RATHENOW Die Polizei hat drei Jugendliche als Täter ermittelt, die am Dienstagabend zwei sudanesische Asylbewerber in Rathenow (Havelland) beschimpft und geschlagen haben. Wir die Oranienburger Polizei mitteilte, legten die drei jungen Männer zwischen 17 und 19 Jahren aus Rathenow teilweise Geständnisse ab. Nach der Vernehmung wurden sie auf freien Fuß gesetzt.
Einige Monate war es ruhig, nun schlagen sie wieder zu: Linksextremistische Kernkraftgegner hängten in den Morgenstunden des 26. Oktober bei Werder, auf der Strecke Berlin — Brandenburg an der Havel, Hakenkrallen in Oberleitungen der Bahn ein. Dabei wurden die Lok einer Regionalbahn und die Oberleitungen schwer beschädigt.
Erst am 23. Oktober hatten militante Autonome vier Anschläge ähnlicher Art auf Bahnstrecken in Berlin verübt. Dabei erlitt nach ersten Meldungen ein Lokführer schwere Augenverletzungen.
Weitere Anschläge wurden während der letzten Wochen in Niedersachsen bekannt. Sie alle stehen offenkundig in einem Zusammenhang mit dem kurz bevorstehenden Beginn eines CASTOR-Transports von La Hague nach Gorleben.
Bei dem jüngsten Anschlag in Brandenburg wurde niemand verletzt. Aber das ist nur ein glücklicher Zufall. Denn die Täter nehmen durchaus in Kauf, dass ihre Aktionen Menschenleben gefährden. Wie jetzt in Berlin, so war auch schon im Oktober 1996 ein Lokführer in Niedersachsen durch Glassplitter eines durchschlagenen Zugfensters verletzt worden. Wenn die militanten Kernkraftgegner behaupten, ihre Gewalt richte sich nur gegen Sachen, nicht gegen Menschen, vernebeln sie also bewusst die kriminelle Energie, die bei den Hakenkrallen-Anschlägen zu Tage tritt.
Die Berliner Anschläge — die offenbar zur gleichen Aktionswelle gehören wie die Tat vom 26. Oktober — waren denn auch von besonderer Brutalität. Die Täter oder Täterinnen blockierten die Oberleitungen mit Eisenketten und Schraubzwingen.
Zu den Taten in Berlin hatten sich in einem Schreiben an verschiedene Berliner Tageszeitungen und die Nachrichtenagentur AFP “autonome Gruppen” bekannt. Unter der Überschrift “Kampf dem Castor heisst Kampf dem System” rechtfertigen sie die Anschläge als “Fortführung der Kampagne gegen die Atomindustrie und die involvierten Konzerne”. Zugleich rufen sie andere autonome Gruppen auf, sich am Widerstand gegen den nächsten Castor-Transport zu beteiligen. Damit solle “die sofortige und weltweite Stilllegung aller Atomanlagen” erreicht werden. In ihrer Selbstbezichtigung schlagen sie auch einen Bogen zu den “Aktionen gegen die EU- bzw. G8-Gipfel in Göteborg und Genua” und “die diversen antirassistischen Grenzcamps”. Alle diese Unternehmungen seien “ermutigende Kristallisationspunkte für linksradikalen Widerstand”. Schließlich begründen sie ihr Vorgehen gegen den “patriarchal-kapitalistischen Normalzustand” auch mit den neuesten sicherheitspolitischen Schritten der Bundesregierung und den militärischen Aktionen der USA gegen die Taliban in Afghanistan. Dabei fällt auf, dass Männer allein als Täter, Frauen allein als Opfer gesehen werden. Dies mag ein Hinweis auf die Zusammensetzung der Gruppe sein, die für die Anschläge verantwortlich ist.
Seit der — wenn auch langfristige — Ausstieg aus der Atomenergiewirtschaft in Deutschland beschlossene Sache ist, fürchten die militanten Kernkraftgegner, dass ihre Anschläge nicht mehr genügend Resonanz finden. Auch deshalb konstruieren sie, wie im zitierten Bekennerschreiben, weitgespannte Begründungszusammenhänge. Doch auch diese Auslassungen täuschen nicht darüber hinweg, dass die Behauptung, “linksradikale Militanz” sei “genau und differenziert”, nur der Selbstbeweihräucherung dient, aber nichts mit den unabsehbaren Folgen der Anschläge zu tun hat.
Gewalttätigen Widerstand gegen den Transport abgebrannter Brennelemente gibt es schon seit Jahren. An ihm haben sich auch immer wieder Linksextremisten in Brandenburg beteiligt. Zuletzt gab es hier zwei Hakenkrallen-Anschläge am 9. März 2001, die zeitgleich mit ähnlichen Aktionen in Hessen und Niedersachsen stattfanden.
Sobald ein CASTOR-Transport bevorsteht, häufen sich erfahrungsgemäß derlei kriminelle Aktivitäten. Da in wenigen Tagen der Transport wiederaufbereiteter atomarer Brennelemente aus dem französischen La Hague nach Gorleben beginnt, muss auch jetzt mit weiteren Anschlägen gerechnet werden. Bundesgrenzschützer kontrollieren verstärkt Brandenburger Bahnlinien.
30 Deppen bei NPD-Demo in Wittstock
Rechtsextremer Aufzug in Wittstock
Polizei beschlagnahmt Transparent
WITTSTOCK Mit einer Anzeige wegen des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen müssen Teilnehmer der Demonstration rechnen, die am Sonnabend durch die Wittstocker Innenstadt zogen. Rund 30 vorwiegend rechtsextreme junge Leute hatten sich versammelt. Aufgerufen hatte dazu die “Aktionsgemeinschaft für Frieden und Selbstbestimmung”, in der sich unter anderem NPD-Anhänger und andere Rechtsextreme zusammengeschlossen haben. Noch am Freitag hatte der Polizeipräsident von Oranienburg die Kundgebung in Wittstock verboten. Die Polizei bezog sich dabei auf ein Treffen rechtsextremer Jugendlicher, die am 13. Oktober in einer Auseinandersetzung mit der Polizei den Wittstocker Jugendclub Havanna zerstört hatten. Mit der Demonstration “wird provoziert, dass dieser Personenkreis die neu angemeldete Versammlung als Ersatz- oder Nachfolgeveranstaltung betrachtet”, so die Polizei in ihrer Verbotsverfügung.
Dagegen hatten die Organisatoren geklagt. In zweiter Instanz hat am Freitagabend das Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder die Kundgebung zugelassen. Allerdings musste die Marschroute geändert werden, die Kundgebung auf dem Wittstocker Markt blieb weiter verboten.
Die Polizei beschlagnahmte ein Transparent mit der Aufschrift: “Arbeit durch nationalen Sozialismus”. Eine Anzeige gegen den Träger wird geprüft.
Gerichte erlaubten NPD-Aufzug
Etwa 30 Anhänger demonstrierten in Wittstock
WITTSTOCK Rund 30 NPD-Anhänger demonstrierten am Sonnabend in Wittstock. Der Aufzug ist friedlich verlaufen, teilte die Polizei mit. Sie hatte die Versammlung zunächst verboten, weil sie rechtsextreme und bereits straffällig gewordene Personen erwartete und damit die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sah. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht hoben das Verbot jedoch auf. Sie sahen keine Anhaltspunkte für eine solche Gefahr, erteilten aber Auflagen. So war das Tragen von Fahnen verboten. Die Demo fand unter dem Titel “Friedensliebe kann man nicht verbieten, Schluss mit der Kriminalisierung der deutschen Friedensbewegung” statt. Laut Polizei-Angaben wurden sieben Transparente mitgeführt, darunter eines mit der Aufschrift “Arbeit durch nationalen Sozialismus”, welches sichergestellt wurde.
“Wir stehen ihnen auf den Füßen”
OSTPRIGNITZ-RUPPIN Mit einer Sonderkommission (Soko) macht das Oranienburger Polizeipräsidium im Norden Brandenburgs Front gegen extremistische Gewalttäter.
Zum Einsatz kommt die so genannte Soko Tomeg-Nord in den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin und Prignitz. Das Kürzel Tomeg bedeutet „Täterorientierte Maßnahmen gegen extremistische Gewalt“. Das gilt für rechts- wie linksradikale gewaltbereite Täter. „Wir stehen denen auf den Füßen“, sagt Polizeisprecher Rudi Sonntag. Die 15-köpfige Soko soll vor allem hautnah an den Tätergruppen arbeiten und dabei vorbeugend wirksam werden. Das heißt, dass die Polizisten vor allem die Treffs der einschlägig bekannten Gruppierungen unter die Lupe nehmen. Vorgesehen sind auch Hausbesuche. Viele der potenziellen Täter, insbesondere aus der rechten Szene, sind noch blutjung. Der Einfluss des Elternhauses spielt oft eine Rolle. Ziel der Soko wird es sein, auf gewaltbereite Jugendliche einzuwirken, bevor sie straffällig werden. Sonntag lässt durchblicken, dass sich die Polizei auch einen Abschreckungseffekt auf die Mitläufer-Szene erhofft. Mancher Halbstarke, der es vielleicht interessant findet, im Outfit rechter Schläger mit Bomberjacke und Springerstiefeln durch die Stadt zu marschieren, könnte die Lust daran verlieren, wenn ihm klar wird, das er sich im Visier der Soko bewegt.
Die Soko Tomeg soll aber auch dazu beitragen, die Effizienz der Strafverfolgungsbehörden zu erhöhen. „Die Kriminalisten registrieren und dokumentieren alle Straftaten unserer speziellen Klientel“, so Sonntag. Das bedeutet, dass ein junger Mann, der beispielsweise dadurch auffällig wurde, dass er verfassungsfeindliche Kennzeichen zur Schau stellte, auch darauf durchleuchtet wird, was er sonst auf dem Kerbholz hat, etwa Hausfriedensbruch oder Fahren ohne Führerschein. „Indem wir da gesamte Register zusammenfassen, geben wir einem Richter gute Karten für eine Verurteilung in die Hand, falls so ein Kandidat vor Gerichtsschranken landet“, sagte der Polizeisprecher.
Nicht zuletzt entschloss sich das Oranienburger Polizeipräsidium für die Soko Tomeg-Nord auf Grund der sehr guten Erfahrungen, die mit der seit etwa einem Jahr arbeitenden Soko in Rathenow gemacht wurden. „Seit es dort die Soko gibt, liegt die Aufklärungsquote bei Gewalttaten im politisch rechten gewaltbereiten Spektrum an der 100-Prozent-Marke“, berichtet Sonntag. Die Soko-Kriminalisten verfügten über Insider-Kenntnisse, würden eng mit dem Staatsschutz zusammenarbeiten und sich bei ihren Ermittlungen auch auf Informationen aus der Szene stützen.
Der Schwerpunkt der Tomeg-Nord wird in den Städten Pritzwalk und Wittstock liegen. Der Wittstocker Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) erhofft sich von der Soko mehr Druck auf rechtsradikale Gruppen in seiner Stadt. „Wir haben hier eine rechte Szene, die sich in den letzten Jahren verfestigt hat und die teilweise auch von Außen organisiert wird“, sagte Scheidemann. Dazu trage auch die Lage der Stadt an der Autobahn bei. Ins Gerede und in die Schlagzeilen kam die Dossestadt durch wiederholte Aufmärsche der rechtsradikalen NPD. Es seien nur etwa 30 NPD-Leute gewesen, die, von der Bevölkerung kaum beachtet, durch die Straßen zogen. Doch der Ruf der Stadt leidet, wenn sie als Hochburg der rechten Szene gesehen wird, weiß der Bürgermeister. Die Stadt unterstütze die Bemühungen des Jugendförder-Vereins „Nanü“ und des Arbeitskreises „Couragiert gegen Rechts“, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Jugendliche nicht dem Einfluss radikaler politischer Parteien und Gruppierungen zu überlassen. „Wir betreiben keine Ausgrenzung und haben rechtslastigen Jugendlichen mit dem Havanna-Klub bewusst einen der beiden Jugendtreffs in unserer Stadt überlassen. Damit wir dort einen Anlaufpunkt haben, wo wir das Gespräch mit ihnen suchen können“, so Scheidemann. Der harte Kern könne damit nicht erreicht werden, schätzt Scheidemann ein. Doch gehe es darum, sich um gefährdete Jugendliche und Kinder zu kümmern, um den Zulauf zur rechten Szene zu stoppen. Denn es wäre nur zu begrüßen, wenn diese erst gar kein Fall für die Tomeg-Nord würden.
Auf die Frage, wann die Soko-Kriminalisten mit der Arbeit beginnen, sagte Polizeisprecher Sonntag: „Das hat schon angefangen.“
POTSDAM Für eine Härtefallklausel als Bestandteil des neuen Zuwanderungsgesetzes soll sich Brandenburg im Bundesrat einsetzen. Das fordert das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in einem gestern verabschiedeten Plenums-Beschluss. Zugleich drängte es die Regierung, eine Härtefallkommission für Abschiebeverfahren zu schaffen.
Ferner nahm die Vollversammlung drei Körperschaften auf: Die sorbische Domowina der Niederlausitz, das Bündnis für Menschlichkeit Finsterwalde und die “Aktion Noteingang” sind nach bis zu zwei Jahren Wartezeit Mitglieder des Aktionsbündnisses.
In seiner Begrüßung hatte der Cottbuser Generalsuperintendent und Aktionsbündnis-Chef Rolf Wischnath betont, dass die Öffentlichkeit ihr Augenmerk derzeit zu einseitig auf den Anti-Terror-Kampf richte. Im Feld des Rechtsextremismus gebe es aber, so Wischnath, “mehr Schläfer, als alle wahrhaben wollen.” In seinen Augen zu optimistische Nachrichten rügte der Kirchenmann. Sie würden dazu verführen, den Rechtsextremismus in Brandenburg für erledigt zu halten. Er bezog sich dabei auf Berichte über eine Studie des Potsdamer Soziologen Dietmar Sturzbecher. Der zufolge lehnte 1999 erstmals eine Mehrheit märkischer Schüler Rechtsextremismus ab. Sturzbecher, im Plenum anwesend, hielt dem entgegen, dass auch erfreuliche Berichte eine Berechtigung hätten: “Das zeigt, das etwas erreicht wurde.”
Nur vereinzelt gab es Bedenken gegen die Härtefallkommission. Diese soll, so sieht es der letztlich beschlossene Entwurf vor, bei einzelne Abschiebungsverfahren prüfen. Würde es eine besondere Härte feststellen, spräche das Gremium eine Empfehlung aus. Aufgrund derer müsste die Ausländerbehörde erneut prüfen. Die Kommission soll sich nach Willen des Bündnisses aus je zwei Vertretern der Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingsorganisationen und Landesregierung sowie einem Kommunen-Repräsentanten zusammensetzen. Benannt würden ihre Mitglieder durch den Innenminister.
“Aktion Analyse” in Neuruppin
NEURUPPIN Die Aktion Noteingang war Vorläufer. Mit einer Umfrage zu Fremdenfeindlichkeit im Alltag, der Aktion Analyse, wollen nun Brandenburger Jugendliche ihren Einsatz gegen Rassismus und rechte Gewalt fortsetzen.
In Neuruppin haben acht Schüler und Schülerinnen einen Fragebogen entwickelt, mit dem sie seit einigen Wochen an die Schulen gehen. Mit Fragen wie „Gibt es an deiner Schule Probleme mit Rechten?“, „Was glaubst du, wie viel aller Asylanträge, die in Deutschland gestellt werden, werden anerkannt?” oder “„Was glaubst du, wie viel Quadratmeter Wohnfläche stehen einem Asylbewerber im Heim zu?“ wenden sie sich an Gymnasiasten aus den Klassen 9 bis 13 und an Gesamtschüler der Klassen 9 und 10. „Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich“, erzählt Mirjam Hirsch. Manchmal seien die Gefragten sehr interessant und aufgeschlossen, manchmal „kommen aber auch nur dumme Sprüche“. Auffallend sei aus ihren Erfahrungen, wie wenig die meisten tatsächlich über das Leben von Asylbewerbern in Deutschland wissen und wie viele Klischees bestehen. Oft seien es die Eltern, die die Meinung der Schüler prägten. „Manche erzählen, dass das Geschäft der Eltern zumachen musste und gleichzeitig daneben ein vietnamesischer Ladenbesitzer sein Geschäft eröffnet habe.“ Daraus speise sich dann die Fremdenfeindlichkeit. Als Zwischenresümee sei festzuhalten, dass Rassismus an den Gymnasien zwar auch vorhanden sei, jedoch wesentlich weniger zu Tage trete. Besucht haben sie bisher das Alfred-Wegner-Gymnasium, das Evangelische und das Schinkel-Gymnasium sowie die Puschkin- und die Gustav-Kühn-Schule. Sie hoffen, in der nächsten Zeit auch noch die Fontane-Schule besuchen zu können. Insgesamt geht die Aktion noch bis zum April.
Bis dahin sollen die anonym erhobenen Daten ausgewertet sein. Im Rahmen einer Ausstellung, in Vorträgen und einem Rollenspiel zum Thema wollen die Schüler dann ihre Ergebnisse vorstellen. Die Akteure hoffen, dass die Präsentation in größerem Rahmen stattfinden kann. Neben interessierten Neuruppinern wollen sie auch die befragten Schüler, Lehrer und Verantwortliche der Stadtverwaltung zu einer Abschlussveranstaltung einladen. Im Juni soll dann eine brandenburgweite Präsentation der Ergebnisse stattfinden.
Jugendliche dokumentieren Rassismus
BERNAU/BERLIN Rund ein Dutzend Jugendgruppen aus Brandenburg beteiligen sich inzwischen am Wettbewerb “Aktion Analyse”, initiiert vom Bernauer
“Antirassistischen Jugendbündnis”.
Das Bündnis — ausgezeichnet mit dem Aachener Friedenspreis für seine überregional erfolgreiche “Aktion Noteingang” — rief im Herbst Jugendliche auf, Material über rechtsextremistische Tendenzen in ihren Orten zu sammeln und aufzubereiten. Diese Idee stieß auf großes Interesse, sagte Susanne Lang
vom Jugendbündnis. Gruppen aus Cottbus, Schwedt, Strausberg oder Vetschau beteiligen sich mit Umfragen, Interviews, Filmen und Dokumentationen am Wettbewerb, dessen Ergebnisse im Juni präsentiert werden. Finanziert wird die “Aktion Analyse” über das Civitas-Programm des Bundesfamilienministeriums.
Laut Susanne Lang ist es vielerorts gelungen, Jugendliche zu politischer Arbeit überhaupt erst anzuregen. In Vetschau etwa sei eine Gruppe mehrfach von Rechtsextremen überfallen worden, bevor sie sich entschloss, über die “Aktion Analyse” etwas dagegen zu unternehmen. “Das
ist nicht immer ungefährlich”, sagte Susanne Lang. Die Teilnehmer werden daher von den Initiatoren beraten, betreut und mit Material versorgt.
Manche der Ideen seien geradezu innovativ: So bemühten sich Cottbuser Jugendliche gerade, eine Art Gesellschaftsspiel zum Thema Rassismus zu entwerfen. “Wir sind gespannt, was noch so angeboten wird.”
Unterstützt wird die “Aktion Analyse” jetzt auch von der
Internet-Plattform “D‑A-S‑H”. Ebenfalls mit Fördergeld vom
Familienministerium hat ein Münchner Medieninstitut diese neue Homepage
für Jugendliche entwickelt. Sie finden dort Informationen über Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit und können andere Initiativen erreichen.
D‑A-S‑H finanziert auch sechs Kurzfilme über die Brandenburger “Aktion
Analyse”, die zum Ende des Wettbewerbs auch im Internet abrufbar sein
sollen. “Die Teilnahme ist immer noch möglich”, sagte Susanne Lang.
Einsendeschluss für Beiträge ist der 15. Mai 2002. Mehr im Internet unter aktion-analyse.org und d‑a-s‑h.org.
Nach dem Abspielen von Musik mit fremdenfeindlichen Inhalt ist gegen zwei Männer aus Hennigsdorf (Oberhavel) Haftbefehl erlassen worden. Sie waren der Polizei wegen Verwendens verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung schon vorher bekannt. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurden diverse Tonträger sowie Plakate, Aufkleber und Werbezettel mit rechtsgerichtetem Inhalt sichergestellt. Die beiden Männer im Alter von 24 und 26 Jahren sowie ein 15-Jähriger wurden in einer Wohnung festgenommen, in der sie die Musik laut abgespielt und am offenen Fenster Texte mitgesungen hatten. Der 26-jährige Wohnungsinhaber war stark alkoholisiert.
POTSDAM Ein bundesweit einmaliges Projekt zur Lösung von Konflikten unter gewaltbereiten Jugendlichen in der Uckermark beginnt am 7. März in der Fachhochschule Potsdam (FHP). Sieben Polizisten, drei Lehrer und elf Sozialarbeiter — allesamt tätig in dem nordöstlichen Landkreis — lernen ein Jahr lang in 250 berufsbegleitenden Unterrichtseinheiten wissenschaftlich fundierte Methoden gewaltfreier Konfliktlösung kennen. Die Teilnehmer des von der FHP erarbeiteten Programms sollen ihre Erfahrungen in ihr berufliches Umfeld weitergeben und so ein Netzwerk präventiver Jugendarbeit in der gesamten Uckermark aufbauen.
Die für die Kursinhalte verantwortliche Friedensforscherin an der FHP, Angela Mickley, betonte, dass Sichtweisen und die Situation jugendlicher Gewalttäter nähergebracht werden sollten. “Gerade Jugendliche, die mit ihren Schwierigkeiten allein gelassen sind, finden Gewalt oft toll. Die Frage ist: Wie kommt man an solche isolierten Jugendliche heran?” Hier sei gerade das Zusammenspiel von Berufsgruppen, die mit problematischen Jugendlichen zu tun hätten, wichtig: “Die Botschaft gewaltfreier Konfliktlösung kommt viel stärker an, wenn sie von unterschiedlichen Gruppen ausgesprochen und methodisch unterfüttert wird.” Mediation gebe es bereits in vielen Städten und Kreisen, ergänzte Kursleiterin Kerstin Lück: “Aber bisher haben sich noch keine Netzwerke zwischen den verschiedenen Vermittlern ausgebildet. Insofern ist unsere Weiterbildung echtes Pilotprojekt.”
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der als Vorsitzender des Landespräventionsrat mit zu den finanziellen Trägern des Projektes gehört, erklärte, man habe die Uckermark gewählt, weil die Zahl auffälliger Jugendlicher dort sehr hoch sei. “Was wir tun, ist ein Ansatz”, sagte Schönbohm. “Die Ergebnisse sind nicht gleich in Zahlen messbar.” Es gehe um Stimmungen und um neues Verhalten.
Ab Februar 2003 soll eine weitere Gruppe geschult werden. Die Kosten des Projekts von rund 319 000 Euro (623 000 Mark) werden zu 64 Prozent vom Europäischen Sozialfonds getragen. Jeweils 46 000 Euro (90 000 Mark) kommen vom Landespräventionsrat und vom Bündnis für Demokratie und Toleranz.
Die unendliche Geschichte
Die Frage nach der künftigen Nutzung des der Sowjetarmee über Jahrzehnte als Bombenabwurfplatz dienenden Militärareals in der Kyritz-Ruppiner Heide in Nordbrandenburg wird nun auch den Bundestag beschäftigen. Am heutigen Donnerstag befaßt sich das Parlament in erster Lesung mit einem Gruppenantrag von 65 Abgeordneten der SPD- und der Grünen-Fraktion. Sie fordern darin, »auf einen künftigen Luft/Boden-Schießplatz Wittstock zu verzichten und eine zivile Nutzung der Liegenschaft zu ermöglichen«. Volle Unterstützung hat auch die PDS signalisiert. Mit einer Entscheidung per Parlamentsbeschluß ist nicht vor Juli zu rechnen. Auf den Antrag richten sich weitreichende Hoffnungen der an den Schießplatzgrenzen liegenden Gemeinden, zahlreicher Bürgerinitiativen und Umweltgruppen, daß ihren jahrelangen Protesten und dem vor diversen Gerichten ausgefochtenen Kampf für eine »freie Heide« ohne Militär mit einer politischen Lösung endlich Rechnung getragen wird.
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Andernfalls drohe ein bis möglicherweise ins nächste Jahrzehnt reichender Rechtsstreit zwischen den klagenden Parteien und der Bundeswehr mit offenem Ausgang, warnte Rechtsanwalt Remo Klinger im Gespräch mit jW, der die Gemeinden Rossow und Schweinrich gemeinsam mit Reiner Geulen vor Gericht vertritt.
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Erste Schritte, das 144 Quadratkilometer große Areal im Herzen der Kyritz-Ruppiner Heide einer zivilen Nutzung zuzuführen, wurden bereits 1990 unternommen. Nach ausdrücklicher Ermutigung der Bundeswehr begann die ansässige Bevölkerung nach Abzug der russischen Armee die Umgebung touristisch zu erschließen und ein Wegenetz zu konzipieren. Die Bestrebungen fanden 1993 ein jähes Ende, als sich die Hardthöhe das Gelände auf Beschluß des Bundesvermögensamtes zur weiteren militärischen Nutzung unter den Nagel riß. Nach den Plänen der Bundeswehr sollten hier jährlich bis zu 3000 Übungsflüge, auch im Tiefflug, absolviert werden.
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In der Folge entbrannte ein jahrelanger Rechtsstreit, dessen vorläufigen Höhepunkt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 markierte. Darin wurde der Bundeswehr die militärische Nutzung des Geländes vorerst bis zur Vorlage eines konkreten Planungskonzepts untersagt. Wer nun geglaubt hatte, die Militärs ließen sich von einer höchstrichterlichen Entscheidung beeindrucken, sah sich getäuscht. Das Urteil wurde ignoriert, das Areal auch weiterhin wie ein Truppenübungsplatz geführt und ausgeschildert. Selbst Übungsflüge fanden weiterhin statt.
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Was die Bundeswehr mit dem Gelände vorhat, bleibt im dunkeln. Eine entsprechende »dünne Akte«, die Rechtsanwalt Klinger in die Hände gelangte, reiche seiner Meinung nach nicht einmal dazu aus, »eine Garage genehmigen zu lassen«. Überdies brandmarkte er Versuche der Bundeswehr, das vom Bundesverwaltungsgericht verlangte Planungs- und Anhörungsverfahren als »Propagandaveranstaltung« zu mißbrauchen. In dem am 25. Januar ausgelaufenen Anhörungsverfahren seien zudem diverse Vertreter der direkt an das Gelände angrenzenden Gemeinden nicht angehört worden, kritisierte Klinger Bundeswehrpraktiken. Sinn und Zweck eines Truppenübungsplatzes Wittstock stellt auch der auf Initiative des Grünen-Abgeordneten Winfried Nachtwei ins Parlament eingebrachte Gruppenantrag in Frage. Angesichts der im Rahmen der Bundeswehrreform »geplanten Reduzierung der Luftangriffsverbände der Bundeswehr um 20 Prozent (…), kann auf einen Luft/Boden-Schießplatz Wittstock verzichtet werden, ohne daß dadurch die Einsatzbereitschaft der Luftwaffe geschmälert würde«, heißt es in dem Antrag. Am Mittwoch stellte der Abgeordnete gegenüber jW erneut die »sicherheitspolitische Notwendigkeit« dieses Übungsplatzes in Frage. Es sei ein Gebot politischer Klugheit, sich von dem Areal endlich zu verabschieden. Er frage sich allerdings, ob diese Klugheit im Verteidigungsministerium regiere.