose Beset­zung der Stadtverord­neten­ver­samm­lung im Novem­ber 2008, die für einige Schlagzeilen gesorgt hat. Doch auch über die Stadt­gren­zen hin­aus kam es zu ein­er Ver­net­zung mit ähn­lichen Pro­jek­ten und Ini­tia­tiv­en. Und auch in Zukun­ft ist uns an ein­er gegen­seit­i­gen, sol­i­darischen Unter­stützung hier und ander­swo gelegen.

Die Datscha ist nicht das Paradi­eschen. Die „böse“ Außen­welt fängt schon kurz hin­ter „unserem Garten­za­un“ wieder an und das bedeutet, ob wir wollen oder nicht, wir müssen uns mit allen ihren Erschei­n­ungs­for­men beschäfti­gen; ob Nazis oder Polizeire­pres­sion, ob Parko­rd­nung oder Krise des Kap­i­tal­is­mus. Wir kön­nen und wollen den Rest Pots­dams und der Welt nicht ignori­eren, nur weil wir schein­bar in Ruhe gelassen wer­den. Auch wenn Aus­beu­tung und Unter­drück­ung Nor­mal­ität sind, heißt das nicht, dass wir das akzep­tieren müssen. Deshalb muss es Orte geben, in denen Alter­na­tiv­en disku­tiert und aus­pro­biert wer­den kön­nen. Wenn in ein­er Stadt das „Geld regiert“ reicht nicht eine datscha um hier Leben zu kön­nen. Es muss viele Orte geben, wie die datscha! Das Mot­to der Demon­stra­tion im Novem­ber 2008 lautete „Wir bleiben alle“. Das Mot­to ein­er Bewe­gung gegen Umstruk­turierung und Vertrei­bung durch finanzkräftige Inve­storen sollte heißen „die Stadt sind wir alle“! Die Datscha möchte Teil ein­er solchen Bewe­gung sein und durch Inbe­sitz­nahme eines städtis­chen Grund­stücks zeigen, das es sehr wohl möglich ist Fak­ten zu schaf­fen und mit dafür zu sor­gen, dass Orte entste­hen, wie wir sie wollen. Damit wir alle, unab­hängig vom Einkom­men und Inter­essen, Alter, kul­turellem Hin­ter­grund und Haut­farbe, auch in Zukun­ft noch in Pots­dam leben kön­nen, wollen wir genau­so gegen Neo­faschis­mus, Ras­sis­mus etc etc kämpfen, genau­so wie gegen Gen­tri­fizierung und ein geleck­tes Stadtbild.

Wir bleiben alle!! Für linke und lib­ertäre Freiräume hier und überall!

www.ladatscha.blogsport.de

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Sonstiges

Mittendrin feiert 16. Geburtstag

Der Strafvol­lzug rückt näher!

Das Urteil: 16 Jahre Knast.
Abzuleis­ten in der JVA Mit­ten­Drin — Schinkel­straße 15a in 16816 Neuruppin.

Aber nicht trau­rig sein: denn es spielt ja Gefäng­nisor­ch­ester beste­hend aus:

Hol­ger Burn­er — polit.HipHop

Square Exten­sion - Elec­tro

Bang Johansen — Punk

Frost­brand- Met­al

Stake­out — Rock/Ska

Wie all­ge­mein üblich erhebt die Ver­wal­tung ein Gebühr von 5 Euro.

Sam­stag, 29. August 2009. Haf­tantritt ist pünk­tlich 18 Uhr.

Zudem gibt es eine Feuer­show, einen “Aus­bruchsver­such” und weit­ere
kleinere Belus­ti­gun­gen.

Poten­zielle Gefan­gene kön­nen auch auf unsere Home­page gehen, eine Mail schreiben oder den/die Beamten
ihres/seines Ver­trauens zu Rate ziehen.

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Arbeit & Soziales Sonstiges

Stellungnahme des Spartacus zu den Äußerungen der SPD und CDU Fraktion

Pots­dam — Am Mittwoch Abend wurde im Finan­zauss­chuss der Stadt Pots­dam disku­tiert, dass der Spar­ta­cus e.V. nicht förderungswürdig sei und somit auch nicht in das soge­nan­nte „Frei­land“ einziehen solle.

Dies ist ein Skan­dal. Ein Faustschlag in das Gesicht der vie­len Jugendlichen, die sich für die Wieder­eröff­nung in ver­schieden­er Art einge­set­zt haben und auch weit­er­hin ein­set­zen wer­den.
Nach­dem der Spar­ta­cus vor 1 ½ Jahren schließen musste, engagierte sich der Spar­ta­cus e.V. per­ma­nent kon­struk­tiv und und kreativ für einen neuen Stan­dort in der Innen­stadt. So wurde z.B. ein eigenes Baugutacht­en für das „Min­sk“ vorgelegt, um die von der Stadt schein­bar bewusst vol­lkom­men über­höht­en angegebe­nen Sanierungskosten zu wider­legen. Trotz der viel­seit­i­gen Bemühun­gen um das Objekt wurde dieses von Seit­en der Stadt ignori­ert. Nach­dem sich der Spar­ta­cus e.V. damit abfind­en musste, dass der Stadt ein Grund­stück in der Lage zu „schade“ für Jugend­kul­tur ist, arbeit­et er nun seit eini­gen Monat­en an der Entwick­lung eines Konzepts für das in der Periph­erie liegende „Frei­land“ mit. Nach­dem für dieses Pro­jekt konzep­tionell nun fast alles erar­beit­et wurde, ver­sucht eine Gruppe von Stadtverord­neten aus haupt­säch­lich SPD und CDU sich dem „unlieb­samen Kind“ Spar­ta­cus zu entledi­gen und sich ins gemachte Nest zu set­zen. Dies lässt die vie­len Beteuerun­gen, dass man der Prob­lematik der Jugend­kul­tur ernst nimmt nur als große Farce daste­hen. Dies gipfelt nur noch in der Plumpheit, mit der ver­sucht wird, den Spar­ta­cus zu diskred­i­tieren. Wir als Spar­ta­cus e.V. kri­tisieren die zer­ris­sene Posi­tion von Ver­wal­tung und Poli­tik, bei der zum einen die Ver­wal­tung seit Monat­en ver­sucht einen Diskus­sion­sprozess zu The­ma alter­na­tive Jugend­kul­tur zu begleit­en und es auf der anderen Seite immer wieder Tor­pedierun­gen dieser Arbeit aus den Rei­hen der Stadtverord­neten zu ver­merken gibt. Har­ald Küm­mel z.B., sein­er­seits stel­lvertre­tender SPD Stadt­frak­tionsvor­sitzen­der, ließ in dem oben genan­nten Finan­zauschuß ver­laut­en, dass der Spar­ta­cus eine reine Party­lo­ca­tion gewe­sen sei. Das dem nicht so ist, weiß min­destens jede_r zweite Potsdamer_in bess­er. Allein ein Blick auf die Inter­net­seite vom Spar­ta­cus hätte Her­rn Küm­mel gezeigt, dass jeden Monat min­destens eine größere soziale und/oder poli­tis­che Ver­anstal­tung stat­tfand. Dass das kul­turelle Ange­bot von Work­shops über Lesun­gen und Konz­erte bis hin zu Par­tys reichte,wobei an ober­ster Stelle immer der Anspruch stand, ein Raum ohne jegliche Diskri­m­inierung zu sein. Des weit­eren wirft er den Aktivist_innen des Spar­ta­cus’ vor, alle älter zu sein als er selb­st und somit gar keinen Bezug zur Jugend­kul­tur zu haben. Dies ist völ­lig an den Haaren her­beige­zo­gen, was man schon allein bei den öffentlichen Ver­anstal­tun­gen des Spar­ta­cus’ an der Altersstruk­tur erken­nt. Recht haben kön­nte er mit dieser Behaup­tung, bezieht man sich auf die intellek­tuelle Reife, allein das Niveau sein­er Poli­tik erin­nert häu­fig an das eines 8‑jährigen quen­gel­nden Kindes. Denn er betritt das poli­tis­che Par­kett meist wie ein reißerisch­er Wind­hund, der mit schlecht recher­chierten Sprüchen und Dif­famierun­gen ver­sucht Kar­riere zu machen. Also ein Poli­tik­er á la Sven Petke.

Diese vol­lkom­men niveaulosen Anschuldigun­gen, egal ob sie ekla­tante Wis­senslück­en oder plumpe Lügen sind, lassen uns zu dem Schluss kom­men, der SPD nahe zu leg­en, sich von ihrem Vize­frak­tionsvor­sitzen­den zu tren­nen. Ger­ade dann, wenn die SPD die let­zten drei Porzel­lanteller, die der von ihr gestellte OB mit seinem unsäglichen Naziver­gle­ich noch nicht zer­schla­gen hat, ret­ten will.

Mit dem jüng­sten Vor­fall im Finan­zauss­chuss scheint es wieder ein­mal, als betra­chte die SPD die Stadt als ihr Eigen­tum und set­ze ihre Ideen und/oder Ideen­losigkeit durch — was immer es kostet. Dabei tor­pediert sie zusam­men mit der ihr aus Jugend­sicht zum Ver­wech­seln ähn­lichen CDU alles, was nicht in die eigene muse­ale Vision von Pots­dam passt.

Der Jugen­drat Pots­dam sowie der Arbeit­skreis alter­na­tive Jugend­kul­tur stellen sich hin­ter die Forderun­gen des Spar­ta­cus e.V. und der damit ver­bun­den alter­na­tiv­en Jugend­kul­turszene in Pots­dam nach einem Jugend-/Soziokul­turellen Zen­trum im Innenstadtbereich.

Pots­dam, den 19.06.2009 – Spar­ta­cus e.V.

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(Anti-)Rassismus Sonstiges

Rathenower NPD-Chef soll Fußballfan geschlagen haben

Rathenow — Seit dem 06. Mai 2009 ste­ht Mar­cel H., Ex-Vor­sitzen­der des NPD-Stadtver­ban­des Rathenow, wegen des Ver­dachts der Kör­per­ver­let­zung vor dem Amts­gericht Rathenow. Er soll am 25. Mai 2008 einen afrodeutschen DFB-Fan mit der Faust ins Gesicht geschla­gen haben. Wie die Opfer­per­spek­tive berichtet, habe der Fußball­fan mit anderen Jugendlichen den Einzug der deutschen Mannschaft in das Europameis­ter­schafts­fi­nale gefeiert. Mar­cel H. musste nach dem Angriff, der sich während des Kom­mu­nal­wahlkampfes ereignete, von seinem NPD-Posten zurücktreten.

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Sonstiges

Toolbox gegen rechte Gewalt

In dem 40-seit­i­gen Heft im Hosen­taschen­for­mat wird unter anderem erk­lärt, wie man eine Anzeige stellt, wie ein Strafver­fahren abläuft, wie man Schmerzens­geld bekommt – und wer die Kosten für Ärzte und Anwältin­nen übern­immt. Der Rat­ge­ber erscheint in ein­er über­ar­beit­eten drit­ten Auflage, die von der Koor­dinierungsstelle »Tol­er­antes Bran­den­burg« gefördert wurde. Das Heft wird in Bran­den­burg kosten­los verteilt und kann bei der Opfer­per­spek­tive bestellt werden.

Aus dem Inhalt

  • Was direkt nach einem Angriff wichtig ist
  • Was habe ich davon, wenn ich eine Anzeige mache?
  • Was ist alles strafbar?
  • Was ist, wenn sich die Polizei nicht kor­rekt verhält?
  • Warum einen Anwalt und was bringt eine Nebenklage?
  • Wie läuft ein Gerichtsver­fahren ab?
  • Wer übern­immt die Arztkosten?
  • Wer zahlt meine Anwältin?
  • Wie kriege ich Schmerzensgeld?
  • Was mache ich mit meinen Ängsten?
  • Wie gehe ich mit den Medi­en um?

Bestel­lun­gen bitte per Email: Kon­takt

Down­load hier (PDF-Datei, 2 MB)

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Bildung & Kultur Law & Order Sonstiges

Nach Vorwürfen von Rechts: Statement des Utopia e.V.

Am 11. Dezem­ber diesen Jahres kam es während der Sitzung der Stadtverord­neten­ver­samm­lung zur Debat­te um die Arbeit des gemein­nützi­gen Vere­ins Utopia e.V., in deren Ver­lauf es aus den Rei­hen von CDU, FDP sowie durch die Abge­ord­neten Joseph Lenden und Mein­hard Gutows­ki zu mas­siv­en Anfein­dun­gen gegenüber dem Vere­in kam (mehr).

Die Ver­fas­sungsmäßigkeit der Vere­in­sar­beit wurde angezweifelt und seine Mit­glieder mit ver­schiede­nen Straftat­en in Verbindung gebracht. Utopia weist der­ar­tige Anschuldigun­gen entsch­ieden zurück und sieht darin einen Ver­such, sein Engage­ment gegen Ras­sis­mus und Anti­semitismus zu krim­i­nal­isieren. Der Vere­in benen­nt seit nun­mehr zehn Jahren gesellschaftliche Missstände und kann auf eine erfol­gre­iche Jugend‑, Bil­dungs- und Kul­tur­ar­beit vor allem gegen recht­sradikale Ten­den­zen in Frank­furt (Oder) und für eine demokratis­che Kul­tur zurück­blick­en. Mit Hil­fe des Lokalen Aktion­s­plans ist es ihm gelun­gen immer mehr Jugendliche sowie auch Migran­tInnen in seine Pro­jek­te mit einzubinden.

Für all­ge­meine Empörung sorgte die Aus­sage des stel­lvertre­tenden CDU-Frak­tionsvor­sitzen­den Wolf­gang Melchert. Dieser hat­te sin­ngemäß erk­lärt, die Recht­en seien schlimm. Schlim­mer aber wären die nach dem Krieg durch Linke verübten Ver­brechen gewe­sen. Ein solch­er Ver­gle­ich ist eben­so ahis­torisch wie untrag­bar und bringt den Urhe­ber in gefährliche Nähe zum Geschicht­sre­vi­sion­is­mus. Wer gle­ichzeit­ig ver­sucht, Pro­jek­te und Aktiv­itäten gegen Recht­sradikalis­mus zu diskred­i­tieren und zu unterbinden, lässt Zweifel an der eige­nen demokratis­chen Gesin­nung aufkom­men. Der­ar­tige Äußerun­gen müssen Fol­gen haben und zumin­d­est den sofor­ti­gen Rück­tritt des Her­rn Melchert von allen öffentlichen Ämtern bedeuten.

Mit ein­er solchen Posi­tion­ierung, zumal im öffentlichen Raum, spielt Melchert sowohl den Recht­saußen in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung Gutows­ki und Lenden, als auch Neon­azis in Frank­furt (Oder) in die Hände und recht­fer­tigt deren Treiben. Eine einge­hende Auseinan­der­set­zung mit den Äußerun­gen einzel­ner Abge­ord­neter sollte in naher Zukun­ft The­ma für die Stadtverord­neten sein.

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Sozialistin erhielt fast die Hälfte der Stimmen

(Andreas Fritsche, Neues Deutsch­land) »Bürg­ernähe und Trans­parenz sind mir wichtig«, ver­spricht Uta Barkusky (Linkspartei). Sollte sie zur Bürg­er­meis­terin von Müncheberg (Märkisch-Oder­land) gekürt wer­den, so werde sie regelmäßig Sprech­stun­den in den Ort­steilen und jährlich min­destens zwei Bürg­er­foren in jedem Ort­steil abhal­ten. Der Bürg­er­meis­ter­posten ist jet­zt zum Greifen nahe.

Bei der Abstim­mung, die am Son­ntag par­al­lel zur Kom­mu­nal­wahl lief, erhielt Barkusky erstaunliche 49,77 Prozent. Nur wenig mehr, und sie hätte gar nicht mehr in eine Stich­wahl gemusst. Der CDU-Bewer­ber Rudolf Born­heimer (33,7 Prozent) und SPD-Amtsin­hab­er Klaus Zehm (16,6 Prozent) sind klar dis­tanziert. Die Stich­wahl ist für den 12. Okto­ber vorge­se­hen. Bei 270 Bürg­er­meis­ter­posten, um deren Ver­gabe es am Son­ntag ging, drehte es sich in 266 Fällen um ehre­namtliche Jobs. Die Tätigkeit in Müncheberg ist eine der vier hauptamtlichen.

Bei der Wahl der Kreistage und der Stadtverord­neten­ver­samm­lun­gen von Pots­dam, Cot­tbus, Frank­furt (Oder) und Bran­den­burg an der Hav­el kam die SPD am Son­ntag lan­desweit auf 25,8 Prozent, die Linkspartei auf 24,7, CDU 19,8, FDP 7,3 und Grüne 4,6. Bei der Kom­mu­nal­wahl 2004 hat­te die SPD noch bei 23,5 Prozent gele­gen, die CDU bei 27,8, die PDS bei 21,3, die FDP bei 6,3 und die Grü­nen bei 4,2. Die Wahlbeteili­gung betrug jet­zt 50,3 Prozent.

Die Auszäh­lung der Stim­men war von schw­er­wiegen­den tech­nis­chen Pan­nen begleit­et. Über weite Streck­en kon­nten keine Ergeb­nisse auf der Inter­net-Seite des Lan­deswahlleit­ers einge­se­hen wer­den. Das vor­läu­fige Endergeb­nis verzögerte sich wegen Schwierigkeit­en in den Land­kreisen Ober­hav­el und Pots­dam-Mit­tel­mark. In Ober­hav­el stell­ten die Auszäh­ler vorzeit­ig die Arbeit ein, so dass ein Wahlbezirk offen blieb. In Pots­dam-Mit­tel­mark kam es in zwei Wahlkreisen zu Unstim­migkeit­en, die erst gek­lärt wer­den mussten.

Bei den Wahlen zu den Stadtverord­neten­ver­samm­lun­gen und Gemein­de­v­ertre­tun­gen kön­nen wegen der großen Menge hier nur einige wenige Ergeb­nisse her­aus­ge­grif­f­en wer­den. In Eber­swalde, der viert­größten Stadt des Lan­des, siegte die Linkspartei mit 26,5 Prozent sou­verän vor der SPD, die 19,9 Prozent erhielt. Die FDP, die in Eber­swalde den Bürg­er­meis­ter stellt, bekam 13,8 Prozent, die CDU 10,7 Prozent, Grüne 8,1 Prozent. Die 5,2 Prozent, die das Bünd­nis für ein demokratis­ches Eber­swalde erhielt, reichen für zwei Man­date in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung. Eins davon gewann Albrecht Triller, Orts­bürg­er­meis­ter im Stadt­teil Finow und früher Mit­glied der Linkspartei. Triller schaffte auch den Sprung in den Kreistag Barn­im. In Eisen­hüt­ten­stadt ver­lor die Linkspartei min­i­mal, blieb aber mit 34,8 Prozent vor der SPD (27,5 Prozent) und der CDU (12,8 Prozent). In Fin­ster­walde schaffte es die CDU zwar, mit 24 Prozent vor der SPD (16 Prozent) zu bleiben, musste sich aber der Linkspartei (26 Prozent) geschla­gen geben. Noch vor der SPD platzierte sich die Wäh­ler­gruppe Bürg­er für Finsterwalde.

In Schwedt erre­ichte die Linkspartei mit 23 Prozent den zweit­en Platz hin­ter der SPD (36 Prozent). Die CDU kam hier auf 13 Prozent. In Königs Wuster­hausen lan­dete die Linkspartei mit ihren 28 Prozent etwa ein Prozent vor der SPD. Die neo­faschis­tis­che NPD kreuzten 4,4 Prozent der Wäh­ler an. Das reicht für ein Man­dat im Stadt­par­la­ment. In Belzig lief die Linkspartei mit 16,3 Prozent hin­ter SPD (23,9) und CDU (16,6) ein. Als Erfolg darf die LINKE ver­buchen, dass sie kün­ftig über vier statt bish­er drei Man­date ver­fügt. Den Einzug schaffte auch der Nieder­län­der und bish­erige Links­frak­tion­schef Wam Kat. Er ist ein­er von lan­desweit 23 EU-Aus­län­dern, die sich um ein Man­dat bewor­ben hatten.

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Lebenslang für blutigen Mord nach der Disko

Hohe Haft­strafen im Raps­feld­mord-Prozess verhängt

(BM) Frank­furt (O.) — Wegen bru­tal­en Mordes an einem 29-jähri­gen Mann sind gestern vor dem Landgericht Frank­furt (O.) fünf junge Män­ner aus Ost­bran­den­burg zu hohen Haft­strafen verurteilt wor­den. Sie wur­den für schuldig befun­den, das Opfer am 1. Juni 2002 gemein­schaftlich erstochen zu haben. Der Mann hat­te die fünf damals vor ein­er Diskothek in Alt-Zeschdorf (Märkisch-Oder­land) um eine Mit­fahrgele­gen­heit gebeten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Täter dann beschlossen, ihr Opfer mitzunehmen, um es auf der unter­wegs auszu­rauben. Erst schlu­gen sie es bru­tal zusam­men. Als sie ihn durch­sucht­en, fan­den sie jedoch nur einen leeren Geld­beu­tel. Das Opfer ver­suchte zu flücht­en, wurde aber von dem 23-jähri­gen Haupt­täter mit einem Mess­er niedergestreckt. Die bere­its skelet­tierte Leiche fand man Wochen später in einem Raps­feld. Der Haupt­täter wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein 25-Jähriger, der das Geschehen im Raps­feld unmit­tel­bar ver­fol­gt hat­te, muss wegen Mordes für 13 Jahre hin­ter Git­ter. Er hat­te angegeben, in der Disko zwei Gramm Kokain kon­sum­iert zu haben, wurde aber nach einem Gutacht­en für schuld­fähig gehalten. 

Die zwis­chen 19 und 26 Jahre alten Mit­täter wur­den wegen Kör­per­ver­let­zung, ver­sucht­en Raubes und Nich­tanzeigen ein­er Straftat zu Haft­strafen zwis­chen fün­fein­halb und einein­halb Jahren verurteilt. Die Staat­san­waltschaft hat­te lebenslange Haft­strafen für zwei der Täter gefordert, für die anderen zwölf und 14 Jahre. Die Vertei­di­ger hat­te für den Haupt­täter elfein­halb Jahre und gerin­gere Strafen für die anderen Angeklagten beantragt. Zwei der Täter mussten während der Ver­hand­lung ihre NS-Tätowierun­gen auf den Fin­gern mit Hand­schuhen ver­hüllen. Mut­ter, Brud­er und Witwe des Opfers hat­ten den Prozess mit verfolgt. 


Aus­ger­aubt und umgebracht
Mord nach ein­er Disko-Nacht: Lange Haft­strafen für die Angeklagten

(Berlin­er Zeitung, Katrin Bischoff) FRANKFURT (ODER). Der vier­jährige Julian wird nur mit sein­er Mut­ter aufwach­sen. Als der Junge drei Jahre alt war, starb sein Vater. Das war am Mor­gen des 1. Juni vorigen Jahres. Julians Vater starb keines natür­lichen Todes. Der 29-jährige Ronald Masch wurde mis­shan­delt, gehet­zt und schließlich — obwohl er um sein Leben bet­telte — mit fast 30 Messer­stichen in Lunge und Herz so schw­er ver­let­zt, dass er die Attacke nicht über­lebt hätte. Trotz­dem schnitt ihm sein Mörder zum Schluss noch die Kehle durch. Ein langsamer, grausamer Tod. Erst sechs Wochen später fand ein Bauer bei der Rapsernte die skelet­tierte Leiche. Der gel­ernte Dachdeck­er galt bis dahin als vermisst. 

Am Don­ner­stag wurde vor dem Landgericht in Frank­furt (Oder) gegen die Mörder des Mannes und deren Mit­täter aus Fürsten­walde das Urteil gesprochen. Der 23-jährige Matthias R. erhielt eine lebenslange Haft­strafe. Er hat­te auf Masch eingestochen. Auch der 25-jährige Ste­fan K. wurde wegen Mordes verurteilt. Er muss für 13 Jahre ins Gefäng­nis. Er hat­te Matthias R. aufge­fordert, es “auch richtig” zu machen. Die anderen drei Angeklagten erhiel­ten Haft­strafen zwis­chen 18 Monat­en und fün­fein­halb Jahren. “Es war ein Verdeck­ungsmord”, sagte der Vor­sitzende Richter Ulrich Gräbert in sein­er Urteils­be­grün­dung. Ronald Masch sollte zum Schweigen gebracht wer­den, um vor­ange­gan­gene Straftat­en zu vertuschen. 

Nur zufäl­lig hat­te Ronald Masch seine späteren Mörder ken­nen­gel­ernt. Der 29-Jährige suchte vor der Diskothek “Night Life” in Alt-Zeschdorf bei Frank­furt (Oder) nach ein­er gün­sti­gen Mit­fahrgele­gen­heit. Er traf auf Matthias R. und seine Fre­unde. Die beschlossen, ihn mitzunehmen, unter­wegs auszu­rauben und dann irgend­wo abzuset­zen. Nur Syl­vana M., die einzige Frau in der Gruppe, protestierte. Gewarnt hat sie das ahnungslose Opfer nicht. Gegen sie wurde in einem anderen Ver­fahren verhandelt. 

Auf einem Feld­weg zer­rten die Män­ner Masch aus dem Auto, schlu­gen ihn zusam­men und prügel­ten mit einem Axtstiel auf ihn ein. “Er hat um sein Leben gefle­ht”, sagte Gräbert. “Doch sie hat­ten kein Mitleid, kein Erbar­men, keine Hem­mungen.” Nur kurz ließen die Täter von dem 29-Jähri­gen ab, um die Geld­börse des schon schw­er ver­let­zten Mannes zu durch­wühlen. Masch ver­suchte eine Flucht. “Eure Gesichter habe ich mir gemerkt”, rief er. Es war sein Todesurteil. 

Matthias R. ran­nte hin­ter dem Flüch­t­en­den her. Mit einem Stich in den Rück­en wurde Masch zu Fall gebracht. Immer wieder stach Matthias K. auf den Mann ein. Später brüstete er sich mit der Blut­tat. Es sei geil gewe­sen, einen Men­schen umge­bracht zu haben, soll er gesagt haben. 

Den Angeklagten Daniel J., der vor der Diskothek von dem geplanten Raub durch seine Fre­unde erfuhr, verurteilte das Gericht zu 18 Monat­en Haft. “Es wäre men­schlich­er Anstand gewe­sen, wenn Sie die Straftat ver­hin­dert hät­ten”, sagte Richter Gräbert. “Sie müssen nun mit dem Vor­wurf leben, dass Sie ein Men­schen­leben hät­ten ret­ten können.” 

Matthias R. hat offen­bar auch nach dem Mot­to gehan­delt, das er sich auf die Fin­gerknöchel sein­er linken Hand tätowieren ließ: Hass. Die bei­den “s” stellen Runen dar. Deshalb musste er während des Prozess­es Hand­schuhe tragen. 

Ronald Maschs Port­monee enthielt übri­gens nicht einen Cent. 


Lebenslang für Maschs Mörder

Disko­mord-Prozess: Mit­täter müssen einein­halb bis 13 Jahre ins Gefängnis

(MAZ) FRANKFURT (ODER) Der Mörder von Roland Masch muss lebenslang hin­ter Git­ter. Das Frank­furter Landgericht verurteilte den 23-jähri­gen Matthias R. gestern wegen Mordes, ver­sucht­en schw­eren Raubes und gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung zu der Höch­st­strafe. Wegen der gle­ichen Delik­te ver­hängte das Gericht gegen den Mit­täter Ste­fan K. 13 Jahre Freiheitsstrafe. 

Nach Abschluss der Beweisauf­nahme stand fest, dass der Fürsten­walder R. sein Opfer am Mor­gen des 1. Juni ver­gan­genen Jahres mit 30 Messer­stichen tötete. Der bre­itschul­trige Kahlkopf, der zu jedem der elf Prozesstage in Hand- und Fußfes­seln in den Gerichtssaal geführt wor­den war, nahm das Urteil mit gewohnt grim­miger Miene auf. Die Beweisauf­nahme hat­te ergeben, dass er schon im Vor­feld des bru­tal­en Mordes ein­mal erfahren wollte, wie es ist, einen Men­schen mit dem Mess­er umzubrin­gen. Der 25-jährige K., der bei der Tötung von Roland Masch, dabei war, sack­te bei der Verkün­dung der langjähri­gen Strafe in sich zusam­men, hielt den knall­rot ange­laufe­nen Kopf tief gesenkt. 

Gemein­sam mit drei weit­eren Män­nern im Alter von 19 bis 26 Jahren hat­ten bei­de den Dachdeck­er aus Dol­gelin nach einem Diskobe­such in Altzeschdorf (Märkisch-Oder­land) im Auto mitgenom­men, um ihn später auszu­rauben. Auf einem Feld­weg prügel­ten vier aus der Gruppe zunächst bru­tal mit Fäusten und einem Axtstil auf das 29-jährige, angetrunk­ene Opfer ein, entwen­de­ten ihm schließlich die Geld­börse. Sie enthielt nicht einen Cent, wie sich später her­ausstellte. Masch hat­te sich in einem unbeobachteten Moment aufrap­peln und zunächst fliehen kön­nen. Sein entschei­den­der Fehler: Beim Davon­ren­nen drehte er sich mit den Worten “Eure Gesichter habe ich mir gemerkt” noch ein­mal zu den Schlägern um. 

R. und kurze Zeit später auch K. nah­men die Ver­fol­gung des bere­its schw­er ver­let­zten Opfers aus Dol­gelin auf, holten es mit­ten auf einem Raps­feld ein. “Wie im Rausch”, hat­te der 25-jährige K. vor Gericht geschildert, stach sein Kumpan auf den über­fal­l­enen ein, “als ob ein Tier ein anderes zer­fleis­cht”. Einge­grif­f­en hat­te K. nicht. Auch die übri­gen Män­ner aus der Gruppe warteten lediglich an den Autos, bis die bei­den Mörder blutver­schmiert aus dem Raps­feld kamen. Später vere­in­barten sie beim Beseit­i­gen von Spuren und Tat­waffe, dass nie­mand aus dem Quin­tett den anderen bei der Polizei verrät. 

“Wir kön­nen nur die prozes­suale Wahrheit aufdeck­en”, erk­lärte der Vor­sitzende Richter Ulrich Gräbert in der Urteils­be­grün­dung. Was sich im einzel­nen an jen­em Mor­gen im Raps­feld abge­spielt hat­te, habe das Gericht trotz inten­siv­er Beweisauf­nahme nicht aufk­lären kön­nen. “Und das liegt unter anderem an Ihnen und Ihrer Gesprächs­bere­itschaft”, wandte sich Gräbert an das Quin­tett auf der Anklage­bank und ließ keine Zweifel daran, dass sich umfassende, aufrichtige Geständ­nisse mildernd auf die Strafe aus­gewirkt hät­ten. Der Vor­sitzende Richter verdeut­lichte noch ein­mal die Schwierigkeit des Prozess­es. Für den grausamen Mord an Roland Masch hat­te es keine Zeu­gen, son­dern nur Beteiligte gegeben. Und deren Aus­sagen waren für das Gericht keines­falls “durch­weg glaubhaft”. 

Maik W. (21), der laut dem Vor­sitzen­den Richter “nicht alles” über seine Tat­beteili­gung sagte, die Mitangeklagten dafür aber erhe­blich belastete, wurde zu ein­er fün­fein­hal­b­jähri­gen Frei­heitsstrafe wegen ver­sucht­en schw­eren Raubes und gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung verurteilt. Sein zwei Jahre jün­ger­er Fre­und Axel T. muss wegen der gle­ichen Straftat­en für zweiein­halb Jahre ins Gefäng­nis. Der fün­fte im Bunde, der 26-jährige Daniel Jahnke, erhielt wegen Nich­tanzeigens von Straftat­en eine Frei­heitsstrafe von einein­halb Jahren. 


Lebenslang für bluti­gen Mord nach der Disko

“Jet­zt musst du es auch richtig machen”, sagte sein Kumpel. Da schnitt Matthias R. einem 29-Jähri­gen die Kehle durch

(Tagesspiegel) Frank­furt (Oder). Im so genan­nten Disko­mord-Prozess hat das Landgericht Frank­furt (Oder) gestern Abend hohe Haft­strafen gegen fünf junge Män­ner im Alter zwis­chen 19 und 26 Jahren gefällt. Das Gericht befand zwei Angeklagte des Mordes für schuldig: Matthias R. muss lebenslänglich und Ste­fan K. Für 13 Jahre ins Gefäng­nis. Wegen schw­eren Raubs in Tatein­heit mit gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung erhiel­ten zwei weit­ere Angeklagte Haft­strafen von fün­fein­halb und zweiein­halb Jahren. Der vorbe­strafte fün­fte Angeklagte muss wegen Nich­tanzeigens ein­er Straftat für einein­halb Jahre ins Gefängnis. 

Die junge Frau mit den schmalen Schul­tern hat an jedem Ver­hand­lungstag auf der Neben­klage-Bank gesessen. Das Opfer war eine Zeit lang ihr Lebens­ge­fährte gewe­sen. Und der Vater ihres vier­jähri­gen Kindes. “Deshalb hab ich mir diesen Prozess ange­tan”, sagt sie: “Irgend­wann wird mein Kind ja Fra­gen stellen.” Wie sie den Tod des Vaters dann erk­lären soll, weiß die Frau noch nicht. Wie soll man so etwas erklären? 

Im Laufe des Prozess­es kon­nte das Geschehen jen­er ersten Juni-Nacht des Jahres 2002 immer­hin rekon­stru­iert wor­den, und das erschreck­end genau: Der 29-jährige Zim­mer­mann Ronald M. hat­te nach der Disko in Alt Zeschdorf bei Frank­furt (Oder) einige Fahrzeugbe­sitzer gefragt, ob sie ihn ein Stück mit­nehmen kön­nten. Es waren die jet­zt Verurteil­ten. Sie hat­ten zunächst abgelehnt, sich dann aber nach ihren eige­nen Worten gedacht, “dass der Mann ja Geld hat, und dass man ihm das weg­nehmen kön­nte”. So durfte das Opfer in einem der bei­den Autos mit­fahren. Schon im Wagen erhielt er zumin­destens eine Ohrfeige. Sein später­er Mörder “tröstete” ihn mit den Worten “hier, nimm einen Schluck aus der Schnapsflasche”. 

Die Fahrt endete dann schnell in einem Feld­weg. Dort zer­rten die Täter den Mann aus dem Auto, prügel­ten mit Fäusten und einem Ham­mer­stiel auf ihn ein und trat­en zu. Ein­er hat­te schließlich das Port­monee in der Hand — es war leer. Ent­täuscht warf er es weg, die Schläger ließen von ihrem Opfer ab. Der Mann schleppte sich blu­tend ein Stück weg und rief etwas. An den Wort­laut kann sich kein­er der Täter erin­nern, aber in den Ohren von Matthias R. muss es wie “eure Gesichter hab ich mir gemerkt” gek­lun­gen haben. Oder hat ein ander­er das gesagt? R. ran­nte jeden­falls mit den Worten “der darf nicht leben bleiben, er hat sich unsere Kennze­ichen gemerkt” hin­ter dem Opfer her und ver­set­zte ihm mehrere Stiche in den Rück­en. In Tode­sangst krallte sich der 29-Jährige am Man­tel seines Peinigers fest. “Das hat mich in Wut ver­set­zt”, sagte Matthias R. aus. Immer wieder habe er auf sein Opfer eingestochen: in die Brust, in die Seite. Er habe ihn aber nicht töten wollen. Dann sei Ste­fan K. neben ihm aufge­taucht: “Jet­zt musst du es auch richtig machen!” sagte der. Matthias R. schnitt seinem Opfer die Kehle durch. 

Im Gerichtssaal wirkt der 23-Jährige R. unbe­wegt. Ab und zu stre­icht er sich über die Glatze, sucht Blick­kon­takt zu Kam­er­aden im Zuschauer­saal. Matthias R. hat wie die meis­ten anderen Angeklagten aus sein­er recht­en Gesin­nung keinen Hehl gemacht. Er ist stark, bul­lig — jed­er kann sich vorstellen, mit welch­er Wucht er die Messer­stöße geführt hat. 

Nach der Tat soll R. geprahlt haben, dies sei der “größte Kick” seines Lebens gewe­sen: Die Richter nah­men bestürzt zur Ken­nt­nis, dass offen­bar mehrere Men­schen von dem Mord wussten, aber nie­mand Anzeige erstat­tete. Erst im Spät­som­mer, als der Tote bei der Rapsernte gefun­den wurde, ver­haftete man die sechs Verdächti­gen. Der Vor­sitzende attestierte den fünf Verurteil­ten gestern eine unglaubliche Men­schen­ver­ach­tung: Kein Mitleid, kein Erbar­men — kein einzi­gen Gedanken hät­ten sie an ihr Opfer verschwendet. 


Lebenslange Haft für Haupt­täter im Disco-Mordprozess

Vier weit­ere Täter zu hohen Strafen verurteilt

(LR) Der Mörder von Roland Masch muss lebenslang hin­ter Git­ter. Das Frank­furter Landgericht verurteilte den 23-jähri­gen Matthias R. gestern wegen Mordes zu der Höch­st­strafe. Der Mit­täter Ste­fan K. erhielt 13 Jahre Freiheitsstrafe. 

Nach Abschluss der Beweisauf­nahme stand fest, dass der Fürsten­walder R. Sein Opfer am Mor­gen des 1. Juni ver­gan­genen Jahres mit 30 Messer­stichen getötet hat­te. Gemein­sam mit K. und drei weit­eren Män­nern, die alle der recht­en Szene zuge­ord­net wer­den, hat­te er das Opfer zuvor ver­prügelt und ausgeraubt. 

Maik W. (21) wurde zu ein­er fün­fein­hal­b­jähri­gen Frei­heitsstrafe wegen ver­sucht­en schw­eren Raubes und gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung verurteilt. Sein zwei Jahre jün­ger­er Fre­und Axel T., muss wegen der gle­ichen Straftat­en für zweiein­halb Jahre ins Gefäng­nis. Der fün­fte im Bunde, der 26-jährige Daniel J., erhielt wegen Nich­tanzeigens von Straftat­en eine Frei­heitsstrafe von anderthalb Jahren. Er war während der Gewal­torgie an Masch see­len­ruhig in einem der Autos sitzen geblieben Das Gericht hat­te auch bei K. für die Höch­st­strafe und bei den anderen drei Tätern für Strafen zwis­chen 14 und drei Jahren plädiert.

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Wittstock-Prozess: Keiner will den Stein geworfen haben


NEURUPPIN
TAZ — Im Prozess um den Tod des 24-jähri­gen Rus­s­land­deutschen Kajrat B. wird heute im Landgericht Neu­rup­pin das Urteil gesprochen. Der junge Spä­taussiedler und Vater eines Kleinkinds war im Mai 2002 von ein­er Gruppe junger Män­ner im Anschluss an eine Tech­no-Ver­anstal­tung im bran­den­bur­gis­chen Witt­stock zunächst bru­tal geschla­gen und getreten wor­den. Tödliche Ver­let­zun­gen erlitt Kajrat B., als er wehr­los am Boden lag und ein mehr als 17 Kilo­gramm schw­er­er Feld­stein auf seinen Oberkör­p­er gewor­fen wurde. Kajrat B. starb drei Wochen später im Kranken­haus; sein jün­ger­er Begleit­er Max­im K. über­lebte schw­er verletzt.
Wegen Totschlags hat die Staat­san­waltschaft für drei von fünf Angeklagten — einen 21-jähri­gen Mau­r­erlehrling, seinen 22-jähri­gen Fre­und und einen vorbe­straften 23-Jähri­gen — Haft­strafen von acht, neun und zwölf Jahren gefordert. Bei zwei weit­eren Angeklagten sieht Staat­san­walt Kay Clement lediglich den Tatbe­stand der Kör­per­ver­let­zung und fordert vier Jahre Haft bzw. eine Bewährungsstrafe. Die Vertei­di­ger plädierten für niedrige Strafen. Der Vertei­di­ger des 23-jähri­gen Patrick Sch. forderte einen Freis­pruch, sein Man­dant habe “aus Notwehr geschla­gen”. Patrick Sch. soll nach Ansicht der Staat­san­waltschaft den tödlichen Feld­stein gewor­fen haben. 

Mehr als 50 Zeu­gen hat das Gericht in den ver­gan­genen zwei Monat­en gehört. Drei Fra­gen standen dabei im Mit­telpunkt: Wer warf den tödlichen Stein? Wie kam es zu der Auseinan­der­set­zung zwis­chen den bei­den jun­gen Rus­s­land­deutschen, die zufäl­lig in die Gast­stätte ger­at­en waren, und der Gruppe befre­un­de­ter Witt­stock­er? Und welche Rolle spiel­ten Frem­den­feindlichkeit und Rassismus? 

Die Suche nach Antworten war müh­sam: Man habe vor ein­er “engen Mauer des Schweigens” ges­tanden, sagen Staat­san­walt Clemens und Neben­klagev­ertreterin Undine Wey­ers. Die Recht­san­wältin, die Kajrat B.s Mut­ter ver­tritt, weist darauf hin, dass min­destens zwanzig junge Män­ner und Frauen zusa­hen, als die bei­den Rus­s­land­deutschen attack­iert wur­den. Nie­mand sei eingeschrit­ten. Der Schul­ter­schluss mit den Män­nern, die auf den wehr­los am Boden liegen­den Kajrat B. und Max­im K. ein­trat­en, set­zte sich im Gerichtssaal fort. Die meis­ten Zeu­gen macht­en wider­sprüch­liche und unge­naue Angaben zu Tather­gang und Beteiligten. Zwei Män­ner ließ die Staat­san­waltschaft wegen mut­maßlich­er Falschaus­sagen im Gerichtssaal ver­haften, ins­ge­samt sind deshalb mehr als 12 Ermit­tlungsver­fahren anhängig. 

Neben­klägerin Wey­ers ist überzeugt, dass dem tödlichen Angriff ein frem­den­feindlich­es Motiv zugrunde liegt. Sie wertet die Tat als Mord. “Ein laten­ter, tief ver­wurzel­ter Ras­sis­mus” habe dazu geführt, dass im Ver­lauf des Diskoabends mehrere andere Auseinan­der­set­zun­gen unter ein­heimis­chen Jugendlichen unblutig been­det wur­den, während die Angreifer bei Kajrat B. und Max­im K. — im Wis­sen um deren Herkun­ft als Rus­s­land­deutsche — hem­mungs­los zuschlu­gen und zutrat­en. Die Recht­san­wältin ver­weist auf eine Zeu­ge­naus­sage, wonach in der Disko verabre­det wor­den sei, die “Russen” beim Ver­lassen der Gast­stätte anzu­greifen. Auch die Polizei trage eine Mitver­ant­wor­tung für die schwieri­gen Aus­gangs­be­din­gun­gen des Prozess­es. Die Beamten hat­ten es unter anderem ver­säumt, am Tatort die Per­son­alien der dort noch herum­ste­hen­den Gruppe von rund zwei Dutzend jun­gen Män­nern und Frauen aufzunehmen. Kein­er der fünf Angeklagten hat sich im Prozess zu dem tödlichen Stein­wurf bekan­nt. Eingeräumt wur­den lediglich Tritte und Faustschläge. Ein frem­den­feindlich­es Motiv, von dem die Ermit­tlungs­be­hör­den lange Zeit aus­ge­gan­gen waren, sieht Staat­san­walt Kay Clement jedoch inzwis­chen nicht mehr. Er glaubt den Angeklagten. Die hat­ten erk­lärt, sie seien von Kajrat B. und Max­im K. um Zigaret­ten gebeten wor­den. Das habe sie “gen­ervt” und “provoziert” — und deshalb hät­ten sie zugeschlagen. 

BZ — Eine Stadt deckt einen Mörder

Viele standen dabei, als Kajrat zu Tode geprügelt wurde — aber kein­er will etwas gese­hen haben

WITTSTOCK. Die Mauer ste­ht. Bis zur let­zten Minute. Es ist eine Mauer des Schweigens, die nicht durch­brochen wer­den kon­nte während der vie­len Prozesstage. Sie haben ange­blich nichts gese­hen und nichts gehört und wollen nun auch nichts sagen im Saal des Landgerichts Neu­rup­pin — die vie­len Fre­unde der Angeklagten. Es geht nicht um eine Jugend­sünde, es geht um den Tod eines Men­schen. Den Tod des 24-jähri­gen Spä­taussiedlers Kajrat Batesov. 

Und doch bleibt die Wahrheit trotz der Schwere der Tat unaus­ge­sprochen. In Witt­stock will kein­er aus der Clique als Buh­mann daste­hen, hat eine junge Frau dem Gericht das Schweigen der Zeu­gen erk­lärt. “Witt­stock ist ein kleines Dorf, da ist man schnell unten durch, wenn man die Klappe aufmacht.” 

Sie hock­en son­nen­stu­dio­gebräunt auf der Zeu­gen­bank, waren dabei, als in Witt­stock ein Men­sch erschla­gen wurde, und schweigen dazu. Sie sitzen danach unter den Zuschauern und machen dort den Mund auf. “Scheiße labern”, ist zu hören. Oder “Blödsinn”. Es sind Kom­mentare zu den Fra­gen und Anträ­gen der Recht­san­wältin von Rais­sa Bateso­va. Sie ist die Mut­ter von Kajrat, dem vor zehn Monat­en vor ein­er Witt­stock­er Diskothek ein Feld­stein auf die Brust geschleud­ert wurde. Da lag Batesov schon längst am Boden — bewusst­los von etlichen Trit­ten und Schlä­gen. “In dem Moment, wo man einen solchen Stein auf einen Wehrlosen schmeißt, da will man ver­nicht­en, einen Men­schen zertreten wie eine Ameise”, sagt Frau Bateso­vas Anwältin, Undine Wey­ers. Für sie gibt es kaum Zweifel, dass bei der Tat niedere Beweg­gründe eine Rolle gespielt haben. Tötung aus niederem Beweg­grund ist eines der Merk­male für Mord. 

Die fünf jun­gen Män­ner auf der Anklage­bank, für die der Staat­san­walt Haft­strafen von vier bis zwölf Jahren fordert und deren Vertei­di­ger fast durch­weg Freis­pruch ver­lan­gen, müssen sich aber nicht wegen Mordes ver­ant­worten. Dafür fehlt dem Staat­san­walt das frem­den­feindliche Motiv. “Man hat bei den Woh­nungs­durch­suchun­gen wed­er eine CD mit rechtem Liedgut noch irgendwelche Het­zschriften gefun­den”, begrün­det Staat­san­walt Kai Clement seine Auf­fas­sung. Daher lautet der Tatvor­wurf gemein­schaftlich­er Totschlag. 

Kajrat musste ster­ben, weil er in den Augen der Angeklagten ein Russe, also min­der­w­er­tig, war, sagt Recht­san­wältin Wey­ers. Sie lässt auch nicht die Auf­fas­sung der Vertei­di­ger der 20 bis 23 Jahre Beschuldigten gel­ten, die Angeklagten wären schon vor der Schlägerei mit dem Rus­s­land­deutschen gegen andere Diskobe­such­er aggres­siv gewe­sen — gegen Deutsche. “Ja, es gab zuvor schon Auseinan­der­set­zun­gen mit anderen”, sagt die Anwältin von Kajrats Mut­ter. Doch da sei stets jemand dazwis­chenge­gan­gen. Das habe bei Kajrat offen­bar nie­mand für notwendig erachtet. “Eben weil er ja nur ein Russe war und weil er und sein Fre­und nach Ansicht der Angeklagten als Fremde in der Disko nichts zu suchen hat­ten”, sagt Wey­ers. In der Kle­in­stadt werde jed­er Fremde mit Mis­strauen beäugt. So ist das nun mal in Witt­stock, ver­sucht ein Vertei­di­ger einzu­lenken. Erst kurz vor den Plä­doy­ers hat sich Marko F. dazu entschlossen, das Schweigen zu dem 17 Kilo­gramm schw­eren Stein zu brechen, den bis dahin kein­er der Angeklagten gese­hen, geschweige denn in der Hand gehal­ten haben will. F. ist der Angeklagte, der bis zu sein­er Aus­sage vom Staat­san­walt für den Steinew­er­fer gehal­ten wurde. “Es stimmt wirk­lich, was ich jet­zt sage”, beteuert der 21-Jährige. Nicht er habe den Stein auf den Rus­s­land­deutschen geschmis­sen. “Patrick war es, er hat es mir erzählt”, sagt Marko F. und zeigt auf den Fre­und, der neben ihm auf der Anklage­bank sitzt. 

“Jed­er weiß Bescheid” 

Patrick Sch. stand zum Zeit­punkt der Tat wegen ein­er anderen Gewalt­tat noch unter Bewährung. Er habe nicht zum Ver­räter wer­den wollen, sagt Marko F. Er habe immer geglaubt, sein Fre­und selb­st mache den Mund auf oder ein­er der vie­len Zeu­gen. “Denn viele haben es gese­hen, da bin ich mir hun­dert­prozentig sich­er”, sagt F. In Witt­stock wisse doch mit­tler­weile jed­er Bescheid. Doch der Domi­no-Effekt sein­er Aus­sage bleibt aus. Kein Zeuge vom Tatort beken­nt sich dazu, den tödlichen Wurf beobachtet zu haben. Kein­er der übri­gen Angeklagten kippt um. Patrick Sch. schweigt. Er lässt lediglich über seinen Anwalt mit­teilen, das wäre alles Quatsch. 

“Es kann ein­fach nicht sein, wie uns hier eine ganze Stadt wie gedruckt belügt und auf der Nase herum­tanzt.” Undine Wey­ers sagt das, nach­dem mehr als 50 Zeu­gen gehört wur­den. Auch Staat­san­walt Kai Clement ist, auch wenn er es so krass nicht for­muliert, wohl der gle­ichen Ansicht. Er hat eine Rei­he der Diskobe­such­er kurz nach ihrer Zeu­ge­naus­sage noch im Gerichtssaal fes­t­nehmen lassen. 

Dreizehn Ermit­tlungsver­fahren hat er in der kurzen Zeit wegen Falschaus­sage und Strafvere­it­elung ein­geleit­et. “Noch nicht dabei sind die Ver­fahren wegen unter­lassen­er Hil­feleis­tung”, sagt er. 

Alle Angeklagten haben Schläge oder Tritte gegen Kajrat Batesov eingeräumt. Nicht aber die Sache mit dem Stein. Wäre der Stein nicht bei Gericht gezeigt wor­den, man hätte meinen kön­nen, es habe ihn nie gegeben, sagt Undine Wey­ers. Doch es gibt ihn, den einen, glaub­haften Augen­zeu­gen: ein Revier­förster, der neben der Diskothek wohnt, und der im Licht ein­er Straßen­later­ne von seinem Schlafz­im­mer­fen­ster aus voller Entset­zen sah, wie ein­er diesen “Riesen­stein über den Kopf hob” und dann auf einen leblosen Men­schen mit voller Wucht fall­en ließ. Min­destens zehn andere Jugendliche standen in unmit­tel­bar­er Nähe, sagt er.
Die Aus­sage des Försters hat das Schweigen nicht brechen kön­nen, nicht das Geständ­nis von Marko F., eben­so wenig wie die Fes­t­nah­men im Gerichtssaal und der Appell von Kajrats Mut­ter. “Sagt die Wahrheit über das, was gewe­sen ist. Ich möchte, dass eure Müt­ter nie so etwas wie ich durch­machen müssen”, hat
Rais­sa Bateso­va die Angeklagten ange­fle­ht. Umson­st. In dem Indizien­prozess wird am Mon­tag das Urteil gesprochen.

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Erneut zwei Zeugen wegen Falschaussage-Verdacht im Gerichtssaal verhaftet



Der Zeuge Michael L. (26), wohn­haft in Witt­stock, trat am gestri­gen siebten Ver­hand­lungstag vor dem Neu­rup­pin­er Landgericht, zunächst mit großer Selb­st­sicher­heit auf. Er wolle nun die Wahrheit sagen, erk­lärte der Mechaniker, nach­dem ihn Rich­terin Thaeren-Daik noch mal aus­führlich belehrt hat­te. Er habe gegen 4:00 Uhr in der Früh draußen vor der Disko in Alt-Daber im Auto gesessen und auf seinen Kumpel Daniel G. gewartet. Von dort habe er eine “Rangelei”; zwis­chen drei bis vier Leuten beobacht­en kön­nen, bei der ein­er dann zu Boden gegan­gen und “ein biss­chen mit den Füßen getreten wor­den”; sei. (…) “Ich dachte, es han­delt sich um eine ganz nor­male Schlägerei”;. Auch sein Kumpel G. hätte schon wieder im Auto neben ihm gesessen und das Geschehen mit ihm beobachtet. Sich­er war sich der Zeuge, den Angeklagten Mike Sch. dabei gese­hen zu haben, wie dieser zuge­treten habe. Die bei­den anderen hätte er nicht erken­nen kön­nen, so gestern auf mehrma­lige Nach­frage. Fün­fzehn bis zwanzig Leute hät­ten um das Geschehen drum herum ges­tanden, von denen er zwar “die Hälfte”; ken­nen will, gestern jedoch auf Grund­lage der Vor­lage von Licht­bildern, nie­mand mehr iden­ti­fizieren kon­nte. Auch will er nichts von einem Stein gese­hen und zunächst auch nichts davon gehört haben. Als sie schließlich los­ge­fahren seien, hät­ten er und sein Kol­lege um einen der Ver­let­zten herum fahren müssen, wie der Zeuge gestern auf Nach­frage bestätigte. Bevor sie dann endgültig wegge­fahren seien, hät­ten sie noch Michael W. ver­sprochen, bei Nach­frage, zu bestäti­gen, dass dieser mit ihnen in Waren gewe­sen sei. Dieses falsche Ali­bi für den geson­dert ver­fol­gten Michael W., hat­te der Zeuge in sein­er ersten polizeilichen Vernehmung auch entsprechend angegeben. Wegen Ver­dacht der Falschaus­sage und unter­lassen­er Hil­feleis­tung wurde Michael L. direkt nach sein­er Aus­sage noch im Gerichtssal verhaftet. 

Das gle­iche Schick­sal ereilte gestern den Zeuge Thomas K. (21), der ohne wenn und aber behauptete, an keinen Zeu­gen­ab­sprachen teilgenom­men zu haben, obwohl der Angeklagte Michael H. gestern erneut bestätigte, an einem Gespräch zum Zweck der Absprache, zwis­chen Thomas K., ein­er weit­eren Per­son und dem Angeklagten F., teilgenom­men zu haben. Daniel G. und Michel W., die bei­den Zeu­gen, die schon Fre­itag let­zte Woche aus dem Gerichtssaal ver­haftet wor­den waren und sich inzwis­chen wieder auf freiem Fuß befind­en, zogen es am gestri­gen Ver­hand­lungstag vor, die Aus­sage zu ver­weigern; bei­de hät­ten sich inzwis­chen einen Anwalt genom­men, wurde bekan­nt gegeben. 

Von ein­er “Mauer des Schweigens”; sprach Staat­san­walt Clement mit Blick auf die Zuschauer­bänke, wo gestern erneut Fre­unde und Ver­wandte der Angeklagten saßen. Reich­lich gen­ervt schien auch die anson­sten eher ruhig wirk­ende Rich­terin Thaeren-Daik zu reagieren. Auf­grund des Aus­sagev­er­hal­tens der Zeu­gen sei es nur sehr schw­er möglich, sich ein Bild des Tat­geschehens zu machen, so die Rich­terin. Dabei scheint ihre größte Sorge darin zu liegen, dass der Prozess sich zeitlich in die Länge ziehen kön­nte. Frau Bateso­va, die Mut­ter des ver­stor­be­nen Kajrat, die als Neben­klägerin den Prozess aufmerk­sam ver­fol­gt, schüt­telte auch am gestri­gen Ver­hand­lungstag immer mal wieder den Kopf. Unfaßbar sind für sie die vie­len Lügen, die die Zeu­gen in diesem Prozess auftis­chen. Sie will nicht aufgeben und wird sich mit ihrer Anwältin Undine Wey­ers weit­er­hin in das Geschehen aktiv ein­mis­chen. “Ich will zumin­d­est wis­sen, was da passiert ist und warum mein Sohn gestor­ben ist”;, so erk­lärte sie in ein­er Prozesspause. 

Auf­grund der Absprachen, die ein Teil der bish­er gehörten Zeu­gen offen­sichtlich getrof­fen haben, ist auch die Tat­mo­ti­va­tion weit­er­hin nicht ein­deutig gek­lärt. Klar ist inzwis­chen — und dies haben bish­er fast alle Zeu­gen bestätigt -, dass die bei­den Opfer in der Disko als “Russen”; erkan­nt wur­den. Mehrere Zeu­gen berichteten auch, dass sie von anderen Diskobe­such­ern auf die bei­den aufmerk­sam gemacht wor­den waren. Der Zeuge Thomas K. beispiel­sweise, hat­te — wie ihm gestern die Neben­klagev­ertreterin Andrea Würdinger vorhielt — in sein­er ersten polizeilichen Vernehmung aus­ge­sagt, dass ihm die bei­den Aussiedler “aus­ländisch”; vorgekom­men seien. Zwar hät­ten sie “getanzt wie wir”;. Er hätte sich jedoch noch in der Disko über­legun­gen dazu gemacht, ob die “uns provozieren”; wollen.

Pro­voka­tion durch Anwe­sen­heit und später — wie ein­er der Angeklagten aus­sagte — durch “agres­sives Schnor­ren von Zigaret­ten”;, so kön­nte man zusammenfassen. 

Nach drei weit­eren Prozessta­gen in der kom­menden Woche wird der Prozess bis Mon­tag, den 17. Feb­ru­ar unter­bochen, danach sind fünf weit­ere Prozesstage anber­aumt, um die “Mauer des Schweigens”; zu durchbrechen. 

Prozess um Aussiedler­tod: Wieder Zeu­gen festgenommen

Zwei Män­ner woll­ten mit Falschaus­sage die Angeklagten decken

(Tagesspiegel) Neu­rup­pin. Sie druck­sen, sie lügen, sie wis­sen von nichts: Die Fre­unde der fünf Angeklagten im Prozess zum gewalt­samen Tod des Aussiedlers Kajrat Batesov zeigen von sich von der Pflicht zur wahrheits­gemäßen Aus­sage ziem­lich unbeein­druckt. Entsprechend hart griff auch am gestri­gen siebten Prozesstag die Staat­san­waltschaft am Landgericht Neu­rup­pin wieder durch: Bere­its zum zweit­en Mal wur­den zwei Bekan­nte der angeklagten Clique noch im Gerichtssaal vor­läu­fig festgenom­men. Der 26-jährige Michael L. hat­te nach mehreren Aus­flücht­en zugegeben, er habe einem anderen Zeu­gen ein falsches Ali­bi für die Tat­nacht ver­schafft und bei den Ver­hören der Polizei gel­o­gen. Die Staat­san­waltschaft wirft Michael L. Falschaus­sage und ver­suchte Strafvere­it­elung vor — sowie unter­lassene Hil­feleis­tung. L. hat­te die Schläge und Tritte zumin­d­est gegen einen der bei­den am 4. Mai 2002 vor ein­er Witt­stock­er Disko mis­shan­del­ten Aussiedler beobachtet, ohne einzu­greifen. Nach L. trat der 21-jährige Thomas K. in den Zeu­gen­stand — und das Spiel wieder­holte sich: Auch K. wurde wegen mut­maßlich­er Falschaus­sage festgenom­men. Vor ein­er Woche ließ Staat­san­walt Kai Clement bere­its zwei Zeu­gen vor­läu­fig fes­t­nehmen, die dem Gericht falsche Aus­sagen aufgetis­cht hat­ten. Die jun­gen Män­ner kamen allerd­ings am sel­ben Abend wieder frei. Sie sollen sich nach ihrer Fes­t­nahme etwas bess­er an das Tat­geschehen erin­nert haben. Der­art gewarnt sagte auch Michael L. gestern offen­bar mehr aus, als er ursprünglich wollte, ohne jedoch die volle Wahrheit preiszugeben. L. hat­te in einem Pkw vor dem Ein­gang der Diskothek gesessen. Er habe gese­hen, wie sich eine “Rangelei” entwick­elte, sagte L. dem Gericht. Auf hart­näck­iges Nach­fra­gen durch die Vor­sitzende Rich­terin Gisela Thaeren-Daig berichtete L. dann Details. Der Angeklagte Mike Sch. habe mit drei Per­so­n­en eine Person
geschla­gen und “in den Bauchraum” getreten. Das Opfer sei zu Boden gegan­gen und weit­er geprügelt wor­den. Er selb­st sei etwa 20 Meter ent­fer­nt gewe­sen, sagte L. Den­noch habe er wed­er gese­hen, dass ein zweit­er Aussiedler zusam­mengeschla­gen wurde, noch dass ein Angreifer einen schw­eren Feld­stein auf Kajrat Batesov warf. Etwa 15 Leute, die vor dem Pkw standen, hät­ten ihm die Sicht versper­rt. Als ein Fre­und zu ihm ins Auto stieg, sei er los­ge­fahren und habe sich durch die Menge “geschlän­gelt”. Trotz Lück­en und Lügen kön­nte ein Detail der Aus­sage von L. noch Bedeu­tung erlan­gen. Der 26-Jährige gab an, bere­its vor Beginn “des Geschehens” habe ein Fre­und mit ihm vere­in­bart, einem weit­eren Kumpan ein Ali­bi zu ver­schaf­fen. Sollte dies zutr­e­f­fen, wäre die Ver­mu­tung der Neben­klage-Anwältin­nen bestätigt, der Angriff auf die Aussiedler sei in der Witt­stock­er Disko verabre­det wor­den und nach dem Ende der Tanzver­anstal­tung gezielt erfol­gt. Damit würde ein frem­den­feindlich­es Motiv der Blut­tat wahrschein­lich­er — und eine Ver­schär­fung der auf Totschlag lau­t­en­den Anklage möglich, hin zu gemein­schaftlich began­genem Mord aus niederen Beweggründen. 

Inforiot