TELTOW — Fünf Rechtsradikale haben am Donnerstag vor dem Teltower Real-Markt eine etwa gleichgroße Gruppe von Jugendlichen angegriffen, die sie offenbar dem linken Spektrum zuordneten. Nach übereinstimmenden Angaben von Antifa-Aktivisten und Real-Markt-Angestellten provozierten die Neonazis die anderen gegen 15.45Uhr mit dem Hitlergruß. Es kam zu einem Gerangel, in dessen Folge ein ortsbekannter Neonazi auf einen Imbiss-Tisch sprang. Der herbei gerufene Ladendetektiv konnte die Situation entschärfen. „Die Linken waren ganz anständig und wollten nur etwas essen – es waren die Rechten, die Ballett gemacht haben“, sagte ein Marktmitarbeiter. Zur Anzeige gebracht wurde der Vorfall nicht. Die Polizei hatte gestern keine Kenntnis davon.
Müncheberg/Jahnsfelde (ir) “Da muss Herr Prochnow wohl was falsch verstanden haben — natürlich sind Einwände gegen die Versuche mit gentechnisch veränderten Kartoffeln bei Müncheberg möglich.” Mit dieser Mitteilung zum Beitrag “Contra Genkartoffel-Versuche” meldete sich der Müncheberger Vize-Bürgermeister Reinhard Eichler am MOZ-Telefon. Der Jahnsfelder Öko-Landwirt Walter Prochnow hatte in dem Beitrag erklärt, man habe ihm im Müncheberger Bürgerbüro gesagt, dass keine Einwände möglich seien. “Wir sind als Stadtverwaltung nur nicht der Träger des Verfahrens, an den die Einwände gehen”, machte Reinhard Eichler dazu deutlich. Abgegeben werden könnten die schriftlichen Stellungnahmen aber durchaus im Bürgerbüro. Das stehe auch in dem Informationspapier, das Interessenten zu den Versuchen in die Hand bekommen, so der Vize-Bürgermeister.
Möglich ist die Abgabe der Stellungnahmen bis zum 15. Februar 2008, also genau einen Monat länger, als die Unterlagen zu den Versuchen im Müncheberger Rathaus ausliegen. “Danach schicken wir alle Stellungnahmen ans Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Denn das ist die Entscheidungsbehörde für das von der BASF beantragte Verfahren”, so Reinhard Eichler. Die Bürgerbeteiligung ist laut Gentechnik-Gesetz Bestandteil des Prüfverfahrens, weiß der Vize-Bürgermeister.
Auf die Frage nach der Beteiligung der Kommune erklärte Reinhard Eichler: “Die Stadt ist nicht als Träger öffentlicher Belange aufgefordert worden, Stellung zu nehmen.” Auf die Ankündigung des Marienfelder Schäfermeisters Frank Hahnel im Beitrag eingehend, der als Stadtverordneter das Thema Genkartoffel-Versuchsanbau auf die Tagesordnung der nächsten Stadtverordnetenversammlung am 6. Februar bringen will, erklärte Eichler: “Es wäre wünschenswert, wenn ein entsprechender Antrag spätestens eine Woche vor der Sitzung schriftlich bei uns eingereicht würde.” Andernfalls, so macht der Vertreter der Müncheberger Stadtverwaltung deutlich, sei es kaum möglich, bis zum 15. Februar eine Stellungnahme der Stadtverordnetenversammlung fertig zu bekommen.
Potsdam — In Brandenburg sinken in den kommenden Jahren weiterhin die Einwohnerzahlen. Nach dem seit 1990 bislang höchsten Einwohnerverlust von 11 700 Menschen im Jahr 2006 sei ab 2015 mit jährlichen Rückgängen von 15 000 und ab 2020 von 20 000 Menschen zu rechnen, sagte Staatskanzleichef Clemens Appel (SPD) gestern in Potsdam. Dies entspreche nahezu einem jährlichen Verlust einer Kleinstadt. Ende 2006 lebten in der Mark rund 2,55 Millionen Einwohner, der bisherige Höchststand wurde im Jahr 2000 mit rund 2,6 Millionen Einwohnern registriert.
Neben einem wachsenden Anteil älterer Menschen werde zugleich ab 2015 in Brandenburg mit einem Fachkräftemangel von rund 100 000 Personen und ab 2020 von rund 200 000 Menschen gerechnet, so Appel weiter. Mit vielfältigen Projekten zur Verbesserung der Lebensqualität müsse deshalb die Abwanderung vermindert und für eine Rückkehr gut ausgebildeter Märker geworben werden.
Beispielhafte Projekte für familienfreundliche Arbeitsplätze und flexible Kinderbetreuung bei Schichtarbeit, für ehrenamtliches Engagement zur Aufrechterhaltung des Nahverkehrs sowie für die Integration älterer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt will die Staatskanzlei mit einer Broschüre bekannt machen. Sie beschreibt 41 Projekte und Initiativen und ist unter dem Titel “Brandenburg. Offen für Vielfalt” im Internet unter www.demografie.brandenburg.de zugänglich.
Naziattacke in Teltower Innenstadt
Am vergangenen Donnerstag Nachmittag kam es in der Innenstadt von Teltow zu einem Angriff von einer Gruppe, teilweise bekannter Rechtsextremisten auf acht linke Jugendliche.
Am 3. Januar kam es zu einer Auseinadersetzung zwischen linken Jugendlichen und einer größeren Gruppe von Rechtsextremisten in der Innenstadt von Teltow. Die acht, auch dem äußeren Erscheinungsbild nach, linken Jugendlichen befanden sich gegen 15.45 Uhr im Real-Markt an der
Oderstraße, als unvermittelt eine Gruppe von Neonazis versuchte die Linken zu attackieren. Unter den Angreifern befanden sich einschlägig bekannte Teltower Rechtsextremisten wie Andreas Lorenz und Michael
Polleske. Letzterer nahm bei dem Angriff eine Rädelsführerfunktion ein.
Er animierte seine Komplizen zu Gewalttaten, rief Naziparolen und sprang selber auf einen Tisch um einen der Jugendlichen zu schlagen. Nach einer kurzen Auseinandersetzung zwischen beiden Gruppen zogen sich
die Rechtsextremen zurück. Bevor sie jedoch verschwanden, machte M. Polleske den sog. „Hitlergruß“ (strafbar nach §86a StGB). Verletzt wurde bei dem Vorfall niemand.
„Es zeigt jedoch, wie offen Neonazis in der Stadt Teltow gewalttätig agieren können. Scheinbar fühlen sich die Rechtsextremen durch ihre in der Innenstadt vorhandene Infrastruktur, wie dem Szeneladen „Nordic
Thunder“ zusätzlich animiert, brutal gegen politisch missliebige Personen vorzugehen.“ Sagt Tamara Levy, von der Autonomen Antifa Teltow-Fläming [AATF] die auch in der Stadt Teltow politisch aktiv ist. Der rechte Szeneladen „Nordic Thunder“ befindet sich seit 2001 in der Neuen Str. 3 und wird auch vom Verfassungsschutz als Anlaufpunkt für
Neonazis bezeichnet. Betrieben wird der Laden von Simon Wedel.
Weitere Information dazu hier (PDF-Datei)
Potsdam. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität Potsdam hat sich gegen Studiengebühren ausgesprochen.
„Wir halten Studiengebühren in keinem Fall für eine sinnvolle Möglichkeit zur Hochschulfinanzierung“, erklärte der Referent für Hochschulpolitik, Malte Clausen, gestern in Potsdam. Es bestehe die Gefahr, dass Gelder nicht in die Hochschulen, sondern in die Staatskasse fließen oder staatliche Zuschüsse gekürzt werden. Zudem würden Studenten aus sozial schwachen Familien benachteiligt.
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte in einem Gespräch gesagt, dass Studiengebühren in der Mark langfristig nicht auszuschließen seien. So könnten etwa 30 Millionen Euro zusätzlich in die Kassen der drei Universitäten, fünf Fachhochschulen und der Hochschule für Film und Fernsehen fließen. Für die nächsten Jahre schloss Wanka die Einführung von Studiengebühren allerdings aus.
Am 14.Mai 2005 überfielen etwa 20 Personen den Jugendclub “Fragezeichen” in Cottbus-Sachsendorf. Die Angreifer verletzten mehrere Besucher einer dort stattfindenden Veranstaltung und zerstörten Mobiliar und Musikinstrumente.
Am 09.01.2008 um 9:00 wird am Landgericht Cottbus das Verfahren gegen Heiko L und Felix L. eröffnet. Den beiden jungen Männern wird vorgeworfen, am Angriff beteiligt gewesen zu sein.
Im Jugendclub “Fragezeichen” sollte am 14. Mai 2005 eine
Informationsveranstaltung zum Thema Rechtsextremismus mit
anschließdendem Konzert stattfinden. Gegen 17 Uhr verlangten zwei bekannte Rechtsextremisten Einlass, der ihnen verwehrt wurde.
Unmittelbar darauf stürmten ca. 20 zum Teil vermummte und mit Schlagstöcken bewaffnete Personen den Club. Nach wenigen Minuten flüchteten die Angreifer und hinterließen ein Bild der Verwüstung. Das zielgerichtete Handeln und die Bewaffnung der Täter sprechen für einen geplanten Überfall.
Die Umstände der Tatausführung und die Brutalität der Angreifer entsetzten damals nicht nur die anwesenden Besucher des Jugendclubs. Es wurde eine aus Staatsschutz und Kriminalpolizei bestehende Ermittlungsgruppe gebildet, die schon bald Tatverdächtige aus dem rechten Milieu ermittelte.
Doch erst im Januar 2007 erhob die Staatsanwaltschaft Cottbus Anklage gegen 12 Personen, denen Landsfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung vorgeworfen wird. Bis die Hauptverhandlung am Landgericht nun eröffnet wird, ist ein weiteres Jahr vergangen. Statt gegen 12 wird gegen lediglich zwei Personen der Prozess eröffnet. Beide
hatten bei den polizeilichen Vernehmungen ihre Tatbeteiligung gestanden.
Einem der Angeklagten wird darüber hinaus vorgeworfen, wenige Tage vor dem Überfall in einem Linienbus einen Inder rassistisch beleidigt und geschlagen zu haben. Dies ist ebenfalls Gegenstand der Verhandlung vom 09.01.2008.
Dass zwischen Tat und Prozesseröffnung mehr als 2 1/2 Jahren vergingen, ist nicht nachvollziehbar. Die Betroffenen hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass die Täter zu Verantwortung gezogen werden. Ob sich nach so langer Zeit das Tatgeschehen zufriedenstellend rekonstruieren lässt, ist fraglich. Dennoch ist es wichtig, dass eine solche Tat nicht
ohne Konsequenzen bleibt. Das würde ein falsches Signal sowohl an die Täter als auch an die Geschädigten senden. Wir hoffen daher, dass sich alle am Überfall Beteiligten noch vor Gericht verantworten müssen, nicht nur Heiko L. und Felix W., gegen die am 09.01.2008 verhandelt wird.
(Henri Kramer)
(31.12.2007)
Eine neue Internetseite gegen Neonazis aus der linken Szene Potsdams sorgt bei Rechtsextremismus-Experten für ernste Bedenken. Denn um der rechten Szene in der Landeshauptstadt „etwas entgegenzusetzen“, hat eine bislang unbekannte Projektgruppe unter dem Namen „Outing Potsdam“ eine Homepage programmiert, auf der 25 volle Namen, Wohnorte und Bilder von mutmaßlichen Szenegrößen aus der Region zu finden sind. Zu den unbearbeiteten Bildern – vorwiegend aufgenommen bei rechtsextremen Aufmärschen – kommen Einschätzungen wie „großmäulig und aggressiv“ oder „mehrfach vorbestraft wegen Gewaltdelikten“.
Trotz des offenbar großen Rechercheaufwands findet Wolfram Hülsemann die Aktion „als allgemein nützliche Verfahrensweise nicht empfehlenswert“. Hülsemann ist Leiter des demos-Instituts für Gemeinwesensberatung, das in Brandenburg die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus koordiniert. Er habe großen Respekt vor dem „demokratischen Engagement“ von etwa der Potsdamer Antifa, sagt Hülsemann. Doch würde ein Verfahren der „öffentlichen Zurschaustellung“ wie bei „Outing Potsdam“ in jedem Konflikt genutzt, könne schnell eine „Pogromstimmung“ entstehen – auch mit gewaltsamen Folgen. „Es könnte sich eine Energie aufschaukeln, die große Teile der Gesellschaft abschreckt und vom demokratischen Engagement gegen Rechtsextremismus abhält“, warnt Hülsemann.
Dies sehen die Programmierer der neuen Seite offenbar anders. „Mittels Recherchearbeit“ sei das Projekt ins Leben gerufen worden, „weil wir nicht länger zusehen wollen, wie sich rechtsextreme Strukturen in unserer Stadt und unseren Kiezen festigen“. Ziel sei es, „mit unserem Material eine Grundlage für antifaschistisch interessierte Menschen vor Ort zu schaffen und ihnen so eine intensivere Arbeit zu ermöglichen.“ Eine regelmäßige Aktualisierung der Seite „nach bestem Wissen“ wird ebenso angekündigt, dazu kommt ein Aufruf, selbst Material zu schicken: „Werdet kreativ und zeigt den Nazis in und um Potsdam was ihr von ihnen haltet! Fight Fascism!“
Nicht nur Rechtsextremismus-Experten wie Hülsebeck warnen vor solchen Aufrufen. Die Folgen solcher Veröffentlichungen – die auch schon rechte Gruppen gegen Linke eingesetzt hätten – seien schwer abzuschätzen, sagt Wolfgang Brandt. Er ist Sprecher beim Brandenburger Innenministerium, das dem Verfassungsschutz vorsteht. So habe es in Brandenburg bereits Beispiele gegeben, dass dem „Outing“ von Rechtsextremen auch Straftaten folgten: Erst im Mai habe das Auto eines „Geouteten“ in Frankfurt (Oder) gebrannt, nachdem dieser im März in einem Online-Magazin namentlich genannt wurde. Allerdings seien Internet-Outings ohne echte Gewaltaufrufe strafrechtlich ohne Relevanz. So bleibe es den auf „Outing Potsdam“ abgebildeten Personen vorbehalten, gegen die Betreiber wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten zivilrechtlich vorzugehen, so Brandt. Doch dazu müssten die Personen hinter „Outing Potsdam“ bekannt sein – jedoch fehlt auf der Seite jeder Hinweis auf eine persönliche Urheberschaft.
Unmöglich ist es auch herauszufinden, ob alle auf „Outing Potsdam“ abgebildeten Personen zum harten Kern der Potsdamer rechten Szene gehören oder eher Mitläufer sind – oder ob die Projektgruppe gar Unbeteiligte abgebildet hat. So finden sich auf der Seite schon wegen rechtsextremen Übergriffen bekannte Namen wie Tom S. oder Sebastian G. – allerdings auch bisher unbekannte Personen wie Dustin S. oder Julia M. Die aktuelle Zugehörigkeit zur Szene will das „Outing Potsdam“-Projekt dabei offenbar mit Fotos aus dem Umfeld von Neonazi-Aufmärschen im Jahr 2007 belegen – was aber zum Beispiel bei Dustin S. oder Julia M. nicht gelingt, weil die Aufnahmen entweder älter sind als ein Jahr oder keine belastenden Indizien über rechtsextremes Gedankengut enthalten. Verfassungsschutz und Polizei wollen sich über mögliche Fehler mit Verweis auf den Schutz persönlicher Daten nicht äußern. Rechtsextremismus-Experte Hülsemann kritisiert die öffentlichen „Markierungen“ bei „Outing Potsdam“ denn auch wegen möglicher Ungenauigkeiten: „Jungen Menschen, die sich gegenwärtig in der rechtsextremen Szene bewegen, werden so möglicherweise Rückkehrmöglichkeiten ins demokratische Spektrum verbaut.“
Dagegen kontert Lutz Boede als bekannter Stadtpolitiker der linksalternativen Fraktion Die Andere: Er lehne als bekennender Linker zwar Aktionen ab, die mit Angst und Einschüchterung arbeiteten – allerdings halte er das öffentliche „Outen“ für wichtig, um das Handeln von Rechtsextremen aus der Anonymität zu ziehen. Denn Neonazis seien heute nicht mehr an Äußerlichkeiten erkennbar. „Doch sind sie bekannt, können Bekannte und Nachbarn sie mit ihren rechtsextremen Aktivitäten konfrontieren – und wenn ich weiß, dass bei meinem Zahnarzt eine rechte Aktivistin arbeitet und Zugang zu meinen Patientendaten hat, kann ich mir einen neuen Doktor suchen.“
Villa Wildwuchs zieht in Innenstadt
Die Straßensozialarbeit mit Jugendlichen in Potsdam steht vor einem der größten Umbrüche ihrer Geschichte. Die Villa Wildwuchs, Heim der Sozialarbeiter des Diakonischen Werks Potsdam e.V., wird aufgegeben. Das Sozialarbeiter-Team zieht ins Erdgeschoss der Posthofstraße 9. Gleichzeitig hat Wildwuchs-Leiter Gunnar Schulz gekündigt, um künftig von Gewalt betroffene Menschen zu betreuen. Neben Schulz verlässt Stefan Dorn die Wildwuchs-Gruppe aus familiären Gründen. Für die Sozialarbeiter gibt es bereits Ersatz: Die neue Mitarbeiterin Mareen Müller hat gestern angefangen, die neue Leiterin Miriam Kieser beginnt im März. Dies bestätigte den PNN gestern Marcel Kankarowitsch, Chef des Diakonischen Werks Potsdam, das für die Straßensozialarbeit in der Stadt verantwortlich ist. „Auf dem Papier wird es keine Änderung unseres Auftrags zur Straßensozialarbeit geben, jedoch werden neue Mitarbeiter sicher neue Schwerpunkte setzen“, sagte Kankarowitsch. Besonders der Bereich Erlebnispädagogik solle gestärkt werden.
Mit dem bis jetzt gültigen Konzept arbeitet das Wildwuchs-Team unter dem Dach der Diakonie seit sieben Jahren. Im vergangenen Jahr hatte sich zumindest der Umzug weg von der sanierungsbedürftigen Villa Wildwuchs am Babelsberger Havelufer bereits abgezeichnet (PNN berichteten). „Trotz der Änderungen bleibt der Name gleich“, sagte Kankarowitsch. Ebenso sollten wesentliche Nebenprojekte der Wildwüchser wie der Fanladen des SV Babelsberg 03 in der Karl- Gruhl-Straße erhalten bleiben. „Über neue Projekte wird erst nach der Einarbeitungszeit entschieden“, so Kankarowitsch. Offen sei unter anderem, ob etwa die oft verwaiste Jugendaktionsfläche auf dem Bassinplatz mit in die Arbeit einbezogen werden könne.
Mit dem personellen Umbruch endet für den ehemaligen Wildwuchs-Chef Gunnar Schulz eine Ära – 19 Jahre war er in der Jugendsozialarbeit tätig. Unter anderem baute er das Jugendhaus „Oase“ auf Hermannswerder auf. Seit 2000 war er beim Wildwuchs-Team. „Trotz aller Erfolge haben wir auch Fehler gemacht“, so Schulz im Rückblick. So habe Wildwuchs für alle Jugendlichen in der Stadt gleichzeitig zuständig sein wollen – in Zukunft hoffe er, dass sich seine Nachfolger wieder mehr auf einzelne Gruppen konzentrieren könnten. Als Beispiel für die Konzentration auf einzelne Gruppen führt er die Arbeit von Waldemar Jungbluth mit russischsprachigen Jugendlichen an. „Er sieht die Jungen und Mädchen zum Teil fünfmal in der Woche – so können Vertrauen und dadurch auch Ergebnisse entstehen, als wenn wir jeden Tag einzeln verschiedenste Jugendgruppen anfahren“, so Schulz. Gleichzeitig seien die Erwartungen an Straßensozialarbeiter stetig gestiegen, die finanziellen Abhängigkeiten ebenso – damit sei für ihn letztlich die Entscheidung zum Neubeginn nötig geworden.
Schulz wird der sozialen Arbeit in Potsdam allerdings nicht verloren gehen: Er arbeitet nun in der Sellostraße 28 im Potsdamer Coachingzentrum des Schweizer Unternehmens Brainjoin, dass sich auf Stressprävention und Unfallverarbeitung spezialisiert hat. „Wir hoffen, diese Hilfe auch Menschen zukommen zu lassen, die über kein ausreichendes Einkommen verfügen“, so Schulz. Darüber würde zurzeit mit dem Jugendamt verhandelt. Das Engagement passt zu seinen Träumen einer besseren Welt: „Eine Sehnsucht ist noch lange nicht gestillt – die nach einem gerechten Miteinander, einer solidarischen Gemeinschaft, in der Visionen und Hoffnungen die Politik und Gesellschaft bestimmen – und nicht der Druck, sich selbst verwirklichen zu müssen.“
Randale und “Sieg-Heil-Rufe”
Am Sonntagabend besuchten acht Personen, darunter eine Frau, ein Restaurant in der Wriezener Straße. Im Laufe des Abends wurden die Gäste immer lauter, warfen Tischdekoration in einen Kamin und entkleideten sich teilweise komplett, so dass die Polizei verständigt wurde. Bei deren Eintreffen hatten sich vier Personen bereits entfernt. Die noch anwesenden vier Personen im Alter von 29 bis 40 Jahre waren erheblich alkoholisiert. Es erfolgte deren vorläufige Festnahme und ihre Verbringung in die Wache Strausberg, wo bei den vier polizeibekannten Tatverdächtigen jeweils eine Blutprobe entnommen wurde.
Nach derzeitigem Ermittlungsstand haben die Personen mehrfach “Sieg Heil” gerufen und angeblich von einem Handy rechtsgerichtete Musik abgespielt. Außerdem stellten die Beamten bei einer Person eine Gürtelschnalle mit einem Hakenkreuz fest. Im Rahmen der Ermittlungen wurde weiterhin bekannt, dass ein Tatverdächtiger die Gäste beleidigt hatte. Da ein Mann Widerstand gegen die polizeilichen Maßnahmen leistete, wurde gegen diesen eine Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gefertigt. Die Kriminalpolizei führt außerdem Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und wegen Beleidigung.
Noch vor knapp drei Monaten brüstete sich der Spreewalder Verband der
„Jungen Nationaldemokraten“ (JN, Jugendorganisation der NPD) in
diversen Foren und auf der Seite des Bundesvorstandes der JN mit
einer „gut besuchten Interessentenveranstaltung“, bei der nach
eigenen Angaben der Eintritt von 16 neuen „nationaldenkenden
Kameradinnen und Kameraden“ verzeichnet werden konnte. Seit einigen
Wochen ist die Internetseite der Spreewalder JN allerdings aus dem
Netz genommen. Die Domain ist nach wie vor auf
NPD-Bundesvorstandsmitglied Frank Schwerdt registriert – die
BesucherInnen der Website bekommen abder nur eine Fehlermeldung zu
sehen. Wie aus internen Stellungnahmen, die Inforiot vorliegen,
hervorgeht, hat der 18-jährige Forster Neonazi Sebastian Seidel, im
JN-Jargon „Stützpunktleiter“ genannt, alle Funktionen in der Partei
niedergelegt. Mit Datum vom 1. Dezember sei der „Stützpunkt“
aufgelöst worden und alle Mitglieder ausgetreten. Alt geworden sind
die „Jungen Nationaldemokraten“ in Südbrandenburg damit nicht,
schließlich hatte sich der „Stützpunkt“ erst im Frühjahr 2007
gegründet. Die Jugendorganisation der NPD verliert mit ihr die
einzige offizielle Dependance in Brandenburg.
Die Wahl von zwei Vertretern der „freien Kameradschaften“ (Norman
Bordin und Michael Schäfer) in den Bundesvorstand der JN im Oktober
scheint eine gewisse Rolle bei der nun erfolgten Selbstauflösung der
Spreewalder JN gespielt zu haben. Die Spreewälder JN hatte sich in
ihren Stellungnahmen teilweise betont von den Freien Kameradschaften
distanziert. Die aufgelöste Gruppe wandte sich nicht zuletzt gegen
die Offenheit gegenüber Jugend- und Subkulturen, wie sie NPD, JN und
„freie Kameradschaften“ an den Tag legen. Das sei „multikulti“ und in
ihrer Lesart nationalsozialistscher Theorie nicht akzeptabel. Selbst
das Verkleben von Aufklebern lehnten Teile der Gruppe aus dem
Brandenburger Süden ab, weil dies die Öffentlichkeit „verunstalte“.
Schon einmal ist die JN in Brandenburg an einem ähnlichen Punkt
zerbrochen: 2004 verließ der gesamte Landesverband um seinen
damaligen Chef Jens Pakleppa die Organisation um (zusammen mit weiten
Teilen des NPD-Landesverbandes eine neue Organisation zu gründen).
Die dann gegründete „Bewegung Neue Ordnung“ (BNO) ist inzwischen
Geschichte. Auch sie zeichnete eine Betonung völkischer Elemente in
Abgrenzung zu popkultureller Jugendkultur aus.
Nach Auflösung der JN Spreewald sind die „Jungen Nationaldemokraten“
nur noch mit zwei Mini-Ablegern im Land präsent. Die im Herbst
gegründete Oranienburger Ortsgruppe, die bisher vor allem durch die
Festnahme zweier Mitglieder bei einem Fackelmarsch auffiel, fällt mit ihren
drei Mitgliedern ebenso wenig ins Gewicht, wie die ebenso
personalschwache JN Oderberg.
Es bleibt abzuwarten, ob durch den JN-Absturz die Aufwärtsbewegung
bei der Brandenburger NPD in Stocken gerät – und ob und wie die
Spreewälder ex-JN-Aktiven weiter politisch aktiv bleiben.