Mit einem Appell zum Kampf gegen Rechtsextremismus hat Ministerpräsident Mattias Platzeck (SPD) an die Gründung des “Handlungskonzepts Tolerantes Brandenburg” vor zehn Jahren erinnert. Die Nazis als geistige Väter der rechtsextremen Parteien hätten ein verwüstetes Europa hinterlassen, sagte Platzeck im Landtag. Damit habe die DVU das Recht verwirkt, an der Zukunft Brandenburgs mitzuwirken. Das Land habe nach wie vor ein Problem mit dem Rechtsextremismus. Die DVU nannte das Konzept “staatlich finanzierte Hetze”.
Vizechef empört Juristen
Potsdam — Nach einem Eklat auf einer Podiumsdiskussion sind schwere Vorwürfe gegen den Vizechef der brandenburgischen CDU und Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Landtages, Sven Petke, erhoben worden: Er soll die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt haben. Der Vorsitzende der Richterbundes Brandenburg, Klaus-Christoph Clavee, legte Petke den Rückzug aus dem Rechtsausschuss nahe.
Nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Teilnehmer soll Petke am Montagabend bei einer Diskussionsrunde in Potsdam zum Umgang mit jugendlichen Straftätern davon gesprochen haben, dass man beim Umgang mit jugendlichen Straftätern in Brandenburg ein Problem mit der Unabhängigkeit der Richter habe. Petke, der die Diskussionsrunde nach Kritik an seinen Äußerungen vorzeitig verlassen hatte, fühlte sich gestern missverstanden und bestritt, an der Unabhängigkeit der Justiz Kritik geäußert zu haben.
Berlins ehemaliger Justizstaatssekretär Christoph Flügge, der mit Petke zusammen in der Runde saß, sagte, er habe so etwas „noch nicht erlebt“. Petkes Äußerungen seien „ungeheuerlich und unfassbar“ – „vor allem, wenn man bedenkt, dass er nach der Justizministerin der zweithöchste Rechtspolitiker des Landes Brandenburg ist“. Flügges Darstellung wird auch von der Moderatorin der Veranstaltung, der Journalistin Annette Wilmes, gedeckt. Demnach antwortete Petke auf die Frage, was er von der Vernetzung unterschiedlicher Institutionen in der Kriminalitätsbekämpfung halte, zunächst, dass man in Brandenburg auf einem ganz guten Weg sei und unterschiedliche Institutionen an einem Tisch säßen. Probleme habe man „nur mit der richterlichen Unabhängigkeit“, zitieren ihn sowohl Flügge als auch Wilmes.
Und so verstand es auch der Jugendrichter und Sprecher von Justizministerin Beate Blechinger (CDU),Thomas Melzer, der im Publikum saß und Petke daraufhin mit einem Zwischenruf unterbrach. Melzer sagte gestern, er habe „festhalten wollen, dass der Vorsitzende des Rechtsausschusses Probleme mit der richterlichen Unabhängigkeit hat“. Petke soll daraufhin bei dem Versuch, seine Aussagen zu relativieren, sinngemäß gesagt haben, dass man aber die Richter auch noch auf Linie bringen werde. Petke bestreitet auch dies.
Richterbundschef Clavee, der selbst nicht auf der Veranstaltung war, sagte gestern, er halte Petke als Chef des Rechtsausschusses nicht mehr für tragbar. Sollten die Äußerungen so gefallen sein, wie es ihm ebenfalls berichtet worden sei, zeuge dies von einem mangelnden Verständnis von rechtsstaatlichen Prinzipien.
Petke erklärte, er habe lediglich zeigen wollen, dass man in Brandenburg viel leiste und auf dem richtigen Weg sei. Doch könne innerhalb der Justiz das Ministerium nicht mit Verfügungen und Weisungen an die Richter arbeiten. Daher müsse man auf Gespräche setzen.
In Bezug auf den Umgang mit jugendlichen Straftätern legte er gestern allerdings deutlich nach und übte scharfe Kritik an der Berliner Justiz. Generell müsse man weg „von einer zu täterorientierten, hin zu einer opferorientierten Justiz“.
Mit deren jahrelangem Versagen besonders beim Umgang mit jungen Straftätern habe sich nun auch Brandenburg herumzuschlagen. So seien 20 in die Jugendstrafanstalt Wriezen verlegte Berliner Gefangene derart schlecht integrierbar, dass drei von ihnen verlegt werden mussten. Petke sagte, er sei nicht mehr bereit, Schönwetterdiskussionen zu führen. Am Montag sei seine Leidensfähigkeit erschöpft gewesen.
Vertriebenen-Präsidentin abgeblockt
Sprechchöre, blockierte Türen eines Hörsaals und schließlich ein Polizeieinsatz, bei dem Studenten verletzt wurden. Erinnerungen an 1968 kommen hoch. Diese Szenen spielten sich jedoch am Dienstagabend an der Potsdamer Universität ab.
Etwa 80 Menschen protestierten gegen den geplanten Auftritt der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach. Die CDU-Bundestagsabgeordnete war als Rednerin zu der Veranstaltungsreihe »Siedlungsgeschichte der Deutschen in Ostmittel€pa« eingeladen.
Schon im Vorfeld hatte der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) die Ausladung Steinbachs gefordert. Sie vertrete gegenüber Polen revanchistische Einstellungen, die nirgends ein Podium bekommen sollen, erklärte AStA-Öffentlichkeitsreferent Tamás Blénessy. Den AStA-Referenten für Hochschulpolitik, Malte Clausen, ärgerte, dass Steinbach »ausgerechnet an dem Ort, an welchem 1945 die €päische Nachkriegsordnung im Potsdamer Abkommen festgehalten worden ist«, ihre Positionen präsentieren sollte.
Die Referenten zeigten sich zufrieden über die Proteste. Auch der Landesverband der »Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen« (VVN-BdA) sprach von einem »engagierten und erfolgreichen Einsatz gegen Geschichtsrevisionismus«.
Heftig kritisierte der AStA das Vorgehen der Polizei. Es sei das erste Mal gewesen, dass eine Einsatzeinheit in voller Montur auf den Campus stürmte. Unter den Verletzten war auch die AStA-Vorsitzende Sabine Finzelberg, die sich wegen einer Verletzung am Arm im Krankenhaus behandeln lassen musste.
Scharf vom AStA kritisiert wird der Organisator der Steinbach-Einladung, Professor Eckart Klein. Mehrere Anwesende berichteten, dieser habe den Polizisten bei der Räumung der Blockade zugerufen: »Schlagt richtig zu«. Klein war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Universitätssprecherin Janny Armbruster betonte, die Polizei sei nicht von der Universitätsleitung, sondern von einem Teilnehmer der Veranstaltung gerufen worden. Von Seiten der Hochschule sei man sehr um Deeskalation bemüht gewesen und habe sogar schon im Vorfeld den Veranstaltern von einem Polizeieinsatz bei möglichen Protesten abgeraten. Der CDU-Landtagsabgeordnete Wieland Niekisch erklärte, er habe die Polizei nicht gerufen, sich aber durch die Protestierenden bedrängt gefühlt.
Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) sagte, sie habe für die »handgreiflichen Ausschreitungen kein Verständnis«. Die Universität sei doch der richtige Ort für einen Dialog. Dagegen meinte der Landtagsabgeordnete Peer Jürgens (Linkspartei): »Eine Universität ist ein Ort wissenschaftlicher Diskussion, aber kein Ort von revisionistischen Positionen.«
Zumindest vorerst wird es zu keiner weiteren Konfrontation kommen. Die für den 3. und 17. Juni geplanten Veranstaltungen mit Erika Steinbach sind zunächst ausgesetzt worden.
Kampf gegen Rechtsextremismus
Potsdam — Mit einem Appell zum Kampf gegen Rechtsextremismus hat Ministerpräsident Mattias Platzeck (SPD) an die Gründung des Handlungskonzepts Tolerantes Brandenburg vor zehn Jahren erinnert. Die Nazis als geistige Väter der rechtsextremen Parteien hätten ein verwüstetes Europa hinterlassen, sagte Platzeck heute im Landtag. Damit habe die DVU das Recht verwirkt, an der Zukunft Brandenburgs mitzuwirken. Brandenburg habe nach wie vor ein Problem mit dem Rechtsextremismus. Es habe aber vor mehr als zehn Jahren als erstes Bundesland das Problem eingeräumt und das Konzept beschlossen. Die DVU sprach von einer „staatlich finanzierten Hetze”.
Steinbach konnte nicht reden
Rund einhundert Studierende der Uni Potsdam verhinderten heute (Dienstag) die Eröffnung einer Vorlesungsreihe, mit der die Universität Potsdam der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen die Gelegenheit geben will, ihr revisionistischen, gegen Polen und Tschechien gerichteten Positionen im akademischen Rahmen salonfähig zu machen.
Dabei wurden sie von Mitgliedern des „Rings Christlich Demokratischer Studierender“ (RCDS) tätlich angegriffen. Auf Druck von Mitgliedern des RCDS und des Brandenburger Landtagsabgeordneten Wieland Niekisch rief der Veranstalter, Prof. jur. Eckard Klein, die Polizei, um die Proteste beenden zu lassen.
Damit verantwortet er den ersten Polizeieinsatz gegen Studierende auf dem Campus der Universität Potsdam. Als die Beamten der Landeseinsatzeinheit (LESE) anfingen äußerst gewalttätig gegen die Studierenden vorzugehen, verlor Klein offensichtlich alle Hemmungen und forderte die Polizei zu einem massiveren Einsatz auf. In Folge dessen wurde die Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) so schwer am Arm verletzt, dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben musste.
Der Brandenburger Landesverband der „Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen“ (VVN-BdA) gratuliert den Studierenden der Universität Potsdam zu ihrem engagierten und erfolgreichen Einsatz gegen Geschichtsrevisionismus und hofft, dass es gelingt auch die folgenden Veranstaltungen zu verhindern.
Von der Leitung der Uni Potsdam verlangen wir, die Vorlesungsreihe mit Steinbach abzusagen. Der von ihr propagierten Geschichtsverfälschung darf kein Raum gegeben werden. Desweiteren fordern wir, Prof. Klein von seiner Lehrverpflichtung zu entbinden. Ein Professor, der für die Misshandlung von Studierenden mitverantwortlich ist, hat an einer Universität nichts zu suchen. Gegen die an dem Einsatz beteiligten Beamten wird der VVN-BdA Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Wir fordern ferner die umgehende Löschung aller aufgenommenen Personalien.
Babelsberg — Die Bewohner der von Räumung bedrohten Uhlandstraße 24 haben sich mit einem Brief an Oberbürgermeister Jann Jakobs gewandt und darin um Hilfe gebeten. Dies bestätigte den PNN ein Sprecher des Vereins „Freunde der Uhlandstraße 24 e.V.“, der das Haus vertritt. Dem linksalternativen Wohn- und Kulturprojekt droht das Aus, weil die Eigentümer das Haus vor Gericht zurückfordern – oder zumindest Geld für ihren Besitz verlangen. Als Forderung stehen 240 000 Euro im Raum, die Bewohner wollten zuletzt rund 180 000 Euro zahlen.
Der Hintergrund für das Hilfegesuch an Jakobs als ab 1993 zuständigen Jugendamtsleiter liegt in der Geschichte des Hauses: 1994 wurde es von der Kommune als Ausweichprojekt für andere besetzte Häuser ins Leben gerufen. Später wurde die Uhlandstraße 24 an ihre Eigentümer rückübertragen, die das Haus nun verkaufen wollen. Zur Projektrettung gibt es auch einen Antrag der Linken, der im nächsten Sozialausschuss beraten werden soll.
KZ-Opfer-Suche in nächster Instanz
JAMLITZ. Jetzt entscheidet das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG), ob das Amt Lieberose auf einem Privatgrundstück nach einem Massengrab mit jüdischen Opfern des KZ-Außenlagers Jamlitz (Dahme-Spreewald) suchen darf. “Die Beschwerde des Amtes Lieberose gegen einen Beschluss des Landgerichts Cottbus, mit dem die Suche auf dem Anwesen untersagt wurde, ist bei uns eingegangen”, sagte gestern OLG-Sprecherin Martina Schwonke.
Die Cottbuser Richter hatten dem Amt Anfang Mai untersagt, gegen den Willen des Eigentümers mit einer Grabung nach den sterblichen Überresten von rund 700 ungarischen Juden zu suchen. Es hatte seinen Beschluss damit begründet, dass es nicht erwiesen sei, dass sich auf dem 5 000 Quadratmeter großen und seit Langem nicht mehr genutzten Grundstück das Massengrab befindet. Gegen den Beschluss hatte das Amt Beschwerde eingelegt und war dabei vom Innenministerium unterstützt worden. Frühestens in drei Monaten ist mit einer Entscheidung des OLG in diesem Fall zu rechnen.
INFORIOT — Am vergangenen Sonntag stand in großen Lettern „Wir sagen NEIN zur NPD“ auf einem Banner an der evangelischen Kirche im Zentrum der Stadt Biesenthal – einige Kilometer nord-östlich von Berlin im Landkreis Barnim. Viele Menschen strömten zu Fuß, per Auto oder Fahrrad in Richtung Kirche. Bürger_innen verschiedener Vereine und Schulen über Initiativen bis hin zu Stadtverordneten, Kreis‑, Land‑, und Bundestagsabgeordneten waren vor Ort.
Bis vor die Kirchentür standen dann auch die Bewohner_innen Biesenthals und Umgebung sowie Interessierte und Journalist_innen, um wenigstens einen Teil dessen zu hören, was Pfarrer Brust, Bürgermeister André Stahl (DIE LINKE.) oder andere engagierte Bürger_innen, wie Dieter Gadischke vom Bernauer Netzwerk für Toleranz, zu sagen hatten. Man könnte meinen, die ganze Stadt versammelte sich an diesem Abend um ein Zeichen gegen die NPD und ihre Politik zu setzen. Inwiefern allerdings ein Gottesdienst hilfreich sein kann, Rassismus und Antisemitismus innerhalb der Gesellschaft zu begegnen, ließ sich vorerst nicht erschließen.
Der Hintergrund:
In der vergangen Woche wurde bekannt, dass sich die NPD in Biesenthal einmieten wolle, um dort ein Schulungszentrum zu errichten. Bereits im August des letzten Jahres hieß es, die NPD habe Interesse an einem Objekt, welches bis dahin als so genanntes Asylbewerberheim genutzt wurde. Der Mietvertrag des Heimes lief im März diesen Jahres aus und der Besitzer weigerte sich den Vertrag zu verlängern. Viele Zeitungen berichteten nun, dass die NPD noch im Mai mit ersten Veranstaltungen anfangen wolle. Der Tagesspiegel, hatte dies aus so genannten Sicherheitskreisen vernommen. Dort heißt es weiter: „In Biesenthal habe die Partei offenbar genau die Immobilie entdeckt, die sie gesucht hatte“. Auch der Verfassungsschutz bestätigt dies. Nur der Besitzer bestreitet gegenüber Stadt und Presse einen Mietvertrag mit der NPD zu haben. Biesenthals Bürgermeister André Stahl kündigte an: “Wir werden eine NPD-Einrichtung verhindern und dabei alle Möglichkeiten des Ordnungs- und Verwaltungsrechtes ausschöpfen.“ Und so folgte am vergangenen Freitag auch der Versuch auf dem Fuße: Der Landkreis Barnim hat eine Verfügung gegen eine mögliche Ansiedlung der NPD in Biesenthal erlassen. Demnach wird dem Eigentümer untersagt, dass Gelände für einen Pensionsbetrieb zu nutzen.
„Kein Platz im System“ für die NPD
Auch die von Margitta Mächtig (MdL, DIE LINKE.) geforderte „massive öffentliche Gegenwehr” ist nach Sonntag vorstellbar geworden: 500 bis 600 Menschen folgten dem Aufruf des Bündnisses gegen Rechts , das sich aus aktuellem Anlass gründete, und gingen zu dem Gottesdienst.
Mit den Worten „Kein NPD-Schulungszentrum in Biesenthal oder anderswo“ begrüßte der Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde Christoph Brust die Besucher_innen. Schüler_innen der örtlichen Grundschule hielten Zettel mit Aufschriften wie „Bunt statt Braun“ in die Höhe. Während man über Biesenthals Geschichte im Nationalsozialismus und die Vergangenheit des Asylbewerberheimes berichtete, wurden Unterschriftenlisten durch die Reihen gereicht. Durch die Unterschriften solle Biesenthal zum „Ort der Vielfalt“ werden. Wie durch eine Unterschriftensammlung sich Biesenthal zum „Ort der Vielfalt“ transformieren will, blieb zwar leider genauso unerklärt wie der sinnfreie Ausruf: „Für Rechtsextremisten wie die NPD ist in diesem System kein Platz!“ Aber das schien bei der Selbstbeweihräucherung hier nicht so wichtig zu sein. Rassismus und Antisemitismus als gesellschaftliche Randphänomene zu betrachten, hat in Biesenthal wahrscheinlich immer noch Konjunktur.
Sie sind schon längst da
Wenn man den Schritt aus der Kirche nun herauswagt, zeigt sich leider wie viel Platz in diesem System oder dieser Stadt dann doch ist. Dort — einige Meter entfernt auf dem Marktplatz — sitzen und stehen viele Menschen. Teilweise die Dorfjugend, teilweise die örtlichen Neonazis – das Bild verschwimmt. Auf die Kirche starrt ein Mann, mit einem rechten „Heldengedenken“ T‑Shirt. Ein Polizist läuft vorbei und schüttelt ihm freundlich die Hand. Daneben, unmittelbar vor der Kirche parkt ein alter Opel-Corsa, auf dessen Frontscheibe steht „Todesstrafe für Kinderschänder“ — eine beliebte Parole unter Neonazis. Und ein Stück weiter, sieht man bekannte Mitglieder der NPD Barnim-Uckermark mit ihren Kindern Eis essen, die kurz vorher noch in den Reihen der Anti-NPD-Veranstaltung saßen – von vielen unbemerkt. Doch wenn selbst NPD´ler und deren Kinder bei der „Zigeuner-Musik“ und Gebeten gegen „braune Einfalt“ klatschten, dann wundert es eine_n schon wie die Bürger_innen sich diesbezüglich äußern. „So haben sie selber gesehen, dass sie bei uns keine Chance haben, sich breit zu machen“, hieß es von einigen Anwesenden.
Auf der Seite der Antifaschistischen Aktion Bernau befindet sich ein Pressespiegel zu den Ereignissen. Hier klicken.
“Heil dir, mein Brandenburger Land”
Ministerpräsident verteidigt die inoffizielle Landeshymne gegen Kritik: Der Text ist doch harmlos
POTSDAM. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, kritisierte gestern die Landesregierung scharf wegen ihrer Verteidigung der inoffiziellen Landeshymne, die selbst der Komponist einst als “Nazilied” bezeichnet hatte. “Mir fehlen die Worte”, sagte Kramer der Berliner Zeitung, “den Verantwortlichen fehlt die Sensibilität im Umgang mit solch historisch brisanten Dingen.”
Das Lied “Märkische Heide” handelt von uralten Eichen, blauen Seen und knorrigen Kiefern. Der Refrain gipfelt in der Zeile “Heil dir, mein Brandenburger Land”. Wie die Berliner Zeitung gestern berichtete, hatte der Komponist Gustav Büchsenschütz sein 1923 geschriebenen Wanderlied im Jahr 1934 selbst als “vielgesungenes Lied der nationalsozialistischen Erhebung” gefeiert, das “beim politischen Gegner verpönt” gewesen sei.
Kramer sagte, in Deutschland sei das Liedgut oft missbraucht worden. “Dieses Lied aber war als Landser- und Nazi-Lied bekannt”, sagte er. “Wenn ich mir vorstelle, dass die DDR-Nationalhymne mit dem Text von Johannes R. Becher im vereinigten Deutschland in die Aktenschränke verdammt wurde, ist es nicht nachvollziehbar, wie das Büchsenschütz-Lied zur inoffiziellen Brandenburg-Hymne werden konnte.” Es verbiete sich von selbst, dass das Lied, das auf Parteitagen der NSDAP und von NS-Schlägertrupps gesungen wurde, etwa 2012 bei der Eröffnung der Neuen Synagoge in Potsdam gespielt werde.
Julius H. Schoeps, Direktor des Potsdamer Zentrums für €päisch-jüdische Studien, sagte: “Ich halte den Text für unproblematisch, er sollte aus der Zeit der Entstehung 1923 gesehen werden.” Dass sich der Autor später den Nazis angedient hat, spreche nicht für ihn, diskreditiere aber nicht sein Werk.
Brandenburgers früherer Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) wehrt sich gegen die Stigmatisierung. “Es ist ein wunderschönes Wanderlied aus den 20er-Jahren und hat uns sehr geholfen, nach der Wende unsere Landesidentität zu finden”, sagte er der Berliner Zeitung. Daran ändere nichts, dass der Komponist “auf die Nazis reingefallen” sei. “Das ist jetzt unser Brandenburg-Lied. Und ich werde es weiter fröhlich singen.”
In Stolpes Regierungszeit wurde es regelmäßig auf SPD-Parteitagen intoniert. Das passiert jetzt nur noch selten. Schon 1994 war die SPD-Fraktion mit der Idee gescheitert, das Lied in den Rang einer offiziellen Hymne zu erheben. Protest kam von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und dem damaligen Regierungspartner FDP. Schließlich wollte auch die rechtsextreme DVU das Lied 2007 zur Hymne erklären lassen, scheiterte aber an SPD, CDU und Linken.
Dessen ungeachtet schmettert Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) mittlerweile die “Märkische Heide” genauso textsicher wie sein Vorgänger Stolpe. Büchsenschütz habe seine Nähe zu den Nazis bedauert, sagte Platzeck gestern. “Der Text ist harmlos und das Lied wird in jedem Dorf gesungen — was soll man da machen?”, fragt er.
Nach offiziellen Angaben wird das Lied weder bei Veranstaltungen des Landtages noch der Regierung regelmäßig gespielt. Es stand aber bei den jüngsten Verleihungen des Landesordens auf dem Programm. Ob das so bleibt, ist offen. “Es gibt keinen festen Ablauf der Feierlichkeiten”, sagte Regierungssprecher Thomas Braune. Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) sieht keinen Handlungsbedarf: “Die Brandenburger denken bei dem Lied eher an die schöne Landschaft.” Auch CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek sprach von einer “schönen” Tradition. “Der Text ist völlig unverfänglich. Man muss die Kirche im Dorf lassen.” Linksparteichef Thomas Nord will aber auf das Lied verzichten: “Ich bin für etwas Zeitgemäßeres. Ein Lied, das verdeutlicht: Wir sind ein weltoffenes Land.”
Linke Gruppen kritisieren Stadtentwicklung / Initiative gegen Parkordnung in Potsdam-West / Verhandlungen um Uhlandstraße 24
Potsdam droht zu einem „historischen Freiluftmuseum“ zu werden, zu einer „kapitalistischen Gelddruckmaschine“, in der Menschen ausgegrenzt werden. Mit dieser pessimistischen Einschätzung beschrieb Holger Zschoge die aus seiner Sicht aktuelle Situation in der Stadt: Der Sprecher des antikapitalistischen Bündnisses Potsdam hatte gestern zu einer Podiumsdiskussion ins Alte Rathaus geladen, bei der die Entwicklung der Landeshauptstadt diskutiert werden sollte. Rund 70 Zuhörer kamen, vor allem aus der linksalternativen Szene.
Das Fazit am Ende der Diskussion war eindeutig: Junge Leute aus dem linken Spektrum fühlen sich in Potsdam zunehmend unwohl und sehen ihre Räume bedroht. Daraus leitete Zschoge eine Maximalforderung ab: Wenn es schon am Alten Markt ein „Stadtschloss“ als neuen Parlamentsbau geben müsse, dann solle wenigstens der alte Landtag auf dem Brauhausberg ein großes Kulturzentrum werden. „Wir benötigen Strategien, wie wir uns verlorenen Raum wieder aneignen können“, sagte Zschoge, der mit dem Antikapitalismus-Bündnis den bisher größten Zusammenschluss linker Initiativen in Potsdam initiiert hat – und ein alternatives Projekthaus in Babelsberg betreibt.
Wie so eine Strategie funktionieren kann, erklärte Jan Gabbert von der Initiative „Parktag“, die im vergangenen Juni ein Freiluft-Picknick auf einer Wiese Park Sanssouci veranstaltete – und mit rund 120 Teilnehmern bewusst die Parkordnung der Schlösserstiftung unterlief. „Wir möchten den Park normal nutzen, ohne ihn zu zerstören.“ Für dieses Anliegen befinde sich zur Zeit eine neue Bürgerinitiative in Potsdam-West in Gründung, als „Pendant“ zu der Initiative für eine freiere Nutzung des Babelsberger Parks. Als ersten Schritt wolle die neue Gruppe bei einem Treffen am 22. Juni eine alternative Parkordnung verabschieden.
Ohne solche konkreten Aussagen blieb Achim Trautvetter vom Spartacus e.V. Das junge Kulturzentrum in der Schloßstraße hatte Ende April schließen müssen. „Wir treffen uns noch regelmäßig mit bis zu 20 Leuten und überlegen, wie es weiter geht“, sagte Trautvetter. Zahlreiche Häuser wie das „Minsk“ am Brauhausberg seien erwogen würden. Denkbar sei laut Trautvetter zudem ein Übergangsstandort, etwa in der Innenstadt-Mensa der Fachhochschule (FH) – im Zeitfenster zwischen dem Umzug derHochschule in die Pappelallee und dem angekündigten Abriss des FH-Gebäudes.
Auch die Zukunft des linksalternativen Hausprojekts Uhlandstraße 24 ist weiter offen. „Wir diskutieren über den Kauf“ sagte Eric Blume , Vorsitzender des Trägervereins Freundeskreis Uhlandstraße 24 e.V.. Die 16 Hausbewohner streiten mit den Eigentümern darum, ob und wie sie in dem stark sanierungsbedürftigen Gebäude weiter wohnen und es als alternative Kulturstätte nutzen können. Bei einer Verhandlung am Landgericht hatte der Richter im März gesagt, die Eigentümer könnten die Herausgabe des Hauses verlangen – was die Räumung bedeuten würde. Gleichzeitig hatten die Besitzer den Bewohnern der Uhlandstraße das Angebot gemacht, das Haus für 240 000 Euro zu kaufen. Die Bewohner boten zunächst 120 000 Euro – haben nun aber offenbar nachgelegt. Laut dem Anwalt der Hausbesitzer liegt inzwischen ein „beachtliches“ neues Angebot über rund 180 000 Euro vor. „Meinen Mandanten ist das noch zu wenig“, sagte Anwalt Jens Frick den PNN auf Anfrage.Längst hat das Problem auch die Stadtpolitik erreicht: Ein Antrag der Linken zur Unterstützung der Uhlandstraßen-Bewohner soll im nächsten Sozialausschuss beraten werden.